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Für aussagekräftige Erkenntnisse zur Prognose des Berufserfolgs benötigt man eine ungefähre Vorstellung vom Zustandekommen von Berufserfolg und den Faktoren, die ihn beeinflussen. Burchard (2000) gliedert die zahlreichen Modelle danach, wie komplex ihr Erklärungsansatz ist und wie viele Einflussgrößen sie berücksichtigen. Zu diesem Zweck unterteilt er grob in eindimensionale Modelle, die nur ein Konstrukt zur Erklärung heranziehen, und mehrdimensionale Modelle, die mehrere Einflussfaktoren berücksichtigen.

4.2.1 Eindimensionale Modelle

Nach dem Zufallsansatz – dem ersten der Modelle – hat bei der Gestaltung der berufli-chen Laufbahn häufig der Zufall seine Hand im Spiel (Bandura, 1982; Mitchell, Levin

& Krumboltz, 1999; Scheller, 1986). Die hohen Gehälter in den Top-Positionen beruhen nach dieser Auffassung nicht auf herausragender Leistung, sondern sind viel-Abbildung 8: Mögliche Ausprägung des Phasenmodells der Karriere mit Fokus auf

hierarchische Verantwortung

mehr das Ergebnis einer glücklichen Fügung bei der Auslosung dieser Positionen.

Diese Beobachtung mag in Einzelfällen zutreffen, denn zweifellos gibt es zufällige Ereignisse, die der Karriere eines Betroffenen erst den richtigen Schwung verleihen.

Daraus aber eine allgemeingültige Aussage herzuleiten, erscheint weit hergeholt.

Das Superstarmodell stellt einen weiteren Ansatz dar. Es geht auf Rosen (1981) zurück und beschäftigt sich ebenfalls mit dem Phänomen, dass Einzelne aus der Masse hervor-stechen und überproportional viel Erfolg haben. Rosen führt das hauptsächlich darauf zurück, dass Einige ein besonders großes Talent mitbringen. Seine Beobachtungen beziehen sich vor allem auf Künstler. Adler (2006) erweitert diesen Ansatz und erklärt, wie durch Informationsasymmetrien bei den Kunden dennoch bei gleichem Talent Einer erfolgreicher sein kann als der Andere. Auf den Unternehmenskontext über-tragen kann demnach ein Manager durch einen zufällig zustande gekommenen Infor-mationsvorsprung in eine Aufwärtsspirale zum Superstar werden (Burchard, 2000).

Sowohl Superstar- als auch Zufallsansatz ziehen zu ihrer Rechtfertigung gerne die ungewöhnlichen und schwierig zu erklärenden Verhältnisse bei Spitzenkräften der Wirtschaft heran. Sie vernachlässigen jedoch, dass es sich dabei nur um einen sehr kleinen Ausschnitt von Karrieren handelt.

Eng mit dem Superstarmodell verwandt ist ein Ansatz von Kräkel (1994), der versucht, Frühstartereffekte zu erklären. Ihm liegt die Beobachtung zu Grunde, dass Mitarbeiter, die früher als andere befördert werden, im weiteren Verlauf des Berufswegs bessere Chancen haben (Rosenbaum, 1979). Der Ansatz beruht auf der Annahme, dass Arbeit-geber und Arbeitnehmer zu Beginn einer Beschäftigung kaum Informationen überein-ander besitzen, diesen Zustand aber in beiderseitigen Interesse verändern wollen (Matchingprozess). Frühzeitig als fähig befundene Mitarbeiter erhalten deshalb vom Arbeitgeber Zusatzinformationen und werden befördert. Während andere den Matchingprozess daraufhin evtl. verlassen und sich neu orientieren, bestätigt die frühe Beförderung und die Zusatzinformationen die Fähigen. Damit beginnt ein sich gegen-seitig verstärkendes Wechselspiel aus positiven Zusatzinformationen des Arbeitgebers und überdurchschnittlichen Leistungen des Arbeitnehmers, das zu schnellen Aufstiegen am Anfang und zum Aufrücken in Spitzenpositionen im Verlauf der Karriere führt.

Sehr verbreitet ist auch das Tournament-Modell von Rosenbaum (1979), der hierarchi-schen Aufstieg mit Turnieren erklärt, die ähnlich begabte Mitarbeiter um eine Beförde-rung miteinander austragen. Während der Sieger eines solchen Turniers die Beförderung erhält, werden die Verlierer, um einer Demotivation vorzubeugen, auf weniger bedeutende Teilturniere verwiesen.

Wie bereits angedeutet (Kapitel 2.2.1, S. 25), hat auch die Forschung zu sozialen Kontakten und Netzwerken Erkenntnisse zur erfolgreichen beruflichen Laufbahn beigetragen. Im Fokus der Forschungsanstrengungen steht, wie Menschen erfolgreich einen Arbeitsplatz finden. Granovetter (1973, 1995) hat dazu untersucht, welche Art von sozialen Kontakten für den Erfolg bei der Arbeitssuche entscheidend waren. Über-raschenderweise konnte er zeigen, dass Informationen über offene Stellen eher von den losen Beziehungen („weak ties“) stammen als von den engen („strong ties“).

Burt (1992), der das Konzept der „structural holes“ entwickelt hat, betrachtet weniger die direkten Beziehungen einer Person zu anderen als vielmehr die Verbindung der anderen untereinander. Ein „structural hole“ entsteht demnach dann, wenn eine Person Beziehungen zu zwei Gruppen unterhält, die sonst keine weitere Verbindung mitein-ander haben. Für einen Mitarbeiter in einem Unternehmen ist es nach Burt vorteilhaft, Netzwerke zu unterhalten, die besonders viele „structural holes“ enthalten. Dadurch gelangt er schneller an exklusive Informationen, hat privilegierten Zugriff auf Ressourcen und fällt im sozialen System eher auf.

Neben den individuellen Voraussetzungen für einen hierarchischen Aufstieg müssen auch die organisatorischen Gegebenheiten vorhanden sein (Preisendörfer, 1987).

Stewman & Konda (1983) betrachten für eine Analyse der organisationalen Bestim-mungsfaktoren die Karrierepyramide. Sie interessieren sich dabei vor allem dafür, wann, wie und wo Stellen frei werden und nach welchem System sie wieder besetzt werden. Preisendörfer (1987) listet fünf essentielle Faktoren auf, die die Chancen für einen hierarchischen Aufstieg maßgeblich beeinflussen. Darunter finden sich

Austrittsraten in den höheren Hierachieebenen,

Eintrittsraten von außen,

Größe der Eintrittskohorte bei interner Rekrutierung,

Wachstum der Organisation und

Schrumpfung der Organisation.

Die Ausführungen beschreiben wichtige Einflussfaktoren in einem Unternehmenskon-text. Ein Modell für den Karriereerfolg eines Einzelnen leitet sich daraus zwar nicht ab, die organisationale Struktur hat aber durchaus das Potential Prädiktor für den Karriereweg eines Einzelnen zu sein (Herriot, Gibson, Pemberton & Pinder, 1993).

Weiterhin beschreibt Burchard (2000, S. 75ff.) einen geschlechtsspezifischen Ansatz.

Mit Hinweis auf das große Interesse, dass vor allem die Karriere weiblicher Kräfte in den letzten Jahren auf sich gezogen hat, fasst er unter diesem Punkt diverse Ergebnisse aus der Gender-Forschung zusammen. Demnach gibt es zweifelsohne einige Besonder-heiten, die vornehmlich Frauen betreffen. Häufig ist der Karriereweg nicht so durch-gängig wie der von Männern, da er oft für die Betreuung von Kindern aufgegeben oder unterbrochen wird (Judiesch & Lyness, 1999). Zudem bestehen noch immer Unter-schiede bei Gehalt und hierarchischer Position. Beide Kriterien sind bei Frauen meist niedriger ausgeprägt (z.B. Melamed, 1995). Ein theoretisches Modell, das den Berufs-erfolg ausschließlich mit der Geschlechtszugehörigkeit erklärt und in seinem Erklä-rungsansatz über die bloße Beschreibung des Geschlechts als Einflussfaktor hinausgeht, ist nicht vorhanden.

4.2.2 Mehrdimensionale Modelle

Eindimensionale Modelle hinterlassen Zweifel, ob sie geeignet sind, die komplexen Mechanismen des Berufserfolgs zutreffend wiederzugeben. Sie liefern allerdings wert-volle Hinweise, welche Einflussparameter grundsätzlich in einem Modell zu

berück-sichtigen sind, das mehrere Dimensionen erfasst. Ein solch hochentwickeltes Modell mit mehreren Dimensionen für den Berufserfolg legt Burchard (2000) vor.

Der objektive und subjektive Karriererfolg37 wird von drei übergeordneten Merkmals-gruppen beeinflusst – den organisationsbezogenen Merkmalen, den individuellen Merkmalen und den Interaktionsmerkmalen, die aus dem Zusammenwirken der beiden vorgenannten Merkmalsgruppen entstehen. Den individuellen Merkmalen kommt eine Sonderstellung zu, da sie sich noch einmal in Persönlichkeitsmerkmale und sozio-demographische Merkmale unterteilen (siehe Abbildung 9).

Unter Organisationsmerkmalen finden sich die bereits diskutierten Einflussfaktoren von Preisendörfer, Stewman und Konda (Preisendörfer, 1987; Stewman & Konda, 1983; Aus- und Eintrittsraten, Größe der Eintrittskohorte, Wachstum der Organisation, Schrumpfung der Organisation). Des Weiteren ist auch die Größe des Unternehmens ein wichtiger Faktor. Sie ist leicht zu erheben und überdies eine der am besten erforschten Einflussgrößen (Villemez & Bridges, 1988). Zu ihrem Einfluss halten Kalleberg & Van Buren (1996, p. 62) folgendes fest: „The maxim 'bigger is better' is true in the sense that employees of large organizations obtain higher earnings and more fringe benefits and promotion opportunities than do employees in small organizations.“

Autonomie und Kontrolle über die Arbeit sind dagegen Vorteile kleiner Organisa-tionen. Gewinn- und Wachstumschancen werden ferner von der Branche beeinflusst.

Sie wirken sich auf Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten aus.

Die individuellen Merkmale spalten sich wie angeführt in zwei Gruppen. Zu den sozio-demographischen Merkmalen gehört neben der bereits angesprochenen Abhängigkeit des Karrierewegs vom Geschlecht das Alter und die Karrierephase. Das Familienleben und die Familiengröße beeinflussen den subjektiven Berufserfolg in nicht zu unter-schätzender Weise. Naheliegend ist zudem die Vermutung, dass die Ausbildungs- und

37 Buchard setzt Karriererfolg mit Berufserfolg gleich (Burchard, 2000, S. 109).

Abbildung 9: Modell von Karrieredeterminanten (Quelle: Burchard, 2000, S. 93, leicht verändert)

Berufschronologie sich erheblich auf den Berufserfolg auswirkt. Gleiches gilt für Trai-nings- und Weiterbildungsmaßnahmen.38 Arbeitszeit, Funktion und Eintrittsposition sowie Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen, auf die die Organisation Einfluss hat, ordnet Burchard (2000) den soziodemographischen Merkmalen zu, weil er diese Werte bei den Betroffenen erhebt. Die Geschwisterposition und die soziale Herkunft bilden den Abschluss der Liste individueller Merkmale. Die Hautfarbe oder die Zugehörigkeit zu Minderheiten spielen für Deutschland im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten keine große Rolle.

Zu den weichen Persönlichkeitsmerkmalen zählen die drei als Schlüsselqualifikationen bekannten Fähigkeitsgruppen der fachlichen, konzeptionellen und sozialen Kompetenz (Katz, 1974). Sie sind in der wissenschaftlichen Diskussion Aggregate für eine Viel-zahl von Fähigkeiten. Daneben treten nicht immer überschneidungsfrei intellektuelle Fähigkeiten, Selbstvertrauen, Leistungsorientierung, Karriereorientierung, Initiative, Kreativität und Führungskompetenz. Bei ihnen handelt es sich um die am häufigsten aufgeführten Merkmale. Burchard (2000) zählt auch Mikropolitik dazu.

Überraschenderweise fehlt in Burchards Modell die Komponente der sozialen Kontakte bzw. Netzwerke. Angesichts der umfangreichen empirischen Forschung in diesem Bereich, ist dies ein Defizit. Wenn auch die Erkenntnisse zu den Theorien von Granovetter (1973) und Burt (1992) nicht immer eindeutig sind, gibt es doch zahl-reiche Studien, die den Einfluss von Beziehungen auf den Berufserfolg zeigen (Seibert, Kraimer & Liden, 2001). Diese Ressourcen gehören ebenfalls zu den individuellen Merkmalen.

Wenn die Merkmale der Organisation und die Gegebenheiten des Individuums im Berufsleben zusammentreffen, interagieren sie miteinander. Dabei können die Merk-male gut oder weniger gut zusammenpassen. Diese Beobachtung drückt das Person-Umwelt-Fit-Konzept aus (Gustafson & Mumford, 1995; Pervin, 1968). Da dieses Konzept sehr breit verstanden werden kann, finden sich in der Literatur zahlreiche Bemühungen, das Untersuchungsfeld unter dem Gesichtspunkt der Obergruppe Person-Umwelt-Fit enger zu beschreiben. Untergruppen sind der Person-Berufs-Fit, der Person-Arbeitsplatz-Fit, der Person-Organisations-Fit, der Person-Gruppen-Fit und der Person-Vorgesetzten-Fit (Kristof-Brown, Zimmerman & Johnson, 2005).

Viele Berufsfeldforscher haben auf der Basis dieses Konzepts versucht, Wirkungen des Fits auf Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit, Einsatz für die Organisation, Identifika-tion und vieles mehr zu zeigen. In den letzten 20 Jahren haben sich daher einige Autoren daran gemacht, die große Zahl der Veröffentlichungen zu sichten und die Ergebnisse zusammenfassend aufzubereiten. Aus dieser Arbeit sind mehrere Metaana-lysen und Literaturübersichten entstanden, die die Ergebnisse teilweise für die einzelnen Untergruppen des Person-Umwelt-Fits zusammenfassen. Ohne die

Ergeb-38 Burchard (2000) zählt Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen zu soziodemografischen Merkmalen. Sie passen inhaltlich jedoch besser zu Kompetenzen, die in den weichen Persön-lichkeitsmerkmalen behandelt werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden sie daher dort behandelt.

nisse der Studien im Detail zu berichten, kann man zusammenfassend sagen, dass ein guter Person-Umwelt-Fit die Arbeitszufriedenheit, den Einsatz für die Organisation, die Zufriedenheit mit Kollegen wie Vorgesetzten, der Identifikation mit der Organisa-tion und Belastungsindikatoren positiv beeinflusst und etwaigen Kündigungsabsichten vorbeugt (Edwards, 1991; Kristof, 1996; Kristof-Brown, Zimmerman & Johnson, 2005; Verquer, Beehr & Wagner, 2003). Kristof-Brown, Zimmerman & Johnson (2005) kommen daher zu dem Schluss: „It is clear from these results that fit matters“

(p. 316).