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3.4 Auswahlverfahren

3.4.2 Auswahlverfahren in der Praxis

Staatliche deutsche Hochschulen sind bei der Ausgestaltung ihrer örtlichen Zulassungs- oder Eignungsfeststellungsverfahren an die geschilderten sehr engen inhaltlichen Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes und die ihm verwandten Regeln des jewei-ligen Landesrechts gebunden. Es darf daher niemanden wundern, wenn die Universi-täten bisher nur sehr zurückhaltend von den engen Spielräumen Gebrauch machen.

Private Hochschulen, die diesen Einschränkungen nicht unterliegen, nutzen ihre Gestaltungsspielräume intensiver. Bei ihnen ist daher bereits heute ein größere Vielfalt an Auswahlverfahren zu beobachten. Einen Überblick über die teilweise auch im Ausland eingesetzten Verfahren, gibt die folgende Aufzählung (Deidesheimer Kreis, 1997, S. 78ff.; Heine et al., 2006, S. 13ff.; Rindermann & Oubaid, 1999a).

Abiturgesamtnote

Einzelfachnoten

Testverfahren (Fremdsprachentests, Studierfähigkeitstests, studienfachspezifi-sche Kenntnistests, Persönlichkeitstests, Intelligenztests)

Interview

Motivationsschreiben

Referenzschreiben

Assessment Center

Mit Ausnahme der Referenzschreiben, die sich vornehmlich in anglo-amerikanischen Zulassungsverfahren großer Beliebtheit erfreuen, werden alle genannten Instrumente und Verfahren an deutschen Hochschulen für die Hochschulzulassung eingesetzt.

Seit der Änderung des Hochschulrahmengesetzes 1999, in dem den Hochschulen erst-mals ein Mitspracherecht bei der Auswahl ihrer Studienanfänger eingeräumt wurde, sind bald zehn Jahre vergangen. Mittlerweile liegen erste Berichte über die Wirkung von Verfahren vor, die im Zuge der neuen Möglichkeiten eingeführt worden sind. Im Besonderen geht es um drei Eignungsfeststellungsverfahren an der Technischen Universität München in den Studiengängen Informatik, Mathematik und Chemie sowie das Verfahren, das die Eignung für den Studiengang Philosophy & Economics an der

Universität Bayreuth feststellen soll. Diese Verfahren, die im Anhang, S. 209 genauer dargestellt sind, hat Fries (2007) im Auftrag des Bayerischen Staatsinstituts für Hoch-schulforschung und Hochschulplanung auf die Wirksamkeit im Bezug auf ihre Ziele untersucht. Sie kommt zu dem Schluss, dass alle vier Verfahren ihre Ziele weitgehend erfüllen und wirkungsvoll umgesetzt worden sind. Die Abiturnote erweist sich als wirkungsvoller Prädiktor. Allerdings erreichen bei einzelnen Studiengängen Einzelfach-noten und fachspezifische Kombinationen ebenfalls gute und teilweise sogar bessere Werte als das Abitur35. Kombinationen können die Werte aber nicht mehr verbessern.

Problematisch an den untersuchten Verfahren ist, dass Ausländer überproportional häufig abgelehnt werden. Das liegt wahrscheinlich an unterschiedlichen Notenge-bungsgeflogenheiten in den jeweiligen Heimatländern.

Katastrophal fallen die Ergebnisse im Bezug auf den Essay und das Interview aus, nimmt man den Studienerfolg als Kriterium. Beide Instrumente leisten keinen oder nur einen sehr geringen Beitrag zur Erklärung positiver Leistungen. Lediglich im Verfahren der Chemie zeigt sich ein äußerst positives Bild des Gesprächs. Betrachtet man die ungewöhnliche Zielsetzung dieses Eignungsfeststellungsverfahrens, erklärt sich der Ausreißer. Zur Entwicklung der Abbrecherquote gibt die Studie leider keine Auskünfte.

Neben der Untersuchung zu vier Verfahren staatlicher Universitäten in Bayern, die sich kaum voneinander unterscheiden und auch keine innovativen Instrumente einsetzen, lohnt sich im Anschluss ein Blick auf ein Verfahren einer privaten Hoch-schule, wie das der Bucerius Law School in Hamburg. Dieses Verfahren ist ebenfalls relativ jung (seit 2000). Ohne Bindung an Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes, kann es sowohl beim Ablauf als auch in der inhaltlichen Gestaltung eigene Wege beschreiten. Entstanden ist es auf Basis einer Anforderungsanalyse in Zusammenarbeit mit Fachvertretern der Hochschule und der Wirtschaft. Den Aufbau zeigt Abbildung 7.

Die Studie von Dlugosch (2005) untersucht alle Elemente des Verfahrens und über-prüft, welchen Beitrag sie zur Vorhersage der Leistung in einer Zwischenprüfung erbringen. Andere Kriterien, vor allem der Berufserfolg, lassen sich noch nicht über-prüfen, da bislang nicht genügend Absolventen die Bucerius Law School verlassen haben und in das Berufsleben eingetreten sind. Die Situation stellt sich somit ähnlich dar wie die der vier bayerischen Verfahren. Die Untersuchung der prognostischen Güte der einzelnen Instrumente fördert ebenfalls wenig Überraschendes zu Tage. Die einzelnen Ergebnisse bestätigen die herausragende Qualität des Abiturs als Studiener-folgsprädiktor. Der Studierfähigkeitstest kann demgegenüber nur sehr eingeschränkt überzeugen. Der schriftliche Teil als Ganzes erreicht nicht die Prognosegüte des für sich genommenen Abiturs. Der mündliche Teil kann praktisch überhaupt nicht zur Vorhersage der Leistung beitragen, was daran liegen mag, dass in diesem Verfahrens-teil vornehmlich soziale Kompetenz und Engagement erfasst werden sollen, die sich in

35 Note in Physik für Mathematik (r = .54 gegen r = .48 für das Abitur), Notendurchschnitt aus Mathematik, Physik, Deutsch, Englisch, Biologie und Chemie für Chemie (r = .59 gegen r = .36-43 für das Abitur, Fries, 2007, S. 150ff.)

Prüfungsleistungen eher selten widerspiegeln, für den Berufserfolg hingegen umso wichtiger sind. Für den mündlichen Teil existieren weitere Gründe, die wenig bis gar nichts mit dem Studienerfolg zu tun haben (Sponsorengewinnung, Werbung, Informa-tion). Der hohe Aufwand lohnt sich, genauso wie bei den vier bayerischen Verfahren, im Hinblick auf häufig mit dem Studienerfolg gleichgesetzte Noten demnach nicht. Für andere Studienerfolgskriterien, wie beispielsweise die Abbrecherquote oder den Berufserfolg, liegen keine bewertbaren Zahlen vor.

Abbildung 7: Auswahlverfahren der Bucerius Law School (Quelle: Dlugosch, 2005, S. 71, verändert)

3.5 Zusammenfassung Definition

Studienerfolg ist der erfolgreiche Abschluss des Studiums. Die Kehrseite des Studienerfolgs ist der Studienabbruch. Die Erfolgsmaßstäbe unterscheiden sich je nach Interessensgruppe (Student, Hochschule, Gesellschaft, Arbeitgeber) erheblich.

Zentrale Kriterien des Studienerfolgs neben Studienabschluss/-abbruch sind Studien-noten, Studiendauer, Studienzufriedenheit, allgemeiner Kompetenzzuwachs und späterer Berufserfolg.

Theoretische Grundlagen

Der theoretische Unterbau für den Erfolg im Studium beschränkt sich auf die Unter-suchung der Fähigkeiten, die Bewerber um einen Studienplatz aus Sicht der Hochschulen mitbringen müssen, um im Studium erfolgreich zu sein. Die Kriterien der Studierfähigkeit sind Ausbildungsinteresse, Vorhandensein elementarer Voraus-setzungen für wissenschaftliches Arbeiten, Formen geistigen Tätigseins, Ausprägung der Persönlichkeit, Interesse und Engagement sowie gute Kenntnisse in Englisch, Mathematik und Deutsch. Den neuen technischen Möglichkeiten im Forschungs-prozess geschuldet ist die Notwendigkeit, Kenntnisse in einer Textverarbeitung, Präsentationsfähigkeiten und die Beherrschung von Recherchemöglichkeiten vorzu-weisen.

Empirische Erkenntnisse zu Prädiktoren

Die Forschung zur Prognose des Studienerfolgs konzentriert sich vor allem auf die Vorhersage von Studiennoten. Weitere Kriterien werden mit Ausnahme des Studi-enabbruchs nur vereinzelt untersucht. Als Prädiktoren beleuchtet die Forschung vor allem Gesamtnoten des Schulabschlusses, Einzelfachnoten, Studierfähigkeitstests und Ergebnisse von Auswahlgesprächen. Zu weiteren Prädiktoren wie sozialer Herkunft, fachlichem Interesse, Engagement oder Persönlichkeitseigenschaften liegen kaum Erkenntnisse vor.

Gesamtnoten haben die größte wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie sind die besten Prädiktoren für den Studienerfolg. Zwar gibt es Unterschiede je nach untersuchtem Studienfach, in der Regel erreichen sie aber die höchsten Validitätskoeffizienten.

Einzelfachnoten, auch wenn sie gewichtet werden, sind in allen Belangen schlechter zur Prognose geeignet als Gesamtnoten. Unter den Einzelfachnoten erreicht nur die Mathematiknote – stark abhängig vom betrachteten Studiengang – akzeptable Werte.

Studierfähigkeitstests bleiben bei der Aussagekraft ebenfalls hinter den Gesamtnoten zurück, können aber – abhängig vom Studiengang – durchaus

gute Werte erreichen. Angesichts der hohen Kosten und des großen Aufwands ist ihre inkrementelle Validität enttäuschend.

Auswahlgespräche sind zur Verbesserung der Auswahlentscheidung ungeeignet, es sei denn, sie sind stark strukturiert. Ihre Aussagekraft steht aber in keinem Verhältnis zu Aufwand und Kosten.

Die Prognose des Studienabbruchs gestaltet sich überaus schwierig, da es eine Vielzahl von Motiven gibt. Mangelhafte akademische Leistungsfähigkeit ist nur ein Grund unter vielen. Dort, wo sie zum Abbruch führt, lassen sich Schulnoten als Prädiktoren heranziehen.

Aufgrund großer Veränderungen in der Gesetzgebung haben Hochschulen seit einigen Jahren die Möglichkeit, eigene Auswahlverfahren für die Hochschulzulassung zu entwickeln. Daraus ergibt sich die Frage, wie man ein Verfahren konstruiert und welche Erfahrungen es bereits gibt.

Für die Konstruktion eines Auswahlverfahrens liegt der Vorschlag eines gestuften, empirisch abgesicherten Verfahrens vor. Als Kriterien stehen staat-lichen Hochschulen auf Grund gesetzlicher Restriktionen nur die Durch-schnittsnote des Schulabschlusses, gewichtete Einzelnoten des Schulab-schlusses, das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests, eine Berufsausbildung oder Berufstätigkeit, das Ergebnis eines Auswahlgesprächs bzw. eine Kombination dieser Kriterien zur Verfügung. Für private Hochschulen gelten diese Beschränkungen nicht.

Ergebnisse von Evaluationen von Verfahren, die sowohl an staatlichen als auch privaten Hochschulen durchgeführt werden, bestätigen weitgehend die Ergebnisse der Prädiktorenforschung.

4 Berufserfolg

Der Berufserfolg und insbesondere die Vorhersage von individuellem Berufserfolg interessiert Forscher schon seit langem. So verwundert es nicht, wenn die Zahl der Veröffentlichungen dazu sehr umfangreich ist.

Daher ist zunächst zu erörtern, anhand welcher Kriterien sich Berufserfolg beschreiben und untersuchen lässt. Die Literatur zieht dafür sowohl objektive Kennzeichen (z.B.

ein hohes Gehalt, schneller hierarchischer Aufstieg) wie auch subjektive Merkmale (z.B. Zufriedenheit mit dem Beruf, hohes Ansehen) heran und beschäftigt sich darüber hinaus intensiv mit dem Zeitpunkt der Erfassung. Im nächsten Schritt ist ein Blick auf theoretische Modelle zur Erklärung von Berufserfolg von Bedeutung, um mögliche Einflussfaktoren abzubilden. Die empirische Forschung zu Prädiktoren von individu-ellem Berufserfolg bildet darauf aufbauend den Abschluss des Kapitels.