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Die Definition des Begriffs 'Engagement' in dieser Arbeit ist von großer Bedeutung.

Ein von der Mehrheit geteiltes Verständnis von Engagement existiert in der vorlie-genden Literatur nicht (Auerbach & Wiedemann, 1997; Beher, Liebig & Rauschen-bach, 1999). Dies gilt besonders für den deutschen Sprachraum.

Neben einer besseren Fassung des Begriffs werden zudem unterschiedliche Kategorien von ehrenamtlichem Engagement erläutert. Diese Unterscheidung ist auch deshalb wichtig, weil unterschiedliche Arten, also z.B. sportliches, musikalisches, oder religi-öses Engagement, wie die folgenden Ausführungen zeigen, bereits umfassend erforscht sind. Unterschiedliche Formen, also z.B. Mitarbeit oder Übernahme von Verantwor-tung in unterschiedlichen Ausprägungen, haben dagegen erst wenig Interesse auf sich gezogen.

2.1.1 Engagement in der Literatur

Soziale Partizipation (Deth, 2004), extracurriculare Aktivitäten (z.B. in Darling, Cald-well & Smith, 2005; Feldman & Matjasko, 2005; Mahoney, Cairns & Farmer, 2003), ehrenamtliches Engagement (Peras, 2001; Stricker, 2006), gemeinnützige Tätigkeit

und Freiwilligenarbeit (Reinders, 2006) sind Begriffe, die in der Literatur im Zusam-menhang mit Engagement verwendet werden. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sie zumeist sehr unterschiedliche Bedeutungen haben und keinesfalls synonym verwendet werden dürfen (Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, 2002, S. 73ff.).

Soziale Partizipation umfasst nach Deth (2004, S. 297) alle Tätigkeiten, „die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen in Organisationen zu beein-flussen“. Mit dieser Definition öffnet sich ein weites Feld an Tätigkeiten. Die aktive Mitarbeit wird allerdings ausgegrenzt, weil sie nicht auf die Beeinflussung von Entscheidungen gerichtet ist, sondern meist nur aus der Umsetzung der Entscheidungen besteht.

Der Begriff extracurriculare Aktivitäten (extracurricular activities) erfreut sich vor allem in der anglo-amerikanischen Literatur großer Beliebtheit. Extracurricular bedeutet dabei soviel wie 'außerhalb des Lehrplans'. Damit beschreibt dieser Begriff die Tätigkeiten treffend, die während der Schulzeit und des Studiums über den normalen Unterrichtsbetrieb hinaus durchgeführt werden. Gerade entwicklungspsycho-logische Studien, die die Verwendung von Freizeit von Schülern und Studenten unter-suchen, greifen gerne auf diesen Begriff zurück, da er das Untersuchungsfeld nicht zu sehr einengt. Zusammen mit 'Aktivität' öffnet sich ein breiter begrifflicher Raum, der sowohl die Übernahme von Verantwortung wie auch das bloße „mitmachen“ abdeckt.

Eigenes Aktiv-Werden – sei es geistig oder körperlich – ist zwingend notwendig.

Mitglied sein allein reicht nicht aus. Dieses Verständnis kommt dem in der Shell-Jugendstudie 2002 geprägten Begriff der 'gesellschaftlichen Aktivität' damit am nächsten (Gensicke, 2002, S. 194ff.). Für die Beschreibung von Tätigkeiten während des Berufslebens ist der Begriff 'extracurricular' dagegen ungeeignet, da in dieser Phase ein 'Lehrplan' normalerweise nicht mehr existiert.

Die Begriffe 'ehrenamtliches Engagement', 'gemeinnützige Tätigkeit' und 'Freiwilligen-arbeit' unterscheiden sich von diesem Verständnis grundlegend. Gerade das Attribut gemeinnützig ist eine erheblich Einschränkung, da der Begriff 'gemeinnützig' rechtlich klar umrissen ist und letztlich derartige Tätigkeiten nur im Rahmen einer vom Staat als gemeinnützig anerkannten Organisation durchgeführt werden können (Anheier &

Seibel, 1997). 'Freiwilligenarbeit', im Englischen häufig als 'volunteering' bezeichnet, betont dabei den Charakter der Arbeit (Gensicke, 2006, S. 50). Vielfach wird dieser Begriff auf den sozialen Dienst an anderen fokussiert (Krettenauer & Gudulas, 2003), ein politischer Hintergrund und teilweise auch die Motivation durch Selbstnutzen ausgeschlossen (Wilson, 2000).

Am weitesten verbreitet ist in Deutschland der Begriff des 'ehrenamtlichen Engage-ments' (Rauschenbach, 1999). Lange Zeit der Inbegriff von Engagement überhaupt, verdankt die Verbindung von Ehrenamt und Engagement ihre Entstehung der preußi-schen Verwaltungsreform zu Anfang des 19. Jahrhunderts (Enquete-Kommission

„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, 2002, S. 73f.; Salamon & Anheier, 1997). Nicht unproblematisch daran ist die starke Ausrichtung auf ein formales Amt,

mit dem zwar Engagement häufig organisatorisch gefasst wird, das aber bei weitem nicht immer vorliegt und das vor allem den Gewohnheiten in der Jugend nur bedingt entspricht (Gensicke, 2002, S. 195). Aber auch der Begriff 'Engagement' allein kann zu falschen Interpretationen führen. Fredricks, Blumenfeld, Friedel & Paris (2005) erläu-tern dazu, dass es in der Literatur drei verschiedene Arten von Engagement gibt, die zumindest in der Schule das Engagement im Unterricht durch positives Verhalten, d.h.

den Verzicht auf Störungen, die aktive Teilnahme am Unterricht und besondere Anstrengungen bei den schulischen Aufgaben einschließen. Für das Berufsleben ließe sich dann analog besonderer und über das normale Maß hinausgehender Einsatz als Engagement bezeichnen. Diese Arbeit beschränkt sich auf das Engagement in der Frei-zeit, also neben dem Unterricht und neben einer beruflichen Tätigkeit.

Festzuhalten bleibt, dass zum Engagement in der deutschsprachigen Literatur ein sehr unterschiedliches Verständnis existiert. Um diese Defizite (Rauschenbach, 1999) zu umgehen, scheint es angebracht, den Begriff eigenständig zu definieren und als Kondensat verschiedener Begriffe zu formen. Wichtig ist dabei, dass das Verständnis nicht zu beliebig ist, aber auch nicht durch seine Wortwahl wichtige Bereiche ausge-grenzt werden. Engagement ist demnach

eine Aktivität, die

in der Freizeit (neben Unterricht und Beruf) stattfindet,

nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet ist (für die Ehre)

und mittel- oder unmittelbar eine Steigerung des Gemeinwohls zum Ziel hat.

Die Enquetekommission des Deutschen Bundestages fügt Engagement in der Regel das Attribut „bürgerschaftlich“ hinzu. Damit verbunden ist, dass Engagement nach diesem Verständnis zusätzlich als freiwillig, im öffentlichen Raum stattfindend und in der Regel gemeinschaftlich und kooperativ ausgeübt gilt (Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, 2002, S. 86). Inwieweit allerdings diese „Frei-willigkeit“ als Gegenpol zu staatsbürgerlichen Pflichten tatsächlich gegeben ist, ist vor dem Hintergrund von mehr oder weniger sanftem Druck von Eltern, Ansprüchen von Arbeitgebern bei der Arbeitssuche und Forderungen von gesellschaftlichen Gruppen an Entscheidungsträger fraglich (Erlinghagen, Rinne & Schwarze, 1997; Freeman, 1997).

Auch die Feststellung, Engagement finde im öffentlichen Raum statt, ist wenig über-zeugend dargestellt. Dass bürgerschaftliches Engagement kooperativ oder zumindest gemeinschaftlich geschieht, ist wahrscheinlich, aber keinesfalls zwingend. Diese Charakterisierung kann daher keinen Eingang in die Definition finden.

In der Praxis kommt man nicht umhin, die Einschätzung, was unter Engagement zu verstehen ist, bei einer Erhebung dem einzelnen Teilnehmer selbst zu überlassen.

2.1.2 Arten und Formen von Engagement

Wie also sieht dieses Engagement konkret aus? Zahlreiche Studien legen Kategorien-systeme für die Erfassung der unterschiedlichsten Facetten von Engagement vor. Die bekanntesten sind Studien wie der Freiwilligensurvey, der European Social Survey

(ESS) und die EUROVOL-Untersuchung. Sie verfolgen das Ziel, Engagement in einem Land oder über Grenzen hinweg möglichst vollständig zu erfassen und abzu-bilden (Deth, 2004, S. 297). Mit diesen Zielen ermöglichen sie wichtige Erkenntnisse zur gesellschaftlichen Bedeutung von Engagement. Selten sind sie jedoch in der Lage, Fragen nach konkreten Wirkungsmechanismen oder gar Entwicklungen oder Wirkungen auf der Ebene des Individuums zufriedenstellend zu beantworten.

Das mit 20 Arten umfangreichste System der Klassifizierung besitzt die EUROVOL-Studie (Gaskin, Smith & Paulwitz, 1996, S. 75), wenngleich sie nicht unumstritten ist (Beher, Liebig & Rauschenbach, 1999, S. 27; Gensicke, 2006, S. 47). Aktueller ist der ausschließlich auf Engagement in Deutschland fokussierte Freiwilligensurvey, der nur 14 Kategorien kennt (Gensicke, 2006). Der ESS dagegen greift auf 12 unterschiedliche Arten zurück (Deth, 2004, S. 302). Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Kategoriensysteme findet sich im Anhang (S. 207). Im Gegensatz zum ESS und auch der EUROVOL-Studie stellt das bloße Spenden von Geld oder anderen materiellen Gütern für die vorliegende Arbeit kein Engagement im Sinne der Definition aus Kapitel 2.1.1 dar, da es an einer aktiven Beteiligung im Sinne von eigener geistiger oder körperlicher Aktivität mangelt.

Wesentlich seltener als die Arten des Engagements werden seine Formen untersucht.

Kuhn & Weinberger (2005) beleuchten zumindest unterschiedliche Formen von Führungspositionen genauer (Captain/President). Die meisten Studien beschränken sich bei der Erfassung der Intensität des Engagements auf die eingesetzte Zeit (Hofer, 1999). Ein Kriteriensystem, das die Beschreibung verschiedener Intensitätsstufen von Engagement über die eingesetzte Zeit hinaus erlaubt und zum Beispiel Ämter und Führungspositionen in die Klassifikation mit einbezieht, liegt bis dato nicht vor.