• Keine Ergebnisse gefunden

6.2 Besonderheiten bei Befragungen im Internet

6.2.1 Stärken und Schwächen von Online-Befragungen

Die wichtigsten Stärken der Online-Befragungen im Vergleich zum klassischen gedruckten Fragebogen sind im Folgenden kurz dargestellt. Ihnen stehen Schwächen gegenüber, die nicht unerwähnt bleiben dürfen.

Die Kosten großer Befragungen, die auf Papier als Medium setzen, sind teilweise sehr hoch. Außer den Druckkosten für den Fragebogen selbst fallen besonders die Porto-kosten für deren Hin- und Rücksendung stark ins Gewicht. Kommen noch Erinne-rungsschreiben dazu, so entstehen allein für das Porto Kosten in Höhe von mehr als drei Euro pro Proband44. Mit jedem Probanden mehr, steigen die Kosten. Bei Online-Befragungen beschränken sich die Kosten auf den Betrieb eines Servers und eventuelle

44 Hin- und Rückporto von 1,45 Euro für einen Fragebogen, der mehr als drei Seiten umfasst, zuzüglich ein Erinnerungsschreiben zu 0,55 Euro für die Hälfte des Samples.

Lizenzgebühren für die Nutzung einer Software. Entwicklungskosten für den Frage-bogen, die in der Anfangszeit der Online-Forschung noch erheblich waren (Schonlau, Fricker & Elliott, 2002), spielen mit der Verfügbarkeit von leistungsfähiger Standard-software keine große Rolle mehr. Unter Kostengesichtspunkten ebenfalls unerheblich ist die Zahl der Probanden, außer wenn die Lizenzgebühren nach der Zahl der Probanden berechnet werden.

Zudem ist die Flexibilität, sowohl was den Ablauf des Fragebogens als auch den Inhalt anbelangt, deutlich größer. Im Verlauf des Fragebogens können Fragen auf Basis vorher gegebener Antworten ein- bzw. ausgeblendet werden. Damit sieht der Proband nur die ihn betreffenden Fragen. Online-Fragebögen ermöglichen so eine Benutzerfüh-rung, die für den Probanden sehr einfach und komfortabel ist, zumal sie auf Sprungbe-fehle (z.B. wenn JA, dann bitte weiter mit Frage X) verzichten und damit das Ausfüllen erleichtern. Dem Forscher stehen mithin vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zur Abfrage individuell unterschiedlicher Daten zur Verfügung, ohne dass die Übersicht-lichkeit des Fragebogens beeinträchtigt wird. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Forscher bei einem Online-Fragebogen die vollständige Kontrolle über die Reihen-folge der Fragenbeantwortung erzwingen kann. Ein „Vorblättern“ lässt sich nämlich verhindern. Allerdings geht damit auch ein Gefühl für die Dauer der Beantwortung verloren (Schonlau, Fricker & Elliott, 2002).

Online-Befragungen ermöglichen darüber hinaus den Einsatz von Techniken und Hilfestellungen, die den Probanden das Ausfüllen des Fragebogens erleichtern. Gleich-zeitig sorgen diese Techniken für eine hohe Datenqualität, indem sie z.B. Eingaben gegen ein vorgegebenes Datenmuster validieren und den Probanden im Fall eines Fehlers darauf hinweisen. Vollständigere Datensätze werden schließlich dadurch erreicht, dass bei Online-Befragungen Fragen zu Pflichtfragen gestaltet werden, ohne deren Beantwortung die folgenden Fragen nicht gezeigt werden oder der Fragebogen nicht abgeschlossen werden kann.

Ebenfalls der Datenqualität zu Gute kommt die Möglichkeit, Nachfassaktionen einfach zu realisieren. Erinnerungen an das Ausfüllen des Fragebogens werden bei Online-Befragungen kostengünstig in theoretisch beliebiger Frequenz per Email nur an die verschickt, die noch nicht auf den Fragebogen reagiert haben. Dieses Vorgehen, das auch für postalisch verschickte Fragebögen empfohlen wird, dort aber hohe Porto-kosten auslöst, trägt zu einer deutlich höheren Rücklaufquote bei (Cook, Heath &

Thompson, 2000; Dillman, 2007, p. 150-151; Jacob & Zerback, 2006).

Ein weiterer Pluspunkt von Online-Erhebungen ist die schnelle und einfache Verfüg-barkeit der Daten. Die zeitaufwendige Produktion der Papier-Fragebögen sowie ihr Versand entfallen. Die Dateneingabe erledigt der Proband. Fehler, die durch das aufwändige und fehlerträchtige Abtippen der Antworten entstehen, werden vermieden.

Zugleich sind die Daten in dem Moment für den Forscher verfügbar, in dem der Frage-bogen erfolgreich an der Server übertragen wird, unabhängig von welchem Ort auf der Welt dies geschieht.

Mit dem Einsatz des Internets als Fragebogenbasis sind – teilweise vermeidbare – Nachteile und systembedingte potentielle Schwachpunkte verbunden, die es bei der Planung einer Online-Befragung zu bedenken gilt (Bandilla & Bosnjak, 2000;

Bosnjak, 2002; Couper, 2000b; Dillman, 2007; Faas & Schoen, 2006; Ganassali, 2008;

Heerwegh, Abts & Loosveldt, 2007; Huang, 2006; Jacob & Zerback, 2006; Thompson, Surface, Martin & Sanders, 2003).

Die Kritikpunkte konzentrieren sich insbesondere auf zwei Problembereiche: Auf die Anforderungen, die das Sample erfüllen muss, und die Rahmenbedingungen für den Ablauf der Befragung. Im Folgenden wird daher erörtert, welche spezifischen Eigen-schaften von Online-Befragungen sich negativ auf die Quote derer auswirken, die mit dem Ausfüllen des Fragebogen erst gar nicht beginnen oder das Ausfüllen im Laufe der Beantwortung abbrechen.

Probleme durch Verzerrungen in der Stichprobe standen anfangs im Mittelpunkt der Diskussion, haben mittlerweile indessen an Bedeutung verloren. Hinsichtlich des Samples wird vielfach darauf hingewiesen, dass ein Internetzugang noch immer nicht für jeden erreichbar ist und sich dadurch Verzerrungen bei den Ergebnissen ergeben können (z.B. Bandilla & Bosnjak, 2000; Couper, 2000b; Fricker & Schonlau, 2002).

Die demographische Zusammensetzung der Internetnutzer kann sich negativ auswirken. Gestützt auf Untersuchungen von Nutzerprofilen wird häufig geäußert, dass die Mehrzahl der Nutzer männlich, relativ jung und vergleichsweise gut gebildet ist (Faas & Schoen, 2006). Treffen diese Beobachtungen zu und gibt es in der Population Gruppen, die durch die Wahl des Mediums von der Teilnahme an der Befragung abge-halten werden, ist naturgemäß die Repräsentativität der Ergebnisse in Frage gestellt (Couper, 2000b; Dillman, 2007; Kraut et al., 2004). Schwierigkeiten ähnlicher Art entstehen, wenn Angehörige der Population mit dem Medium Internet nicht vertraut sind oder mit einem Computer nicht umzugehen wissen. Zwar gehen einige Autoren davon aus, dass diese Problematik in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung verliert (Fricker & Schonlau, 2002), aber Populationen, in denen ältere Menschen vertreten sind, sind auch heute noch nur eingeschränkt für Online-Befragungen geeignet.

Weitere Umstände können sich negativ auf den Ablauf einer Online-Befragung auswirken. Die Flut unerwünschter Emails (SPAM), die nicht selten versteckte Schad-programme enthalten, nötigt Internetnutzer zu Vorsichtsmaßnahmen, um einer Schädi-gung durch Viren oder andere Formen der Verseuchung von Computern zu entgehen.

Wenn deshalb Emails unbekannter Versender strikt nicht beachtet werden, so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Online-Befragung von dieser Handhabung erfasst wird. Ein aggressiv eingestellter Spamfilter kann überdies dafür sorgen, dass der Teil-nehmer eine Email mit dem Link auf den Fragebogen erst gar nicht zu Gesicht bekommt.

Neben solchen, teilweise technisch bedingten Hürden halten auch Datenschutz- und Sicherheitsbedenken viele Nutzer von einer Teilnahme an Online-Befragungen ab. So hat die Diskussion über sicheres Verhalten im Netz bewirkt, dass viele Nutzer der

Preisgabe von individuellen Informationen über das Internet skeptisch gegenüber-stehen (Berry, 2004; Cho & LaRose, 1999).

Ein weiterer Punkt, der Probanden davon abhalten könnte, den Fragebogen abzu-schließen, ist das Design. Die Präsentation von Fragen auf dem Bildschirm ist ein intensiv studiertes Gebiet (z.B. Couper, Tourangeau, Conrad & Singer, 2006; Couper, Tourangeau & Kenyon, 2004). Die größeren visuellen und interaktiven Möglichkeiten des Internets bergen Gefahren eigener Art. So können unterschiedliche technische Gegebenheiten beim Befragungsteilnehmer zu unbeabsichtigten Störungen oder Frage-bogenabbrüchen führen.

Wie diese Faktoren die Rücklaufquote bei Online-Befragungen beeinflussen, ist schwer einzuschätzen. Allgemein gültige Aussagen dazu liegen nicht vor. Erfahrungen zeigen, dass sowohl eine niedrigere wie auch eine höhere Rücklaufquote eintreten kann (Sheehan & McMillan, 1999). Eine umfassende Übersicht über die besonderen Stärken und Schwächen von Online-Umfragen findet sich bei mehreren Autoren (z.B. Evans &

Mathur, 2005, siehe auch Abbildung 13; Fricker & Schonlau, 2002).

Abbildung 13: Stärken und potentielle Schwächen von Online-Umfragen (Quelle:

Evans & Mathur, 2005, p. 197)