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4 Entwicklung eines Forschungsdesigns

4.1 Fragebogen zu Kenntnissen/Einstellungen von Lehrkräften

4.1.1 Studien über Wissen und Meinungen von Lehrerinnen und Lehrern

Zur Messung von Kenntnissen über ADHS gibt es als Forschungsinstrument einen Fragebogen, der sich Knowledge of Attention Deficit Disorders Scale nennt und KADDS abgekürzt wird. Hiermit kann das Wissen über Diagnosen und Symptome, über Behandlungsmethoden und weitere Aspekte wie Verläufe oder Prävalenzen erfragt werden (Sciutto/ Terjesen/ Bender Frank 2000, S. 115). Nachdem Sciutto und andere KADDS eingeführt hatten, wurde dieser Fragebogen auch von anderen Forscherinnen und Forschern verwendet. Teilweise wurde er dazu etwas verändert oder übersetzt (Schmiedeler 2013, S. 146).

Einige der Studien der letzten 15 Jahre sowie ihre Ergebnisse über Wissen und Einstellungen von Lehrkräften über ADHS werden hier in kurzer Zusammenfassung aufgelistet. Eine Reihe dieser und weiterer Forscherteams legen in ihren Designs zur Abfrage von Kenntnissen und Meinungen über ADHS das oben erwähnte

80 Befragungsinstrument KADDS zugrunde (zum Beispiel Stormont/ Stebbins 2005, Perold/ Louw/ Kleynhans 2010 oder Anderson et al. 2012). Es handelt sich nicht um alle zu diesem Themenbereich durchgeführten Studien, sondern um einen Ausschnitt:

o Sciutto/ Terjesen/ Bender Frank 2000: Lehrkräfte in den USA wussten mehr über Diagnosen und Symptome als über Behandlung und andere Themen. Diejenigen, die ein gutes Selbstvertrauen hatten, schon mal mit ADHS-Kindern in Kontakt gekommen waren und viele Jahre Unterrichtserfahrung hatten, kannten sich besser mit ADHS aus als andere (S. 115).

o Bekle 2004: ausgebildete Lehrkräfte und Lehramtsstudierende wurden befragt.

Fehlannahmen gab es unter anderem über die Bedeutung der Ernährung. Wis-sen und Einstellungen hingen zusammen. Lehrkräfte hatten mehr Kenntnisse über ADHS als die Studierenden, aber Gruppen zeigten Interesse an Fortbildun-gen dazu.

o West et al. 2005: Lehrkräfte (und Eltern) wussten viel mehr über die Gründe von ADHS als darüber, wie die Störung eigentlich aussieht. Noch weniger wussten sie über Behandlungsmethoden. Eltern wussten insgesamt viel besser Bescheid als Lehrkräfte. Die Studie stammt aus den USA.

o Stormont/ Stebbins 2005: Vorschullehrkräfte in den USA erhalten ihre Kenntnisse über ADHS vor allem durch das Lesen von Fachartikeln. Universitär ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen wussten mehr über ADHS als ihre Kollegen und Kolle-gen, die einfachere Ausbildungsgänge durchlaufen hatten.

o Murray 2009: Australische Lehramtskandidaten und –kandidatinnen wurden be-fragt. Unter anderem ergab sich, dass diejenigen, die keine Bildungsmaßnahmen zu ADHS absolviert hatten, tendenziell negativere Gefühle gegenüber ADHS-Kindern hatten. Insgesamt waren alle Lehramtsstudierenden sehr an Weiterbil-dungsmöglichkeiten interessiert.

o Perold/ Louw/ Kleynhans 2010: In kleineren Städten um die südafrikanische Stadt Kapstadt herum wurden Grundschullehrer und –lehrerinnen über ihr Wissen be-fragt. Insgesamt war das Wissen unbefriedigend. Über Symptome und Diagno-sen wussten die Befragten zumindest mehr als über Behandlungsformen und sonstige Aspekte.

o Mmādī und Āby mlywd 2012: Diese algerische Studie untersuchte den Wissens-stand über ADHS bei Lehrkräften in Grundschulen. Auch wurde gefragt, ob es Unterschiede im Wissen gab. Dazu wurden verschiedene Variablen angelegt:

81 Berufserfahrung, akademischer Grad und Unterrichtssprache (Arabisch oder Französisch). Die Forscher entwickelten einen Fragebogen von 30 Items mit drei Subskalen (allgemeine Informationen, pädagogische Informationen, medizini-sche Informationen), um den Kenntnisstand der Grundschullehrer und – lehrerinnen zu messen. Es wurden 450 über eine Zufallsmethode ausgewählt, wobei es sich um Schulen in der Provinz Ouargla im östlichen Algerien handelte.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Lehrer und Lehrerinnen niedrige Kenntnisstän-de zu allgemeinen und medizinischen Informationen hatten, aber gute Kenntnis-se zu pädagogischen Themen. Die Forscher fanden keine Unterschiede inner-halb der Befragten bezüglich der Variablen Berufserfahrung, akademischer Grad oder Arabisch bzw. Französisch als Unterrichtssprache.

o Anderson et al. 2012: Hier wurde in Australien untersucht, wie sich Wissen und Einstellungen über ADHS im Verlauf der Berufstätigkeit von Lehrkräften verän-dern. Wer noch vor der eigentlichen Lehrtätigkeit stand, wusste weniger über ADHS als erfahrene Lehrerinnen und Lehrer. Jedoch hatten erfahrene Lehrkräfte eher ablehnende Gefühle gegenüber ADHS-Kindern als angehende Lehrerinnen und Lehrer.

o Alkahtani 2013: In Saudi-Arabiens Middle Region hat Alkahtani eine Untersuchung durchgeführt (Alkahtani 2013). Es nahmen 429 Lehrkräfte von 37 zufällig ausge-wählten Schulen teil. Erfragt wurden Wissen und Fehlannahmen über ADHS. Als Befragungsinstrument wurde KADDS gewählt, ergänzt um einen demographi-schen Fragebogen. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die Lehrer und Lehrerinnen keine ausreichenden Kenntnisse hatten. Der Grad des Wissens korrelierte positiv mit früheren Trainings und Erfahrungen mit ADHS. Dieses konnten Kurse wäh-rend der Ausbildung sein oder zusätzliche Workshops zu ADHS. Auch hatten diejenigen, die ein umfangreiches Wissen hatten, mehr Selbstvertrauen im Un-terricht und im Umgang mit ADHS-Kindern.

o Schmiedeler 2013: Für Deutschland hat bisher nur Schmiedeler eine KADDS-Umfrage veröffentlicht. Dafür hat sie KADDS in einer deutschen Form verwendet (Schmiedeler 2013, S. 146). Mit dieser konnte die Forscherin zeigen, dass deut-sche Lehrkräfte hier etwas häufiger richtige Antworten auf die Wissensfragen über ADHS gaben als Befragte in anderen Ländern. Dennoch gibt es auch in Deutschland viele Fehlannahmen. Gute Kenntnisse haben nicht unbedingt die

82 Lehrkräfte mit langer Berufserfahrung, sondern diejenigen, die in Weiterbildun-gen und durch das Lesen von Fachartikeln etwas über ADHS lernen.

o Moldavsky/Sayal 2013, internationale Meta-Studie: Die Kontroversen und unter-schiedlichen Meinungen in der Öffentlichkeit über ADHS machen es Lehrkräften, Eltern und Gesundheitsfachkräften schwer, gemeinsame Ziele zu entwickeln.

Trotz unterschiedlicher Auffassungen sind jedoch alle Beteiligten bereit, Informa-tionen zu teilen und zusammen zu arbeiten. In Bezug auf Lehrerinnen und Lehrer haben sich Wissensvermittlungsprogramme zumindest für einen kurzen Zeitraum als hilfreich erwiesen.

o Munshi 2014: In dieser Studie wurden 130 Grundschul- und Kindergartenlehrerin-nen in Mekka in Saudi-Arabien zu ihrem Wissen über ADHS befragt. Die Unter-suchung wurde 2011 durchgeführt und 2014 im International Journal of Medical Science and Public Heath beschrieben. Den (nur weiblichen) Lehrkräften wurden arabischsprachige Fragebögen vorgelegt, die aus 38 Fragen zu drei Bereichen bestanden: sozio-demografische Aspekte, generelles Wissen über die Störung und den Umgang damit. Grundlage war das DSM IV mit seinen Diagnose-Kriterien. Über die Hälfte der Teilnehmerinnen fanden, dass sie zu wenige Infor-mationen hätten, fast 88 Prozent hatten noch an keiner Konferenz zu diesem Thema teilgenommen, aber 60 Prozent hatten über ADHS gelesen. Das relativ meiste Wissen hatten sie über Diagnosen und Symptome, eher wenig über dar-über hinaus gehende Fakten. Junge Lehrerinnen (unter 25 Jahren) wussten eher mehr als die älteren. Knapp 85 Prozent der Befragten sehen sich in einer wichti-gen Rolle im Umgang mit ADHS und zwar auch bei Kindern, die medikamentös behandelt werden.

o Wiener und Daniels haben in einer ganz neuen amerikanischen Studie (2015) herausgefunden, dass Lehrer und Lehrerinnen von Jugendlichen viele Kenntnis-se über ADHS haben. So wisKenntnis-sen sie, dass sich die Schüler und Schülerinnen in Bezug auf das Organisieren und auf schulische Leistungen nicht bewusst stö-rend verhalten. Zudem ergreifen die Lehrkräfte wissenschaftlich fundierte Maß-nahmen und bieten den stützenden Rahmen, den die Jugendlichen in der Schule brauchen.

o Youssef/ Hutchinson/ Youssef 2015: In dieser Studie wurden Lehrkräfte in Trinidad & Tobago befragt. Insgesamt sind die Kenntnisse zu ADHS eher gering, wobei sowohl weiterführende Studiengänge als auch Bildungsmaßnahmen im

83 Rahmen der beruflichen Tätigkeit die Wissensstände deutlich verbesserten, ebenso wie die Erfahrung, bereits mindestens ein Kind mit ADHS unterrichtet zu haben. Insgesamt waren die Einstellungen positiv, obwohl einige Befragte der Meinung waren, von ADHS betroffene Kinder sollten von speziell dafür ausgebil-deten Lehrkräften unterrichtet werden.

o Blotnicky-Gallant et al. 2015: Die im Juli 2015 in gedruckter Form erscheinende kanadische Untersuchung ergibt, dass es in den Schulen noch immer mehr Wis-sen über Symptome und DiagnoWis-sen gibt als über generelle Fakten und wisWis-sen- wissen-schaftlich fundierte Behandlungen. Dennoch wenden einige gelegentlich Lehr- und Verhaltensweisen an, die wissenschaftlich erarbeitet worden sind, sofern diese mit ihren Einstellungen über ADHS übereinstimmen.

In der zusammenfassenden Betrachtung der Ergebnisse dieser Studien lässt sich erkennen, dass die Kenntnisse von Lehrkräften über Diagnose und Symptomatik von ADHS besser sind als über Behandlungsformen. Über das Ursachenwissen gibt es mal positive, mal negative Ergebnisse. Deutlich wird, dass der Kontakt mit betroffenen Schülern und Schülerinnen, die allgemeine Unterrichtserfahrung und die Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte das Gesamtwissen über ADHS positiv beeinflussen. Sehr viele sind an Weiterbildungen interessiert. Bezüglich der Einstellungen zeigt sich, dass Wissen und Einstellungen zusammenhängen. Allerdings muss dieser Zusammenhang nicht immer gleich sein: Teilweise hatten Lehrkräfte mit gutem Wissen eher ablehnende Einstellungen, teilweise waren es diejenigen mit viel Wissen, die positiv eingestellt waren.