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5.3 Hypothesenableitung

5.3.1 Modellbezogene Hypothesen

Nachfolgend werden die Zusammenhänge des Modells aus Abbildung 12 in den Kontext der vorliegenden Forschungsergebnisse eingeordnet. Aus diesen Forschungs-ergebnissen leitet sich zudem die Wirkungsrichtung ab, die die Hypothesen annehmen.

Hypothesen zu Engagement

Wie im Verlauf des Kapitels 2 dargestellt, sind die empirisch fundierten Erkenntnisse zu den Wirkungen von Engagement vor allem für den nordamerikanischen Raum sehr umfangreich.

Dank einiger sehr aufwändig angelegter Studien, die ihre Teilnehmer über lange Zeiträume begleiten, ist bekannt, dass Freizeitaktivitäten einschließlich des Engage-ments über viele Lebensphasen stabil bleiben (Raymore, Barber & Eccles, 2001; Scott

& Willits, 1998). Mit besonderem Schwerpunkt auf freiwilligem Engagement in Abbildung 12: Modell des Zusammenhangs von Engagement, akademischer Leistung,

praktischer Erfahrung und beruflichem Erfolg

Gemeinden und sozialen Einrichtungen stellen mehrere Studien fest, dass engagierte Jugendliche dieses Engagement als Erwachsene häufig fortsetzen (Youniss & Yates, 1999; Zaff et al., 2003a; Zaff et al., 2003b). Nimmt man weiterhin an, dass durch Engagement das Verantwortungsgefühl gestärkt wird und dieses zu einem höheren Engagement führt, dann ist es naheliegend, die folgenden Zusammenhänge zu vermuten.

H1: Je stärker sich ein Schüler während der Schulzeit engagiert, desto stärker wird er das auch während des Studiums tun.

H2: Je stärker sich ein Student während des Studiums engagiert, desto stärker wird er das auch während des Berufslebens tun.

Die Beziehung zwischen Engagement und akademischer Leistung ist der am inten-sivsten erforschte Bereich (siehe Kapitel 2.4.1, S. 43ff.). Zwar liegen keine befriedi-genden theoretischen Modelle vor, die die kausale Wirkung plausibel erklären, die Zahl der Studien, die positive Einflüsse von extracurricularen Aktivitäten auf Noten oder Testergebnisse dokumentieren, ist aber groß (z.B. Darling, Caldwell & Smith, 2005; Gerber, 1996). Über keine oder gegenteilige Effekte haben dagegen deutlich weniger Forscher berichtet.

Allerdings beziehen sich die meisten Studien auf unmittelbare Zusammenhänge und lassen somit keinen Schluss darüber zu, ob die beobachteten Effekte über die Zeit hinweg stabil bleiben. Die Ergebnisse bei Studien, die sich bemühen langfristige posi-tive Wirkungen zu zeigen, sind weit weniger eindeutig (Mahoney, Cairns & Farmer, 2003), ihre Zahl ist aber auch deutlich geringer (Feldman & Matjasko, 2005). Für den deutschen Kontext existieren keine vergleichbaren Studien. Obwohl sich Schul- und Hochschulsystem der Vereinigten Staaten deutlich vom deutschen System unter-scheiden, sollten die Effekte unter den hiesigen Bedingungen reproduzierbar sein. Es ist daher gerechtfertigt, die folgenden Hypothesen zu formulieren.

H3: Je stärker sich ein Schüler während der Schulzeit engagiert, desto größer ist sein akademischer Erfolg in der Schule.

H4: Je stärker sich ein Schüler während der Schulzeit engagiert, desto größer ist sein akademischer Studienerfolg.

H5: Je stärker sich ein Student während des Studiums engagiert, desto größer ist sein akademischer Studienerfolg.

Der Einfluss von Engagement auf den Erwerb von Erfahrungen in der Praxis ist bislang in Deutschland empirisch nicht untersucht worden. Die Herleitung der Hypo-thesen stützt sich daher auf theoretische Modelle, die eine Beziehung der beiden Größen wahrscheinlich erscheinen lassen. Mittelpunkt sind dabei die Überlegungen zu Aufbau und Wirkung von sozialem Kapital (siehe Kapitel 2.4.6, S. 56ff.).

Jugendliche oder Studenten haben durch ihr Engagement mehr Kontakte zu Gleichalt-rigen oder Älteren (Jarrett, Sullivan & Watkins, 2005). Dadurch können sie zusätzliche Informationsquellen erschließen, die sie z.B. über Ausbildungsplätze oder Praktikums-möglichkeiten informieren. Ähnliche Überlegungen, die teilweise für die Arbeitsplatz-gewinnung empirisch belegt sind, finden sich in der Netzwerktheorie (Burt, 1992;

Granovetter, 1995).

Bei der Umsetzung dieses Informationsvorsprungs in konkrete praktische Erfahrungen in Form von Praktika oder einer Ausbildungsstelle kommen Signaling-Effekte zum Tragen. Potentielle Arbeitgeber, so wird vermutet, könnten Engagement als Anzeichen für eine höhere Leistungsbereitschaft werten und Kandidaten deswegen vorziehen.

Empirische Studien mit Bezug auf Engagement sind leider rar und beziehen sich ausschließlich auf den Berufseintritt. In einer Untersuchungen bestätigt sich der Effekt, allerdings ist er klein (Gaugler, Martin & Schneider, 1995). Ein Zusammenhang kann daher sowohl für die Schulzeit als auch für das Studium angenommen werden.

H6: Je stärker sich ein Schüler während der Schulzeit engagiert, desto umfangreicher ist seine praktische Arbeitserfahrung während der Schul-zeit.

H7: Je stärker sich ein Student während des Studiums engagiert, desto umfangreicher ist seine praktische Arbeitserfahrung während des Studiums.

Die Argumentation für einen positiven Zusammenhang zwischen Engagement und erfolgreichem Berufseinstieg bedient sich gleichfalls der Theorien zum sozialen Kapital und des Signaling-Effekts. Zusätzlich ließe sich vermuten, das die Verfahren für feste Anstellungen aufwändiger sind als für befristet tätige Praktikanten. Damit könnten auch weitere, entwicklungspsychologisch positive Ergebnisse von Engage-ment, beispielsweise soziale Kompetenz, förderlich auf den Berufseinstieg wirken.

Empirische Belege für diese theoretischen Annahmen fehlen (siehe Kapitel 2.5.1, S. 62ff.). Dennoch stützt sich die folgende Hypothese auf diese Vermutungen.

H8: Je stärker sich ein Student während des Studiums engagiert, desto besser gelingt sein Berufseinstieg.

Auch die folgenden beiden Hypothesen greifen auf den Unterbau der vorangehenden zurück. Die Bedeutung dieser Faktoren für das schwierige Gesamtkonstrukt Berufser-folg verliert jedoch deutlich an Gewicht. Soziale Kompetenzen, wie Teamfähigkeit oder Führungskompetenz sowie Initiative, gewinnen dagegen an Bedeutung. Inwieweit dies tatsächlich zu beobachtbaren Ergebnissen führt, zeigen die in Kapitel 2.5.2 (S. 63ff.) zum Gehalt und in Kapitel 2.5.3 (S. 66ff.) zum Aufstieg berichteten Studien.

H9: Je stärker sich ein Student während des Studiums engagiert, desto größer ist sein Berufserfolg.

H10: Je stärker sich ein Absolvent während des Berufslebens engagiert, desto größer ist sein Berufserfolg.

Hypothesen zu akademischer Leistung

Die akademische Leistung ist Gegenstand zahlreicher Studien zur Prognose des Studien- wie des Berufserfolgs. Der zahlenmäßige Schwerpunkt liegt im deutschspra-chigen Raum dabei eindeutig auf der Prognose des Studienerfolgs.

Der Zusammenhang zwischen Schulnoten und Studiennoten ist hervorragend doku-mentiert (siehe vor allem Kapitel 3.3.1, S. 84ff.). Diese Beobachtung gilt auch für Deutschland. Vor allem in den Wirtschaftswissenschaften sind die Zusammenhänge besonders stark ausgeprägt (Trapmann et al., 2007b). Einleuchtend ist die Beobach-tung auch deswegen, weil sich Schule und Studium in ihrem Lernumfeld, ihren akade-mischen Ansprüchen und in den Prüfungsformen nur gering unterscheiden. Die nachfolgende Hypothese ist daher naheliegend.

H11: Je größer der akademische Erfolg eines Schülers in der Schule ist, desto größer ist sein akademischer Studienerfolg.

Weitaus schwerer tun sich Wissenschaftler mit dem Nachweis, dass sich akademischer Erfolg auch im beruflichen Erfolg widerspiegelt. Für den Berufseinstieg zeigen vor allem nordamerikanische Studien noch einen gewissen Zusammenhang (siehe Kapitel 4.3.3, S. 119ff.). Deutsche Absolventenstudien, die sich zumindest multiva-riater Verfahren bedienen, können hingegen bis auf eine Ausnahme (Klein, 1994) keine signifikanten Zusammenhänge zeigen. Burkhardt (2000) weist Noten dennoch eine große Bedeutung als Rekrutierungskriterium zu. Für den weiteren Berufsweg zeigen amerikanische Studien, dass mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Studie-nende akademische Leistungen immer weniger mit dem Berufserfolg zusammen-hängen. Daher ist für die erste der folgenden Hypothesen ein höherer Wert zu erwarten.

H12: Je größer der akademische Studienerfolg eines Studenten, desto höher ist sein Berufseinstiegserfolg.

H13: Je größer der akademische Studienerfolg eines Studenten, desto größer ist sein Berufserfolg.

Hypothesen zur praktischen Erfahrung

Auch der praktischen Erfahrung wird vielfach nachgesagt, dass sie sich positiv auf Studienergebnisse und insbesondere den beruflichen Erfolg auswirkt.

Es wird gerne argumentiert, dass Schüler, die bereits Praktika oder eine Ausbildung absolviert haben, Gelegenheit hatten, sich intensiver mit Studieninhalten zu beschäf-tigen. Daraus lässt sich folgern, dass sich diese Kandidaten besser im Studium zurecht-finden und Studieninhalte auch schneller begreifen, weil sie ihre praktische Relevanz erfassen.

H14: Je größer die praktische Arbeitserfahrung ist, die ein Schüler in der Schulzeit gesammelt hat, desto größer ist auch sein akademischer Studienerfolg.

Die folgenden Hypothesen setzen auf die Erkenntnis, nach der Berufserfahrung für den Berufseinstieg und für das berufliche Fortkommen ein sehr wichtiges Thema ist. Nach den Berichten einiger Studien sind fehlende Erfahrungen das Haupthindernis beim Übergang in den Arbeitsmarkt (Burkhardt, 2000).

H15: Je größer die praktische Arbeitserfahrung ist, die ein Schüler in der Schulzeit gesammelt hat, desto besser gelingt sein Berufseinstieg.

H16: Je größer die praktische Arbeitserfahrung ist, die ein Student während des Studiums gesammelt hat, desto besser gelingt sein Berufseinstieg.

H17: Je größer die praktische Arbeitserfahrung ist, die ein Student während des Studiums gesammelt hat, desto größer ist sein Berufserfolg.

Hypothesen zum Berufseinstieg

Zum Berufseinstieg lässt sich nur eine Hypothese im Zusammenhang dieser Arbeit formulieren. Sie greift die Beobachtungen zum Frühstartereffekt auf (siehe Kapitel 4.2.1, S. 109ff.). In einigen vorwiegend US-amerikanischen Studien hatte sich gezeigt, dass Absolventen, die besonders gut und erfolgreich in den Beruf gestartet sind, diesen Vorteil über den weiteren Berufsverlauf bewahren konnten.

H18: Je besser der Berufseinstieg eines Absolventen gelungen ist, desto größer ist sein Berufserfolg.