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1 Einleitung

1.1 Inhalte der Arbeit

Ausgangspunkt der Darstellung ist die Arbeit von Maturana und Varela (2012): Dabei wird besonders auf das Buch „Der Baum der Erkenntnis“ Bezug genommen. Ausgehend von diesem, werden in Kap. 2 Prinzipien des Denkens in Kybernetik (Zirkularität, Autopoiesis etc.) formuliert und mit den Arbeiten von McCulloch, Bateson, von Foersters etc. verknüpft. Jene Überlegungen stellen den Beobachter in den Mittelpunkt der Erkenntnis, der über sein Tun subjektiv eine Vorstellung von dem gewinnt, was allgemein als Leben bezeichnet wird.

In Kap. 3 wird gezeigt, dass eine sich auf diese Weise erschließende Vorstellung – eine Idee des Beobachters von Realität – Ergebnis der Rekonstruktion von Realität ist, aus der sich auf rekursive Weise die Wirklichkeit des Beobachters immerwährend neu ausformt und in und durch die Sprache zum Ausdruck kommt1. Es wird auch gezeigt, dass dadurch – durch ein „Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein“ – Wirklichkeit bzw. die Idee von Realität zu einem sozial geteilten Phänomen wird, welches durch das Symbol sozial bindend und ethisch verpflichtend zum Ausdruck kommt. Um darauf dezidiert eingehen zu können nimmt die Arbeit Bezug auf Literatur der Kommunikationswissenschaften. Unter anderem auf das Buch „Die vermittelte Welt“ von Bernhard Pelzl (2011), das Mechanismen zwischenmenschlicher Vermittlungsprozesse beschreibt.

1 Anm.: Eine solch entsprechende Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit bezieht sich auf die von Heinz von Foerster und Ernst von Glasersfeld (2014, S. 122-123) in „Wie wir uns erfinden: Eine Autobiographie des radikalen Konstruktivismus“ beschriebene Differenzierung beider Begriffe.

In Kap. 4 und Kap. 5 werden u.a. die Möglichkeiten erläutert, den Mensch als „kybernetisches System“ zu denken. Es wird die Kybernetik als Logik zur Beobachtung sichtbar, welche beschreibt, wie das eine

Beobachtete (nämlich Leben) auf ein Ziel zusteuern kann, das es selbst determiniert. Der Mensch erscheint dabei als „Informationssystem“ das auf Basis der logischen Operatoren der Unterscheidung und der Entscheidung bzw. auf Basis des Prinzips der Resonanz steuert. Desweiteren werden dessen prinzipielle Möglichkeiten erläutert, sich in Zielen – seinen Bedürfnissen – lernend wiederzufinden und sich für diese zu entscheiden.

Von Kap. 6 ausgehend wird erläutert, wie der Prozess des Lernens des „kybernetischen Systems Mensch“

· als subjektiver, individueller und rekursiver Prozess,

· als integrierter Bestandteil von sozialer Interaktion,

· als eine individuelle Ethik konstituierend,

· und zu Nachhaltigkeit führend,

gedacht werden kann. Die Darstellung dessen erfolgt im Rahmen des von Bateson (1994) in „Ökologie des Geistes“ beschriebenen „vier-Stufenmodell des Lernens“. Es beschreibt formal den rekursiv organisierten individuellen Prozess des (kybernetischen) Lernens (aus dem sich die Wirklichkeit des beobachtenden Menschen ausformt) auf den Ebenen von „Lernen null“, „Lernen I“, „Lernen II“, „Lernen III“ und „Lernen IV“.

Diese „Lernformen“ werden wiedergegeben und mit Literatur aus den Wissenschaftsdisziplinen der

Pädagogik, der Entwicklungspsychologie und der Neuro- bzw. Kognitionswissenschaften erweitert. Auf diese Weise wird diese Arbeit einem interdisziplinaren Verständnis gerecht, das der Kybernetik „innewohnt“ und diese mit „Inhalt ausstattet“. Dem entsprechend wird in dieser Arbeit ein „Werkzeug zum Denken“ – ein konkretes kybernetisches Bewusstsein dargestellt.

Darin erschließt sich, so wird gezeigt, eine „ethische Konsequenz“, die Nachhaltigkeit einfordert, welche aus der konzeptuellen Unterscheidung des trivialen und des nichttrivialen Denkens hervorgeht und zugleich zu einer notwendigen Unterscheidung von Moral und Ethik führt. Um dies zu erläutern wird u.a. auf

„Understanding Understanding“ und „KybernEthik“ von von Foerster (2003 und 1993) eingegangen. Der kybernetische Prozess des Lernens bzw. die darin enthaltene ethische Konsequenz ist eng verbunden mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit: einer Nachhaltigkeit „erster“ und „zweiter Ordnung“, welche es dem Mensch bzw. der Menschheit ermöglicht, sich nachhaltig (unverändert verändert) immerwährend neu zu erfinden. Jene Zusammenhänge – die Idee einer „kybernetischen Nachhaltigkeit“ – wird in Kap. 7 erläutert.

Die nachhaltige lernende Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst bedeutet auch immer eine Begegnung mit dessen Emotionen bzw. Gefühlen: mit unangenehmen, wie auch angenehmen

Empfindungen – mit Ängsten, mit Wut und mit Trauer, aber auch mit Freude, einem empfinden von Glück und das verspüren von Liebe. Jene Mechanismen des Lernens bzw. die für den Menschen sich darbietenden Möglichkeiten des Lernens mit und über Emotionen bzw. Gefühlen werden über eine „psychophysiologische Perspektive“ dargestellt. Dabei wird u.a. auf „Biologische Psychologie“ von Niels Birbaumer und Robert F.

Schmidt (2006), auf „EQ: Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman (2011), auf „Alles fühlt: Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften“ von Andreas Weber (2014) Bezug genommen. Es wird

ersichtlich, das sich der Lernende Mensch im Fühlen bedingt: Lernen bedeutet Fühlen. Jener Zusammenhang wird ausführlich in Kap. 6.3 erläutert und findet sich selbstähnlich angewandt in den darauf folgenden Kapiteln wieder.

Diese Arbeit ist in diesem Sinn in der Kognitionswissenschaft beheimatet und versucht, die „Frage des Seins“

(der Ontologie), und die „Frage des Ziels“ (der Teleologie bzw. Teleonomie2) umfassend zu vereinen und zu lösen. Gerade durch die Bezugnahme der erwähnten Literatur soll das Modell des Lernens anschaulich, nachvollziehbar beziehungsweise nutzbar beschrieben werden und theoretisch validiert werden. Von der kybernetischen Konzeption ausgehend sollen die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden: Was ist lernen? Wie lernt der Mensch?

Mit dem „Praxiskapitel“ 8 wird die Absicht verfolgt, zu untersuchen, inwiefern das dargestellte kybernetische Modell von Lernen verallgemeinert werden kann. Hierzu wird auf „Reinventing

Organizations“ von Frederic Laloux (2015) Bezug genommen, welcher empirisch Strukturen, Prozesse, Praktiken und Kulturen zukunftsweisender „evolutionärer“ Organisationen (Wirtschaftsunternehmen, gemeinnützige Organisationen, eine Schule etc.) untersucht und in der Konzeption eines evolutionären Bewusstseins zusammenfasst. Die weitere praxisorientierte Ausarbeitung des Phänomens Lernen erfolgt in der Auseinandersetzung mit Sandra Krautwaschl. Sie hat nach der Premiere des Kinofilms „Plastic Planet“

von Werner Boote gemeinsam mit ihrer Familie beschlossen fast ohne Plastik zu leben. Das „Experiment“

dauert mittlerweile seit dem Jahr 2009 an und hat das Leben von Frau Krautwaschl und ihrer Familie auf bemerkenswerte Weise nachhaltig verändert. Bezugnehmend auf das von Krautwaschl (2012)

veröffentlichte Buch „Plastikfreie Zone: Wie meine Familie es schafft, fast ohne Plastik zu leben“, der Homepage „http://www.keinheimfuerplastik.at/“ und einem geführten Interview (siehe Anhang 11.4; B4) wird untersucht,

· inwiefern formulierte Ziele erreicht wurden und werden

· und wie das Lernen gemeinsam im Familienverbund gelungen ist.

Um nachhaltige päd-(agogische) Aspekte des Lernens zu untersuchen werden Konzepte des Lernens, wie auch praktische Erfahrungen des Lernzentrums des Colearning Wien (2016) untersucht. Dessen im

„Selbstexperiment“ angewandte und erforschte (Päd-)Agogik findet sich im Versuch wieder, „natürliches Lernen“ mit „bildendem Lernen“ und deren praktischen Anwendung zu verbinden. Vor allem durch geführte Interviews (siehe Anhang 11.4; B1, B2, B3) mit den Gründern des Colearning Wien soll das Phänomen der Nachhaltigkeit von Lernen in der Pädagogik untersucht werden. Bedeutend hierbei ist die Sichtbarmachung der Antworten auf die Frage, wann Information beziehungsweise Wissen „lebendig“ wird, also Wissen zu nachhaltigen Entscheidungen und nachhaltig veränderten Verhalten führt.

Diese Arbeit stützt sich im Zuge dessen auf eine umfassende Literaturrecherche (Quellen untersuchende Methode). Diese werden mit Interviews und Informationen aus Praxisbeispielen (empirische Methode), sowie mit Wissen aus anderen Disziplinen zusammengeführt (zusammenfassende Methode). Auf Basis dessen werden Möglichkeiten zur Verallgemeinerung erarbeitet und ein theoretisch/philosophisches in der Praxis anwendbares Modell des kybernetischen Lernens des Menschen entworfen.

2 Der Begriff der „Teleonomie“ geht auf Henri Atlans (1979) zurück, den er in „Entre le cristal et la fumée. Essai sur l'organisation du vivant“ beschreibt. Darin schlägt er vor, den Begriff der Teleologie mit dem der Teleonomie zu ersetzen. Letzterer beschreibt die Ursache bzw. das Zustandekommen des Ziels eines Systems ausgehend eines dem System „innewohnenden“ „Programms“ (der Struktur und Organisation des Systems), das die „Durchführung von Sequenzen aufeinander folgender Zustände festlegt“ (Miermont 2005, S. 268). Das Ziel eines Systems erscheint darin als intrinsische Größe eines Erklärungsmodells, die die Ontogenese des Systems konstituiert. Dies verhält sich im Gegensatz zum teleologischen Erklärungsmodell, in der der Zweck bzw. das Ziel eines Systems als extrinsische Größe vorangestellt wird und sich der Beobachter ein Erklärungsmodell konstruiert, welche die dazugehörige Ontogenese beschreiben muss.

Das in dieser Arbeit konstruierte Denkgebäude des kybernetischen Lernens des Menschen ist, so wird gezeigt werden, Ausgangspunkt einer Sinn machenden Auseinandersetzung mit der Auseinandersetzung mit dem Leben. Aus einer solchen „Auseinandersetzung zweiter Ordnung“ gehen nicht nur die der Kybernetik innewohnenden Ideen von „Zirkularität“ und „self-correction“ hervor, sondern es werden auch mit Sinn die Begrifflichkeiten des „Selbst-bewusst-Seins“, der „Selbst-Verantwortung“ und der „Selbst-bestimmt-heit“

erläutert – „in denen“ der Mensch auf die Prozesse seines eigenen Zustandekommens zurückgeworfen wird und ihn konsequent dazu auffordern sein eigenes Zustandekommen lernend zu verändern.