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2. T HEORETISCHER T EIL

2.2. Schizophrenie

2.2.3. Symptome

Schizophrene Psychosen bieten hinsichtlich ihrer Symptomatik ein heterogenes und bun-tes Erscheinungsbild. Die Symptome können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten gegliedert werden. Asmus Finzen führt aus, dass Eugen Bleuler, ein bekannter Schizo-phrenie-Forscher am Beginn des 20. Jahrhunderts, zwischen Grundsymptomen und ak-zessorischen — das heißt zusätzlichen — Symptomen unterscheidet. Zu den Grund-symptomen zählen

 formale Denkstörungen

 Störungen der Affektivität

 Ich-Störungen

Als akzessorische Symptome werden

 Wahn

 Halluzinationen

 katatone Symptome (Störungen der Motorik und des Antriebs) bezeichnet (vgl. Finzen 2020: 66 f.).

Heutzutage wird auch von Positiv- und Negativsymptomen gesprochen. Zur Positivsymp-tomatik zählen Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ich-Störungen. Als Negativsymp-tome werden Störungen der Affektivität, des Willens (wie Antriebsmangel) und der Psychomotorik sowie Konzentrationsstörungen bezeichnet (vgl. Möller 2015: 165).

Formale Denkstörungen

„Das Denken des Kranken erscheint oft unklar, manchmal bis zur Unverständlichkeit zer-fahren.“ (Bleuler 1911/1988 zit.n. Finzen 2020: 69) Charakteristisch ist, dass die Logik der Gedanken verloren geht und das Denken sprunghaft werden kann — mitten im Ge-spräch können Gedanken unterbrochen werden. Den Kranken kann es so vorkommen, als ob ihre Gedanken bildlich abreißen. Auch Begriffe können ihre Bedeutung verlieren, Wortneuschöpfungen (Neologismen) können auftreten (vgl. Möller 2015: 165).

Störungen der Affektivität

Die Gefühlswelt ist bei den Erkrankten qualitativ und quantitativ gestört. Zu den quantita-tiven Stimmungsveränderungen zählt eine gedrückte Stimmung wie bei depressiv Er-krankten, aber auch eine gehobene Stimmung wie bei manisch Erkrankten. Als qualitati-ve Störung wird eine unangemessene Gefühlsäußerung bezeichnet (Parathymie), bei-spielsweise Heiterkeit anlässlich trauriger oder ernster Situationen. Ein solcher fehlender Bezug zur Situation bzw. zum Gegenüber irritiert und löst bei Außenstehenden Unbeha-gen und am Ende Zurückweisung aus. Diese Störung bedingt eine schwere Behinderung in sozialen Situationen. Der/die Kranke und seine/ihre Umwelt können einander nicht verstehen, es kommt zu Kommunikationsschwierigkeiten und Konflikten, besonders häu-fig auch zwischen dem/der Kranken und jenen Personen, die ihm/ihr nahestehen, zum Beispiel den Eltern. Ratlosigkeit, Resignation und oft auch Verzweiflung sind die Folge (vgl. Finzen 2020: 71).

Zentral bei schizophren Erkrankten ist auch das Erleben von Angst. Die Veränderungen im Denken und in der Wahrnehmung führen unweigerlich zu intensiven Angsterlebnissen (vgl. Finzen 2020: 72).

Weiters kann es zur Affektverflachung (Gefühlsarmut) kommen, das heißt, die Erkrankten können keine Gefühle wie Freude oder Traurigkeit empfinden. Oft fühlen sie sich leer und hoffnungslos. Das ist sehr häufig verbunden mit einer Störung des Antriebs, was bis zur Vernachlässigung der persönlichen Körperpflege (Verwahrlosungstendenz) führen kann, aber auch zum Rückzug bis zur völligen sozialen Isolierung (vgl. Möller 2015: 168 f.).

Ich-Störungen

Zu den Ich-Störungen zählt die Fremdbeeinflussung des Denkens, aber auch ein Gefühl der Fremdheit des eigenen Körpers bzw. von Körperteilen. Es kann zu Gedankeneinge-bung, Gedankenentzug und Gedankenausbreitung kommen. Viele Schizophrene glau-ben, dass sie von anderen Personen gesteuert werden. Die Kranken werden sich selbst fremd und erleben ein Gefühl der Depersonalisation (vgl. Möller 2015: 165 ff.).

Wahn und Halluzinationen

Wahn und Halluzinationen treten bei schizophrenen Personen oft auf. Gemeinsame Merkmale des Wahns sind Realitätsgewissheit, Unkorrigierbarkeit und Ich-Bezug (vgl.

Garlipp/Haltenhof 2015: 27). Wahnhaftes Erleben ist äußerst individuell und vielgestaltig, es kann die Körperlichkeit betreffen (z.B. Dermatozoenwahn — das ist die Überzeugung, dass kleine Tiere in der Haut leben), die wirtschaftliche Lage (z.B. Verarmungswahn) oder das Gewissen (z.B. Schuld- und Versündigungswahn). Zu den häufigsten Formen zählen Beziehungswahn, Verfolgungswahn, Größenwahn und religiöser Wahn. Schizo-phrene Wahngedanken haben oft einen magisch-mystischen Charakter oder etwas Bizar-res an sich (vgl. Möller 2015: 164 f.).

Halluzinationen sind Sinnestäuschungen. Der/die Kranke hört, spürt, sieht, riecht oder schmeckt Dinge, die in der realen Welt nicht vorhanden sind. Am häufigsten sind akusti-sche Halluzinationen, zum Beispiel das Hören von Stimmen. Stimmen, die Befehle ertei-len, sind besonders typisch für schizophrene Psychosen. Seltener sind optische, ge-schmackliche und olfaktorische Halluzinationen. Sie sind aber bedeutend, weil sie oft mit Vergiftungsängsten einhergehen (vgl. Finzen 2020: 79 f.).

Katatone Symptome

Unter Katatonie wird eine Störung der Psychomotorik verstanden. Das kann von katato-nem Stupor, bei dem der/die Betroffene vollkommen bewegungslos, aber sehr wohl wach und ansprechbar, verharrt, bis zu einem katatonen Erregungszustand gehen, der zu star-ker psychomotorischer Unruhe führt. Oft ist ein solcher Zustand mit Aggressivität, Schrei-en und zerstörerischSchrei-en HandlungSchrei-en verbundSchrei-en (vgl. FinzSchrei-en 2020: 80 f.).

In Abbildung 2 sind relevante Symptome der Schizophrenie nach ihrer Häufigkeit darge-stellt. Bei dieser Aufzählung möglicher Symptome ist zu bedenken, dass nie alle Symp-tome gemeinsam bei einem/einer Erkrankten auftreten. SympSymp-tome können schwerwie-gend — bis zur völligen Verwirrtheit —, aber auch milde und von geringer Bedeutung sein (vgl. Finzen 2020: 66).

Abbildung 2: Relative Häufigkeit von relevanten Symptomen von an Schizophrenie Erkrankten (vgl. Möller 2015: 164, eigene Darstellung ).

2.2.4. Diagnose

Für die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis werden moderne Klassifikationssysteme wie die ICD-10 verwendet. Die Diagnose wird aufgrund von vor-gegebenen Diagnosekriterien gestellt (Tabelle 4).

1. Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug, Gedankenausbreitung 2. Kontrollwahn; Beeinflussungswahn; Gefühl des Gemachten bzgl. Körperbewegungen,

Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen; Wahnwahrnehmungen 3. Kommentierende oder dialogische Stimmen

4. Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer (bizarrer) Wahn 5. Anhaltende Halluzination jeder Sinnesmodalität

6. Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss, Zerfahrenheit und Ähnliches

7. Katatone Symptome

8. Negativsymptomatik wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadä-quate Affekte

Erforderlich für die Diagnose einer Schizophrenie ist mindestens ein eindeutiges Symptom (wenn nicht eindeutig, dann mindestens zwei Symptome) der Gruppe 1-4 oder zumindest zwei Symptome der Gruppe 5-8. Diese Symptome müssen fast ständig während eines Monats oder länger deutlich vorhanden gewesen sein.

Tabelle 4: Diagnostische Kriterien der Schizophrenie nach ICD-10 (Dilling et al. 2014: 129, gekürzte Darstellung).

Finzen hebt hervor, dass es zur Diagnosestellung nicht genügt, Diagnosekriterien nach einem starren Schema heranzuziehen und abzuhaken, sondern dass dieser Befund

er-weitert und ergänzt werden muss, um nicht eine hohe Zahl von Fehldiagnosen zu produ-zieren. Zu einem solchen Vorgehen gehört für Finzen die gründliche Erhebung der bio-grafischen Entwicklung ebenso wie die Befragung der Angehörigen. Für die Diagnose bedeutend sind Veränderungen im Sozialverhalten, ein ‚Knick‘ in der Lebenslinie, Vulne-rabilität gegenüber Umwelt- und Sinnesreizen oder die Einnahme psychotroper Substan-zen (vgl. FinSubstan-zen 2020: 85).

Die Diagnose einer Schizophrenie hat einschneidende Auswirkungen auf die/den Er-krankte/n und ihre/seine Familie. Das Vorliegen der Diagnose ist für die Angehörigen oft ein Schock und löst Verzweiflung und Angst aus.