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Forschung zu den Zusammenhängen im Lebenslauf eines Menschen mit besonderem Fokus auf den vier Kategorien Engagement, akademische Leistungen, Arbeitserfahrung und Berufserfolg mag eine auf den ersten Blick wenig befriedigende Wissenschaft sein. Große Effekte, starke Zusammenhänge und viel erklärte Varianz sind offenbar nicht die Merkmale dieses Themengebiets. Die Ergebnisse als effektschwach von der Hand zu weisen, könnte jedoch voreilig sein. Die drei zuerst genannten Kategorien liefern nämlich jeweils eigene Beiträge zur Erklärung des beruflichen Erfolgs.

Die wichtigste Erkenntnis aus den vorliegenden Ergebnissen ist, dass sich Lerneffekte in einem derart komplexen Gebiet nur zeigen lassen, wenn sie möglichst eng mit ihrem zukünftigen Einsatzfeld verbunden sind. Dabei ist unerheblich, ob es sich um formelles Lernen von Fachkompetenz in der Schule oder im Studium dreht oder informelles Lernen von Fachkompetenz über die Arbeitserfahrung oder Führungskompetenz im Engagement.

Die Integration von Arbeitserfahrung in die universitäre Ausbildung ist in vielen Prüfungsordnungen bereits verankert. Für die Universitäten, in denen dies noch nicht der Fall ist, leitet sich aus den vorliegenden Ergebnissen die Empfehlung ab, Praktika zu fördern. Beispiele, wie dies geschehen kann, sind zahlreich und bedürfen keiner intensiven Diskussion. Für die optimale Ausgestaltung eines fachlichen Curriculums liefern die Ergebnisse dieser Arbeit keine Anhaltspunkte. Daher konzentrieren sich die folgenden Handlungsempfehlungen auf die Ausgestaltung von Rahmenbedingungen für Engagement.

8.2.1 Handlungsempfehlungen für Schule und Gesellschaft

Engagement ist wichtig, nicht nur für die Engagierten, sondern auch für die Gesell-schaft (siehe Kapitel 2.3.1, S. 30). Ob man tatsächlich soweit gehen möchte und es als lebenswichtig für eine Gesellschaft ansieht oder nur die vielfältigen positiven Wirkungen betrachtet, die sich durch Engagement ergeben, ist unerheblich. Seine posi-tive Wirkung hat es auch in dieser Studie gezeigt. Eine besonders wichtige Erkenntnis kann man aus dieser Studie mitnehmen, wenn es um die Förderung einer aktiven Gesellschaft geht. Engagement in der Schulzeit ist eine gute Voraussetzung für Enga-gement auch in den weiteren Lebensphasen.

Mit der Umstellung auf das achtstufige Gymnasium und die intensiv diskutierten Ganz-tagsschulen geht ein großes Stück Verantwortung hinsichtlich einer positiven Weichen-stellung auf die Schule über. Hier sollte man den Blick auf die guten Forschungsergebnisse in den Vereinigten Staaten richten und von der dortigen Erfah-rung auf diesem Gebiet profitieren. Die neuen Schulformen bieten dabei die einmalige Gelegenheit, freiwilliges und selbstbestimmtes Engagement in das Umfeld der Schule einzugliedern und damit allen Kindern ohne Rücksicht auf die Schulform verfügbar zu machen. Wichtig ist, dass diese Förderung mit Blick auf unterschiedliche Arten des Engagements nicht einseitig z.B. auf Sport fokussiert wird, sondern eine möglichst große Vielfalt bietet. Als Ansprechpartner bieten sich dafür Vereine, Eltern, aber auch ältere Schüler an. Mit Blick auf die Wirkungen speziell auf den hierarchischen Berufs-erfolg sollten Lehrer wie Eltern die Schüler ermutigen, Verantwortung für Gruppen, Mannschaften, oder Arbeitskreise zu übernehmen. Lehrer beschränken sich optimaler-weise auf beratende Funktionen im Hintergrund und die Unterstützung der Schüler beim Aufbau von Führungskompetenz.

Nicht zwangsläufig muss solches Engagement immer freiwillig sein. Larson et al.

(2004) haben beobachtet, dass sich die Motivation zu Engagement, das ursprünglich auf Grund von extrinsischen Anreizen aufgenommen wurde, während der Teilnahme

verändert. So ließe sich entweder über Anreize oder über sanften Druck evtl. auch die Zahl derer senken, die sich sonst nicht engagieren. Wichtig ist zu verhindern, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und das teilweise negative Schulimage auf das Enga-gement übertragen wird (Düx, 2006).

„Tue Gutes und rede darüber“ ist eine Maxime im Marketing. Gerade das Darüber-reden ist derzeit für Schüler und Bewerber schwierig, weil Engagement kaum offiziell dokumentiert wird. Abhilfe könnte die Aufnahme von Tätigkeiten in das Schulzeugnis schaffen, vor allem dann, wenn sie im schulischen Rahmen durchgeführt worden sind.

Auch Vereine sollten sich Gedanken machen, wie sie die Kompetenzgewinne ihrer engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiter besser dokumentieren. Möglicherweise gelingt es dann besser, diese Kompetenzen in monetäre Vorteile umzuwandeln. Jedenfalls ist es kaum erklärbar, warum man für jeden gespendeten Euro eine Spendenquittung bekommt, eingesetzte Zeit und eingesetztes Wissen aber nicht dokumentiert und hono-riert werden.

Auch wenn sicher noch mehr Forschungsanstrengungen notwendig sind und die Ergeb-nisse dieser Arbeit einer Überprüfung standhalten müssen, sollten auch Unternehmen bei ihrer Einstellungspraxis das Kriterium Engagement intensiver in Erwägung ziehen.

Gerade wenn es um zukünftige Führungskräfte geht, sollte bereits erworbene Führungserfahrung und -kompetenz im eigenen Interesse stärker berücksichtigt werden. Interessant ist, dass immer mehr Unternehmen Engagement mit Ressourcen auch in Form von Zeit unterstützen und sich davon einen Kompetenzgewinn ihrer Mitarbeiter versprechen (Herzig, 2006). Es wäre daher naheliegend, schon bei der Auswahl der Mitarbeiter auf Engagement zu achten und die Kompetenzen für das Unternehmen zu gewinnen, wenn man sie noch umsonst bekommt.

8.2.2 Handlungsempfehlungen für Universitäten

Eines zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit deutlich: Engagement ist nicht das allein ausschlaggebende Instrument, das, wenn man es nur kräftig fördert, jeden Einzelnen zu neuen Höhepunkten bei akademischen Leistungen und beruflichem Erfolg führt.

Deshalb fragt sich, wie eine Universität und im Besonderen eine Business School von den Erkenntnissen profitieren kann. Zwei Schwerpunkte drängen sich dabei auf. Ganz offenbar gelingt es auch der Universität nur eingeschränkt, gewisse Schlüsselqualifika-tionen in ihrem Curriculum zu vermitteln. Mit der Umstellung der Diplom-Studien-gänge auf die Bachelor/Master-Struktur ist die Anforderung verbunden, diese Kompetenzen im Studium verstärkt zu berücksichtigen. Das kann aber nur dann erfolg-reich sein, wenn die Lernumgebung auch den Einsatz der erworbenen Fähigkeiten fördert und trainiert. Die Inhalte eines im ersten Semesters besuchten Rhetorik-Kurses beispielsweise sind nach sechs Semestern ohne zwischenzeitliche Möglichkeiten zur Übung kaum mehr präsent und daher wenig nutzbringend.

Führungstätigkeiten in einem Verein, einem Projekt oder einer Arbeitsgruppe bieten häufig die Möglichkeit, eben diese Fähigkeiten zu üben, auszubauen und damit lang-fristig als Kompetenzen zu verankern. Zudem gibt es, wie die Ergebnisse zeigen,

Kompetenzen, die die Universität überhaupt nicht vermitteln kann. Führungskompe-tenz gehört dazu. Eine Ergänzung des Curriculums um gelebte Führungsverantwortung könnte diese Probleme beheben. Mit genau diesem Fokus stellen auch Mumford et al.

(2000a, p. 90) fest, dass „exercises that promote the acquisition of these skills and mentoring by experienced senior leaders should prove useful as well as assignments that present novel, challenging organizational problems calling for autonomy, risk taking, ongoing environmental assessment, and longterm solutions of multiple subsys-tems.“ Dabei wäre es nur nötig, von den Studenten im Laufe ihres Studiums einen Nachweis darüber zu fordern, dass sie die Leitung eines Projekts, den Vorsitz in einem Verein oder anderweitiges Engagement inne gehabt haben, das über einen gewissen Zeitraum mit Verantwortung verbunden war.

Die Chancen, die eine solche Berücksichtigung von Engagement im Studium für die Teilnehmer wie die Universität bedeuten könnte, liegen auf der Hand. Die Teilnehmer würden von neuen Erfahrungen, Kompetenzgewinnen, einer Erweiterung des Horizonts und zusätzlichen Chancen beim Berufseintritt profitieren. Das gilt insbesondere für Führungserfahrung und -kompetenz, die auszubilden sich eine Universität mit einem klassischen Curriculum schwer tut. Ihre Ausbildung würde damit praxisrelevanter, abwechslungsreicher und evtl. interessanter.

Die Möglichkeiten der Universität, aus einem derartigen Programm Vorteile zu ziehen, sind zahlreich. Neue Initiativen und Projekte könnten das Leben auf dem Campus abwechslungsreicher gestalten. Durch geschickt angelegte Aktionen in Zusammenar-beit mit studentischen Projektgruppen würde die Universität ihren Bekanntheitsgrad steigern und ihr Image und Prestige verbessern. Damit verbindet sich gleichzeitig die Erwartung, dass Studenten, die sich für ihre Universität engagieren, ihr später als Alumni enger verbunden bleiben. Die Integration der Studenten und damit der Univer-sität in das gesellschaftliche Leben der Heimatgemeinde gehört zu den weiteren posi-tiven Möglichkeiten eines strukturierten Programms mit Blick auf Engagement (Benson, Harkavy & Puckett, 2000). Studenten, die beim Ortsverband des Roten Kreuz, bei der freiwilligen Feuerwehr oder bei einem anderen lokalen Verein oder Verband ihr Wissen in verantwortlicher Position einbringen, erwerben dann selbst Kompetenzen und tragen gleichzeitig zu einem Wissenstransfer in die lokalen Engage-ment-Träger bei (Hansen, 2008, S. 101f.). Gerade nordamerikanische Forscher sehen im Umfang der Möglichkeiten, solche Funktionen wahrzunehmen, einen Ausweis für die Exzellenz einer Universität (Kuh et al., 2005, pp. 219-240).

Natürlich sind derartige Programme nicht ohne Aufwand durchzuführen (Baum, 2000).

Eine sorgfältige Evaluation sollte deshalb den Zugewinn für alle Beteiligten über-prüfen. Bei Zweifeln an der nachhaltigen Wirkung ist es angesagt, die Projekte zu verändern, abzubrechen oder einzustellen.

Wenn eine Universität oder eine Business School freiwilliges, extracurriculares Enga-gement in seiner ganzen Breite als Gewinn betrachtet und sich zu seiner Förderung entschließt, ist es sinnvoll, sich bereits bei der Zulassung zum Studium von diesen Prinzipien leiten zu lassen und entsprechende Entscheidungskriterien in das

Zulas-sungsverfahren aufzunehmen. So spielen beispielsweise an US-Spitzenuniversitäten Führungspositionen in extracurricularen Aktivitäten für die Zulassung zu den begehrten MBA-Programmen eine große Rolle (z.B. Fuqua School of Business, 2008;

Harvard Business School, 2008; Stanford Graduate School of Business, 2008). Für die US-Universitäten steht dabei die Prognose des Potenzials im Vordergrund, in Zukunft Führungspositionen in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich auszufüllen. Weitere Gesichtspunkte kommen zum Tragen, wenn es heißt: „Indeed, to create the most stimulating environment possible for all students, we consciously select a diverse student body, one that not only reflects a variety of backgrounds, cultures, and nationalities, but a wide range of personal interests and professional ambitions“

(Harvard Business School, 2008).

Die in dieser Arbeit betrachteten Indikatoren sind einfach zu erheben. Im Gegensatz zu aufwändigen und kostspieligen Testverfahren stehen die Informationen in der Regel über den Lebenslauf ohne großen Aufbereitungsaufwand zur Verfügung. Ihr Einsatz ist dementsprechend kostengünstig. Engagement in Führungsfunktionen schon bei der Zulassung zu berücksichtigen, könnte sich daher für Universitäten wie auch für die Gesellschaft im Ganzen als sehr lohnend herausstellen.