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Die Autonomie des Menschen: Motivation und neuronalen Plastizität im Nervensystem des

6 Lernen

6.3 Emotionale Entwicklung

6.3.11 Die Autonomie des Menschen: Motivation und neuronalen Plastizität im Nervensystem des

Dies beschreibt ein Sein bzw. eine Veränderung des Menschen auf der Ebene „Lernen III“, in der sich das

„Ich“ nichttrivial durch Unterscheidung und Entscheidung in der Auseinandersetzung mit der (Um)welt – dem Unbewussten und die sinnlich wahrnehmbare Welt – rekursiv, denkend und fühlend erfährt, was trivial bindende Mechanismen des „Ego“ auszuschließen vermag. Zudem verändert Lernen auf Ebene „Lernen I bis III“ „Lernen null“ und somit die Verhaltens- und Beobachtungsgewohnheiten des Menschen. Die

Motivationsforschung beschreibt die psychophysiologischen Bedingungen, welche Einfluss auf die sich durch

„Lernen III“ verändernden Annäherungsstrategien gegenüber Reizen der Umwelt haben: den „Prozess der Aktivierung und Auswahl von Motiven und der sie befriedigenden Handlungen“ (Oerter et al. 2008, S. 536).

Zwei stattfindende neuronale Prozesse im menschlichen Körper nehmen dabei besonderen Einfluss auf die Motivationsfähigkeit des Menschen: So findet

· im Rahmen des „Selektions(»gating«)-Effekt“ eine bewusste Selektion

· und durch den „Effekt der Langzeitpotenzierung“ die Potenzierung

von „Werten“ (wie z.B. Reize, Informationen oder Erinnerungen) statt. Beide beeinflussen die Lernprozesse des Menschen nachhaltig. Im Folgenden sollen die Effekte dargestellt werden und im Kontext einer

funktional neuronalen Betrachtung, deren Bedeutung für die Fähigkeit des Menschen sich zu motivieren, erläutert werden. Im Kontext dessen und Bezugnehmend auf Barbuto et al. (1998 und 2005), wird auch gezeigt, inwiefern sich Motivationsprozesse nach

· „intrinsichen“ bzw. ethischen

· oder „extrinsischen“ bzw. moralischen Maßstäben gestalten können.

Motive und Motivation

Die Motive – die der Motivation des Menschen meist zu Grunde liegen – sind dem Menschen „nur teilweise bewusst“, so Oerter et al. (2008, S. 537). Sie werden vor allem durch die „realen Lebenserfahrungen zu spezifischen Motiven und Interessen konkretisiert“ (Ebd.). Im Mittelpunkt einer solchen Konkretisierung steht das limbische und thalomokortikale Bewertungssystem des Menschen, welches Geschehnisse (Reize und Ereignisse) und Handlungsresultate „bezüglich ihrer Bedeutung für die Motivbefriedigung“ analysieren und den „Erfolg“ „über interne Gefühlsempfindungen“ signalisieren (Birbaumer et al. 2006, S. 594).

Erfolgreiche Situationen werden als „lustvoll erlebt und deshalb wiederholt aufgesucht“, wodurch

Emotionen und Gefühle eine „handlungsregulierende Funktion“ einnehmen (Ebd.). Birbaumer (2015, S. 25) findet hierzu die folgende Formulierung:

„Unser Gehirn prüft permanent, ob unsere Aktionen den gewünschten Effekt haben, ob sie uns einen Gewinn bringen (Anerkennung, Erfolg, Reichtum, Prestige, Liebe), und wenn dem so ist, werden sie wiederholt; und wenn nicht, dann werden sie beizeiten abgestellt. Das hat in der Natur zum Überleben beigetragen.“

Dem fügt er hinzu:

„Aber ein »tieferer« Sinn steckt nicht dahinter. Wer aus seinem Funktionieren in bestimmten Situationen den Schluss zieht, dass eben diese Handlungsweise zu seinem persönlichen Wesen gehört, der irrt“ (Ebd.).

Zwei „Grundthesen“ lassen sich Birbaumer (2015, S. 27) zufolge für die funktionale Beziehung zwischen der Auswahl von Motiven und der sie befriedigenden Handlungen formulieren:

· „Das Gehirn ist offen für alles, sofern es nur einen erwünschten Effekt bringt.“

· „Das Gehirn will Effekte, die als emotional positiv bewertet wurden.“

Das Empfinden von Wohlempfinden (Prä-Emotion), Freude (Basisemotion), Heiterkeit, Zufriedenheit (primär kognitive Emotionen), Liebe, Glück (sekundär kognitive Emotion) etc. steht dabei im Mittelpunkt des

menschlichen Seins, konstituieren bzw. beschreiben dessen Bedürfnisse und haben erheblichen Einfluss auf die Motivationsfähigkeit des Menschen. Konkret beeinflussen sie dessen Motivationsfähigkeit vor allem in Hinsicht ihrer Intensität (bspw. wie stark, kräftig oder gründlich Prozesse ausgeführt werden bzw. Lernen auf den Ebenen „Lernen I bis III“ stattfindet) und der zugrunde liegenden Ausdauer (Stangl 2016c). Die Ausdauer wird mit der Eigenschaft der Willenskraft (auch Volition) des Menschen beschrieben. Ihr kommt große Bedeutung zu, da durch sie Motive, konkrete Ziele, wie Bedürfnisse „auch gegen emotionale Widerstände und konkurrierende Motive“ realisiert werden können (Oerter et al. 2008, S. 536). So lassen sich vor allem längerfristige Ziele ohne Willenskraft bzw. dem bewussten Umgang mit Emotionen und Gefühlen (u.a. Kap. 5.5, Kap. 6.3.9 und Kap. 6.3.10) nicht erreichen (Ebd.).

Die Willenskraft wird vor allem durch den Präfrontalkortex (Verstand) gesteuert, welcher das Vermögen besitzt Signalreize zu erfassen, zu strukturieren und Verhalten einem Ziel entsprechend abzuleiten (Roth 2003). Auf die sich daraus konstituierende „Zielhierarchie“ nehmen vor allem rückwirkend (rekursiv) Dopaminneuronen durch „die Modifikation von Zielhierarchien im Präfrontalkortex“ Einfluss (Birbaumer et al. 2006, S. 617). Diese haben nämlich die Eigenschaft ihre „Feuerrate in Abhängigkeit vom Belohnungs-Vorhersagewert (»reward-prediction error«)“ zu ändern: Ist die über die Zielhierarchie definierte

„Belohnung größer als erwartet, erhöht sich die Feuerrate, ist sie kleiner, erniedrigen sich diese“ (Ebd.). Auf diese Weise wird dem Präfrontalkortex mitgeteilt, ob dieser das Ziel erreicht hat bzw. ob dieser seine Zielhierarchie verändern muss: Der Präfrontalkortex „modifiziert“ so (mit Hilfe der Dopaminneuronen)

„seine Zielerwartungen und steuert“ (gemeinsam mit den Basalganglien101) „Einprägung und Auswahl der belohnten Handlungen“ (Ebd.)102. Bedeutend hierbei ist, dass der Präfrontalkortex erst nach dem

Dopaminsignal ankommende Informationen verarbeitet. Dies wird mit dem Selektions(»gating«)-Effekt beschrieben (Ebd.). In diesem Zusammenhang merken Beck et al. (2016, S. 200) passend an:

„Der entscheidende Schritt, um glücklich zu sein, ist daher, die Erwartungen zu dämpfen. Denn nichts macht uns glücklicher als die positive Überraschung.“

Erwartungen und das Wiedererkennen von bereits Erlerntem haben zudem Bedeutung bei der Bildung neuer Gedächtnisinhalte. Dies ist vor allem auf die Beziehung zwischen dem Präfrontalkortex und dem Hippokampus zurückzuführen, wobei der Präfrontalkortex den Input vom Hippokampus in Abhängigkeit von der Wiedererkennung eines selbstähnlichen Wertes positiv beeinflusst. Dem liegt der Effekt der

Langzeitpotenzierung zugrunde, welcher eine veränderte Sensibilität der Zellen entlang einer Nervenbahn beschreibt, sofern diese regelmäßig stimuliert wird (Anderson 2007, S. 225-226). Die Sensibilisierung der Nervenzellen nimmt dabei mit jeder Stimulation zu – dessen Effekt nimmt (entsprechend einer begrenzten

101 Anm.: „Die Basalganglien setzen die Bewegungspläne aus dem assoziativen Kortex in Bewegungsprogramme, also in zeitlich und räumlich organisierte Impulsmuster um. Sie regulieren dabei die kortikalen Erregungsschwellen und greifen damit in die Steuerung von Bewusstsein und Aufmerksamkeit ein“ (Birbaumer et al. 2006, S. 280).

102 Birbaumer et al. (2006, S. 617) merken hierzu an: „Bei der Schizophrenie ist dieser Effekt durch Überaktivität des Dopaminsystems gestört, jeder Wert wird wichtig und ändert die Zielhierarchie.“

Wachstumsfunktion) jedoch immer langsamer ab. Eine solche Aktivierung im Präfrontalkortex führt über die Langzeitpotenzierung im Hippokampus zur Bildung und Stärkung von Erinnerungen (Ebd., S. 228-229).

Die Autonomie des Menschen

Die bewusste Selektion (bspw. durch den Selektions(»gating«)-Effekt) und Potenzierung (bspw. durch den Effekt der Langzeitpotenzierung) von Werten (Reize, Informationen, Erinnerungen etc.) sind folglich wesentliche Funktionen des Menschen um sein psychophysiologisches Gleichgewicht (auch Homöostase) herzustellen (vgl. Beck et al. 2016, S. 200). Sie erlauben es dem Menschen im Rahmen dessen Autopoiesis sich autonom von Umwelteinflüssen zu motivieren und zu steuern (– einen Eigenwert anzunehmen; Kap.

5.2): unabhängig von erlerntem Furchtverhalten, empfundener Prä-Emotionen und Basisemotionen, Triebe (wie Hunger, Durst, Sexualität), etc. (Ebd.). Dabei bedingt der Mensch sich in den bewussten Prozessen des somatischen Nervensystems103, wie auch in den Prozessen des vegetativen Nervensystems. Auf Letzteres hat der Mensch nur indirekt Einfluss: So steuert dieser in der bewussten Auseinandersetzung mit seiner

(Um)welt über das thalamokortikale Bewertungssystem die Prozesse des somatischen Nervensystem (Wahrnehmung, Bewegung etc.) und kann so bspw. durch bewusstes

· Denken (z.B. positive oder negative Gedanken)

· und Handeln (wie etwa verändertes Atmen oder Bewegungsübungen),

Vorgänge im vegetativen Nervensystem (Herzschlag, Verdauung, Schlafrhythmus104, Hormonsystem etc.) indirekt verändern. Das bewusste somatische Nervensystem kann dementsprechend als ein

„Sonderbelohnungssystem“ beschrieben werden, das weitgehend unabhängig von überlebenswichtigen Bedürfnissen, welche durch das Belohnungs- bzw. Motivationssystem des vegetativen Nervensystems konstituiert werden, zur Aktivierung und Auswahl von Motiven und der sie befriedigenden Handlungen beitragen (Beck et al. 2016, S. 200). Dabei haben neben dem Neurotransmitter Dopamin zahlreiche andere Substanzen (wie z.B.: Noradrenalin, Opiate, Sedativa, Serotonin, Kannaboide etc.) direkten, wie indirekten Einfluss auf die Entwicklung des Nerven- und Hirngewebes – und so auf die neuronale Plastizität bzw. das Lernen des Menschen (Birbaumer et al. 2006, S. 614).

Neuronale Plastizität

Der Begriff der neuronalen Plastizität beschreiben Karnath et al. (2012, S. 722) als einen dynamischen und selbstorganisierenden Anpassungsprozess des menschlichen Nervensystems an eine sich verändernde Umwelt. Eine sich dabei verändernde Entwicklung des Nerven- und Hirngewebes findet grundsätzlich in sechs Entwicklungsschritte statt (Abbildung 23): Der a) Neurogenese (Zellteilung in der Mitose), der b) Zellmigration105 (Zellen wandern an Bestimmungsorte), der c) Differenzierung der Zellen in verschiedene Neuronentypen, der d) Synaptogenese (Erweiterung der Axone und Dendrite und Ausbildung der Synapsen),

103 Auch animalische Nervensystem. Regelt „nahezu alles, was wir bewusst erleben und steuern können“ (Beck et al.

2016, S. 200) – insbesondere die Beziehung des Organismus zur Außenwelt (Duden 2002, S. 262). „Es steuert die Skelettmuskeln an, sodass wir uns willentlich bewegen. Und wenn wir auf eine heiße Herdplatte fassen, bekommen wir die Hitze und den folgenden Schmerz sehr schnell mit, denn bewusste Empfindungen werden ebenfalls vom

somatischen Nervensystem vermittelt“ (Beck et al. 2016, S. 200).

104 Schlaf hat bspw. erheblichen Einfluss auf die Tätigkeit des Hippokampus: So werden im REM-Schlaf kortikale Repräsentationen bestimmter Situation neu verkettet, was Gesamtsituationen in einem neuen Licht erscheinen lassen und sich vermeintlich wiedersprechende bzw. chaotisch empfundene Situationen über das Schlafen klären können (Birbaumer et al. 2006, S. 634).

105 Anm.: Bei der Zellmigration „kriechen“ die Zellen auf vorgeformte Gliasträngen „in Richtung der Zielzone, dem späteren Kern oder Zentrum“ der Nervenzelle (Birbaumer et al. 2006, S. 604).

der e) Neuronale Zelltod (Absterben überflüssiger Nervenzellen) und der f) Neubildung bzw. der Verlust von Synapsen (Birbaumer et al. 2006, S. 604).

Konkret bedingt sich die neuronale Plastizität des Menschen in den molekulargenetischen Bedingungen und der „sensorischen und motorischen Stimulation durch […] Umweltreize“ (Birbaumer et al. 2006, S. 605).

Letztere haben vor allem während der ersten beiden Lebensjahre erheblichen Einfluss auf die „Lernfähigkeit und Intelligenz“ des Menschen (Birbaumer et al. 2006, S. 605). So verursachen adäquate Umweltreize eine gleichzeitige Aktivierung von Synapsen, welche sich dadurch miteinander d) verbinden (Hebb-Regel). Auf einen solchen Prozess hat vor allem der motivationale Zustand (Prozess der Langzeitpotenzierung im Präfrontalkortex und Hippokampus) und das Schlafverhalten (Prozesse im Hippokampus) des Menschen erheblichen Einfluss (Ebd., S. 606). Alle Synapsen welche, sich durch fehlende Umweltreize nicht

miteinander verbunden haben (je nach Region zwischen 20 bis 80 %) sterben (vor allem „vor oder kurz nach der Geburt“) ab (Birbaumer et al. 2006, S. 605-606)106. Die sich dadurch ausbildende Struktur des Nerven- und Hirngewebes nimmt dann mitsamt Umweltreize wiederum Einfluss auf neuronale

Entwicklungsprozesse: So wird der c) Differenzieungsprozess einer jeden Zelle zwar durch dessen Erbgut determiniert, ist aber vor allem von den Aktivitätsveränderungen der Nachbarzellen abhängig (Ebd.). Dabei zeigt sich, dass „nicht die blank daliegende genetische Information, sondern das Netzwerk entscheidet, welcher Mechanismus entsteht“ (Weber 2014, S. 60). Die Plastizität des menschlichen Nervensystems zeigt sich dabei auch innerhalb der Zelle und des darin enthaltenen Erbguts, so Birbaumer (2015, S. 40): „Noch vor wenigen Jahren glaubte man, dass der genetische Apparat feststeht und immer wieder dieselben Signale produziert. Doch mittlerweile weiß man, dass er durch äußere Einflüsse veränderbar ist.“

Ein solcher Wachstumsprozess des „biologischen Lebens“ bzw. des Nervensystems des Menschen folgt

„dem Prinzip, dass jeder Teil eines Körpers mit allen anderen in intimer Wechselwirkung steht“, so Weber (2014, S. 62):

„Lebewesen bringen neue Formen hervor, ohne darauf programmiert zu sein, allein weil jeder der beteiligten Prozesse in einer begrenzten Autonomie stattfindet, die zugleich mit dem Rest verflochten ist. Verwandelt sich ein Teil – im Rahmen dessen, was Leben zulässt –, ändert sich alles andere mit“107.

106 Dem fügt Birbaumer et al. (2006, S. 606) hinzu: „Sowohl unter genetischen Einfluss, aber vor allem unter dem Einfluss der Stimulation aus der Umwelt sterben große Teile von Zellen und Synapsen in der Entwicklung ab und begünstigen damit die Eliminierung »überflüssiger« Grobverbindungen . Das Absterben (Apoptose) wird durch Neurotrophine verhindert, die unter genetischen Einfluss stehen und aktivitätsabhängig produziert werden.“

107 Dem fügt Weber (2014, S. 59) noch hinzu: „Derart mit sich selbst verwoben, entspricht der ganze Organismus weniger einer Industrieanlage mit verschiedenen begrenzten Prozessbereichen. Er ähnelt eher einem elektrischen oder magnetischen Feld.“

Abbildung 23: Entwicklungsschritte des Nervensystems

Quelle: Birbaumer et al. 2006, S. 604

Die in der postnatalen Entwicklung stattfindenden Lernprozesse bauen dabei auf die, in den ersten beiden Lebensjahren konstituierten Struktur des Nerven-und Hirngewebes auf. Lernen vermag diese weiter zu verändern: So wird vor allem durch

· eine Erweiterung der Verzweigung und Verdickung der Dendrite

· und eine Zunahme der Zahl der Synapsen

„die Komplexität im Kortex“ des Menschen erhöht (Birbaumer et al. 2006, S. 605):

„Man stelle sich das Gehirn deswegen niemals als fertiges Organ vor, das eine ganz bestimmte Struktur sein Leben lang aufrechterhält (wie beispielsweise das Herz oder die Lunge). Das Gehirn verändert nämlich seine feine Architektur zwischen den Nervenzellen permanent, und das ist auch der Grund dafür, dass wir Neues lernen können“ (Beck et al. 2016, S. 210).

„Jede neue Information, jeder Sinneseindruck sorgt in unserem Gehirn dafür, dass die Nervenzellen auf eine ganz bestimmte Art erregt werden. Wenn viele Millionen Nervenzellen in einem Netzwerk ein solches Aktivitätsmuster erzeugen, dann ist genau dieses Muster der Gedanke, den wir gerade denken“ (Ebd.).

Solche Aktivitätsmuster bestehen dementsprechend immer nur vorübergehend (Anderson 2007, S. 23).

Dabei „nimmt man an“, so Anderson (2007, S. 23), dass „Gedächtnisinhalte durch Veränderungen der

synaptischen Verbindungen zwischen Neuronen kodiert werden.“ Diese repräsentieren die Prägung108 und das erzeugte Langzeitgedächtnisses im Nervensystem des Menschen. Bedeutend ist, dass „nichts gelöscht, sondern allenfalls überschrieben, verändert und modifiziert“ werden kann (Birbaumer 2016, S. 40):

„Wer einmal Radfahren, Schwimmen oder Klavierspielen gelernt hat und anschließend nicht mehr dazu gekommen ist, wird zumindest anfangs viel besser in diesen Aktivitäten sein als jemand, der sie neu erlenen muss. Denn die entsprechenden neuronalen Verbindungen sind noch da, sie müssen nur wieder freigelegt und aktiviert werden.“

Auf solche Weise konstituiert sich die „herausragende Plastizität des Gehirns“, die sich bis ins späte Erwachsenenalter fortsetzen kann (Ebd., S. 28). Die Plastizität ist dabei nicht nur Ausdruck des Flexibilitätsvermögens des menschlichen Organismus, sondern auch Ausdruck von Stabilität, dessen Grundlage bereits in der pränatalen und frühen postnatalen Phase gelegt wird.

Extrinsische und intrinsische Motivation

In „Understanding Understanding“ schreibt von Foerster (2003, S. 244): „The nervous system as a whole is organized in such a way (organizes itself in such away) that it computes a stable reality.” Dabei ist von Bedeutung, dass die Wirklichkeit des Menschen, den motivationalen Lernprozessen der

„gedächtnisrelevanten Areale des Vorderhirns (Kortex, Hippokampus)“ und den „»emotionalen« limbischen Regionen (z.B. Amygdala)“ zugrunde liegt – und sich aus zwei „Dimensionen der Motivation“ konstituieren kann (Birbaumer et al. 2006, S. 606):

· Die „moralische“ – extrinsische – Motivationsdimension eröffnet sich aus den ausschließlichen Prozessen von „Lernen null bis II“.

· Die „ethische“ – intrinsische – Motivationsdimension konstituiert sich mit Hilfe von „Lernen null bis II“ und eröffnet bzw. impliziert Lernen der Ebene „Lernen III“.

Barbuto et al. (2014, S. 5-6) zeigen, dass der intrinsische bzw. ethische Charakter der „Ich“-autonomen Prozesse, wie sie im Rahmen eines „Lernen III“ stattfinden, einer „Prozessmotivation“ (e. „Intrinsic Process Motivation“) und einem „internem Selbstverständnis“ (e. „Internal Self Concept“) des Menschen zugrunde liegen. Diese unterscheiden sich, so Barbuto et al. (2014, S. 5-6) weiter, von den ausschließlich durch

„Lernen null bis II“ zugrunde liegenden extrinsischen bzw. moralischen Motivationsformen, welche einer

„instrumentellen Motivation“, einem „externen Selbstverständnis“ und der „Internalisierung von Zielen“

zugrunde liegen. Jene Motivationsformen beschreiben Barbuto et al. (1998, 2014) im Detail wie folgt:

· Instrumentelle Motivation (e. „Instrumental Motivation“): Das „Ich“ orientiert sich bei der Auswahl eines Motivs an eine mögliche Belohnung durch das soziale Netzwerk. Bspw. möchte der Schüler gute Noten schreiben, um auf eine weiterführende Schule gehen zu können, möchte der Verkäufer seinen Umsatz steigern, um befördert zu werden oder möchte der Schwimmer besonders schnell sein um eine Medaille für sein Land zu gewinnen. Barbuto et al. (1998, S. 1012) ordnen der instrumentellen Motivation das Bedürfnis nach Macht zu (Machtmotiv).

· Externes Selbstverständnis (e. „External Self Concept“): Das Motiv des Menschen ist, ein „Ich“

auszubilden bzw. eine Rolle einzunehmen, die den Erwartungen des sozialen Netzwerks entspricht.

So will bspw. ein Schüler einer Gruppe zugehören und gebärdet sich dementsprechend, der Verkäufer verhält sich entsprechend der Unternehmenskultur oder der Soldat übernimmt jene

108 Verhaltensmuster, das in einem bestimmten Zeitraum (sensible Phase) erlernt wird. Die Prägung „ist unwiderruflich, kann also nicht rückgängig gemacht werden“ (Duden 2002, S. 296).

Aufgaben, die ihm befehlt werden. Dem externen Selbstverständnisses ordnen Barbuto et al. (1998, S. 1013) dem Bedürfnis zu, dazu gehören zu wollen (Zugehörigkeitsmotiv).

· Internalisierung von Zielen (e. „Goal Internalisation“): Der Mensch passt seine Ziele, jenen des sozialen Netzwerks an. Bspw. versucht der Schüler besonders gute Noten zu erzielen, weil das Lehrer oder Eltern so wollen, will der Angestellte die vorgegebenen Aufgaben des Arbeitgebers erfüllen oder der Schwimmer Bestzeit schwimmen, weil der Schwimmverband das von ihm so möchte. Der Internalisierung von Zielen ordnen Barbuto et al. (1998, S. 1014) dem Bedürfnis der Zugehörigkeit (Zugehörigkeitsmotiv) und dem Bedürfnis, Leistung erbringen zu wollen

(Leistungsmotiv) zu.

Extrinsische Motive fördern dementsprechend eine Ökologie der Ideen, die sich entsprechend

gesellschaftlicher Motive moralisch ausdifferenzieren. Intrinsische Motive werden hingegen ausschließlich entsprechend der eigenen Bedürfnisse des Menschen rekursiv durch dessen Verstand und Vernunft, angewandt auf das „Selbst“ (das unbewusste limbische Bewertungssystem bzw. dem Körper des Menschen), ausgeformt:

· Dies geschieht zum Einen durch ein internes Selbstkonzept (e. „Internal Self Concept“): Dieses konstituiert sich aus der „challenge of task completion and an internal drive to meet self-authored standards of performance“ (Barbuto et al. 2005, S. 5). Dem liegen unbewusste, wie bewusste Gründe bzw. Werte und Idealvorstellungen des Menschen zugrunde, welche dessen „Ich“, diese auf selbstähnliche Weise erfahren und erleben lassen. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Schüler etwas konkretes Verstehen will, um seinem Anspruch verstehen zu wollen, Genüge zu tun oder wenn der Angestellte zu einem angenehmen Büroklima beiträgt, weil ihm dies viel bedeutet. Dem internen Selbstkonzept ordnet Barbuto et al. (1998, S. 1014) das Bedürfnis zu, eine konkrete Leistung erbringen zu wollen (Leistungsmotivation).

· Interne Prozessmotivation (e. „Intrinsic Processmozivation“): Intrinsische Motive leiten sich entsprechend Barbuto et al. (1998, S. 1012) aus einem Tun des Menschen ab, das er um seines selbst Willen tut: „Intrinsic Process emphasizes the process of doing the task, not the outcome of completing it” (Barbuto et al. 2005, S. 5). So lernt der Schüler, weil es ihn interessiert, der

Angestellte führt seine Arbeit aus, weil er Sinn darin sieht und der Schwimmer dreht Bahn um Bahn, weil er einfach nicht aufhören möchte. Die interne Prozessmotivation bedingt sich

dementsprechend in einem Tun, das frei von jeglicher Bewertung des „Ich“ ist.

Zusammenfassung

„Lernen III“ impliziert dementsprechend, dass der Mensch sich in der Auseinandersetzung mit dem

Unbekannten und Unbewussten selbst (intrinsisch) motivieren kann: Das dazu nötige „Ich“ findet sich dabei in einem internen Selbstkonzept wieder, das sich alleinig im Ziel – der Transzendenz zum „Selbst“

wiederfinden möchte. Dies stellt dessen Aufgabe und eigenen Anspruch dar. Ist dieses Ziel erreicht (Kap.

5.5), hat sich das „Ich“ in das „Selbst“ transzendiert und agiert darin Wertfrei: einem Zustand der Selbstverständlichkeit,

· der die Selbstbezüglichkeit des „Ich“ zu den Formen der Welt bzw. zu dessen sozialen Netzwerk verändern und aufzulösen vermag (Veränderung des Selbstkonzepts).

· der dem Mensch erlaubt, sich in seiner Sprache wiederzufinden und diese neu auszuformulieren (in der Ethik bzw. Bewusst-Sein Moral negiert).

Dies verändert „Lernen null bis II“ und beinhält,

· den Entschluss und das Ziel des Menschen, zu lieben und in Liebe zu sein – das Erfüllen seiner Bedürfnisse.

· dass sich ein Daseinsraum für das Nichttriviale der Formen der Welt, das persönlich Unbewusste und kollektiv Unbewusste öffnet (Individuation durch „Lernen null bis II“, was das „Ich“ verändert und das „Ego“ auflöst).