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3.3 Prognose des Studienerfolgs

3.3.1 Gesamtnoten

Aggregierte schulische Noten (meist das Abitur oder der High School GPA) werden in der Literatur zur Prognose des Studienerfolgs eingehend diskutiert. Sie sind darüber hinaus die am häufigsten genutzten Kriterien in Zulassungsverfahren an deutschen Hochschulen (Deidesheimer Kreis, 1997, S. 79f., Heine et al., 2006; Zimmerhofer &

Trost, 2008). Das gilt so auch für die meisten anderen Staaten. Insbesondere in den USA gilt der GPA als eine der am häufigsten studierten Variablen im Bereich der Ausbildungsforschung (Kuncel, Credé & Thomas, 2005).

Die große Beliebtheit von Abiturnoten und GPA hat zwei Gründe. Zum einen sind die Werte leicht zu erheben und zu interpretieren. Dazu reicht es in der Regel aus, ein (beglaubigtes) Abiturzeugnis mit den Angaben des Bewerbers zu vergleichen. Auch wirft die Interpretation einer Note keinerlei Schwierigkeiten auf, weshalb sich der Prozess sogar bis auf wenige Ausnahmen automatisieren lässt.

Der zweite Grund ist inhaltlicher Natur. Gesamtnoten gelten weithin als die besten Prädiktoren von akademischen Leistungen an der Universität. In Deutschland sind die Abiturgesamtnoten explizit darauf ausgerichtet, ihren Erwerbern die Studienbefähi-gung zu bescheinigen (Dlugosch, 2005). Ähnlich verhält es sich in den USA (Kuncel, Credé & Thomas, 2005).

Die Prognosegüte von Abiturnoten für den Studienerfolg ist für Deutschland, wie bereits berichtet, umfangreich untersucht und belegt worden. Zwecks eines einfacheren Überblicks über die existierenden Studien haben einige Autoren die unterschiedlichen Ergebnisse entweder in Reviews diskutiert (Ingenkamp, 1995; Rindermann & Oubaid, 1999b; Trost & Bickel, 1979) oder mit Hilfe von Metaanalysen verdichtet (Baron-Boldt, 1989; Baron-(Baron-Boldt, Schuler & Funke, 1988; Trapmann et al., 2007b).

In den Reviews werden Studien aus den Jahren 1955 bis 1998 näher beleuchtet. Die Korrelationskoeffizienten der Abiturgesamtnote mit einem Kriterium des Studiener-folgs (meist, aber nicht immer Prüfungsnoten) streuen von .02 bis .53. Die prognosti-sche Validität der Abiturnote für Studiennoten beträgt im Durchschnitt r = .30 (für Ingenkamp, 1995), r = .33 (für Trost & Bickel, 1979) und r = .39 (für Rindermann &

Oubaid, 1999b). Diese Mittlung ist aber wenig geeignet, ein zutreffendes Bild von der Aussagekraft von Abiturnoten zu vermitteln. Zudem muss man beachten, dass die betrachteten Studiengänge sehr heterogen sind und die Koeffzienten in Abhängigkeit des Studiengangs stark schwanken.

Wesentlich aussagekräftiger sind dagegen die Metaanalysen. Sie bedienen sich ausge-feilter Verfahren zur Berücksichtigung von Informationen zu Relabilitäten und Vari-anzeinschränkungen der einzelnen Studien (Trapmann et al., 2007b). Von ihnen sind verlässlichere Informationen hinsichtlich der Prognosekraft von Abiturnoten zu erwarten.

Die Studie von Baron-Boldt und Kollegen (Baron-Boldt, 1989; Baron-Boldt, Schuler

& Funke, 1988) verarbeitet insgesamt 44 Studien zur Studienerfolgsprognose mit einer Gesamtstichprobengröße von n = 26.867. Sie nutzt das Verfahren der Validitätsgenera-lisierung nach Hunter, Schmidt & Jackson (1982). Für die Gesamtgruppe ergibt sich eine artefaktkorrigierte mittlere Validität von ρ = .46 mit einer korrigierten Varianz von σ2 = .01 (Baron-Boldt, 1989, S. 66, Baron-Boldt, Schuler & Funke, 1988, S. 82).

Interessant ist zudem die Analyse von studiengangspezifischen Subgruppen. Während für Juristen das Abitur als Studienerfolgsprädiktor mit ρ = .38 die geringste durch-schnittliche Validität aufwies, war sie mit ρ = .56 für Wirtschaftswissenschaftler am höchsten.

Fast 20 Jahre nach dieser Analyse legen Trapmann et al. (2007b) eine weitere Meta-analyse zu diesem Thema vor. Während bei Baron-Boldt (1989) ausschließlich deut-sche Studien berücksichtigt wurden, erfasst die neue Studie neben den seither angefallenen deutschen Studien auch Erkenntnisse aus vier weiteren europäischen Ländern (Großbritannien, Norwegen, Österreich und Tschechien, Trapmann et al., 2007b).

Eingeflossen sind 83 unabhängige Stichproben, 53 davon untersuchen Durchschnitts-noten. Für sie ergibt sich eine Gesamtzahl der Stichprobengröße von n = 48.178 Personen. Die zur Analyse eingesetzte Methode ist eine Weiterentwicklung der Validi-tätsgerneralisierung nach Raju, Burke, Normand & Langlois (1991). Für die Durch-schnittsnote berechnen Trapmann et al. (2007b, S. 14) einen Validitätskoeffizienten von ρ = .46 bei Korrektur der Kriteriumsreliabilität bzw. ρ = .52, wenn zusätzlich die Varianzeinschränkung durch Selektion berücksichtigt wird. Die Subgruppenanalyse nach Studiengängen für die deutschen Studien ergab ein anderes Bild als bei der voran-gehenden Metaanalyse. Vor allem der verhältnismäßig hohe Wert für die Wirtschafts-wissenschaften lässt sich so nicht noch einmal zeigen (ρ = .42, mit Selektionskorrektur ρ = .48, S. 23). An der Spitze liegen diesmal die Natur- und Ingenieurswissenschaften mit ρ = .51 (selektionskorrigiert ρ = .58, S. 23). Die niedrigsten Validitätskoeffizienten finden sich bei der Psychologie mit ρ = .34 (selektionskorrigiert ρ = .39, S. 20).

Die Autoren beider Metaanalysen kommen übereinstimmend zu dem Urteil, dass durchschnittliche Schulabschlussnoten die besten Einzelprädiktoren für den Studiener-folg darstellen (Baron-Boldt, 1989; Trapmann et al., 2007b). Kein anderes Prognose-kriterium erreicht in Deutschland die Validitätskoeffizienten des Abiturs. In letzter Zeit scheinen Schulnoten zudem etwas an Validität gewonnen zu haben. Trapmann et al.

(2007b) vermuten, dass dieser Trend, der allerdings – wenn auch knapp – nicht signifi-kant ist, auf geänderte Prüfungsmodaltäten zurückzuführen ist. Vor dem Hintergrund, dass in vielen Studiengängen in den letzten Jahren Prüfungsordnungen eingeführt worden sind, die studienbegleitende Prüfungen vorsehen, erscheint diese Überlegung plausibel.

Der deutschen Abiturgesamtnote entspricht in den USA der High School-GPA, der sich ähnlich starken Interesses bei den Bildungsforschern erfreut, wenngleich man doch Unterschiede zwischen den Studien in beiden Ländern feststellen kann. Da in den USA die Schulabschlüsse hinsichtlich der Leistungsaussagen nicht so einheitlich ausfallen wie in Deutschland, herrschen bei der Hochschulzulassung andere Gepflo-genheiten. Zusätzlich zum GPA wird in der Regel noch mindestens ein Studierfähig-keitstest in die Entscheidung zur Zulassung mit einbezogen (Heine et al., 2006).

Untersuchungen zum Studienerfolg widmen sich daher häufig beiden Kriterien. In der Literatur wird im übrigen unterschieden zwischen Erfolg in Undergraduate-Programmen und Prädiktoren für Erfolg in Undergraduate-Programmen, die auf einem Bachelor-Abschluss aufbauen.

Ausgefeilte Metaanalysen, wie für den deutschen Sprachraum, liegen bisher für den nordamerikanischen Raum nicht vor. Burton & Ramist (2001) besprechen eine große Anzahl an Studien aus dem Zeitraum von 1930 bis in die Mitte der 90er Jahre. Die Korrelationskoeffizienten der Studien, bei denen die Prognosekraft von High School Records (in der Regel der GPA, manchmal aber auch der Rang in der Abschlussklasse) für den Undergraduate GPA untersucht wird, streuen von .30 bis .59. Der gewichtete Durchschnitt der jüngeren Studien von 1980 bis in die Mitte der 90er Jahre liegt bei . 42, der für die älteren Studien aus den Jahren 1930-1980 bei .49. Auch in den USA hat sich der High School-GPA ähnlich wie in Deutschland als der beste Einzelprädiktor für akademischen Erfolg an der Universität erwiesen. Die Autoren weisen darauf hin, dass

„success in college is a complex idea that the available criterion measures only parti-ally and imperfectly approximate“ (p. 2).

Selbst wenn die Korrelationskoeffizienten für einige europäische Länder (Großbritan-nien, Norwegen, Österreich und Tschechien) nicht ganz das deutsche Niveau erreichen, kann man zu Recht behaupten, dass auch hier die Schulabschlussnoten als Prädiktoren für den Studienerfolg gut geeignet sind (Trapmann et al., 2007b). Das ist nicht weiter verwunderlich, spiegeln die Noten aus der Schule doch genau die Fähigkeiten wieder, die in der Mehrzahl der Studiengänge an der Universität gefordert und dort für gute Noten ausschlaggebend sind (Gold & Souvignier, 2005). Zudem entsprechen die Formen der Leistungserhebung an der Universität (schriftliche und mündliche Prüfungen) genau denen an der Schule.

Es gibt aber auch gewichtige Gründe, die gegen Schulnoten als einzigen Prädiktor sprechen. Für Schulnoten gelten ähnliche Einschränkungen, wie sie bereits diskutiert worden sind. Hauptsächlich werden Mängel in der Objektivität, der Reliabilität und der Reteststabilität angeführt (Baron-Boldt, 1989; Deidesheimer Kreis, 1997). Gerade auf die deutschen Abiturnoten trifft diese Kritik indessen nur eingeschränkt zu. Durch die Zusammenfassung mehrerer inhaltlich unterschiedlicher Noten, die zudem von unter-schiedlichen Prüfern über den Zeitraum von zwei Jahren erteilt worden sind, zu einer Gesamtnote, erfüllen sie die messtheoretischen Erfordernisse weit besser als Einzel-noten (Baron-Boldt, Schuler & Funke, 1988, Süllwold, 1983; Trapmann et al., 2007b).

Ein für Deutschland typisches Problem stellt die Frage dar, ob es Unterschiede in der Prognosegüte des Abiturs zwischen einzelnen Bundesländern gibt. An Veröffentli-chungen zu diesem Thema mangelt es bislang jedoch.

Die Erkenntnislage zu weiteren Studienerfolgskriterien ist dagegen sehr übersichtlich.

Zum Zusammenhang zwischen Studiendauer und Abiturgesamtnote liegen Aussagen vor. Nach Daniel (1996) benötigen in Mannheim überdurchschnittlich gute Abituri-enten (Notenschnitt 1,0-2,0) durchschnittlich ein Semester weniger für das Studium der BWL als schlechtere Abiturienten. Andere Studien, die Korrelationskoeffizienten berechnen, ergeben ein differenzierteres Bild der Abiturgesamtnote als Prädiktor für die Studiendauer. Für Psychologiestudenten zeigt sich ein Zusammenhang von r = .23 (Reiß & Moosbrugger, 2004, S. 14). Niedrigere Werte zeigen sich für naturwissen-schaftliche und mathematische Studiengänge (r = .15), Jura und

Wirtschaftswissen-schaften (r = .13), SozialwissenWirtschaftswissen-schaften (r = .06) und Lehramtsstudiengänge (r = .02, berechnet von Rindermann & Oubaid, 1999b auf Basis der Studie von Giesen & Gold, 1996).

Einen in vieler Hinsicht spannenden Aspekt beleuchtet Daniel (1996) mit der Prüfung, inwieweit die Zahl der Wiederholungsprüfungen mit der Abiturnote zusammenhängt.

Nach seinen Erkenntnissen gibt es einen engen linearen Zusammenhang zwischen beiden Faktoren. Sehr gute Abiturienten wiederholen demnach Prüfungen im Studium wesentlich seltener als Studenten mit einer weniger guten Abiturgesamtnote.