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2.4 Entwicklungspsychologische Erkenntnisse

2.4.2 Soziale Kompetenzen

Engagement findet meistens in einer Gruppe statt. Es liegt daher nahe, zu überprüfen, ob sich durch die Zusammenarbeit mit anderen Personen oder das gemeinsame Streben nach einem z.B. sportlichen oder künstlerischen Erfolg die sozialen Fähigkeiten der Engagierten verändern. Sinnvoll ist dies auch deswegen, weil manche Organisationen

17 Academic Clubs an einer Schule sind Gruppen, die sich der Förderung besonderer akademi-scher Interessen verschreiben (z.B. der Mathematik).

18 Teilweise werden soziales und religiöses Engagement unter einer Kategorie zusammenge-fasst (Eccles & Barber, 1999).

und Vereine sich geradezu auf die Fahnen geschrieben haben, Jugendlichen, aber auch Studenten Erfahrungen mit Verantwortung für Projekte und Führung von Mitarbeitern zu vermitteln. Wieder Andere sind auf Führungskräfte aus der Gruppe der Mitglieder angewiesen (Eccles & Templeton, 2002). Ihnen käme der Nachweis von Lernerfolgen für die Nachwuchswerbung sehr entgegen.

Meist beschränken sich die Untersuchungen auf das sportliche Engagement. Mehrere Studien fassen teilweise unterschiedliche Formen des Engagements zusammen oder berichten nur abstrakt über die Entwicklung von sozialer Kompetenz, ohne diesen Begriff klar zu konzeptionalisieren.

Die intensivste Diskussion rund um soziale Kompetenzen entbrennt um die Frage, ob Engagement geeignet ist, Führungskompetenz und Verantwortungsbewusstsein aufzu-bauen. Anhand des 50 Items umfassenden Leadership Ability Evaluation-Fragebogen gehen Dobosz & Beaty (1999) der Frage nach, ob sportliches Engagement dazu beiträgt, eben jene Führungskompetenzen zu entwickeln. Sie zeigen, dass Engagierte deutlich bessere Werte auf der Skala für Führungsfähigkeiten erreichen als Nicht-sportler. Überraschend ist ihnen zu folge vor allem, dass Frauen die Männer in den Ausschlägen übertreffen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht signifikant, und die ganze Studie krankt an der mit 60 nur geringen Zahl der Teilnehmer. Snyder & Spreitzer (1992) untersuchen 4.461 männliche Teilnehmer der Langzeit-Studie HSB auf die Zusammenhänge zwischen akademischer und sportli-cher Leistung und sozialen Charakteristika. Studienteilnehmer, bei denen herausra-gende akademische Leistung und starkes sportliches Engagement auf einander trafen, hatten demnach die umfangreichste Führungserfahrung, die aus der Übernahme von Führungspositionen resultiert, knapp gefolgt von Teilnehmern mit ausschließlich akademischen Qualitäten. Nur-Sportler wiesen zwar etwas weniger Erfahrung auf als die vorgenannten Gruppen, aber immer noch signifikant mehr als Nichtengagierte. Es ist allerdings Vorsicht angebracht bei der Interpretation, da neuere Studien auf einen Zusammenhang zwischen Führungspositionen und dem relativen Alter hinweisen (Dhuey & Lipscomb, 2008), der in der Studie nicht kontrolliert wurde. Weitere Studien berichten ebenfalls, dass bei engagierten Jugendlichen Lernerfahrungen zu Führung häufiger anzutreffen ist als bei Nichtengagierten (Hansen, Larson & Dworkin, 2003).

In der Literatur gibt es eine Auseinandersetzung über Verantwortungsübernahme als Selektionskriterium. Es wird die Frage diskutiert, ob der Wunsch zur Übernahme von Verantwortung bereits vor Beginn des Engagements existiert oder sich erst im Laufe des Engagements entwickelt. Es mehren sich die Hinweise, dass wahrscheinlich sowohl Selektion als auch Sozialisation zusammenwirken. In einer Studie zu Commit-ment haben Lydon & Zanna (1990) Studenten vor und nach einer achtwöchigen frei-willigen Arbeit, die im Rahmen eines Kurses abzuleisten war, zu ihren Einstellungen interviewt. Hatten die Probanden von vorneherein eine hohe Motivation bzw. eine sehr positive Einstellung zu Verantwortungsübernahme, berichteten sie nach Abschluss der Arbeitsphase trotz starker Belastungen über gestiegene Intentionen, weitere Verant-wortung zu übernehmen. Besaßen die Probanden zu Anfang keine hohe Motivation

oder positive Einstellung zu ihrer Aufgabe, führten hohe Belastungen dazu, dass die Intention zu weiterer freiwilliger Arbeit stark sank. Waren die Belastungen dagegen gering, zeigten beide Gruppen unabhängig von ihrer Einstellung vor Beginn der frei-willigen Arbeit eine ähnliche Neigung zur Übernahme weiterer Arbeiten. Im deutschen Kontext gibt es eine Studie, die diese Effekte der Wertverstärkung bestätigt (Krette-nauer, 2006, S. 106f.).

Nach diesen Erkenntnissen zur Übernahme von Verantwortung stellt sich die Frage, ob das Bekleiden einer Führungsposition automatisch mehr Führungskompetenz bedeutet, d.h. ob Führungserfahrung zur Verbesserung von Kommunikationsfähigkeit, Entschei-dungskompetenz, Eignung zur Gruppenarbeit und Initiative beiträgt. Die Ergebnisse zu dieser Fragestellung sind ambivalent. In einem von Jugendlichen selbst verantworteten Projekt haben Larson, Walker & Pearce (2005) beobachtet, dass diese Kompetenzen wachsen, wenn die erwachsenen Betreuer sich zurückhalten und die Verantwortung bei den Jugendlichen liegt. Eine andere Studie mit Studenten, die diese Kompetenzen quantitativ erhoben hat, kommt zum Schluss, dass nur Funktionäre von Vereinen oder Organisationen signifikant bessere Ergebnisse im Bereich der sozialen Kompetenzen zeigen. Schaut man sich die einzelnen Kompetenzen isoliert an, gewinnen Funktionäre in den Bereichen Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungskompetenz, Eignung zur Gruppenarbeit. Funktionsträger im sportlichen Bereich und in Studentenverbindungen profitieren davon allerdings nicht (Rubin, Bommer & Baldwin, 2002).

Sehr detailliert haben Hansen, Larson & Dworkin (2003) mögliche Gewinne aus unter-schiedlichem Engagement hinsichtlich der Führungskompetenz untersucht. Religiös, sozial und gesellschaftlich engagierte Teilnehmer der Studie berichteten signifikant mehr Lernerfahrungen hinsichtlich sozialer Kompetenzen einschließlich der Führungs-erfahrungen. Bei denjenigen, die sich im Sport, in akademischen Clubs, in schulischen Verantwortungspositionen und im künstlerischen Bereich engagieren, konnten die Autoren keine höhere Rate an Lernerfahrungen feststellen.

In einer der wenigen qualitativen und zudem deutschen Studien haben Düx und Sass (Düx & Sass, 2005; Düx, 2006) festgestellt, dass neben dem Selbstvertrauen in die eigene Kompetenz wichtig ist, ob Dritte den Jugendlichen die Bewältigung einer Aufgabe zutrauen. Entwickelt sich daher die Übernahme von Verantwortung schritt-weise von kleinen Aufgaben bis zu immer größeren Verantwortungsbereichen, so ist zu erwarten, dass mit zunehmender Dauer des Engagements die Lernerfolge kaskadierend ansteigen (Düx & Sass, 2005). Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse einer Studie zu sehen, die Jugendliche von der siebten Klasse bis zum Alter von 20 Jahren begleitet hat und zum Schluss kommt, dass vor allem durchgehendes Engagement interpersonale Kompetenzen19 fördert. Dabei ist es weitgehend unerheblich, ob die Teilnehmer bei Eintritt in die Studie bereits über höhere Kompetenz in diesem Bereich verfügten oder nicht. Es ließ sich auf jeden Fall eine Zunahme beobachten (Mahoney, Cairns & Farmer, 2003).

19 Die Studie erhebt interpersonale Kompetenz mit Hilfe des Interpersonal Competence Scale (ICS; Cairns, Leung, Gest & Cairns, 1995).

Nicht alle Engagierten wollen und können sogleich Gruppen- und Projektleiter werden oder im Vorstand eines Vereins oder einer Organisation Verantwortung übernehmen.

Neben der Vertrautheit mit Verantwortung und Führung sind Teamarbeit und Koopera-tion weitere Lernerfahrungen, die sich durch Engagement gewinnen lassen. In der Studie von Düx und Saas berichten alle 72 Teilnehmer (60 Engagierte und 12 ehemals Engagierte) von Erfahrungen mit Teamwork und Kooperation. Bei Hilfs- und Rettungsdiensten kommt diesen Kompetenzen überragende Bedeutung zu (Düx, 2006;

Düx & Sass, 2005). Eine Studie im nordamerikanischen Kontext gelangt zu fast gleich lautenden Ergebnissen (Dworkin, Larson & Hansen, 2003).

Neben der heute sowieso überall geforderten Teamfähigkeit bietet sich Engagierten zusätzlich die Chance, ihre Kommunikationsfähigkeit in vielerlei Weise auszubauen.

Düx (2006), aber auch Dworkin, Larson & Hansen (2003) streichen heraus, dass nicht nur das Zuhören, Sprechen und Verhandeln mit Gleichaltrigen geübt wird, sondern auch die Verständigung über Generationsschranken hinweg. Neben diesen Aspekten führen die Autoren außerdem Feedback und Kritikfähigkeit als wichtige Erfahrungen und Kenntnisse auf, die im Zusammenhang mit Engagement erlebt und geübt werden.

Ähnliche Erkenntnisse finden sich auch bei Larson (2007).

Rubin, Bommer & Baldwin (2002) haben außer den Lernerfahrungen von Funktions-trägern auch die der „normal“ Engagierten untersucht. Waren sie in Vereinen, Organi-sationen oder in Verbindungen tätig, so besaßen sie eine höhere Kommunikationsfähigkeit und Entscheidungskompetenz sowie eine ausgeprägtere Eignung zur Gruppenarbeit. Für nur sportlich Engagierte konnten sie dagegen keine signifikanten Unterschiede zu Nichtengagierten zeigen.

Wie bereits im Unterkapitel zu gesellschaftlichen Bedeutung von Engagement ange-sprochen (Kapitel 2.3.1, S. 30), spielt in fast allen industrialisierten Gesellschaften die Migration eine bedeutende Rolle. Beziehungen zu Angehörigen anderer Religionen und Ethnien aufzubauen und Menschen aus anderen Kulturkreisen zu respektieren, wird für viele Jugendliche daher zunehmend wichtiger. Aktivitäten, in denen sich Jugendliche über das schulische Curriculum einbringen, können beim Aufbau integra-tiver Kompetenzen helfen (Larson et al., 2004). Umfangreichere Studien zu diesem Thema fehlen aber bislang.