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1.4 Arabische Kinder in Deutschland

1.5.2 Aufbau der Arbeit

Um die beschriebenen Ziele zu erreichen, wird in dieser Arbeit wie folgt vorgegangen:

Kapitel 2 behandelt Fragen von Interkulturalität. Arabische Eltern und Lehrkräfte befinden sich in Deutschland in einer besonderen Situation, in der kulturelle Fragen im Alltag eine wichtige Rolle spielen. Diese ergeben sich im Zusammenleben mit den Menschen in ihrem sozialen Umfeld, aber auch innerhalb der eigenen Familie, in der Herkunftstradition und Gegebenheiten des Aufnahmelandes miteinander in Konflikt geraten können. Das Verständnis von Gesundheit und Krankheit im Allgemeinen und von psychischen Störungen wie ADHS im Besonderen wird stark von kulturellen Perspektiven beeinflusst. In Unterkapitel 2.1 soll deutlich gemacht werden, dass es grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten gibt, Ereignisse des Lebens zu verarbeiten. Die Attribuierungstheorie ist ein gutes Beispiel dafür. Sie lässt sich auf verschiedene Situationen anwenden, unter anderem auch auf Krisen- und Krankheitssituationen, was ADHS für Familien durchaus sein kann. Aus unterschiedlichen Sichten auf Krankheit können im sozialen Alltag Konflikte entstehen.

Darauf geht Unterkapitel 2.2 ein. Hier spielt Kommunikation eine wichtige Rolle. Dort wo Lehrerinnen und Lehrer auf Eltern treffen oder wo betroffene Eltern mit Ärztinnen und Ärzten zu tun haben, treffen sich Gruppen, die aus unterschiedlichen „Kulturen“

kommen und zudem mit unterschiedlich viel Macht ausgestattet sind. Es stellt sich die Frage, wie Sprachbarrieren und andere Verständnishindernisse möglicherweise überwunden werden können.

Sprache und Kommunikation sind auch in den Unterkapiteln 2.3 und 2.4 wichtig, das auf innerfamiliäre Zusammenhänge eingeht. Für Kinder ist die Familie der wichtigste Lernort für Sprache und Sozialisation. In der Migration gewinnen manchmal Werte an Gewicht, die im Herkunftsland ganz „normal“ waren. Dies gilt jedoch häufig eher für die Eltern als für ihre Kinder, die sich möglicherweise mit mehr Spontaneität und Unbefangenheit in die gesellschaftliche Umgebung integrieren. Konflikte und Ängste können entstehen, die vor dem Hintergrund einer belastenden Beeinträchtigung, wie

15 etwa ADHS, sich noch verstärken können. Im Umgang mit Krankheit gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Unterkapitel 2.5 trägt dazu einige Erkenntnisse zusammen und beleuchtet näher, wie muslimische Perspektiven auf Krankheit aussehen können. Damit wird verdeutlicht, dass Erkrankungen einerseits im Kulturvergleich betrachtet werden müssen, um weitere Aufschlüsse und neue Impulse für den Umgang mit ihnen zu erhalten. Außerdem können sie in der Migrationssituation eine andere Bedeutung als im Herkunftsland haben.

Das dann folgende Kapitel 3 beschäftigt sich konkret mit der Störung ADHS: Um was handelt es sich hier eigentlich, seit wann ist dieses Phänomen in der Medizin und Psychologie ein Thema und wie wird ADHS heute aus medizinischer Sicht verstanden?

Hierüber gibt das Unterkapitel 3.1 Auskunft. Die bis heute verbreitete Ansicht, ADHS sei gar keine Krankheit, sondern eine Modeerscheinung oder hätte mit falscher Ernährung oder sogar falscher Erziehung zu tun, ist nicht mehr haltbar. Das wird in Abschnitt 3.1.2 klar, in dem auf die internationalen Klassifikationssysteme DSM-IV und DSM-5 sowie ICD 10 verwiesen wird. Dort ist ADHS als Erkrankung genau beschrieben und diese Manuale dienen Ärztinnen und Ärzten als Diagnosegrundlage. Zur weiteren Verdeutlichung bietet Unterkapitel 3.2 einen Überblick zur Ätiologie von ADHS. Heute kann eine Vielzahl von Ursachen als wissenschaftlich belegt gelten. Diese treten in unterschiedlichen Kombinationen und Ausprägungen auf. Komorbiditäten spielen eine weitere wichtige Rolle bei ADHS; darauf verweist Unterkapitel 3.3. Die vielfältigen Entstehungsgründe ziehen vielfältige Behandlungs- und Umgangsformen nach sich, die stets im Einzelfall entwickelt werden müssen. Die Familie und das schulische und soziale Umfeld betroffener Kinder müssen in die Therapie einbezogen werden. Die umstrittene Frage der Medikamentengabe hat ebenfalls ihren Platz in Unterkapitel 3.3.

Neben dem allgemeinen und wissenschaftlich begründeten Informationsstand zu ADHS richtet Kapitel 3 auch den Blick auf die Informationsmöglichkeiten, die Eltern und Lehrkräften zur Verfügung stehen. Da es in dieser Untersuchung darum geht, die Kenntnisstände und auch die Einstellungen dieser beiden Gruppen von mitbetroffenen Erwachsenen zu erfragen, wird in Unterkapitel 3.4 darüber berichtet, wie und wo diese sich über ADHS informieren. Es wird zunächst auf Befunde von Forschungsarbeiten hingewiesen, die zusammen ein – internationales - Gesamtbild über Wissensstände besonders bei Lehrkräften geben. Abschnitt 3.4.3 zeigt dann auf, dass die Situation in

16 Deutschland und in arabischen Ländern, speziell in Saudi-Arabien, sehr unterschiedlich ist. In den beiden Regionen haben Eltern und Lehrerinnen und Lehrer keinesfalls die gleichen Ausgangsmöglichkeiten, weil die Zugänge zu Informationen in den arabischen Ländern noch sehr eingeschränkt sind.

Nach diesen Vorinformationen und Grundlagen geht es in der zweiten Hälfte dieser Arbeit konkret um die hier durchgeführten Forschungen. Kapitel 4 beschreibt, wie das Forschungsvorhaben entwickelt wurde. Es geht ein auf die Erarbeitung und umfangreiche Erprobung der Fragebögen. Dazu verweist es noch einmal auf bereits vorliegende Untersuchungen und greift die dort unbeantwortet gebliebenen Fragen auf.

Da vergleichende Ansätze in der Forschung noch zu wenig vorhanden sind, hat sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt, die unterschiedlichen befragten Gruppen miteinander zu vergleichen, auch länder- und kulturübergreifend. Vorliegende Untersuchungen geben meistens nur einen Status quo wieder, das heißt, sie stellen fest, dass und an welchen Stellen es Wissensdefizite besonders bei Lehrkräften gibt. Was daraus folgt und insbesondere wie diese zu erklären sein könnten, fehlt in bisherigen Untersuchungen.

Hier noch einmal einen Schritt zurück zu treten und so Grundlagen zu schaffen für Hypothesen, ist daher in dieser Arbeit wichtig. Dabei können neue Einsichten gewonnen und Hypothesen formuliert werden, die den (erziehungswissenschaftlichen) Blick für Zusammenhänge schärfen, an die bisher noch gar nicht gedacht worden ist.

Für dieses Forschungsinteresse ist eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Ansätzen sinnvoll. Neben der umfangreichen Fragebogenerhebung wurden daher qualitative Instrumente genutzt. Besonders wichtig ist dabei die Arbeit mit Critical Incidents. Worum es sich hierbei handelt, beschreibt Unterkapitel 4.3.

Inzwischen sind sozialwissenschaftliche Untersuchungen oftmals auch oder ausschließlich über das Internet organisiert. Auch für die hier vorgelegte Untersuchung sollte eine Online-Befragung eingesetzt werden, um vermehrt Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Befragung gewinnen zu können. In Kapitel 5 wird die Vorgehensweise bei der Erstellung der Forschungsinstrumente dargelegt. Die Entwicklung der Fragebögen der quantitativen Untersuchung war ein komplexer Prozess. Um sicherzustellen, dass die Befragung wissenschaftlich nachvollziehbar ist und eine hohe Qualität hat, waren mehrere Erarbeitungsschritte nötig. Dazu gehörte unter anderem die Einbeziehung von Wissenschaftlern verschiedener Universitäten in

17 arabischen Ländern zur Überprüfung der Fragebögen. Eine Vorabstudie in Form mehrerer leitfadengestützter Interviews diente ebenfalls der Sicherstellung eines wissenschaftlich sinnvollen Vorgehens. Im weiteren Verlauf wurde eine Internetpräsenz aufgebaut. Diese diente dazu, es den Teilnehmenden leicht zu machen, die Fragen aufzurufen und zu beantworten. Außerdem beinhaltet die Seite viele wertvolle Informationen für Eltern und Lehrkräfte. Darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit einer weitgehend automatisierten Auswertung der Antworten. Wie diese umfangreiche Seite erstellt wurde und wie sie schließlich aussah, beschreibt Abschnitt 5.3.1.

Ein wichtiges Thema in dieser Befragung war, dass sie den Eltern und Lehrkräften auch Informationen vermittelt. Ein weiterer Aspekt war die Möglichkeit, im Rahmen der Critical Incidents von eigenen Erlebnissen zu berichten. Diese beiden Teilbereiche der Forschung werden in den Abschnitten 5.3.2 und 5.3.3 beschrieben. In Kapitel 5 wird außerdem auf die befragten Personen und die Anspracheformen eingegangen. Dazu wurden einige Schulen ausgewählt, und die entsprechenden Hintergründe finden sich in Abschnitt 5.4.1. Im Laufe der Forschung wurde deutlich, dass das Befragungskonzept verändert werden musste, da über die Online-Befragung ein zu geringer Rücklauf entstand. Näheres hierzu findet sich ebenfalls im fünften Kapitel.

Nach Abschluss der Befragung konnten die Befunde erhoben und die Ergebnisse ausgewertet werden. Darum geht es in Kapitel 6. Zuerst werden Berechnungen präsentiert, die die wissenschaftliche Qualität der Untersuchung beschreiben. Im Weiteren geht es um die Aussagen, die aus den Befragungsergebnissen gewonnen werden konnten. Aufschlussreich waren verschiedene Vergleiche in Bezug auf die beteiligten Gruppen, auf die - in Subskalen abgebildeten – Themen und auf die beiden Länder Deutschland und Saudi-Arabien. Auch der Blick auf alle 39 Items macht deutlich, an welchen Stellen gutes Wissen zu ADHS bestand und wo Lücken zu sehen sind. Die Befragten konnten zu den Erläuterungen zu den einzelnen Items Rückmeldungen geben. Diese Rückmeldungen wurden ausgewertet. Auch die Berichte zu den Critical Incidents brachten interessante Einblicke, über die ebenfalls in Kapitel 6 berichtet wird. Aus den Erkenntnissen der verschiedenen Befragungsteile konnten Hypothesen abgeleitet werden, die in Kapitel 6 formuliert werden.

18 Kapitel 7 schließlich greift die entwickelten Hypothesen noch einmal auf. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden in diesem Kapitel Handlungsempfehlungen auf verschiedenen Ebenen ausgesprochen. Das Wissen von Eltern und Lehrkräften zu ADHS ist von großer Bedeutung für die pädagogische Arbeit mit betroffenen Kindern.

Daher muss möglicherweise fehlendes Wissen vermittelt werden. Im Rahmen eines so komplexen Forschungsvorhabens wie diesem wird deutlich, an welchen weiteren Stellen noch geforscht werden sollte. Diese Forschungsbedarfe und weitere Ausblicke schließen das Kapitel 7 ab.

Begriffe und Abgrenzungen

Diese Arbeit befasst sich mit Kenntnissen über ADHS bei Lehrerinnen und Lehrern sowie Eltern. Dabei geht es zum einen um diese beiden Gruppen in Saudi-Arabien.

Besonders die Ergebnisse der Befragung beziehen sich auf Lehrerinnen und Lehrer der ausgewählten Schulen. Es handelt sich nicht um eine repräsentative Auswahl von Interviewpartnern, auch wenn die Formulierung der Ergebnisse dies vielleicht anzudeuten scheint. Beforscht wurden die teilnehmenden Lehrkräfte an einigen Schulen in Saudi-Arabien und die Ergebnisse beziehen sich auf diese Personen.

Ähnliches gilt für die Eltern und Lehrkräfte in Deutschland: gemeint sind stets die befragten, arabischstämmigen Personen, die an dieser Forschung teilgenommen haben. Aus ihren Antworten kann nicht etwa allgemein auf die Population in Deutschland mit arabischem Migrationshintergrund geschlossen werden.

Es wurde für die Untersuchung nicht genauer nach Herkunftsländern, Migrationsmotiven oder sonstigen weiteren Variablen in der Gruppe der Eltern und Lehrkräfte in Deutschland gefragt. Zur Entwicklung von grundsätzlichen Hypothesen schien dies nicht sinnvoll. Es darf dennoch nicht vergessen werden, dass diese Gruppen sehr heterogen sind, so dass nicht grundsätzlich verallgemeinert werden darf.

Im Sinne einer geschlechtergerechten Formulierung wurde darauf geachtet, möglichst häufig beide Geschlechter zu nennen (zum Beispiel „Lehrerinnen und Lehrer“) oder Formulierungen zu finden, die beide Geschlechter umfassen (zum Beispiel

„Lehrkräfte“). In manchen Fällen ist aus Vereinfachungsgründen davon abgewichen worden, zum Beispiel bei Abbildungen und Tabellen. Es sind dann trotzdem immer beide Geschlechter gemeint.

19 Die „Hauptfiguren“ dieser Arbeit sind – neben ihren Eltern und Lehrerinnen und Lehrern - die von ADHS betroffenen Kinder. Es ist im Text von „von ADHS betroffenen Kindern“

oder von „an ADHS erkrankten Kindern“ die Rede, was hier beides das gleiche meint.

Auch der Begriff „ADHS-Kind“ bezeichnet ein von ADHS betroffenes Kind. Diese vereinfachte Form ist keinesfalls abwertend gemeint! Sie soll den Text an einigen Stellen leichter lesbar machen oder wurde in Abbildungen aus Platzspargründen verwendet.

ADHS ist eine Störung, die nicht nur Kinder betrifft. Tatsächlich haben auch viele Erwachsene ADHS (vgl. zum Beispiel Frodl 2008). Das auch sehr wichtige Thema der erwachsenen ADHS-Patienten und -Patientinnen konnte in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. In den empirischen Befragungen dieser Arbeit konnte dieses Thema nicht bearbeitet werden, weil das den Rahmen des Möglichen und auch Sinnvollen für diese Arbeit deutlich überschritten hätte.

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