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Items: Ergebnisse und Interpretationen zu den einzelnen Aussagen des Fragebogens

5 Vorgehensweise: Durchführung der Untersuchungen

6.3 Items: Ergebnisse und Interpretationen zu den einzelnen Aussagen des Fragebogens

Die Eltern und Lehrer sollten bei jedem Item entscheiden, ob die Aussage richtig oder falsch ist. Wenn sie es nicht wussten, antworteten sie mit „weiß nicht“. Erst nach dem Antworten konnten sie sich die Kommentare ansehen. Die Kommentare waren bewusst nicht immer aus wissenschaftlichen Büchern, sondern auch von Internetseiten. Diese sind häufig für Laien besser verständlich und die Links können auch als Informationsquellen bei weiteren Fragen genutzt werden.

177 Item 1:

Kinder mit ADHS verhalten sich ausdauernder, wenn sie interessanten, spannenden Aktivitäten nachgehen.

Kommentar:

Es ist richtig, dass Kinder mit ADHS unkonzentriert sind bei Routineaufgaben. Aber sie können Dinge gut, die sie interessieren. So kommen sie in einen Teufelskreis: Sie bringen bei diesen Themen große Leistungen. Viele Lehrer glauben dann, dass das Kind kann, wenn es nur will. (vgl. BZgA 2014, S. 9).

Interpretation:

In allen vier Gruppen (Eltern in Deutschland, Eltern in Saudi-Arabien, Lehrer in Deutschland, Lehrer in Saudi-Arabien) wusste die Mehrheit der Befragten, dass die Aussage korrekt ist, dass sich ADHS-Kinder bei interessanten Aufgaben besser konzentrieren können. Niemand unter den Lehrern in Deutschland und sonst nur zwischen 1 und 10 % glaubte, dass die Aussage falsch sei. Hier waren es eher die Eltern, die dies meinten. Etwas mehr Eltern in Deutschland als in Saudi-Arabien hielten diese Aussage für falsch. Von den in Deutschland arbeitenden Lehrern glaubte keiner, dass sie falsch wäre. Auch waren unter den Lehrern in Deutschland nur 3 % unsicher.

Bei den in Saudi-Arabien lebenden Lehrern war nur 1 % der Meinung, die Aussage sei falsch. Jedoch gaben 16 % an, sich nicht sicher zu sein. Dies deutet darauf hin, dass einige sich zumindest vorstellen konnten, dass besonders Kinder mit ADHS interessante Aufgaben brauchen, obwohl dies kein Alltagswissen ist, das sich direkt aus der Beobachtung ergibt. Unter den Lehrern in Deutschland waren nur 3 % unsicher.

Befunde:

178 Item 2:

Kindern mit ADHS fällt es schwer, eine Tätigkeit über eine lange Zeitdauer hinweg auszuführen. Sie bevorzugen eher kurze Tätigkeiten.

Kommentar:

Es ist wahr, dass sich ADHS-Kinder mit ausgeprägter Hyperaktivität häufig nicht lange alleine beschäftigen können. Viele von ihnen sind „zappelig“ und spielen wenig ausdauernd. Kaum haben sie mit einem Spiel begonnen, wechseln sie zum nächsten.

Dabei klagen sie oft über Langeweile. ADHS-Kinder sind beim Spielen oft sehr ausgelassen, teils ungeschickt und denken nicht an Gefahren (Selbsthilfegruppe Wunderkind 2015).

91 % der Lehrer in Deutschland hielten die Aussage für richtig, dass Kinder mit ADHS kurze Tätigkeiten lieber machen. Damit hatten sie das beste Wissen. Es gibt jedoch keine sehr großen Unterschiede zwischen den Gruppen. Auffällig ist, dass die Lehrer in Saudi-Arabien nur zu 76 % glaubten, dass dieses Statement richtig sei. Aber viele von ihnen waren sich nicht sicher (16 %). Bei den Lehrkräften in Saudi-Arabien ist das Ergebnis sehr ähnlich wie bei den Eltern in Deutschland: 79 bzw. 76 % hatten korrektes Wissen, 14 bzw. 16 % wussten es nicht und 7 bzw. 8 % glaubten, es sei falsch, dass ADHS-Kinder eher kurze Tätigkeiten mögen.

179 Item 3:

ADHS ist eine Folge falscher Erziehung.

Kommentar:

Diese Aussage ist so nicht richtig. Probleme in der Familie, zum Beispiel viele Konflikte, Stress oder ein niedriger sozioökonomischer Status, können auch Gründe dafür sein, dass ein Kind an ADHS leidet. Diese Probleme sind, wie auch die Erziehung, nicht alleinige Ursachen für ADHS, können aber ungünstige zusätzliche Ursachen sein (vgl.

Davison et al. 1998, S. 495).

Bei dieser Aussage gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse in unserer Befragung. Die Aussage ist nicht korrekt. Zwischen 29 und 56 % der Befragten wussten das. Damit ist der Unterschied zwischen der Gruppe, die am besten informiert ist (Lehrer in Deutschland mit 56 %), und der, die am wenigsten Informationen hat (Lehrer in Saudi-Arabien mit 29 %), bei diesem Item relativ groß. Bei den Lehrern in Saudi-Saudi-Arabien gab es mit 42 % „weiß nicht“-Antworten auch vergleichsweise viele Personen, die sich unsicher waren, so dass dort insgesamt 71 % dieses Item nicht korrekt beantworteten.

Falsch eingeschätzt hat diese Frage überall etwa ein Viertel bis ein Drittel der Befragten, das heißt sie denken, ADHS ist eine Frage falscher Erziehung. Denkbar ist, dass hier unterschiedliche Erziehungsverhalten und Werte eine Rolle spielen, da in Saudi-Arabien eher auf angemessenes Verhalten geachtet wird, während in Deutschland eher die Befindlichkeit des einzelnen Kindes beobachtet wird. Angesichts ganz unterschiedlicher Familiengrößen und den höheren Kinderzahlen in saudi-arabischen Familien sind solche Erziehungswerte dort sinnvoll.

180 Item 4:

ADHS ist kein absichtliches Verhalten (das Kind will sich eigentlich nicht so verhalten).

Kommentar:

Richtig, das Kind mit ADHS zeigt nicht absichtlich dieses Verhalten, um andere zu ärgern oder zu provozieren. Im Gegenteil: betroffenen Kindern hilft es, wenn sie in der Familie und in der Schule nicht die Schuld an ihrem Verhalten bekommen oder sie sogar dafür bestraft werden. Die Aussage „ADHS ist kein absichtliches Verhalten“ ist also richtig (vgl. Davison et al. 1998, S. 493ff.).

Befunde:

54%: richtig

32%:

weiß nicht

14%: falsch

Eltern in D Eltern in KSA

38%: richtig

41%:

weiß nicht

21%: falsch

41%: richtig

25%:

weiß nicht

34%: falsch

Lehrer in D Lehrer in KSA

45%: richtig

35%:

weiß nicht

20%: falsch

Interpretation:

Ein Teil der Befragten wusste, dass ADHS-Verhalten nicht absichtlich ist, besonders die Eltern in Deutschland (54 %). Es ist jedoch bedenklich, dass noch deutlich mehr Eltern und Lehrer sich vorstellen können, dass die Kinder sie und andere Menschen „ärgern“

wollen. Bei den Eltern in Arabien (insgesamt 62 %) und bei den Lehrern in Saudi-Arabien (insgesamt 55 %) und in Deutschland (insgesamt 59 %) waren es jeweils deutlich mehr als die Hälfte, die entweder „weiß nicht“ oder „falsch“ angegeben haben.

181 Item 5:

Die meisten Kinder mit ADHS leiden an weiteren Störungen, die von ADHS verursacht werden.

Kommentar:

Diese Aussage ist richtig. Zum Beispiel ist ADHS von Verhaltensstörungen schwer abzugrenzen und gelegentlich treten beide zusammen auf. Auch Aggressivität kann eine Komorbidität zu ADHS sein. Soziale Störungen sind ein weiteres Problem, das ADHS oft mit sich bringt, da das Verhalten der Kinder oft falsch verstanden wird (vgl.

Davison et al. 1998, S. 494f.). Auch die Lese-Rechtschreibstörung wird als Begleiterscheinung genannt. (vgl. Möller et al. 2001, S. 418.) Psychosomatische Störungen, emotionale Labilität und vermindertes Selbstwertgefühl haben ebenfalls ihre Ursache oft in der ADHS (vgl. Möller et al., 2001. S. 433.)

Befunde:

Bei dieser Aussage weicht die Antwortenverteilung der Eltern in Saudi-Arabien deutlich von dem der anderen drei Gruppen ab: Bei Eltern in Deutschland und den beiden Lehrer-Gruppen wurde diese Aussage mehrheitlich als korrekt erkannt. Jeweils maximal 10 % hielten die Aussage für falsch und etwa ein Viertel bis ein Drittel der Befragten wusste es nicht. Aber die Eltern in Saudi-Arabien antworteten nur zu 32 % korrekt, zu 19 % nicht korrekt. Ein sehr großer Anteil von fast der Hälfte (49 %) antwortete mit

„weiß nicht“. Die Lehrer in Deutschland sind hier am besten informiert. Danach kommen die in Deutschland lebenden arabischen Eltern.

182 Item 6:

ADHS ist eine der häufigsten Störungen bei Kindern und Jugendlichen.

Kommentar:

Tatsächlich ist ADHS eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Man nimmt an, dass weltweit etwa 5 % aller Kinder und Jugendlichen unter den damit verbundenen krankhaften Störungen der Aufmerksamkeit und an motorischer Unruhe leiden (vgl. Schmiedeler 2013, S. 143).

Befunde:

Die Antwortenverteilung ist bei dieser Aussage in allen vier Gruppen sehr ähnlich: Etwa gleich wenig Befragte wussten hier die Antwort. Sehr viele Teilnehmende wussten nicht, dass ADHS eine der häufigsten Störungen ist. Insgesamt gibt es hier überall recht niedrige Wissensstände. Mit nur 41 % korrekten Antworten haben die saudi-arabischen Lehrer die meisten korrekten Antworten im Vergleich der vier Gruppen. Dennoch wussten auch hier insgesamt 59 % die korrekte Antwort nicht (39 % „weiß nicht, 20 % haben sie nicht korrekt beantwortet). Auch bei den anderen Gruppen ist es immer über die Hälfte der Befragten, die nicht wissen, wie weit verbreitet ADHS wirklich ist.

Überhaupt ist festzuhalten, dass psychische Störungen bei Kindern oft nicht wahrgenommen oder erkannt werden, obwohl internationale Studien gezeigt haben, dass „nach dem derzeitigen Forschungsstand (…) von Sechs-Monats-Prävalenzraten psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter in Höhe von ca. 18%“ auszugehen ist (Ihle/ Esser 2007, S. 13).

183 Item 7:

ADHS kann entweder leicht oder stark ausgeprägt sein.

Kommentar:

Es ist wahr, dass die Schwierigkeiten unterschiedlich stark können. Bei manchen Kindern gibt es zum Beispiel in der Schule große Probleme. Viele Kinder mit ADHS können aber einen normalen Alltag führen (vgl. Möller et al. 2001, S. 62.). Auch im Verlauf sind Unterschiede nachweisbar. Während sich die Symptomatik bei einem Teil der Betroffenen im Jugendalter zurückbildet, bleibt sie bei einem anderen Teil bestehen und kann sich auch zu anderen psychischen Erkrankungen entwickeln (vgl. Möller et al.

2001, S. 434). Ländern wusste, dass ADHS unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Bei den Eltern waren es jeweils 60 %, bei den Lehrern in Saudi-Arabien 61 % und bei den Lehrer in Deutschland 70 %. Damit ist diese letzte Gruppe besonders gut informiert. Unter den jeweils verbleibenden 30 bis 40 % ist die Verteilung zwischen nicht korrekter Antwort und „weiß nicht“ so, dass es in allen vier Bereichen mehr unsichere Befragte gibt.

Betrachtet man nur die nicht korrekten Antworten, so sind die Eltern und die Lehrer in Saudi-Arabien mit jeweils 7 % die kleinsten Gruppen. Dagegen gingen von den befragten Eltern und Lehrern in Deutschland 12 bzw. 14 % davon aus, dass ADHS nicht unterschiedlich intensiv sein kann. Damit fehlt einem relativ großen Anteil der Befragten ein wichtiges Wissen, das den Umgang mit betroffenen Kindern beeinflussen kann, nämlich dass ADHS-Kinder sehr unterschiedlich betroffen sein können.

184 Item 8:

ADHS ist nur eine „Modeerscheinung“.

Kommentar:

ADHS ist keine „Modeerscheinung“ und nicht mal eine moderne Zivilisationskrankheit.

Darauf weist die Geschichte vom Zappelphilipp hin, die bereits 1848 veröffentlicht wurde (Hoffmann 2007). Es wird zwar davor gewarnt, die Diagnose zu voreilig zu stellen, da nicht bei jedem auffallend ungestümen Kind eine Störung vorliegt (vgl.

Davison et al. 1998, S. 494). Doch die großen Klassifikationsmanuale ICD-10 und DSM-V sehen ADHS als eine kinder- und jugendpsychiatrische Erkrankung mit klar festgelegten Symptomen und Diagnosevorgaben (vgl. Falkai/ Wittchen 2015, S. 633 f.

und DIMDI 2014, ADHS unter F90-98).

Befunde: Krankheit ist. Dies unterstreicht den Mangel an grundlegenden Informationen in Saudi-Arabien, vor allem in dieser Hinsicht. Von den Eltern in Saudi-Arabien wussten nur 48

%, dass ADHS keine Modeerscheinung ist. Von den Eltern in Deutschland wussten es 68 %. Bei den Lehrern in Saudi-Arabien war es etwas mehr als die Hälfte (54 %), bei den Lehrern in Deutschland über drei Viertel (76 %). Den besten Wissensstand hatten die Lehrer in Deutschland auch deshalb, weil nur 6 % nicht korrekt geantwortet haben.