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Strukturformel

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 74-81)

3.8 Die Formel – ein vielseitiges Modell

3.8.4 Strukturformel

Die Regel, nach der Strukturformeln aufgestellt werden, ist genauso einfach wie die für Summenformeln.

Für jedes Atom in einem Molekül schreibt man sein Elementsymbol einzeln hin. Für jedes Elektronenpaar, das zu einer (kovalenten oder polaren) Bin-dung gehört, zeichnet man einen Strich zwischen den Elementsymbolen der zur Bindung gehörenden Atome. Wenn man will, kann man einsame (freie) Elektronenpaare ebenso als Strich zeichnen.

Für zusammengesetzte Ionen verfährt man genauso.

H C

Bild 3.41 zeigt die Strukturformel von Buttersäu-re, wie man sie nach dieser Regel erhält.

Eine solche sehr ausführliche Form der Struk-turformel, bei der man jedes Atom, ohne Ausnah-me, zeichnet, ist die Version für Anfänger. Alle an-deren erkennen bald, besonders in Molekülen der organischen Chemie, immer wiederkehrende Mus-ter. Von jedem Kohlenstoffatom gehen 4 Bindun-gen aus, von jedem Sauerstoffatom 2 und von

je-dem Wasserstoffatom eine Bindung. Es ergeben sich Gruppen aus einem C– und 3 H–

Atomen (am Ende eines Moleküls) oder solche aus einem C– und 2 H–Atomen (in der Mitte). Es nervt, immer wieder diese gleichen Anordnungen zu sehen und zeichnen zu müssen.

Formeln abkürzen – Schritt 1

CH3 CH2 CH2 C O

Strukturformeln ein wenig, oder stark, oder ex-trem stark abzukürzen, ist eine Disziplin, in der es die Chemikerinnen und Chemiker zu ech-ter Meisech-terschaft gebracht haben. Bild 3.42 zeigt wieder 2 Strukturformeln von Buttersäure. Man nennt sie Halbstrukturformeln. Wasserstoffatome sind mit dem zugehörigen Kohlenstoffatom zusam-mengefasst, Bindungsstriche sind weggelassen, und rechts in der Formel sind 4 Atome (man nennt die Gruppe, die sie bilden, eine Carboxylgruppe) in

einer Kurzform geschrieben. Gruppen wie CH3oder COOH kommen in der organischen Chemie sehr häufig vor, und wer ein– oder zweimal die ausführliche Form gesehen hat, weiß, was die Kurzform bedeutet.

Formeln abkürzen – Schritt 2

C O OH

Bild 3.43:

Strukturformel von Buttersäure, so kurz wie möglich.

Die Formeln in Bild 3.42 sind immer noch redun-dant. Das heißt, man kann Teile weglassen und er-hält trotzdem die gesamte Information.

Die erste Vereinfachung der Halbstrukturformeln erfolgt auf der Grundlage chemischer Fakten. Von jedem Kohlenstoffatom gehen 4 Bindungen aus.

Viele von diesen sind Einfachbindungen zu einem

Wasserstoffatom. Lässt man sowohl alle Wasserstoffatome, die an Kohlenstoffatome ge-bunden sind, als auch die zugehörigen Bindungen weg, geht keine Information verlo-ren. „Fehlende“ Bindungen verlaufen zu einem Wasserstoffatom und sind zur besseren Übersichtlichkeit nicht gezeichnet. Eine Ausnahme sind Wasserstoffatome, die für das Verständnis des Molekülbaus erforderlich sind. Solche werden immer gezeichnet.

Die zweite Vereinfachung ist schreibtechnischer Art. Man schreibt das Symbol C für Kohlenstoffatome nicht hin, außer wenn es zum Verständnis erforderlich ist. Da organi-sche Moleküle zum größten Teil aus Kohlenstoff– und Wasserstoffatomen bestehen, hat man eine Menge Schreibarbeit gespart. Wenn man das Symbol C nicht mehr hinschreibt, muss man auf andere Art kennzeichnen, wo eine Bindung aufhört und die Nachbarbin-dung anfängt. Die Lösung ist einfach. BinNachbarbin-dungen werden mit einem Knick aneinanderge-reiht.

Bild 3.43 zeigt, wie die Strukturformel von Buttersäure nun aussieht. Sie ist übersicht-lich und aufs Wesentübersicht-liche reduziert. Die Carboxylgruppe, die für das Reaktionsverhalten verantwortlich ist, ist deutlicher zu sehen als vorher. Der Rest ist auf 3 Striche zusam-mengeschmolzen, und es ist klar, dass 3 Kohlenstoffatome dahinter stecken, an die ins-gesamt 7 Wasserstoffatome gebunden sind.

Vorteile von Struktuformeln

ã Strukturformeln geben umfassende Informationen darüber, zwischen welchen Ato-men in einem Molekül die Bindungen verlaufen, und von welcher Art diese Bindun-gen sind18.

ã Strukturformeln geben eine näherungsweise Vorstellung vom räumlichen Bau von Molekülen. Man kann diese Vorstellung graphisch unterstützen, zum Beispiel in-dem man zum Betrachter hin gerichtete Bindungen als Keil zeichnet und vom Be-trachter weggehende als gestrichelte Linie, so wie in den Bildern 3.44 und 3.45.

ã Strukturformeln erlauben es, zusammen mit chemischem Hintergrundwissen, be-gründete Aussagen über physikalische Eigenschaften und Reaktionsverhalten ei-nes Stoffes zu machen. So erkennt man, welche funktionellen Gruppen ein Molekül besitzt, in welcher Entfernung sie sich voneinander befinden und eventuell gegen-seitig beeinflussen, ob ein Molekül polare oder polarisierbare Gruppen hat und an welcher Stelle sie sind, oder welche Form es hat (stab–, scheiben–, kugelförmig, sperrig).

Ein instruktives Beispiel, das gleich erläutert wird, sehen Sie in Bild 3.46.

Grenzen von Struktuformeln

ã Strukturformeln sind, auch rechnerunterstützt, aufwendig zu zeichnen – besonders wenn sie schön aussehen sollen.

ã Strukturformeln geben keineexakte räumliche Vorstellung vom Molekülbau. Dazu sollte man ein Programm zur Visualisierung von Molekülen nutzen.

ã Strukturformeln kann man nicht im laufenden Text benutzen. Geschickt ist es, alle Strukturformeln eines Textes durchzunumerieren und sich auf diese Nummern zu beziehen, so wie in den Beispielen der Bilder 3.44 bis 3.46.

Beispiele

Nun kann ich endlich an die Auflösung des Rätsels vom Beginn des Abschnitts gehen.

Ich habe dort 2 in der Natur vorkommende Stoffe genannt, Atropin und Campher.

Aus diesen Namen kann man keine Eigenschaften ableiten. Danach habe ich, ein we-nig versteckt, die systematischen Namen gegeben : (RS)-(8-Methyl-8-azabicyclo[3.2.1]oct-3-yl)-3-hydroxy-2-phenylpropanoat für Atropin und 1,7,7–Trimethyl–bicyclo[2.2.1]heptan–

18 Mehr über die Bindungsarten erfahren Sie in Kap. 5.

2–on für Campher – kaum auszusprechen und nur für Hardcore–Nomenklaturfachleute zu entschlüsseln.

Auch die Summenformeln (C17H23NO3für Atropin und C10H16O für Campher) sagen wenig aus.

Dagegen sind die Strukturformeln informationsreich.

Atropin– Atropin (1) ist ein Bestandteil des Giftes der Tollkirsche. Sein LD50–Wert19 beträgt 75 mg/kg (Maus,oral). Es wird aber auch in der Augenheilkunde zur Pupillen-erweiterung benutzt (um besser ins Augeninnere sehen zu können). In vergangenen Zeiten verwendeten Frauen den Saft der Tollkirsche (der lateinische Name ist Atropa bella–donna, und das heißt schöne Frau), um durch die erweiterten Pupillen einen „feu-rigen Blick“ zu bekommen und anziehender auf Männer zu wirken. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Das Atropinmolekül (Bild 3.44) besitzt als funktionelle Gruppen eine Es-tergruppe und eine Hydroxylgruppe. An der EsEs-tergruppe ist Hydrolyse möglich, an der Hydroxylgruppe eine Reihe weiterer Reaktionen.

N CH3 Campher– Campher (2) hat einen angenehmen

Geruch und es werden ihm gesundheitsfördern-de Wirkungen nachgesagt. Das Camphermolekül (Bild 3.45) besitzt 2 asymmetrische Kohlenstoff-atome (vgl. Kap. ??), bildet also Enantiomere. Im Prinzip sind es 4, jedoch sind nur 2 geometrisch möglich (vgl. Kap. ??). Seine einzige funktionelle Gruppe ist eine Ketogruppe, die die üblichen Re-aktionen solcher Gruppen zeigt, zum Beispiel die Reduktion zu einem sekundären Alkohol. Das Mo-lekül ist näherungsweise kugelförmig, hat dadurch einen relativ hohen Schmelzpunkt (vgl. Kap. ??) und bildet plastische Kristalle (vgl. Kap.??).

4–Pentyl–4’–cyano–biphenyl – Bild 3.46 zeigt die Strukturformel von 4–Pentyl–4’–cyano–biphenyl (8). Mit dem richtigen Hintergrundwissen (das heißt, einer guten chemischen Ausbildung) kann man aus dieser Strukturformel eine Menge heraus-lesen.

ã Das Molekül ist langgestreckt. Man könnte es brettförmig nennen. In der englischspra-chigen Literatur wird tatsächlich oft der Be-griff lathlike benutzt.

ã Es wird, wie bei langgestreckten Molekülen einfach zu realisieren, leicht um seine Längs-achse rotieren. Den Raum, den es einnmimt, kann man stabförmig nennen.

19 LD steht für letale Dosis. Der LD50–Wert gibt an, bei welcher Dosis 50 % der Versuchstiere sterben.

ã Moleküle haben eine Tendenz, sich (wenn nichts dagegen spricht) möglichst platz-sparend anzuordnen. Eine Molekülanordnung, bei der die Moleküle wie die Streich-hölzer in der Schachtel nebeneinander liegen, sollte bevorzugt sein.

ã Zwischen 2 Molekülen wirken van–der–Waals–Kräfte (vgl. Kap.??). Zwischen ne-beneinander liegenden Molekülen werden sie am stärksten wirken. Das Nebenein-anderliegen von Molekülen sollte bevorzugt sein.

ã Die Cyanogruppe ist stark polar. Nebeneinander liegende Cyanogruppen stoßen sich ab. Das Streichholzschachtelbild ist doch zu einfach.

ã Das Zusammenspiel von Enthalpie und Entropie ist komplex. Was passiert, wenn sich viele 4–Pentyl–4’–cyano–biphenyl–Moleküle treffen, ist kaum vorherzusagen.

Überraschungen sind zu erwarten. In Kapitel 8.1.5.5 auf Seite 176 habe ich erklärt, wie die Struktur dieses Stoffes im Bereich zwischen 24 °C und 35 °C aussieht.

C N 8

Bild 3.46: Strukturformel von 4–Pentyl–4’–cyano–biphenyl (8)

4 Werkzeug

Bild 4.1:

Energie, Enthalpie und Entropie sind wichtige Konzepte der Thermodynamik.

Handwerkerinnen und Handwerker legen erst ihr Werkzeug bereit, ehe sie mit der Arbeit be-ginnen. Genauso werde ich in diesem Buch Werkzeug bereitlegen, mit dem Sie die Struk-tur der Stoffe besser verstehen. Das Werk-zeug, das hier gebraucht wird, heißt nicht Zan-ge oder Schraubendreher, auch nicht Becher-glas oder Bunsenbrenner. Es sind Ideen und Konzepte. Systeme und Phasen, Energie und Entropie gehören dazu, und ganz nebenbei werde ich eine erste Antwort auf die wichtigste Frage geben : Warum nimmt ein Stoff gerade die Struktur an, die er eben annimmt, und kei-ne andere ?

Ausführlichkeit Wie ausführlich soll ich Ihnen diese Ideen und Konzepte erklären ? Es sind ja nicht die eigentlichen Themen des Buches, sondern nur Hilfsmittel, Werkzeuge eben. Und so, wie die Handwerkenden ihre Zange nicht selbst bauen, sondern nur wissen wollen, wie man damit umgeht, werde ich in diesem Kapitel Begriffe und Zusammenhänge nur soweit erklären, wie sie für das Verständ-nis der folgenden Themen nötig sind.

Auf der einen Seite heißt das, dass ich das, was ich erkläre, exakt und korrekt erkläre. Mei-ne Erklärungen werden die Teile der Wirklich-keit, die sie erklären, fehlerfrei wiedergeben.

Es heißt auch, dass ich nicht an der Ober-fläche herumkratzen werde, sondern bei den Grundlagen beginne. Um Sie nicht zu lang-weilen, werde ich von dort einen direkten Weg zu den Themen nehmen, die zum Verständnis der Struktur der Stoffe und zur Beantwortung der wichtigsten Frage (am Anfang des Kapi-tels) gebraucht werden.

Auf der anderen Seite heißt es, dass ich nicht alles vollständig berichte. Bei meinen Erklärungen sind 2 wesentliche Einschränkungen zu finden. Bei der einen geht es um Herleitungen und Ergebnisse. Ich werde Gesetze und Regeln nicht herleiten. Das wäre, wie die Zange selbst zu bauen. Statt dessen werde ich Ergebnisse mitteilen, und zwar genau die Ergebnisse, die gebraucht werden. Bei der anderen Einschränkung geht es um Vereinfachung. Manche Teile der Wirklichkeit sind sehr komplex. Wie schon in Ka-pitel 3.2 erwähnt, ist es sinnvoll, solches wegzulassen und trotzdem, im Rahmen des Modells, exakt zu bleiben. Der Vorteil ist, dass Sie anschauliche und gut verständliche Erklärungen erhalten. Weitergehende Informationen finden Sie in den Lehrbüchern der Physikalischen Chemie und der Physik, zum Beispiel [5], [6] und [7].

Inhalt des Kapitels In den folgenden Abschnitten erfahren Sie mehr zu den einzel-nen Konzepten.

Thermodynamik

− Thermodynamik – ein Dach, unter das vieles passt : Kap. 4.1

− Systeme : Kap. 4.2

− Vorgänge in Systemen : Kap. 4.2.5

− Energie – Was ist das ? Kap. 4.3

− Äußere und innere Energie : Kap. 4.3.1

− Energieaustausch : Kap. 4.4

− Enthalpie : Kap. 4.5

− Entropie : Kap. 4.7

− Freie Enthalpie : Kap. 4.8 Kinetik

Gleichgewicht

Phasen

Regeln

− Zählregeln für Elektronen : Kap.??

Die wichtigste Frage

− Antworten : Kap. 4.6

4.1 Thermodynamik

Ein Gebiet der Wissenschaft, das sich mit einigen der hier als wichtig angesehenen Fra-gen beschäftigt, heißt Thermodynamik. Es ist ein Teil der Physik. Schon der Name löst bei vielen Abwehr aus. Abstrakte Begriffe, komplexe Schlussfolgerungen, und endlose Reihen mathematischer Formeln. Nicht hier ! Hier erfahren Sie, dass die Ergebnisse der Thermodynamik einfach zu verstehen sind.

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 74-81)