• Keine Ergebnisse gefunden

4.3 Prognose des Berufserfolgs

4.3.4 Kompetenzen

Das Verständnis des Begriffs Kompetenz im deutschen Sprachraum unterscheidet sich deutlich von Sprachgebrauch in der angelsächsisch geprägten Forschung. In Letzterer wird der Begriff viel breiter verstanden. Kompetenzen sind demnach Charakteristika einer Person, die für eine besonders effektive oder herausragende Arbeitsleistung verantwortlich sind (Boyatzis, 1982). Sie werden meist mit „knowing why/how/whom“

umschrieben (Boyatzis, Stubbs & Taylor, 2002; Defillippi & Arthur, 1994; Eby, Butts

& Lockwood, 2003). Darunter können auch die intellektuellen Fähigkeiten und die Persönlichkeit fallen. Das deutsche Verständnis beruft sich im Hinblick auf die Kompetenzforschung im Beruf meist wesentlich schärfer eingegrenzt auf Fachkompe-tenz (z.B. Fach- und Anwendungswissen), MethodenkompeFachkompe-tenz (z.B. analytische

42 Die Metaanalyse bedient sich der von Hunter & Schmidt (1990) beschriebenen Methode.

Fähigkeiten, kreatives Denken) und soziale Kompetenz (z.B. emotionale Intelligenz, Führungskompetenz). Es konzentriert sich damit auf die erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten und blendet die weitgehend unveränderlichen Charakteristika aus (Sashkin, 1992). Für die folgenden Ausführungen ist dieses Verständnis maßgeblich, da die Persönlichkeit und auch die intellektuellen Fähigkeiten separat beleuchtet werden. Ohne einen Rückgriff auf empirische Ergebnisse der amerikanischen Forschung sind Aussagen aber nur schwer zu treffen, da kaum Studien zum Einfluss der einzelnen Kompetenzen nach deutschsprachigem Verständnis auf den Berufserfolg vorliegen.

Noch am ehesten entspricht das „know how“ der Fachkompetenz. Hier finden Eby, Butts & Lockwood (2003) Belege dafür, das diejenigen, die ihr Wissen im Beruf konti-nuierlich ausbauen und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln einen höheren wahrgenom-menen Berufserfolg haben. Ein Praktikum kann Computerkenntnisse deutlich verbessern und darüber den Erfolg beim Berufseinstieg steigern (Gault, Redington &

Schlager, 2000). Es ist allerdings selten, dass derart spezifische Fachkenntnisse in einen Zusammenhang mit dem Berufserfolg gebracht werden. Meist wird Fachkompe-tenz in empirischen Studien viel allgemeiner als „Human Capital“ erhoben. In der Regel handelt es sich dann um den Bildungsstand ohne Bezug zu konkreten fachlichen Kompetenzen (z.B. Judge et al., 1995; Wayne, Liden, Kraimer & Graf, 1999).

Fachwissen und damit Fachkompetenz ist nach Mumford und Kollegen (Mumford, Marks, Connelly, Zaccaro & Reiter-Palmon, 2000a; Mumford, Zaccaro, Connelly &

Marks, 2000b; Mumford, Zaccaro, Harding, Jacobs & Fleishman, 2000c) ein kritischer Bestandteil von Führungskompetenz. Zusammen mit Methodenkompetenz und sozialer Kompetenz hat Wissen einen deutlichen Einfluss auf den Erfolg einer Führungskraft.

Zudem lassen sich damit zusätzliche Erklärungsgewinne feststellen, die über die Beiträge von Intelligenz und Persönlichkeitsmerkmalen hinausgehen (Connelly et al., 2000).

Weniger positiv fällt das Fazit in der Studie von Burchard (2000) aus. Er kann für soziale Kompetenzen keine Wirkung bzgl. des Berufserfolgs feststellen. Das gilt bei ihm für objektiven genauso wie für subjektiven Erfolg. Vor allem die Methodenkom-petenz nach deutschem Verständnis wird nur sehr selten untersucht und die Untersu-chung beschränkt sich dann gewöhnlich auf die Problemlösungskompetenz (Connelly et al., 2000; Mumford et al., 2000a).

Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen sollen das Wissen und die Fähigkeiten von Mitarbeitern ausbauen. Obwohl derartige Maßnahmen teuer und mit viel Zeiteinsatz verbunden sind, gibt es nur wenige Studien, die sie auf ihre Relevanz für den berufli-chen Erfolg überprüft haben. Die Ergebnisse sind gemischt. Während ein Teil der Studien (Ng et al., 2005; Tharenou, Latimer & Conroy, 1994) Belege für eine karriere-stimulierende Wirkung benennt, kann Burchard (2000, S. 194ff.) das in einer deut-schen Studie nicht bestätigen.

4.3.5 Soziales Kapital

Auch wenn soziales Kapital als Prädiktor für Berufserfolg in Burchards Modell (2000;

siehe Abbildung 9, S. 112) weder unter die soziodemographischen noch unter die weichen Persönlichkeitsmerkmale einzuordnen ist, ist eine Berücksichtigung der Erkenntnisse dazu geboten.

Seibert, Kraimer & Liden (2001) entwickeln auf Basis der Ansätze von Burt (1992) und Granovetter (1973) ein Modell zur Erklärung des Berufserfolgs. „Weak ties“ und

„structural holes“ wirken positiv auf Kontakte zu Personen in anderen Funktionsberei-chen und höheren Ebenen. Dadurch verbessert sich der Zugriff auf Informationen und Ressourcen sowie Karriere-Mentoren. Positive Einflüsse erwarten die Autoren auf das Gehalt, Beförderungen und die Karrierezufriedenheit. Mit einer Studie unter Alumni einer nordamerikanischen Universität können sie zeigen, dass das Modell stichhaltig ist (siehe Abbildung 10).

Eine Metaanalyse von Studien zur Beziehung von Berufserfolg und sozialem Kapital zeigt, dass diese Erkenntnisse auch bei der Berücksichtigung von mehreren Studien bestätigt werden (Ng et al., 2005). Das gilt sowohl im Hinblick auf objektive Kriterien des beruflichen Erfolgs (Gehalt, r = .17; Aufstieg, r = .15, pp. 384-385) wie auch für die Karrierezufriedenheit als subjektivem Kriterium (r = .28, p. 386). Die Zusammen-hänge sind aber besonders bei Gehalt und Aufstieg schwach.

Abbildung 10: Erklärung von Berufserfolg mit „weak ties“ und „structural holes“

(Quelle: Seibert, Kraimer & Liden, 2001, p. 231)

4.4 Zusammenfassung Definition

Beruflicher Erfolg wird meist in zwei Ausprägungen untersucht:

Objektiver Erfolg umfasst eindeutig messbare Kriterien. Die bekanntesten sind Gehalt, hierarchischer Aufstieg, Aufstiegsgeschwindigkeit, Verant-wortung für Mitarbeiter und Budget. Vor dem Hintergrund sich wandelnder Karrierewege wächst die Kritik an der Bestimmung von Berufserfolg ausschließlich über vermeintlich objektive Kriterien.

Subjektiver Erfolg leitet sich aus der Einschätzung der betroffenen Personen ab. In der Regel wird zwischen Arbeitszufriedenheit und Karrierezufriedenheit unterschieden. Besonders intensiv wird der gegenseitige Einfluss von objek-tivem und subjekobjek-tivem Berufserfolg diskutiert.

Weiterhin entwickelt sich beruflicher Erfolg in den Phasen establishment, advan-cement und maintenance.

Theoretische Grundlagen

Es gibt zahlreiche theoretische Erklärungsansätze für Berufserfolg. Die meisten beschränken sich auf einzelne Einflussfaktoren wie beispielsweise soziales Kapital oder organisatorische Gegebenheiten. Umfassender erklärt Burchard (2000) das Entstehen von beruflichem Erfolg indem er individuelle Merkmale und Organisati-onsmerkmale und ihr Zusammenwirken in InteraktiOrganisati-onsmerkmalen heranzieht.

Unter individuellen Merkmalen versteht er zum einen soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Ausbildungschronologie, Familiencharakte-ristika, usw. Zum anderen führt er weiche Persönlichkeitsmerkmale an, zu denen er Schlüsselqualifikationen, Persönlichkeitsmerkmale und Kompe-tenzen zählt.

Organisationsmerkmale beinhalten beispielsweise die Größe des Unter-nehmens, die Branche, in der es tätig ist, und Ein- und Austrittsraten.

Die Interaktionsmerkmale beschreiben, wie gut die individuellen Merkmale und die Organisationsmerkmale zusammen passen (Person-Umwelt-Fit-Konzept).

Soziales Kapital einer Person berücksichtigt Burchards Modell allerdings nicht.

Empirische Erkenntnisse zu Prädiktoren

Zur Prognose des Berufserfolgs einer Person unabhängig von Organisationseinflüssen sind nur die individuellen Merkmale geeignet. Umfangreiche Erkenntnisse liegen zu soziodemografischen Merkmalen, zur Persönlichkeit, zu intellektuellen Fähigkeiten, zu Kompetenzen und zu sozialem Kapital vor.

Soziodemografische Merkmale: Das Alter eignet sich nicht als Prädiktor, sehr

wohl aber die Zeit, die eine Person im Berufsleben steht. Auch das Ausbil-dungsniveau ist als für die Vorhersage des Berufserfolgs geeignet. Zu der Ausbildungschronologie (Lehre, Praktika) gibt es unterschiedliche Aussagen.

Das Geschlecht eignet sich als Prädiktor für objektiven Erfolg insofern, als Frauen meist weniger verdienen und seltener aufsteigen. Die Familienstruktur, die Geschwisterposition und die soziale Herkunft haben sich ebenfalls als relevante Faktoren herausgestellt.

Persönlichkeit: Bei der Untersuchung des Einflusses der Persönlichkeit konzentriert sich die Forschung auf die „Big Five“ Neurotizismus, Verträg-lichkeit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für neue Erfah-rungen. Für objektiven Berufserfolg sind die Zusammenhänge schwach. Etwas besser stellt sich die Lage bei subjektiven Kriterien des Berufserfolgs dar.

Hier wirken sich Neurotizismus negativ, alle anderen Eigenschaften dagegen positiv aus.

Intellektuelle Fähigkeiten: Die allgemeinen mentalen Fähigkeiten korrelieren stark positiv mit objektiven Faktoren des Berufserfolgs. Negativ ist der Zusammenhang bei subjektiven Kriterien. Die Erkenntnisse zu Noten als Ausweis für kognitive Leistungsfähigkeit sind dagegen uneinheitlich. US-amerikanische Studien zeigen häufig einen Zusammenhang mit objektiven Kriterien, während deutschen Studien das in der Regel nicht gelingt.

Kompetenzen: Die Untersuchung von Kompetenzen stellt sich als schwierig heraus, da im amerikanischen und deutschen Sprachraum ein sehr unterschied-liches Verständnis des Begriffs vorherrscht. Das deutsche Verständnis umfasst Fachkompetenz, Methodenkompetenz und soziale Kompetenz. Nach den wenigen Studien, die für zwei der Kompetenzen vorliegen, ist Fachkompetenz für den beruflichen Erfolg wichtig. Für soziale Kompetenz lassen sich keine Wirkungen zeigen.

Soziales Kapital: Soziales Kapital, meist über „weak ties“ und „structural holes“ untersucht, hat nur geringen Einfluss auf den beruflichen Erfolg.

5 Fragestellung, Modell und Hypothesen

Die letzten drei Kapitel haben Einblicke in den Forschungsstand zu den Themen Enga-gement, Studienerfolg und Berufserfolg geliefert. Zu allen drei Themen findet eine lebhafte Debatte statt. Bislang fehlt allerdings eine Verbindung zwischen den einzelnen Forschungsrichtungen. Zwar gibt es in den letzten Jahren erste Studien, in denen die Wirkung von Engagement auf Gehalt, Berufseinstieg und Aufstieg untersucht wird (siehe auch Kapitel 2.5, S. 61; z.B. Hackl, Halla & Pruckner, 2007; Kuhn & Wein-berger, 2005; Morris, 2006; Prouteau & Wolff, 2006). Und auch Studien, die den Studienerfolg mit dem Berufserfolg in Bezug setzen, sind zumindest in den USA sehr zahlreich (siehe Kapitel 4.3.3, S. 119; z.B. Cohen, 1984; Roth et al., 1996; Roth &

Clarke, 1998). Eine Untersuchung, die die Interdependenzen aller drei Forschungsbe-reiche beleuchtet, fehlt jedoch.

Dieses Kapitel erläutert zunächst die Forschungsfragestellung dieser Arbeit, die sich aus den Erkenntnissen der vorangehenden Kapitel entwickelt und setzt sie dann in Bezug zur Auswahldiskussion an deutschen Universitäten. Im Anschluss wird ein Modell erläutert, das die vermuteten Zusammenhänge einzelner Kriterien in einen Gesamtzusammenhang bringt. Daraus leiten sich, gestützt auf die empirischen Erkennt-nisse der vorangehenden Kapitel, die Hypothesen ab, die es schließlich im weiteren Verlauf der Arbeit zu prüfen gilt.