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Die Ideologie von Public Private Partnership

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Zweites Kapitel: Begriff und Sache der PPP

A. PPP: Ein ideengeschichtlicher Rückblick

I. Die Ideologie von Public Private Partnership

Die "Public Private Partnership" (PPP) ist in einem Maße erfolgreich, daß dieser Schlüssel-begriff modernen Politikverständnisses sich in der politischen und publizistischen Semantik zunehmend etabliert. Was Public Private Partnership ist - dafür gibt es allerdings keine akzeptierte Lehrmeinung, die sich in einer handfesten Definitionsformel verdichten ließe. Es existiert eine Fülle von Vorstellungen, die sich auf die Dimensionen des "Machbaren" und

"Wünschbaren" von PPP beziehen: eine sektorenübergreifende Mobilisierung von Ressourcen, eine neue lokale Solidarität, ein neuer Unternehmergeist in den Stadt-verwaltungen, mehr Markt und weniger Staat u. a. m.

Den noch immer fruchtbarsten Zugang zu den wesentlichen Ideen, die sich mit dem PPP-Begriff verbinden, bietet ein begriffsgeschichtlicher Rückblick. Die Wortschöpfung der

"Public Private Partnership" wird Präsident Carter zugeschrieben, der damit in seiner Regierungserklärung vom 28. März 1978 sein Konzept einer marktwirtschaftlich gesteuerten Stadtentwicklungspolitik einer breiten Bevölkerung nahebringen wollte.1/Die Ideologie der

"New Partnership to Conserve America's Communities" wurde in einem Bericht des Commit-tee for Economic Development (CED)2 später anschaulich beschrieben:

"Amerikas Kommunen besitzen die Ressourcen eines fortschrittlichen und einflußreichen Gemeinwesens: gut ausgebildete und fähige Bürger, produktive soziale und wirtschaftliche Institutionen, hochentwickelte Technologien, Infrastrukturen, Transport- und Kommuni-kationsnetze sowie Zugang zu den Kapitalmärkten. Um dieses Potential zu entwickeln, bedarf es der Kooperation. Die lokalen Regierungen müssen ihre Rollen neu definieren und ihre Aktivitäten auf neue Weise steuern. Sie werden aktive Unterstützung von den staat-lichen Regierungen benötigen sowie geeignete gesetzliche, finanzielle und administrative Instrumente.

Vgl. Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United

2 States, (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 69.

Das C E D ist eine unabhängige Forschungsinstitution, die sich aus 2 0 0 Vertretern aus Wirtschaft und Wissen-schaft zusammensetzt. Sie berät die amerikanische Regierung in Fragen der Stadtpolitik und hat sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt um eine wissenschaftliche Aufarbeitung der PPP-Thematik bemüht. U. a. wurde 1982 eine umfassende Forschungsarbeit fertiggestellt: Fosler, R. Scott; Berger, Renee A. (Eds.): Public Private Partnership in American Cities, Seven Case Studies, (Library of Congress Cataloging in Publication Data) Lexington/Mass., Toronto 1982.

Um das Potential des privaten Sektors voll nutzen zu können, müssen sich die örtlichen Regierungen einen unternehmerischen Handlungsstil aneignen, der Unterstützungsbedarf artikuliert, Möglichkeiten eruiert und effektive Koalitionen zwischen öffenlichen und privaten Akteuren mobilisiert. Der private Sektor muß im Gegenzug offenlegen, was er realistischerweise zu den Entwicklungen beitragen kann. Wenn er die Erwartungshaltungen zu hoch schraubt, werden die von ihm erbrachten Leistungen zwangsläufig als unbefriedi-gend empfunden. (...) Ist der private Sektor nicht bereit, Zugeständnisse zu machen und Kapital und Know-How für öffentliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, werden seine Kommunen im internationalen Standortwettbewerb ins Hintertreffen geraten und engagier-teren Kommunen den Vortritt lassen müssen."3

Die Beschreibung vermittelt die Idee von PPP als einem plausiblen, wünschbaren und zukunftsweisenden Konzept zur Lösung kommunaler Standortprobleme. Es bezieht als Akteure die nationale, bundesstaatliche und kommunale Ebene auf öffentlicher Seite ebenso ein wie privatwirtschaftliche Unternehmen, gemeinnützige Unternehmen und Bürgerinitia-tiven auf privater Seite. Die Schlüsselrolle im Entwicklungsprozeß kommt dem privaten Unternehmer zu, der über seine Investitionen Arbeitsplätze schafft und mit städtebaulich-physischen Erneuerungsmaßnahmen dem Standort neue Zukunftsperspektiven eröffnet. Die Zentralregierung übernimmt katalysatorische Funktionen, indem sie die Kommunen mit geeigneten Instrumenten und finanziellen Mitteln ausstattet, die sie zur Bildung schlag-kräftiger Koalitionen mit dem privaten Sektor befähigen. Den kommunalen Regierungen kommt die Aufgabe zu, ihre endogenen Ressourcen zu mobilisieren und über die Zusammen-stellung attraktiver Anreizpakete Investitionsentscheidung und Standortwahl des privaten Partners zu ihren Gunsten zu beeinflussen.4

Die PPP war zunächst weniger ein allgemeines Verhaltensleitbild als vielmehr ein konkreter Interpretationsansatz, mit dem die Regierung Carter ihr neues Förderprogramm für die Stadtentwicklung präsentierte: den "Urban Development Action Grant" (UDAG, 1977). Es wurde im nachhinein als das gelungenste Instrument der "New Urban Policy" Präsident Carters beurteilt und führte zur Konzeption vergleichbarer Programme in Großbritannien und Schottland.5 Das UDAG-Programm zielt auf eine Stimulierung privatwirtschaftlicher Investi-tionen an wirtschaftsschwachen Standorten. Die Ausgestaltung der Fördermodalitäten regt 3 I

Eigene Ubersetzung aus: Committee for Economic Development: Public Private Partnership - An Opportunity for Urban Communities, (Library of Congress Cataloging in Publication Data) N e w York and Washington

4 1982, S. 2 f.

Vgl. Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United

5 States, (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 69.

Ein Vergleich des US-amerikanischen "Urban Development Action Grant" ( U D A G ) , des englischen "Urban Development Grant" ( U D G ) und des schottischen "Local Enterprise Grants for Urban Projekts" (LEG-UP) findet sich bei Boyle; vgl. Boyle, Robin: Leveraging Urban Development: A Comparison of Urban Policy Directions and Programme Impact in the United States and Britain, in: Policy and Politics, 13 Jg., 1985, Nr. 2, S. 175-210.

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bereits zu einem frühen Planungszeitpunkt die Zusammenarbeit zwischen Kommune und privatem Investor an: Fördermittel aus dem UDAG-Fond können von der Kommune erst dann beantragt werden, wenn die konkreten Projektplanungen und Projektkalkulationen eines Investors vorliegen.6

Unter Präsident Reagan wurde der Public-Private-Partnership-Begriff erneut als politisch-ideologisches Konzept aufgegriffen, allerdings entsprechend den Zielen seiner "New Privatism" - Kampagne inhaltlich modifiziert und mit anderen Strategien und Programmen verknüpft. Stadtentwicklungspolitik wurde nicht mehr als nationale Aufgabe verstanden, sondern als eigenverantwortliche Aufgabe der Städte und Gemeinden definiert. Die

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rung privatwirtschaftlicher Investitionen durch öffentliche Anschubfinanzierung wurde als subventionistischer Ansatz abgelehnt, stattdessen die Entfaltung freier Marktkräfte durch ein möglichst wenig reglementiertes Agieren des Privatsektors propagiert. Die Verantwortung für die Zukunft Amerikas sollte nunmehr vollständig in die Hände des privaten Unternehmertums gelegt werden.7

In Großbritannien wurden Begriff und Sache der Public Private Partnership unter ähnlichem ideologischen Gedankengut von der Regierung Thatchers aufgegriffen. "PPP war vielleicht die beständigste Initiative der britischen Stadtentwicklungspolitik in den achtziger Jahren."8

Während in Amerika die Privatism-Kampagne mit einer Politik der Dezentralisierung einher-ging, bestand die Besonderheit der Privatisierungspolitik Thatchers in dem Bestreben, die Stadtentwicklungspolitik zu zentralisieren und die Autonomie lokaler und regionaler Entscheidungsträger zu schwächen. Die Kombination von Privatisierungs- und Zentralisie-rungspolitik führte zu einem speziell britischen Ansatz von PPP, den "Urban Development Corporations" (UDCs). Der neue Typus von lokaler Entwicklungsagentur wurde erstmals 1981 zur Revitalisierung der Londoner "Docklands" eingerichtet, dem 'Flaggschiff der deregulierten, marktorientierten Planungspolitik der Regierung Thatchers.9

6

Vgl. ausführlich Gist, John R.: Urban Development Action Grants, Design and Implementation, in: Urban Affaires Annual Review (Beverly Hills, Calif.) 1980, Nr. 18, S. 2 3 7 - 2 5 2 , S. 2 4 3 - 2 4 7 ; vgl. auch Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United States, (Oxford

7 University Press) N e w York 1989, S. 7 2 ff.

Vgl. ausführlich Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United States, (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 100-142; vgl. auch Fainstain, Norman I.;

Fainstain, Susan S.: Öffentlich-private Partnerschaften bei der Stadterneuerung und Stadtentwicklung in den U S A , in: Heinz, Werner (Hrsg.): Public Private Partnership - ein neuer W e g zur Stadtentwicklung?, (W.

8 Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag) Stuttgart u. a. 1993, S. 65-124, hier S. 75-79.

Eigene Übersetzung aus: Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in

9 Britain and the United States, (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 207.

Vgl. ausführlich Barkenov, Timothy; Boyle, Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United States, (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 181-221; vgl. auch Lawless, Paul: Öffentlich-private Partnerschaften in Großbritannien - Analyse und Kritik, in: Heinz, Werner (Hrsg.): Public Private Partnership - ein neuer W e g zur Stadtentwicklung?, (W. Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag) Stuttgart u.

a. 1993, S. 2 0 3 - 2 4 3 , hier S. 203-210.

Insgesamt schlägt sich in den Public Private Partnerships als ideologischem Konzept und politischem Programm eine tiefgreifende Wende in den Anschauungen über die zeitgemäße Ausgestaltung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nieder. Enttäuschungen über die Fehlentwicklungen und Probleme, die dem Konzept "Wohlfahrtsstaat" der sechziger Jahre offensichtlich anhaftet, führten bereits in den frühen siebziger Jahren zu einer Rückwendung zum alten Modell des Neoliberalismus.10 Statt der keynesianisch beeinflußten Theorie des

"Marktversagens" beherrscht die Theorie des "Staatsversagens" den neuen Diskurs. Unter Rückbezug auf das klassisch-individualistische Rationalitätskalkül ist in diesem Denken nicht mehr der Staat Hoffnungs- und Verantwortungsträger für die wirtschaftliche Gesundung, sondern es sind die Dynamik des Marktes, die unternehmerische Initiative, die individuelle Leistungskraft und Leistungsbereitschaft.11

Nach Margret Thatcher 1979 in Großbritannien und Ronald Reagan 1980 in den USA übernahm mit Helmut Kohl 1982 auch in Deutschland eine konservative Partei die Regierungsverantwortung. Wenngleich Public Private Partnership in Deutschland nicht unmittelbar zu einem politischen Programm avancierte und das dahinterstehende Gedanken-gut weniger radikal, differenzierter und modifizierter rezipiert wurde, spiegelt sich der Meinungsumschwung der liberal-konservativen Trendwende seit Mitte der siebziger Jahre auch im deutschen Politikverständnis wider.12 Der zentrale politisch-programmatische Leitsatz der Regierungserklärung Kohls gibt klar die neue Richtung an: "Wir wollen nicht mehr Staat, sondern weniger; wir wollen nicht weniger, sondern mehr persönliche Freiheit".13 Unter der Perspektive von "mehr Freiheit" liegt im Zweifel die Vermutung zugunsten der Effizienz des Marktes und der von staatlicher Bevormundung befreiten Privatinitiative nahe.

10

Die weitverbreitete Unzufriedenheit mit den kostspieligen sozialen Programmen, die nicht in der Lage waren, die Lebensbedingungen benachteiligter Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu verbessern, veranlaßte bereits die Regierung von Präsident Nixon ( 1 9 6 9 - 7 4 ) unter dem Schlagwort des "New Federalism" die nationalen Ausgaben für soziale Maßnahmen drastisch zu senken und die Autonomie der Bundesstaaten und Kommunen durch die Erhöhungen des Anteils nicht zweckgebundener Finanzzuweisungen zu stärken; vgl. ausführlich Barkenov, Timothy; B o y l e , Robin; Rieh, Daniel: Privatism and Urban Policy in Britain and the United States, , , (Oxford University Press) N e w York 1989, S. 38-99, hier S. 64.

Der Meinungstrend wird maßgeblich durch die mikro-ökonomische Theoriebildung geprägt; vgl. Himmel-mann, Gerhard: Politische Bestimmungsmerkmale der Privatisierungsdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, hrsg. v. Helmut Brede i. A. d.

Wiss. Beirats d. Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, ( N o m o s ) Baden-Baden 1988,

1 2 S. 107-126, hier S. 113.

Die Debatte um das Problem der "Regierbarkeit" des modernen Staates und den "Mißbrauch sozialer Leistun-gen" in der Mitte der siebziger Jahre können als prägnante Beispiele dieser in der Bundesrepublik verwurzel-ten neuen Denkweise angeführt werden; vgl. Himmelmann, Gerhard: Politische Bestimmungsmerkmale der Privatisierungsdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Privatisierung und die Zukunft der öffent-lichen Wirtschaft, hrsg. v. Helmut Brede i. A. d. Wiss. Beirats d. Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und

1 3 Gemeinwirtschaft, ( N o m o s ) Baden-Baden 1988, S. 107-126, h i e r S . 115.

Helmut Kohl: Programm der Erneuerung, Freiheit, Mitmenschlichkeit und Verantwortung, Regierungserklä-rung am 4. Mai 1983, Bonn 1983; zit. nach: Himmelmann, Gerhard: Politische Bestimmungsmerkmale der Privatisierungsdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Privatisierung und die Zukunft der öffent-lichen Wirtschaft, hrsg. v. Helmut Brede i. A. d. Wiss. Beirats d. Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, ( N o m o s ) Baden-Baden 1988, S. 107-126, hier S. 116.

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In der politisch-sozialen, wissenschaftlichen und publizistischen Kräftekonstellation übt das marktwirtschaftlich-politisch konservative Gedankengut seit Beginn der achtziger Jahre eine unbestrittene Dominanz aus. Angesichts der leeren öffentlichen Kassen und der beobacht-baren Überforderung staatlicher Entscheidungsmacht hat sich in allen westlichen Industrie-nationen die Überzeugung durchgesetzt, daß die Aufgabenhäufung beim Staat gebremst und die Funktionsmechanismen des Marktes intelligenter genutzt werden müssen. Public Private Partnership ist heute zu einem allgemein akzeptierten Paradigma lokaler Entscheidungs-findung und Aufgabenerfüllung avanciert.14 Unter dem Begriff werden auf verschiedenen Handlungsfeldern innovative Modelle von Arbeitsteilung und Kooperation zwischen den Sektoren erprobt; in Kapitelabschnitt B II sind diese Gestaltungsperspektiven inhaltlich aufgefächert.

Die Diskussion um Public Private Partnership ist dabei in Mitteleuropa, insbesondere in Deutschland, anders verortet als in den USA. Hier besitzt der interventionistische Sozialstaat eine lange Tradition, die dem Staat ein sehr umfangreiches Aufgabenfeld wirtschaftlicher und sozialer Regulierung beschert hat. Das Vertrauen in die Funktionsweise des ökonomischen Marktes ist weitaus geringer ausgeprägt als in den USA. In der Diskussion um neue Konzepte zur Bewältigung gesellschaftlicher Problemlagen geht es daher weniger um grundsätzliche Rollenveränderungen von privaten und öffentlichen Aufgabenträgern als vielmehr um Strategien einer Entlastung der öffentlichen Hand, gekoppelt mit dem Ziel, eine sozial-staatliche Verantwortung nicht aufzugeben.15

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