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Die Vermeidung kommunaler Haushaltsbelastungen: Das Beispiel Kassel Unterneustadt

Im Dokument Public Private Partnership (Seite 185-189)

Fünftes Kapitel: Die Leistungsprogrammstrategien von PPP

D. Die Projekt-Konzeptionsstrategien I. Ein Überblick

II. Die Gewinn- und Kostendeckungsstrategien 1. Die Konzeption eines tragfähigen Projektes

2. Die Vermeidung kommunaler Haushaltsbelastungen: Das Beispiel Kassel Unterneustadt

In Kassel sah die Ausgangssituation vor der Projektrealisierung im Sanierungsgebiet Unterneustadt wie folgt aus:72

Bei dem Bebauungsgebiet handelt es sich um eine Nettofläche von 48.230 qm, die in unmittelbarer Nähe zur Kasseler Innenstadt an der Fulda gelegen ist. Das Gebiet ist im 2.

Weltkrieg zerstört worden und dient heute als Messeplatz und Parkanlage.

Städtebaulich handelt es sich um ein sehr ehrgeiziges Projekt, das zum einen die alten städtebaulichen Bezüge wiederherstellen, zum anderen attraktiven Wohnraum in stadt-zentraler Lage bieten soll. Die wohnungswirtschaftliche Nutzung wird ergänzt durch einen entsprechenden Anteil an Dienstleistungen und Einzelhandel. Insgesamt können rund 100.000 qm Bruttogeschoßfläche auf dem Gelände errichtet werden.

Das gesamte Gebiet befindet sich im Besitz der Stadt Kassel. Die Stadt strebt eine mindestens "haushaltsneutrale Lösung" an, bei der lediglich der Wert von Grund und Boden in das Projekt eingebracht wird. Allerdings ist sie daran interessiert, daß aus den Überschüssen des Projektes Teile der erforderlichen Infrastruktur mitfinanziert werden.

Der private Partner im Projekt, die Bavaria Objekt und Baubetreuung GmbH, hat im Hinblick auf diese Ziele eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt. Auf Grundlage der vorgegebenen Flächenanteile für die einzelnen Nutzungen wurden die von der Stadt zu erzielenden Grundstückserlöse im Residualverfahren kalkuliert.

Als Beispiel ist in Übersicht 5.6 die Kalkulation der Dienstleistungsflächen (ober-geschossig) aufgeführt. Für die anderen Nutzungsarten, d. s. Sozialer Mietwohnungsbau (1.

Förderweg), Mietwohnungsbau (4. Förderweg), Eigentumswohnungen und Ladenflächen (erdgeschossig) wurden entsprechende Rechnungen durchgeführt, anschließend die Werte mit den jeweiligen Nettonutzungsflächen der Nutzungsart multipliziert.73 Dabei wurden einige Optimierungen und Konkretisierungen im Vergleich zu den von der Stadt ursprünglich vorgesehenen Nutzungsanteilen vorgenommen:

Die von der Stadt undifferenziert vorgesehenen qm WF für den geförderten Miet-wohnungsbau wurden zu rund 2/3 als MietMiet-wohnungsbau des 4. Förderweges deklariert, da die ausschließliche Nutzung als sozialer Mietwohnungsbau die Kalkulation ausgesprochen

72

Die folgenden Ausführungen basieren auf Gesprächen mit und Unterlagen von Herrn Jochum, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung Kassel, Gespräch am 01. Februar 1995 in Kassel, und Herrn Jürgen

7 3 Erbach, Bavaria Objekt und Baubetreuung GmbH, Berlin und Köln, Gespräch am 11. März 1995 in Köln.

Bei der Umrechnung der BGF in Wohnfläche bzw. Geschäftsfläche wurden Relationen von 1,28 : 1 bzw.

1,18 : 1 herangezogen.

nachteilig beeinflußt hätte. Der von der Stadt geplante Anteil an Dienstleistungsflächen wurde um rund 1/3 zugunsten des Anteils an Eigentumswohnungen verkleinert, da die wirtschaftliche Verwertung der Obergeschoßbebauungen im Gewerbebereich als proble-matisch befunden wurde.

Übersicht 5.6: Projekt-Kalkulation im Residualverfahren (Praxisbeispiel)

Kassel-Unterneustadt

Kalkulation Dienstleistungsflächen

-durchschnittlich erzielbare Miete pro qm NGF DM 20,- /qm NGF Verkaufspreis

15 x Jahresmiete

(nach Abzug von Vertriebskosten) DM 3.600,-- /qm NGF

./. Bauzeitenzinsen DM 170,- /qm NGF

./. Bau- und Baunebenkosten DM 2.600,-- /qm NGF

./. Stellplatzkosten Tiefgarage DM 150,-- /qm NGF unrentierlicher Teil

(1 TG-Platz/40 qm NGF)

./. Risiko/Gewinn (12 %) DM 432,-- /qm NGF

Grundstücksanteil DM 248,-- /qm NGF

Quelle: Bavaria Objekt und Baubetreuung GmbH, Berlin und Köln.

Von der sich aus der Addition der Erlöse pro Nutzungsart ergebenden Gesamterlössumme wurden alle Kosten in Abzug gebracht, die der Stadt selbst durch die Planung und Durchführung der Infrastrukturmaßnahmen entstehen.74 Diese Kosten mußten nicht in voller Höhe veranschlagt werden, da für das Projekt öffentliche Fördermittel zur Verfügung stehen. Es verbleibt ein Überschuß, der den fiktiv veranschlagten Grundstücks-wert in Höhe von 4,5 Mio. DM um mehr als das Doppelte übersteigt.75

Selbst wenn man davon ausgeht, daß die tatsächlich erzielbaren Umsätze und die tatsächlich entstehenden Kosten sich im Vergleich zu den Kalkulationswerten negativ entwickeln, erscheint der gegebene Spielraum den Beteiligten als ausreichend groß, um eine Inanspruchnahme von städtischen Mitteln über das Grundvermögen hinaus aus-schließen zu können.

74

Dabei handelt es sich um Kosten der Verlagerung der bisherigen Nutzungen (Messe, Verkehrsschulgarten), der Umlegung der Versorgungsleitungen und der Erschließung, des Umbaus von Straßen und der

Fuß-75 gängerbrücke, der Beseitigung von Bodenverunreinigungen sowie der Planung und Zwischenfinanzierung.

Auf genaue Zahlenangaben wird aus Vertraulichkeitsgründen verzichtet.

Kapitel 5: Die Leistungsprogrammstratepien von PPP Seite 167

E. Ausgewählte Problembearbeitungsstrategien

I. Ein Überblick

In der Projektentwicklung gibt es bestimmte Probleme, denen aufgrund ihrer aktuellen, 'zeitgeistigen'und/oder künftig zu erwartenden Bedeutung besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die neu aufgegriffenen Probleme können in das klassische Strategieraster der Marktbearbeitungs- und Kostenstrategien einerseits und der Managementstrategien andererseits nicht befriedigend eingeordnet werden, da sie eher darauf zielen, neuartige Formen des ganzheitlichen Denkens in die Projektentwicklung zu tragen. Einige der Probleme sind auf die zunehmende ökologische und sozialpolitische Sensibilität in der Gesellschaft zurückzuführen; andere resultieren aus der zunehmenden Komplexität der Bauvorhaben und dem steigenden Kosten- und Termindruck. Die Problembewältigungs-strategien setzen an erfolgskritischen Stellen im Entwicklungsprozeß an, um gezielt Verbesserungen zu initiieren, und haben als Modekonzepte auch eine nicht zu unter-schätzende psychologische Bedeutung.76

Die PPP, verstanden als Leitbild einer frühzeitigen, interessen-koordinierenden Zu-sammenarbeit zwischen Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors, stellt selbst eine solche Problemlösestrategie zur Verbesserung der Entscheidungsabläufe und Entschei-dungsergebnisse dar. Andere Konzepte, die mit einer Neudefinition von Problem-perspektiven einhergehen, sind:77

- die Ökologiestrategien,

- die Qualitätssicherungsstrategien, - die Projektcontrollingstrategien,78

- die Informationsmanagementstrategien, - die umfeldbezogenen Akzeptanzstrategien.

Vgl. ähnlich Tietz, Bruno: Zukunftsstrategien für Handelsunternehmen, (Deutscher Fachverlag) Frankfurt

7 7 a. M. 1993, S. 727 f.

Vgl. zu den Konzepten im einzelnen Diederichs, Claus-Jürgen: Stand von Forschung, Lehre und Praxis des Projektmanagements im Bauwesen, in: Motzel, Erhard (Hrsg.): Projektmanagement in der Baupraxis bei industriellen und gewerblichen Bauprojekten, (Ernst & Sohn) Berlin 1993; S. 3-32, hier S. 20-31; vgl.

auch Tietz, Bruno: Zukunftsstrategien für Handelsunternehmen, (Deutscher Fachverlag) Frankfurt a. M.

7 8 1993, S. 7 2 7 - 7 7 1 .

Vgl. hierzu Eisinger, Bernd: Projektcontrolling, Erfolgsgarant oder Modewort, in: Immobilienmanager, o.

Jg., 1995, Nr. 7/8, S. 34-39.

Im folgenden wird lediglich der Bereich der umfeldbezogenen Akzeptanzstrategien inhaltlich ausgeführt, da er im Rahmen einer Public Private Partnership von besonderer Relevanz ist.

Es ist regelmäßig zu befürchten, daß sich gesellschaftliche und politische Akzeptanz-probleme ergeben, wenn der Verdacht besteht, daß öffentliche Gemeinwohlinteressen sich mit privaten Gewinninteressen vermischen. Dies gilt besonders für die Projekte, in denen die Kommune sich selbst unternehmerisch betätigt, so als Konsorte in einer Projekt-entwicklungsgesellschaft. Scheitert das Projekt, wird der Vorwurf der Verschwendung öffentlicher Gelder nicht auf sich warten lassen. Sollte die Gesellschaft Gewinne erzielen, liegt der Vorwurf nahe, daß die Gemeinde zur Gewinnerzielung ihre hoheitlichen Befugnisse eingesetzt habe.79 Bei einer Übertragung kommunaler Grundstücke in private Hände geht die Kritik Außenstehender häufig dahin, daß die Stadt ihr Grundvermögen zu Spottpreisen 'versilbere'.

Die Akzeptanzstrategien weisen einen engen Bezug zu den Kommunikationsstrategien auf, da ihre Instrumente in erster Linie solche der Informationspolitik und Public Relations sind. Inhaltlich werden dabei auch Bezüge zu anderen der oben angeführten Problem- bzw.

Modestrategien hergestellt.

Das Beispiel Stadt Kassel: Die Stadt Kassel plant im Projekt Unterneustadt eine Modell-entwicklung unter Einbeziehung verschiedener beispielhafter Verfahrensansätze. Der bundesweite Modellcharakter des Projektes soll durch den Planungs- und Realisierungs-prozeß mit der Bezeichnung "documenta urbana Kassel II" zum Ausdruck kommen.80 Er bezieht sich (1) auf das innovative organisatorische Verfahren (PPP), (2) auf die beispiel-hafte Bürgerbeteiligung und (3) auf die anspruchsvollen städtebaulichen Qualitäten. "Die documenta urbana II soll Impulse für modellhaften Städtebau geben, weiterführende Städtebaudiskussionen auslösen, Diskussionen im internationalen Maßstab eröffnen bzw.

moderieren und im Sinne der internationalen Bauausstellung positive Praxisbeispiele für die Lösung zentraler städtebaulicher Probleme geben. Nicht zuletzt soll durch diesen

Vgl. Scharmer, Eckart: Mobilisierung und Bereitstellung von Bauland durch Entwicklungsmaßnahmen und Modelle der Kooperation mit privaten Investoren, in: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): Informationen zu Raumentwicklung, Heft 1/2 1994: Bodenmanagement, Bonn

8 0 1994, S. 9 - 1 8 , hier S. 16.

Die "documenta urbana" knüpft begrifflich an die berühmte Kunstausstellung "documenta" in Kassel an;

die beiden Veranstaltungen haben jedoch nichts miteinander zu tun. Die Bezeichnung "documenata urbana II" rührt daher, daß es zuvor mit dem Dönche-Projekt eine "documenata urbana I" gab; Angaben von Herrn Jochum, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung Kassel, Gespräch am 1. Februar 1995 in Kassel.

Kapitel 5: D i e Leistungsprogrammstratepien von PPP Seite 169

Prozeß, der von Ausstellungen, Symposien und Veranstaltungen begleitet sein wird, das Image der Stadt Kassel aufgewertet werden."81

II. Die umfeldbezogenen Akzeptanzstrategien

Im Dokument Public Private Partnership (Seite 185-189)