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4. Austauschsphären

4.4 Technologie

Produktivität wird durch den Einsatz sowie die stete Reproduktion und Innova-tion von verwertbarer Technologie wesentlich beeinflusst. In diesem Sinn fallen für eine periphere Ökonomie Kosten an, wenn Geräte und Patentrechte aus den Zentren angekauft werden müssen. Erscheint die Habsburgermonarchie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert insgesamt als Technologie- und Know-how-Im-porteurin aus westeuropäischen Staaten wie England, Belgien, Frankreich und den Staaten des Alten Reichs bzw. aus dem diesem nachfolgenden Deutschen Bund,243 so erfolgten Transfers von Maschinen, Geräten und Produktionsmethoden nach

238 Pilch, Migrations, 98f. Hödl, Vom Shtetl, 42.

239 Doppler, Die sozioökonomischen Verhältnisse, 111.

240 Feldstein, Vermögens- und Zahlungsbilanz, 86. Tokarski, Ethnic conflict, 111. Bujak, Rozwój gos-podarczy, 385.

241 Gargas, W sprawie ruchu pieniężnego, 4, 10f. Wiarowski, W czasie zaborów, 166. Zur Methode siehe : Prados de Escosura, Position, 185.

242 Eigene Berechnungen nach : Biegeleisen, Stan ekonomiczny, 308. Feldstein, Vermögens- und Zah-lungsbilanz, 38, 86. Pączewski, Bilans handlowy, 388–391. Schulze, Regional income dispersion, 25.

243 Gross, Austria-Hungary in the World Economy, 5.

Galizien, das nur über eine geringe technologische Ausstattung verfügte, über die habsburgischen Zentren vermittelt oder aber direkt.

Solche Transfers umfassten die vom Staat geförderten Ansiedlungsprojekte deutschsprachiger KolonistInnen in Galizien, die neue Anbau- und Bewirtschaf-tungsmethoden wie Düngung und Stallfütterung ebenso bekanntmachten wie neue Feldfrüchte, allen voran die Kartoffel oder Hülsenfrüchte. Im gewerblichen Bereich verbreiteten die Ansiedler die Färbung und Bedruckung von Leinen und wurden vom Staat mit neuen Geräten wie Rollpresse, Walkmühle und Bleiche aus-gestattet. Aber auch private Initiativen wie der aus dem Heiligen Römischen Reich erfolgte Import einer Spinnmaschine im Jahr 1806 und einer Kardiermaschine vier Jahre später sind belegt.244

Zwar wurde die Ansiedlung vom Staat subventioniert, allerdings stammte das Gros der zur Verfügung gestellten Ressourcen – die Gründe der staatlichen und enteigneten kirchlichen Güter – aus der Region selbst. Zudem mussten die An-siedler die Subventionen großteils zurückzahlen, womit die eigentlichen Kosten erneut aus regionalen Quellen gedeckt wurden. Somit fielen auch für den staat-lich organisierten Technologie- und Know-how-Import Kosten an, während die tatsächlichen Effekte der Ansiedlungsprojekte umstritten sind.245 Ein weiteres Beispiel für einen Technologietransfer aus den habsburgischen Zentren stellen jene Tiroler Sudpfannen dar, die in den Jahren 1814 bis 1817 in den staatlichen Salzbergwerken Galiziens installiert wurden und die zu einer deutlichen Ertrags-steigerung beitrugen. Auch hier organisierte der Staat den Transfer, allerdings aus unternehmerischem Eigeninteresse.246

Mit dem Aufkommen einer mechanisierten Fabrikindustrie in der Habsbur-germonarchie ab den 1820er Jahren erlangte die Dampfmaschine als Antrieb eine verstärkte Bedeutung, die sich allerdings in Galizien aufgrund des schwachen In-dustrialisierungsgrades nur in Brauereien nach dem Vorbild englischer und deut-scher Betriebe durchsetzte.247 Der Przemyśler Verein für Dampfmühlen/Przemyski Związek Młynów Parowych erhielt 1838 die Erlaubnis von der Hofkammer zum Import einer Dampfmühle aus Frankreich über einen Vermittler in Lüttich, da die Maschinenindustrie in der Habsburgermonarchie mit Aufträgen überlastet war.248 In diesen Fällen handelte es sich um Gütertransporte, d.h. Technologietransfers

244 Brawer, Galizien wie es an Österreich kam, 56, 61. Bacon, Austrian economic policy, 100f., 109–

111, 130.

245 Rutkowski, Historia gospodarcza, 285–288. Glassl, Einrichtungswerk, 230, 234f.

246 CDIAL, 146–7–751, 2921 ex 1818, Fol. 13–16.

247 Spyra, Browarnictwo, 46.

248 APP, 1307/6 : Fol. 3–6, 27–31.

erfolgten punktuell als Kapitalgütereinfuhren und waren Teil der Handelsstruktur.

Wie bereits in Kap. 3.2.2 erwähnt, war das Ausmaß der PS-Leistung in Galizien insgesamt bis zur Jahrhundertmitte in absoluten und relativen Zahlen bescheiden.

Die Ausstattung mit Dampfmühlen erhielt nach der Jahrhundertmitte mit der graduellen Industrialisierung des Mühlengewerbes eine zunehmende Bedeutung.

Erneut spielte der Import insbesondere von Wassermühlen, die als „amerikanische“

oder „englische“ bezeichnet wurden, eine bedeutende Rolle. Der Transfer erfolgte oft über die Zuwanderung externer Unternehmer, zunehmend auch über Importe von galizischen Firmen. Dass letztere zunahmen, lässt sich an den Eisenbahnim-porten zwischen 1862 und 1869 ablesen.249 Zeitgleich setzten infolge der Nach-frage der Landwirtschaft nach Maschinen Lieferungen böhmischer, preußischer und englischer Firmen ein.250 War im Jahr 1852 überhaupt keine mit Dampfkraft betriebene Maschine in Galiziens Landwirtschaft verwendet worden, stieg die PS-Zahl der Dampfmaschinen im Agrarsektor von 8 PS (1863) auf 399 PS (1879) und damit rascher als im Durchschnitt der cisleithanischen Reichshälfte. Bis 1902, als die landwirtschaftlichen Maschinen insgesamt eine PS-Stärke von 511 erreichten, war Galiziens Anteil von neun auf zwei Prozent gesunken. Nur ein Bruchteil der in Galiziens Agrarsektor eingesetzten Maschinen wurde mit Dampfkraft betrie-ben.251 Erst nach der Jahrhundertwende nahm die Mechanisierung der Landwirt-schaft zu, insbesondere die Anzahl der Sämaschinen verdoppelte sich zwischen 1898 und 1911.252 Die Maschinen stammten aus den böhmischen und österreichi-schen Ländern sowie dem Deutösterreichi-schen Reich.

Mit der Ausweitung der Nahrungsmittelindustrie in Galizien stieg auch der Bedarf nach Maschinen, die infolge des weitgehenden Fehlens regionaler Firmen importiert wurden : Ende der 1880er und in den frühen 1890er Jahren lieferten österreichische und vor allem tschechische Maschinenbauunternehmen zuneh-mend die Ausstattung für die Zuckerindustrie nach Galizien.253 Hier wird deut-lich, wie selbst aufstrebende Tendenzen in der Peripherie – die Industrialisierung einer Gewerbebranche oder die Mechanisierung der Landwirtschaft – zu einer Reproduktion der wirtschaftsräumlichen Hierarchie beitragen kann, da die In-vestitionskosten, hier für Maschinenimporte, teilweise aus den Peripherien an die Zentren fließen. Zugleich ebnete diese Einfuhr von Investitionsgütern den Weg

249 Siehe dazu den Bericht in Praca IV/28, 6.4.1865, 2f. Kramarz, Młyne, 302–313. Lipp, Verkehrs- und Handelsverhältnisse, 258.

250 Kiryks/Żaliński, Zieleniewscy, 281f.

251 Sandgruber, Agrarstatistik, 223–225.

252 Franaszek, Produkcja roślinna, 120, 122.

253 Rudolph, Banking and Industrialization, 31. Kiryks/Żaliński, Zieleniewscy, 285f.

zu Rationalisierung und Produktivitätssteigerungen in Galizien selbst. Auch die Ausweitung der Erdölförderung war bis zur Jahrhundertwende stark von Know-how- und Technologieimporten abhängig, obwohl das Raffinationsverfahren von Abraham Schreiner, Jan Zeh und Ignacy Łukasiewicz 1853 in Ostgalizien entwi-ckelt worden war.254 Zu der 1861 eingeführten Handbohrmethode, die das Graben der Förderschächte erleichterte, traten fünf Jahre später erstmals ein mit Dampf-kraft betriebenes Bohrsystem und Dampfpumpen.255

Die auf diesen Innovationen beruhende pennsylvanische Tiefbohrmethode wurde von dem 1867 nach Galizien zugewanderten Deutschen Albert Fauck ein-geführt, der diese während eines Aufenthaltes in den USA kennengelernt hatte.

Ebenfalls von der anderen Seite des Atlantiks stammte das 1884 eingeführte ka-nadische Tiefbohrsystem, das die Erschließung neuer Erdölquellen in einer Tiefe bis zu 1500 Metern unter der Erdoberfläche ermöglichte und die Voraussetzung für die Entstehung neuer Förderstandorte wie Słoboda Rungurska/Sloboda Rungurs’ka, Schodnica, Borysław/Boryslav oder Tustanowice darstellte. Anders als in den oben angeführten Beispielen entwickelte sich aus diesen Transfers eine re-gionale Branche, die nicht nur die galizische Erdölförderung mit Maschinen und Bohrern versorgte, sondern ihre Waren auch exportierte.256 In diesem Fall wurden Transfers zur Aneignung von Kompetenzen und einem upgrading in der Produk-tionssphäre genutzt.

4.5 Zusammenfassung Teil A : Ein chronologisches Schema