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Ohne der Diskussion zu Berufserfolg in Kapitel 4 vorzugreifen, stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit der vornehmlich positiven Entwicklungsfolgen in die Welt der Erwachsenen. Die praktisch einzige Möglichkeit, dazu sinnvolle Aussagen zu treffen, ist die Untersuchung der beruflichen Entwicklung derer, die bereits in ihrer Jugend engagiert waren.

Vorweg sei dazu gesagt, dass zu diesen Fragen in Nordamerika wenige Studien und Erkenntnisse, und in Deutschland nahezu keine Untersuchungen vorliegen. Deswegen beschränken sich die zu betrachtenden Faktoren weitgehend auf die hierarchische Entwicklung und Gehaltsaspekte. Fragen des Führungsstils, der unternehmerischen Aktivität, des ethischen Verhaltens und der gesellschaftlichen Verantwortung müssen mangels empirischer Belege unbeachtet bleiben.

Ob Engagement als Erwachsener Auswirkungen auf die berufliche Entwicklung hat, soll ebenfalls erörtert werden. Auch hier ist die Untersuchungslage nicht besser. Die Zahl der Studien, die speziell Gehaltsgewinne von Engagierten untersuchen, ist

über-sichtlich. Dafür sind die Daten weitaus internationaler. Für Deutschland liegt keine Untersuchung vor.

Im Zusammenhang mit den motivationalen Gründen sich zu engagieren, diskutieren Wissenschaftler vor allem zwei unterschiedliche Theorien. Eine große Gruppe von Forschern vermutet, dass sich Menschen aus altruistischen Motiven heraus um das Wohl Anderer kümmern, worin sie sich durch ihre Untersuchungen weitgehend bestä-tigt sehen (Carlin, 2001; Freeman, 1997; Menchik & Weisbrod, 1987). Meistens bedenken sie, wie kritisch anzumerken ist, dabei weder Selektionseffekte noch die Möglichkeit, dass weitere Motive eine Rolle spielen. Ferner vernachlässigen sie die Komplexität und Diversität des Themas (Hackl, Halla & Pruckner, 2007). Die andere, weit kleinere Forschergruppe beschäftigt sich damit, ob die Motivation von Enga-gierten aus der Erwartung heraus entsteht, für dieses Engagement in irgend einer Form belohnt zu werden. Engagement betrachten sie daher als eine Art Investition. Diese Auffassung bestimmt die folgenden Ausführungen.

2.5.1 Einstieg in das Berufsleben

Der Einstieg in das Berufsleben markiert für die meisten Menschen in den industriali-sierten Ländern einen wichtigen Meilenstein. Jeder scheint zu „wissen“, dass Engage-ment dem einzelnen dabei einen Vorteil bringt. Die Begründungen sind vielfältig und reichen von einem attraktiveren Lebenslauf bis zur größeren Arbeitserfahrung (Day &

Devlin, 1998; Menchik & Weisbrod, 1987).

Tatsächlich gibt es aber bislang wenig empirische Belege, die dieses „Wissen“ auch untermauern. Barr & Mcneilly (2002) haben 96 Personalverantwortliche in den Verei-nigten Staaten danach befragt, worauf sie bei Bewerbungen von Studienabgängern achten. 40 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, besonders auf extracurriculare Aktivitäten und auf Berufserfahrung zu achten, weil sich Führungs- und Teamfähigkeit nicht in Kursen erlernen lässt.

Eine ähnliche, wenngleich aufwändigere Studie haben Gaugler, Martin & Schneider (1995) in Deutschland durchgeführt. Auch sie haben Personalverantwortliche befragt, inwieweit ehrenamtliches Engagement für die Auswahlentscheidung ausschlaggebend sind. Im Vergleich zu Fremdsprachenkenntnissen, EDV-Anwenderkenntnissen, ersten Berufserfahrungen (Praktikum, Lehre vor dem Studium) und Auslandsaufenthalten ist danach die Bedeutung von ehrenamtlichen Tätigkeiten deutlich geringer. Selbst eine Aufschlüsselung nach Branchen, Zahl der Beschäftigten, Zahl der Hochschulabsol-venten und Akademikerquote ändert dieses Bild nicht. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Urteil, dass ehrenamtliche Tätigkeiten in Deutschland im Bewerbungsver-fahren nur nachrangig berücksichtigt werden. Die isolierte Betrachtung ehrenamtlicher Tätigkeiten fördert indessen differenzierte Akzente zu Tage. So scheinen Unternehmen Engagement dann höher zu bewerten, wenn es relevant für die beruflichen Anforde-rungen ist. Zudem schneidet studienbegleitendes Engagement mit studienbezogenen Aktivitäten, beispielsweise in einer Studenteninitiative, deutlich besser ab als Tätig-keiten sozial/karitativer, sportlicher, kultureller, politischer oder freizeitorientierter

Art. Auch die Analyse nach Funktionsbereichen fördert interessante Erkenntnisse zu Tage. Während die Tätigkeit als Projektleiter mit großem Renommee verbunden ist, fällt die Wertschätzung von teilweise deutlich verantwortungsvolleren Tätigkeiten, wie die als Übungsleiter oder Trainer, sonstiger Ausbildungsleiter, Vereinsvorsitzender und Abteilungsleiter geringer aus. Die Autoren führen das darauf zurück, dass sich Personalentscheider zu sehr von der Analogie zum Projektleiter im Berufsleben leiten lassen. Zur Prüfung, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit ehrenamtliches Enga-gement in einer Auswahlentscheidung überhaupt eine Rolle spielt, wurde von den Personalverantwortlichen die Führungsaufgabe als ausschlaggebend genannt. Auf den weiteren Plätzen folgten die Inhalte der Tätigkeit, ihre Bestandsdauer über mehrere Jahre, Vollmacht oder Vertretungsberechtigung nach außen, Zeitintensivität und Unei-genützigkeit.

Eine Variante des Einstiegs, nämlich den Berufswechsel bzw. den Wiedereinstieg nach Arbeitslosigkeit, untersuchen Prouteau & Wolff (2006) anhand eines französischen Datensatzes. Nachdem sie weder für Jobwechsler noch für Arbeitslose oder Frauen, die in das Berufsleben zurückkehren, ein signifikant höheres Niveau an ehrenamtlicher Tätigkeit mit Verantwortung feststellen, folgern sie daraus, dass die These, Zeitinvesti-tionen in ehrenamtliche Tätigkeiten würden dem Aufbau von Kompetenz dienen, auf die Verhältnisse in Frankreich nicht zutrifft.

2.5.2 Gehalt

Auf dem Gebiet der Forschung zu den monetären Wirkungen von Engagement enga-gieren sich zwei Parteien. Auf der einen Seite untersuchen die Entwicklungspsycho-logen das Engagement im Schulkontext auf positive Folgen für den Bestand im Berufsleben. Auf der anderen Seite interessiert Volkswirte, ob freiwilliges Arbeiten neben makroökonomischen Vorteilen auch mikroökonomische Folgen zeitigt.

Die Entwicklungspsychologen bedienen sich bei ihrer Forschung des Instruments der Langzeitstudien, mit denen sie die Entwicklung der Teilnehmer von der Schulzeit in die Erwachsenenwelt verfolgen. Barron, Ewing & Waddell (2000) nutzen für ihre Erkenntnisse zwei Studien (NLSY, NLS72). Danach sind ca. 12 Jahre nach Abschluss der High School die Gehälter von sportlich Engagierten teilweise deutlich höher als die von Nichtsportlern. Selbst nach Kontrolle auf Kompetenz, Humankapitalerwerb während der High-School-Zeit und weiteren Ausbildungsschritten bleibt dieser Effekt signifikant. Etwa zehn Jahre nach dem Schulabschluss zeigt sich für Teilnehmer des MSALT22, dass in der zehnten Klasse schulisch Engagierte auf Arbeitsplätzen mit höherem sozioökonomischen Indexwert tätig sind (Barber, Stone & Eccles, 2005) und in der zehnten Klasse sportlich engagierte Jugendliche meist zukunftssichere Arbeitsplätze mit überdurchschnittlich großem Entscheidungsspielraum haben (Barber, Eccles & Stone, 2001).

22 The Michigan Study of Adolescent and Adult Life Transitions

Kuhn & Weinberger (2005) konzentrieren sich in ihrer Untersuchung auf solche Tätig-keiten im Engagement während der Schulzeit, bei denen die Betreffenden Führungs-kompetenzen erwerben und ausüben mussten. In ihrer Studie sind das Präsidenten von Clubs23 und Mannschaftskapitäne in US-amerikanischen High Schools. Für ihre Analysen nutzen sie drei Datensätze. Die bereits bekannten HSB von 1982 und NLS72 sowie den Datensatz des Projekts TALENT24. Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass Teilnehmer der Studie TALENT, die 1960 zumindest eine der beiden oben ange-führten Positionen in einem Zeitraum von drei Jahren inne hatten, elf Jahre später zwischen 3-4,3 Prozent mehr verdienten als einfache Mitglieder dieser Clubs oder Mannschaften, die ihrerseits schon ein überdurchschnittliches Gehaltsniveau aufwiesen. Hatten sie beide Positionen wahrgenommen, waren es sogar 6,9 Prozent.

Dieser Effekt bleibt auch bei Hinzunahme diverser Kontrollvariablen weitgehend stabil. Noch deutlicher werden die Effekte, wenn man die beiden jüngeren Datensätze betrachtet (Kuhn & Weinberger, 2005, pp. 408-417).

Die Untersuchung von Gehaltsunterschieden von Club-Mitgliedern steht ebenfalls im Zentrum der Studie von Morris (2006). Sie zieht dazu den Datensatz NLSY7925 heran, der seine Probanden 23 Jahre lang begleitet hat. Die Ergebnisse sind deswegen beson-ders hervorzuheben, weil die Autorin sowohl mittel- als auch langfristige Effekte unter-sucht und damit Fragen nach der Nachhaltigkeit von Effekten beantworten kann.

Zudem unterscheidet sie zwischen Mitgliedern, Aktiven und stark Aktiven.

Neun Jahre nach der ersten Erhebung von Fragen zum Engagement (1984), lässt sich zeigen, dass ehedem stark engagierte Schüler ca. 16 Prozent höhere Haushaltssein-kommen aufwiesen als Teilnehmer ohne ein entsprechendes Engagement. Männer schneiden dabei etwas besser ab als Frauen. Die Effekte sind fast ausschließlich auf starkes Engagement bezogen zu beobachten. Geringere Aktivitätslevel zeigen meist keine signifikanten Unterschiede (Morris, 2006, pp. 55-62).

17 Jahre später zeigt sich folgendes Bild. Waren auf mittlere Frist fast nur Ergebnisse für sehr Aktive signifikant, trifft das jetzt auf die Unterschiede für „nur“ Aktive eben-falls zu. Die Unterschiede im Haushaltseinkommen für stark engagierte Probanden sind von 16 Prozent auf ca. 22 Prozent in 2001 gestiegen (Morris, 2006, pp. 62-67).

Zu anderen Ergebnissen kommt Tchibozo (2007) in seiner Befragung von Absolventen in Großbritannien. Diejenigen, die als Studenten in Studenteninitiativen oder sozialen Einrichtungen tätig waren, berichten von signifikant niedrigeren Einstiegsgehältern als Nichtengagierte. Der Aussagewert seiner Studie leidet aber unter der sehr niedrigen Fallzahl (n = 60).

23 Da es im deutschen Schulsystem keine direkte Entsprechung für die Clubs an amerikani-schen High Schools gibt, kann man diese Präsidenten wohl am ehesten mit Arbeitskreis- oder Neigungsgruppenleitern vergleichen.

24 Das Projekt TALENT startete im Jahr 1960 und bezog 400.000 Schüler an US-amerikani-schen High Schools ein.

25 National Longitudinal Survey of Youth, Kohorte von 1979. Die Zahl der Teilnehmer beläuft sich im ersten Jahr auf 12.686 Personen im Alter von 14-22 Jahren.

Zur volkswirtschaftlichen Betrachtung liegen verschiedene Studien vor. Prouteau &

Wolff (2006) haben in Frankreich keine signifikanten Auswirkungen von Engagement auf das Gehaltsniveau gefunden. Die Studie, auf die sich die meisten Autoren beziehen, kommt aus Kanada. Auf Basis von etwas mehr als 5.000 Datensätzen des Volunteer Activity Survey (VAS) gehen Day & Devlin (1998) der Frage nach, ob frei-williges Engagement Arbeitnehmern Gehaltsvorteile bringt. Mit der Feststellung eines Gehaltsunterschieds von sieben Prozent liegt ihr Ergebnis deutlich niedriger als das von Morris (2006). Sie stellen jedoch fest, dass „volunteering may aid in the acquisi-tion of marketable skills and business contacts or may serve as a favourable signal to employers“ (Day & Devlin, 1998, p. 1190). Einem besonderen Aspekt widmen sich beide Autoren in einem weiteren Artikel (Day & Devlin, 1997). Sie untersuchen die Ursachen für die bei Männern und Frauen beobachteten Gehaltsunterschiede, die sie auf unterschiedliche Engagement-Profile zurückführen. Die größeren Profite der Männer beruhen nach Ansicht der Autoren zumindest teilweise darauf, dass Männer eher die 'richtigen', d.h. im Sinne der Netzwerktheorie wertvolleren Aktivitäten wählen (z.B. Netzwerkorganisationen wie Rotary- und Lions-Club), während sich Frauen stärker in religiösen oder sozialen Einrichtungen mit weit weniger berufsbezogenen Netzwerkmöglichkeiten betätigen.

Die jüngste Studie mit einem Datensatz aus Österreich stellen Hackl, Halla & Pruckner (2007) vor. Sie kommen zum Schluss, dass Engagement zu einem Gehaltsplus von bis zu 18,5 Prozent führt. Ein wichtiger Parameter in ihrem Modell ist die für das Engage-ment eingesetzte Zeit. Sie folgern, dass Effekte, wie Kompetenzgewinn, Ausweitung des sozialen Kapitals und Signalisieren von Leistungsbereitschaft, mit steigendem Einsatz zunehmen.

Ein besonderes Gebiet des Engagements nehmen Hann, Roberts, Slaughter & Fielding (2004) unter die Lupe. Sie widmen sich dem Engagement in ausgewählten Open Source-Projekten und der Untersuchung der Faktoren für Gehaltsgewinne bei Program-mierern. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass Kompetenzgewinne, die mit einer Betei-ligung einhergehen, von potentiellen Arbeitgebern schlecht eingeschätzt werden können und deshalb die Beteiligung allein keine monetären Gewinne bringt. Teil des untersuchten Apache-Projekts26 ist ein System, das Verdienste um das Projekt mit einem Status-Rang auszeichnet. Dieses meritokratische System scheint starke Signal-funktion zu besitzen, da die Gehälter von Ranginhabern bis zu ca. 30 Prozent höher sind als die von ranglosen Projektmitgliedern.

Abschließend kann man also sagen, dass die meisten Autoren positive Effekte von Engagement auf das Gehalt gefunden haben. Dabei scheinen vor allem Führungsposi-tionen während der Ausbildung zu den genannten Effekten beizutragen.

26 Das Apache-Projekt ist ein Open Source Software Projekt und entwickelt den „apache“-Internetserver.

2.5.3 Aufstieg

Außer einem höheren Gehalt kann Engagement auch für den hierarchischen Aufstieg vorteilhaft sein. Es haben sich bislang nur zwei Autoren mit Fragen dieser Art befasst.

Und auch sie beschäftigen sich lediglich mit Führungskompetenzen, die während der Schulzeit erworben worden sind. Kuhn & Weinberger (2005), die mit Daten aus den drei Langzeitstudien NLS72, HSB und TALENT untersucht haben, inwieweit Führungspositionen in der High School ca. 12 Jahre nach deren Abschluss mit höherer Verantwortung verbunden sind, kommen zu dem Ergebnis, dass für Schüler die Aussicht auf einen mit Managementverantwortung verbundenen Arbeitsplatz signifi-kant höher ist, wenn sie in der Schule die Ämter eines Club-Präsidents oder Mann-schaftskapitäns inne hatten. Keine Rolle spielt, ob sie nur eine der Positionen oder gleich beide besetzten.