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Planungstheorie und Planungspraxis

Im Dokument Public Private Partnership (Seite 85-88)

Drittes Kapitel: Die Gestaltungsbedingungen für die PPP- PPP-Strategien

B. Die planungspolitischen Gestaltungsbedingungen

II. Planungstheorie und Planungspraxis

Es liegt die Vermutung nahe, daß die neuen Planungstheorien in erster Linie nachträgliche Rationalisierungen des tatsächlichen Geschehens sind, eine Kapitulation der Planer vor den Erfordernissen an ein praktisches Handeln in der Realität. Dieser Position hat Scharpf

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Seile, Klaus: Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem W e g zum kooperativen Handeln, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Heft 69, hrsg. v. Institut für Raumplanung Universität Dortmund, 33 Dortmund 1994, S. 87.

Ganser, Karl; Siebel, Walter; Sieverts, Thomas: Die Planungsstrategie der IBA Emscher Park, in:

Raum-8 4 planung, 1993, Nr. 61, S. 112-117, hier S. 115.

8 5 Vgl. hierzu die Ausführungen über das Schulterschluß-Problem im achten Kapitel, D II.

Besonders kritisiert wird die Fokussierung auf städtische Großprojekte; vgl. z. B. Venturi, Marco: Tangento-poli - der unaufhaltsame Anstieg der städtischen Großereignisse, in: Brech, Joachim (Hrsg.): Neue W e g e der Planungskultur, Orientierungen in der Zeit des Umbruchs, (Verlag für wissenschaftliche Publikationen) Darmstadt 1993, S. 279-288; vgl. auch Siebel, Walter: Festivalisierung der Politik und die Unsichtbarkeit der Städte, in: Brandt, Arno u. a. (Hrsg.): Das Expo-Projekt, Weltausstellung und Stadtzukunfit, (Fackelträger)

8 6 Hannover 1991, S. 39-51.

Vgl. Seile, Klaus: Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem W e g zum kooperativen Handeln, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Heft 69, hrsg. v. Institut für Raumplanung Universität Dortmund, Dortmund 1994, S. 89.

energisch widersprochen: Die neue Planungskultur sei mehr als nur eine pragmatische Abweichung vom normativen Ideal der integrierten Entwicklungsplanung. Die Verhandlungs-systeme besäßen vielmehr "eigenständige Wohlfahrtspotentiale", die den Staat entlasten und seine Handlungsspielräume erweitern, ohne daß die Chance zur Intervention aufgegeben werden müsse. Die staatlichen Partner können "ihre eigenen Richtigkeitskriterien in Verhandlungen einbringen, ohne zugleich die volle Verantwortung für alle Aspekte der ausgehandelten Lösung übernehmen zu müssen. Sie verlieren dann zwar die Fähigkeit zur einseitig-hierarchischen Steuerung, aber sie gewinnen dafür Partner, die sich mit eigener Intelligenz und eigener Kompetenz für insgesamt brauchbare Lösungen einsetzen, die zugleich auch den staatlichen Kriterien genügen müssen."87

Daß das praktische Planungshandeln anders aussieht als die normativen Planungsideale der gleichberechtigten, verantwortlichen und prinzipiengeleiteten Zusammenarbeit, überrascht nicht. Gerade das Schlagwort der "Public Private Partnership" mit seinem engen Bezug zu neoliberalem Gedankengut steht in der Praxis vielfach eher für einen Verzicht auf kommunalen Planungsanspruch, für einen 'vorauseilenden Gehorsam' gegenüber Investor-interessen, und wird von den Planern 'guten Willens' daher oft nur mit großer Vorsicht aufgegriffen. Die anspruchsvollen Planungsvisionen, die mit den "Verhandlungssystemen"

einhergehen, können sich schnell in ein negatives Gegenbild wandeln. In einer zynischen Situationsbeschreibung resümiert Bettino Craxi, Haupttäter und Opfer des Tangentopoli-Skandals in Italien: "Es gibt keine Ideale mehr, wir managen einfach Interessen."88

Ob sich die Ideale und Wertvorstellungen der Planer in den in der Praxis realisierten PPP-Projekten überhaupt wiederfinden, ist eine interessante und sehr schwierig zu beantwortende Frage. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Indizien, die dafür sprechen, daß Grundsatz-überzeugungen und 'moralische' Motive zumindest im Anfangsstadium eines kooperativen Arrangements eine wichtige Rolle spielen und als Initiativkräfte von PPP-Ansätzen fungieren.

Dies kommt im Grundsatzprogramm von Organisationen wie der IBA ebenso zum Ausdruck89

wie in gemeinsam formulierten Kooperationsgrundsätzen von PPP-Projekten, z. B. im Vorhaben Schenkenberg.90 Die Gefahr, daß Prozesse später in einer Selbstläufigkeit fortfahren, die mit den ursprünglichen Grundsätzen nicht mehr viel gemein hat, ist ein Problem aller fortschrittlichen Initiativen und nicht PPP-spezifisch.

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Scharpf, Fritz W.: Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, in: Politische

8 8 Vierteljahresschrift, 32. Jg., 1991, Nr. 4, S. 6 2 1 - 6 3 4 , hier S. 630.

8 9 Zit. nach: Sommer, Theo: Die Krise holt den Westen ein, in: Die Zeit, Nr. 15, 9. April 1993, S. 1.

Vgl. Ganser, Karl; Siebel, Walter; Sieverts, Thomas: Die Planungsstrategie der IBA Emscher Park, in:

30 Raumplanung, 1993, Nr. 61, S. 112-117.

Vgl. IFEU-Ingenieurgesellschaft für Energie und Umwelttechnik mbH, Lauchheim: Modellvorhaben Public Private Partnership, Fallstudie Schenkenberg, unveröff. Studie im Rahmen des BMBau-Forschungsfeldes

"Neue W e g e der privaten Finanzierung von Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsaufgaben" des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus, Endbericht Mai 1995, Abschnitt 2, S. 7 f.

Kapitel 3: D i e Gestaltungsbedingungen für die PPP-Strategien _____ Seite 67

Es erscheint wichtig zu betonen, daß die hier beschriebenen Veränderungen in Richtung einer Kooperations- bzw. PPP-Planungskultur sich nur auf einen kleinen Ausschnitt gängigen Planungsverständnisses und -handelns beziehen. Daneben gibt es das breite Mittelfeld der Planungsroutine, in dem überwiegend "business as usual" betrieben wird, sowie den Bereich, in dem ein eher investitionsgetriebener Planungsabbau das Handeln beherrscht.91 Ganser spricht von einem "Patchwork" unterschiedlicher Bausteine in der Planungswirklichkeit, in dem die Resistenz alter Auffassungen und die Modernisierungsbereitschaft auf der Grundlage neoliberaler Theorien nebeneinander bestehen.92

Bei aller Unterschiedlichkeit der Vorstellungen über Planung läßt sich derzeit ein dominanter Trend ausmachen, der alle Bemühungen um eine Neuorientierung praktischen Planungs-geschehens prägt: die Suche nach Beschleunigung und Erleichterungen von Investitions-vorhaben. Zwei zentrale Anliegen sind:

1. die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren:93 Ein schnelles Genehmigungsverfahren stellt für einen Investor einen geldwerten Vorteil dar. In der BauGB-Novellierung 1993 wurden für Vorhaben, die der Deckung "dringenden Wohn-und Arbeitsstättenbedarfes" dienen, die gesetzlichen Verfahren gestrafft, insbesondere die umfassenden Einspruchsrechte Dritter befristet und reduziert.94 Immer mehr Kommunen nutzen den Wettbewerbsvorteil der 'Baugenehmigungserteilungs-Geschwindigkeit' als Werbeinstrument für die Akquisition potentieller Investoren.95 Einzelne Vorschläge zur Beschleunigung und Optimierung von Genehmigungsverfahren sind sehr weitreichend, geradezu 'revolutionär': So haben Bullinger/Schatz ein Modell entwickelt, in dem die Investoren zwischen verschiedenen Typen der Genehmigung mit jeweils unterschiedlicher

Die Vertreter der neuen Planungstheorien betonen dagegen, daß Deregulierung und Planungsabbau keine Lösung von Problemen bewirken; vgl. Seile, Klaus; Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem W e g zum kooperativen Handeln, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Heft 69, hrsg. v. Institut für

Raum-9 2 planung Universität Dortmund, Dortmund 1994, S. 6.

Vgl. Ganser, Karl: Public-private partnership: Reduktion des politischen Handlungsspielraumes, in: Swoboda,

9 3 Hannes: Wien, Identität und Stadtgestalt, (Böhlau) Wien, Köln 1990, S. 66-74, hier S. 69.

Vgl. Kuffmann, Gernold: Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, in: Stadt und Gemeinde, 50. Jg., 1995, Nr. 3, S. 9 5 - 9 8 ; vgl. auch Neff, Berthold: Für schnelleres und billigeres Bauen, in:

9 4 Süddeutsche Zeitung, Nr. 33, 9. Februar 1995, S. 36.

Vgl. Krautzberger, Michael: Änderungen des Städtebaurechts durch das Investitionserleichterungs- und

9 5 Wohnbaulandgesetz, in: Stadt und Gemeinde, 48. Jg., 1993, Nr. 6, S. 200-203.

Eine D I f U - U m f r a g e zeigt, daß Planungsverfahren in Ostdeutschland - verglichen mit westdeutschen Erfahrungswerten - in überraschend kurzer Zeit durchgeführt werden. So geben fast 4 5 % der Städte an, Bebauungspläne innerhalb nur eines Jahres aufzustellen. Baugenehmigungsverfahren werden nach eigener Auskunft von mehr als 80 % der Kommunen innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen; vgl. Deutsches Institut für Urbanistik ( D l f U ) (Hrsg.): Berichte 95, Informationen über Projekte, Veröffentlichungen und Veranstal-tungen des D i F U , 1995, Nr. 3, S. 7.

rechtlicher Bestandskraft und unterschiedlicher Erteilungsgeschwindigkeit wählen können, wobei sie die Mehrkosten möglicher zusätzlicher Beschleunigungen zu tragen haben.96

2. die Weiterentwicklung der nachfrageorientierten Bauleitplanung zum angebots-orientierten Flächenmanagement: 97 Verfügen Grundstücksflächen bereits über ein geeignetes Planungsrecht, so lassen sich sehr viel schneller und einfacher private Vorhabenträger zur Realisierung von Bauvorhaben gewinnen. Derzeit gehen die Kommunen - oft in Zusammenarbeit mit den Landesentwicklungsgesellschaften98 oder privaten Developern (Public Private Partnership) - verstärkt dazu über, selbst Flächen-mobilisierung und -entwicklung zu betreiben: Sie kaufen Grundstücke an, bereiten sie auf, erarbeiten Nutzungskonzepte und betreiben intensives Marketing zur Akquisition privater Investoren.

Eine dem Trend zur Verfahrenserleichterung gegenläufige Entwicklung ist demgegenüber der immer weiterreichende Schutz ökologischer und denkmalpflegerischer Belange in der Planung.99 Neben der Vielfalt und Kompliziertheit der zu beachtenden Vorschriften und der Dauer der Verfahrensabläufe wird in der Praxis die Unnachgiebigkeit der in diesen Bereichen tätigen Verantwortlichen beklagt.

Im Dokument Public Private Partnership (Seite 85-88)