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Dibenzolchrom

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 161-167)

7.3 Vielfalt der Kristalle

7.3.1 Dibenzolchrom

Dibenzolchrom (C12H12Cr) besteht aus Molekülen. Diese Moleküle haben eine Sandwich–

Struktur : zwischen 2 ebenen Benzolringen liegt ein Chromatom. Bild 6.16 auf Seite 138 zeigt ein solches Molekül und seine Strukturformel. Mehr Informationen zum Dibenzol-chrom–Molekül finden Sie in Kapitel 6.2.2 ab Seite 137.

Die Elementarzelle des Dibenzolchrom–Kristalls ist kubisch, und die Chromatome be-setzen die Positionen einer kubisch flächenzentrierten Kugelpackung. Bild 7.12 zeigt links einen Ausschnitt, der etwas größer ist als eine Elementarzelle. Ich habe die Vorderseite des Würfels ausgeweitet6, und im gezeichneten Ausschnitt habe ich nur Chromatome gezeichnet.

Eine naive Sichtweise

Die Chromatome besetzen die Positionen der Kugelpackung, da werden es die vollstän-digen Moleküle natürlich auch tun. Und sie werden neben– und übereinander stehen wie die Türme im Schachspiel. In Bild 7.12 habe ich rechts ein paar Dibenzolchrom–Moleküle auf diese Art gezeichnet. Jedoch entspricht das nicht der Realität. Der Grund ist, dass ich hier (mit Absicht) ein paar Dinge übersehen habe.

Bild 7.12:

Links : Elementarzelle von Dibenzolchrom. 4 Chromatome auf der Vorderseite sind ein-gezeichnet, dazu 4 Chromatome in derselben Ebene.

Rechts : Dibenzolchrom–Moleküle an denselben Stellen wie die Chromatome links, alle aufrecht stehend. Diese Darstellung entspricht nicht der Realität. Info im Text.

6 Genauer : Ich habe in der x–y–Ebene, die die Vorderseite des gezeichneten Würfels enthält, ein paar Chrom-atome außerhalb der Elementarzelle gezeichnet.

Prinzipien

Schon in der Anfangszeit der Kristalluntersuchungen mittels Röntgenstrukturanalyse hat man festgestellt, dass sich die Einheiten (Atome, Ionen, Moleküle), aus denen ein Kristall besteht, unter den gegebenen Bedingungen möglichst dicht packen. Warum tun sie das ? Freie Enthalpie– Eine eher allgemeine Aussage weist auf die Antwort auf die „wich-tigste Frage“ hin : Die Freie Enthalpie eines möglichst dicht gepackten Ensembles von Teilchen ist geringer als die Freie Enthalpie anders gepackter Ensembles (vgl. Kapitel

??). Aber was beeinflusst hier die Freie Enthalpie ? Wie immer, Entropie und Enthalpie.

Entropie– Dibenzolchrom–Moleküle sind nicht kugelförmig. Sie sind auch nicht turm-förmig (wie ein Zylinder aussehend). Wir müssen also nicht darüber nachdenken, wie sich Türme anordnen. Ihre Form erinnert eher an eine Sanduhr. Zum Erreichen niedri-ger Freier Enthalpie ist eine hohe Entropie förderlich. Die Moleküle werden sich, soweit möglich, eher unregelmäßig anordnen. Und eine unregelmäßige Anordnung ist bei sand-uhrförmigen Molekülen leicht möglich.

Enthalpie– Die Enthalpie des Systems Dibenzolchrom–Kristall sollte niedrig sein. Be-trachte die Kräfte, die zwischen den Molekülen wirken. Wie bei neutralen Molekülen üb-lich, sind weder Atom– noch Ionenbindungen vorhanden, auch keine Wasserstoffbrücken–

oder gar Metallbindungen. Es sind wieder die Ameisen unter den Bindungskräften, die van–der–Waals–Kräfte, die hier entscheidend sind (vgl. Kapitel??). Besonders von den Benzolringen mit ihren großen delokalisierten Orbitalen gehen sie aus.

Bild 7.13:

Links : Elementarzelle der kubisch flächenzentrierten Kugelpackung, mit unterschiedlich gefärbten Kugeln.

Rechts : 4 Dibenzolchrom–Moleküle, unterschiedlich ausgerichtet, Die Chromatome lie-gen an den Positionen der Kugelpackung links mit gleicher Farbcodierung.

Kristallstruktur

Die Dibenzolchrom–Moleküle sind unterschiedlich ausgerichtet.

Um die Kristallstruktur von Dibenzolchrom verstehen zu können, sehen wir uns erst noch einmal die Elementarzelle der kubisch flächenzentrierten (=kubisch dichtesten) Ku-gelpackung an. Sie enthält 4 Atome. Im linken Teil von Bild 7.13 habe ich sie mit 4 Farben markiert.

ã Ein Atom ist an einer Ecke der Zelle. Es ist schwarz gezeichnet. Da die Elementar-zelle 8 Ecken hat, sind 8 schwarze Atome zu sehen, Jedes ist zu einem Achtel in der Elementarzelle, insgesamt also ein Atom.

ã Ein Atom ist in der Mitte der Vorderseite. Es ist rot gezeichnet. Zu sehen sind 2 rote Atome, an der Vorder– und der Rückseite. Jedes ist zur Hälfte in der Elementarzel-le, insgesamt also ein Atom.

ã Je ein Atom ist in der Mitte der linken Seite (grün gezeichnet) und in der Mitte der Unterseite (blau gezeichnet). Es gilt das Analoge zum vorigen Punkt.

Diese bunten Atome stehen für Chromatome, und sie sind das Zentrum der Dibenzol-chrom–Moleküle. Im rechten Teil von Bild 7.13 sehen Sie 4 solcher Moleküle. Die Ben-zolringe sind schwarz, rot, grün und blau. Es sind natürlich immer Kohlenstoffatome, die farbig gezeichnet sind, aber so sieht man schnell, welches Molekül zu welcher Position in der Elementarzelle gehört. Und Sie sehen sofort, dass alle 4 Moleküle unterschiedlich ausgerichtet sind.

Bild 7.14:

Links : 4 Dibenzolchrom–Moleküle, längs einer Raumdiagonalen betrachtet. Sie blicken auf eines der Moleküle von oben, so dass nur einer der beiden Benzolringe sichtbar ist.

Rechts : 16 Dibenzolchrom–Moleküle in einer Kalottendarstellung. Die scheinbar chaoti-sche Anordnung ist doch optimal.

Art der Ausrichtung– Kann man etwas darüber sagen, wie die Moleküle ausgerichtet sind ? Ja. Sehen Sie sich den linken Teil von Bild 7.14 an. Es scheint dort kein Würfel zu sein, sondern 6 tortenartig angeordnete Segmente. Tatsächlich ist es wieder der Würfel der Elementarzelle. Sie betrachten ihn in Richtung einer Raumdiagonale.

Und noch etwas scheint seltsam. Bei einem der Dibenzolchrom–Moleküle sieht man nur einen Benzolring. Der Grund ist, dass Sie das Molekül senkrecht von oben betrach-ten, und der zweite Benzolring ist vom ersten verdeckt. Das Dibenzolchrom–Molekül ist also exakt in Richtung einer Raumdiagonale der Elementarzelle ausgerichtet.

Jeder Würfel hat 8 Ecken und somit 4 Raumdiagonalen. Die Elementarzelle enthält 4 Chromatome, damit 4 Dibenzolchrom–Moleküle, die alle unterschiedlich ausgerichet sind. Passt ! Jedes der 4 Moleküle in den 4 Farben ist an einer der 4 Raumdiagonalen ausgerichtet.

Raumerfüllung– Stellt man 2 Sanduhren nebeneinander, füllen sie den Raum nur zu einem geringen Teil aus. Geschickter ist es, die dünnen Stellen in der Mitte aneinander zu legen. Es sollen aber nicht nur zwei, sondern sehr viele sanduhrförmige Dibenzolchrom–

Moleküle in alle 3 Richtungen des Raums möglichst dicht gepackt werden, und neben der Geometrie soll auch die Freie Enthalpie optimal (niedrig) sein. Wie das geht, zeigt uns die Natur. Im rechten Teil von Bild 7.14 können Sie es sehen. Ich habe die Molekü-le in einer Kalottendarstellung gezeichnet, die ihren tatsächlichen Platzbedarf zeigt. Sie sehen, dass die Moleküle den zur Verfügung stehenden Raum optimal nutzen. Die un-terschiedliche, im ersten Moment chaotisch aussehende, aber doch sehr symmetrische Ausrichtung längs der Raumdiagonalen ist der Schlüssel dazu.

Demnächst bearbeite ich diesen Abschnitt weiter.

Es kann aber noch etwas dauern.

8 Im Zwischenland – zwischen Kristallen und Flüssigkeiten

Bild 8.1:

Bernstein, ein amorpher Stoff Alle Menschen kennen Kristalle und Flüssigkeiten,

und alle Menschen mit Chemiekenntnissen haben eine klare Vorstellung von deren Aufbau. In Kristal-len sind die kleinsten Teilchen (Atome, Ionen, Mo-leküle) wohlgeordnet an festen Plätzen. In Flüssig-keiten bewegen sie sich regellos umher, wie die Fi-sche im Wasser.

Jedoch gibt es Stoffe, die nicht in dieses schö-ne Bild eischö-ner heilen Stoffwelt passen. Sie bevöl-kern ein Land, das zwischen der Welt der Kristal-le und der Welt der Flüssigkeiten liegt – ein Zwi-schenland eben. Es sind Feststoffe, deren kleinste Teilchen nicht oder nur wenig geordnet sind, und es sind Flüssigkeiten, deren kleinste Teilchen zu-mindest teilweise geordnet sind.

Solche Stoffe sind das Thema dieses Kapitels.

In Tabelle 8.1 gebe ich eine Übersicht über die Kategorien der Stoffe, die ich hier besprechen werde und nenne idealisierte Unterscheidungskriterien zwischen diesen Ka-tegorien. Diese sind

ã Positionsfernordnung oder Translationsfernordnung (engl. positional order) – Das ist etwas, was man von Kristallen erwartet. Die Positionen der kleinsten Teilchen (Atome, Ionen, Moleküle) werden nur in einem sehr kleinen Bereich, der Elementar-zelle, festgelegt. Die Ordnung entsteht, indem sich diese Positionen in alle 3 Raum-richtungen endlos wiederholen.

ã Orientierungsfernordnung oder Richtungsfernordnung (engl. orientational order) – Sie kann nur bei Ionen, die aus mindestens 2 Atomen bestehen, und bei Molekülen auftreten. In der Elementarzelle haben diese Teilchen eine bestimmte Ausrichtung im Raum. Die Ordnung entsteht, wenn sich diese Ausrichtungen in alle 3 Raum-richtungen endlos wiederholen.

ã Formstabilität – Das ist etwas, was man bei Feststoffen erwartet. Formstabile Stoffe passen ihre Formnichtder Umgebung oder dem Gefäß, in dem sie sich befinden, an. Flüssigkeiten erkennt man daran, dass sie genau dies tun.

Ich werde in diesem Kapitel zuerst die amorphen und glasartigen Stoffe besprechen, da sie in ihrer äußeren Erscheinung den Kristallen aus dem vorigen Kapitel am nächsten

positions-geordnet

orientierungs-geordnet

formstabil

Kristall ja ja ja

amorphe und

glasartige Stoffe nein nein ja

Flüssigkristalle nein / teilweise ja nein plastische

Kristalle ja nein ja

Flüssigkeiten nein nein nein

Tabelle 8.1: Kategorien von Stoffen und ihre gemeinsamen Eigenschaften, idealisiert stehen. Es folgen, wegen ihrer großen Bedeutung, die Flüssigkristalle, und schließlich die plastischen Kristalle.

8.1 Flüssigkristalle

Flüssigkristalle – das Wort hört sich wie ein Widerspruch in sich an.

Vielleicht dachte sich das der österreichische Botaniker Friedrich Reinitzer auch, als er 1888 Cholesterylbenzoat erhitzte und eine seltsame Beobachtung machte. Der Stoff wurde bei 145,5 °C flüssig, war aber trübe. Erst bei weiterem Erhitzen auf 178,5 °C wurde er klar, wie man es von Flüssigkeiten kennt. Nachdem er Fehlerquellen ausgeschlossen hatte (zum Beispiel Verunreinigungen, zu schnelles Erhitzen oder Zersetzung des Stof-fes) und auch seine Kollegen den Stoff untersucht hatten, wurde klar, dass er etwas Neues gefunden hatte.

Es ist ein Zustand, der Eigenschaften des kristallinen Feststoffs und gleichzeitig einer Flüssigkeit besitzt. Man nennt diesen Zustand einen Flüssigkristall, eine flüssigkristalline Phase oder eine Mesophase (denn die griechische Vorsilbe meso bedeutet „mitten“).

Flüssigkristall

= flüssigkristalline Phase

= Mesophase

In den folgenden Abschnitten bespreche ich zuerst einige Themen, die für alle Flüssig-kristalle, oder zumindest für die meisten, wichtig sind. Es beginnt in Abschnitt 8.1.1 mit einer kurzen Charakterisierung der Flüssigkristalle. Dann folgt in Abschnitt 8.1.2 ein Über-blick über wichtige, wenn auch nicht alle, Arten von Flüssigkristallen. In Abschnitt 8.1.3 geht es darum, wie man flüssigkristalline Phasen (Mesophasen) beschreiben kann, und

danach in Abschnitt 8.1.4 um die vielleicht wichtigste Frage : Warum bilden sich über-haupt Flüssigkristalle ? In den folgenden Abschnitten erfahren Sie mehr über einzelne Arten von Flüssigkristallen. Dort geht es um deren Struktur und einige Eigenschaften, und Sie lernen für jede Art einige Beispiele kennen.

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 161-167)