• Keine Ergebnisse gefunden

Moleküle wie ein Sandwich – Ferrocen und Co

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 147-153)

6.2 Vielfalt der Moleküle

6.2.2 Moleküle wie ein Sandwich – Ferrocen und Co

Im Jahr 1951 war es eine Überraschung. Bei einer Reaktion entstand ein Stoff, dessen Moleküle ganz seltsam gebaut waren. 2 aromatische Kohlenstoffringe und dazwischen ein Eisenatom, so wie ein Sandwich. Und diese Verbindung (später nannte man sie Fer-rocen) war erstaunlich stabil.

Bald hatte man verstanden, warum sich gerade dieser Stoff gebildet hatte und warum seine Moleküle so stabil sind. Und weil die Forschenden kreative Menschen sind, fingen sie gleich an, ähnliche und verwandte Moleküle herzustellen. Heute sind diese Stoffe (sie heißen Metallocene) ein durchaus umfangreiches Gebiet der metallorganischen Chemie.

Im folgenden stelle ich 5 Sandwich–Verbindungen vor.

Ferrocen – der Klassiker

Ferrocen war das erste Molekül, bei dem man eine Sandwich–Struktur gefunden hat. Bild 6.14 zeigt links seine Strukturformel7und rechts sein Molekül.

Fe

Bild 6.14: Strukturformel und Molekül von Ferrocen.

Wie ist das Ferrocen–Molekül gebaut ?

Ein systematischer Name für Ferrocen ist Di–cyclopentadienyl–eisen. Es kommen al-so 2 Cyclopentadien–Einheiten vor. Jede besteht aus 5 Kohlenstoffatomen, die in der Form eines regelmäßigen Fünfecks miteinander verbunden sind (in der Chemie nennt man das gern einen Ring, hier einen Fünfring), und jedes Kohlenstoffatom ist mit einem Wasserstoffatom verbunden. Zwischen den beiden Fünfringen ist das Eisenatom.

Es gibt 2 Möglichkeiten, wie die beiden Fünfringe zueinander angeordnet sein können.

Bild 6.15 zeigt sie. Links sind sie (wenn man das Molekül von oben betrachtet) exakt übereinander. Die Ecken des einen sind genau über den Ecken des anderen. Man nennt diese Konfiguration verdeckt (engl. eclipsed). Rechts sind die Ecken des einen gerade

7 Zur Schreibweise der Formel vgl. Kap. 3.8.4 auf S. 63.

zwischen den Ecken des anderen. Diese Konfiguration heißt gestaffelt (engl. staggered).

Dort, wo nur einzelne Ferrocen–Moleküle vorliegen, zum Beispiel im gasförmigen Zu-stand8, haben sie die verdeckte Konfiguration [38]. Jedoch ist die Rotationsbarriere9(für die Rotation der Ringe in ihrer Ringebene) sehr niedrig, und man sollte davon ausgehen, neben Ferrocen–Molekülen in der verdeckten Konfiguration auch solche in der gestaffel-ten Konfiguration oder einer Zwischenkonfiguration zu finden.

Bild 6.15:

Die beiden Fünfecke symbolisieren die Cyclopentadienyl–Ringe im Ferrocen, von oben gesehen. Links liegen sie direkt übereinander (nur zur besseren Sichtbarkeit ein wenig verschoben). Diese Anordnung heißt verdeckt (engl. eclipsed). Rechts sind sie in der gestaffelten (engl. staggered) Konfiguration.

Warum ist das Ferrocen–Molekül so stabil ?

Ferrocen zersetzt sich erst bei einer (für organische Stoffe sehr hohen) Temperatur von über 400 °C. Für diese hohe Stabilität gibt es 2 Gründe.

Aromatizität– Die beiden Cyclopentadienyl–Ringe sind aromatisch. Diese Aussage ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Zählt man die in einem Ring vorhandenen Valenz-elektronen nach, kommt man auf eine Zahl von 2510. Für die Bindungen im Ring werden 10 Elektronen benötigt, ebenso für die Bindungen zu den Wasserstoffatomen. Es bleiben 5 Elektronen übrig. Dazu kommt ein weiteres (es kommt vom Eisenatom), und man erhält ein einfach negativ geladenes Cyclopentadienyl–Anion, bei dem 6 Elektronen noch nicht in Bindungen involviert sind und ein aromatisches System bilden.

18–Elektronen–Regel– Ein Eisenatom kann 8 Elektronen in Bindungen einbringen11. Da es 2 Elektronen abgegeben hat, ist es zum Fe2+–Ion geworden und kann noch 6

Elek-8 Ganz anders ist die Situation in Ferrocen–Kristallen. Dort gab es über längere Zeit eine intensive Diskus-sion, ob die beiden Ringe eine verdeckte oder eine gestaffelte Konfiguration einnehmen. 3 Arbeitsgruppen ([35], [36] und [37]) haben dann Nägel mit Köpfen gemacht. Nach sorgfältig durchgeführten Experimenten und einer sorgfältigen Analyse teilen sie uns in sorgfältig gewählten Worten mit, dass zwar gewisse Mo-dellvorstellungen zur Struktur des Moleküle mit den Daten vereinbar sind, dass dies aber auch für andere zutrifft. Insgesamt wird die Struktur im Kristall als komplex und uneinheitlich, sicher aber als fehlgeordnet dargestellt.

9 Die Rotationsbarriere beträgt 3,8 kJ/mol. Mehr zu Rotationsbarrieren sowie verdeckten und gestaffelten Konfigurationen finden Sie in Kap.??.

10 Es sind 4 von jedem der 5 Kohlenstoffatome und eines von jedem der 5 Wasserstoffatome.

11 Es sind 6 aus den 3d–Orbitalen und 2 aus dem 4s–Orbital.

tronen einbringen. Zwischen dem Eisenion und jedem der beiden Cyclopentadienyl–

Ringe bilden sich Bindungen. Genau gesagt, es bilden sich Bindungen zum aromatischen System der beiden Ringe. Die zwei mal sechs Elektronen dieses Systems gehören also auch zum Bindungssystem des Eisenions. Insgesamt sind es nun 18 Elektronen, und die 18–Elektronen–Regel (vgl. Kap.??) ist erfüllt.

Mehr Daten zum Ferrocen finden Sie im Steckbrief??auf Seite??.

Strukturformel von Bild 6.14 – nochmal betrachtet

Eben haben Sie erfahren, dass essechs Elektronen sind, die die Bindung zwischen dem Eisenion und dem Cyclopentadienyl–Ring bewirken. Bild 6.14 zeigt aber nur je fünf gestrichelte Linien. In diesem Sinn ist das Bild rein geometrisch zu verstehen, nicht che-misch. Es verbindet 5 Ecken, nicht 6 Elektronen mit dem Eisenion.

Dibenzolchrom – noch ein Klassiker

Ein wenig seltsam kommt uns das Ferrocen schon vor. Es hat 2 aromatische Ringe. Man muss aber lange argumentieren, um das zu begründen, denn die beiden Ringe haben nur 5 Kohlenstoffatome.

Ob es wohl auch eine ähnliche Verbindung gibt, die ein aromatisches System enthält, dass alle kennen, nämlich den Benzolring ? Ja, warum nicht ? Wir müssen nur eine kleine Hürde überwinden. Ferrocen war aus 2 Gründen so stabil. Der eine sind die aromatischen Ringe, der andere die 18–Elektronen–Regel.

Jeder der beiden Benzolringe hat 6 Elektronen zur Verfügung, die er für Bindungen zum Zentralatom einsetzen kann. Er hat diese 6 Elektronen aus sich selbst und bekommt sie nicht vom Zentralatom geschenkt. Das Zentralatom muss also 6 Elektronen haben, nicht 8 wie das Eisenatom. Ein Element, dass diese Bedingung erfüllt, ist Chrom. Seine Atome besitzen 5 Elektronen in den 3d–Orbitalen und eines im 4s–Orbital.

Mit diesen Kenntnissen ist die Idee zur Umsetzung nicht weit. 1955 wurde Diben-zolchrom erstmals hergestellt.

Die Entdeckung

So einfach, wie der vorige Satz suggeriert, war die Entdeckung nicht. Sie ist ein Bei-spiel für die Erforschung eines völlig unbekannten Landes, vergleichbar eher einer Irrfahrt als einem planvollem Unternehmen.

1919 berichtete Franz Hein über chromorganische Verbindungen [39]. Jedoch konnte er trotz äußerster Sorgfalt und einer heute kaum noch vorstellbaren Beharrlichkeit (er arbeitete über 20 Jahre an dieser Aufgabe) ihre Struktur nicht bestimmen – die Appa-raturen, das Arbeiten unter Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit waren noch nicht weit genug entwickelt, aber auch tradierte Denkweisen hielten ihn davon ab, etwas anderes als Phenylchrom–Verbindungen anzunehmen. Die Frage, was er eigentlich hergestellt hat, blieb offen.

1953 (die Sandwich–Struktur von Ferrocen war gerade bekannt) versuchten andere Wissenschaftler (darunter der spätere Nobelpreisträger Lars Onsager) die von Hein

syn-Cr

Bild 6.16: Strukturformel und Molekül von Dibenzolchrom.

thetisierten Verbindungen ebenfalls als Sandwich–Strukturen zu interpretieren. Eine ent-sprechende Arbeit wurde vom angesehenen „Journal of the American Chemical Society“

zurückgewiesen. Die Idee war einfach zu revolutionär und widersprach dem Denken der Etablierten zu sehr. Erst 1957 wurde sie veröffentlicht, nachdem Ernst Otto Fischer und Walter Hafner (natürlich aufbauend auf den knapp 40 Jahren Forschung ihrer Vorgänger) im Jahr 1955 Dibenzolchrom zweifelsfrei hergestellt und seine Struktur begründet hatten [40].

Sie können in 2 Open–Access–Artikeln nicht nur das chemische Tun, sondern, was wichtiger ist, die Entwicklung der Ideen ausführlich und doch verständlich nachlesen ([41]

und [42]).

Struktur, Eigenschaften und Bindung von Dibenzolchrom

Heute bestehen keine Zweifel mehr. Dibenzolchrom hat die Sandwich–Struktur von Bild 6.16. Zwischen 2 Benzolringen liegt das neutrale Chromatom.

Die Bindung unterscheidet sich etwas von der im Ferrocen12, daher hat es zum Teil auch andere Eigenschaften. Es ist zwar thermisch stabil, fast wie Ferrocen, jedoch nicht chemisch stabil. Sauerstoff und Wasser, damit Luft und Feuchtigkeit, sind seine natürli-chen Feinde.

Daten zum Dibenzolchrom finden Sie im Steckbrief??auf Seite??.

Informationen zur Kristallstruktur von Dibenzolchrom finden Sie in Kapitel 7.3.1.

Bald geht es hier weiter.

12 Details liegen jenseits des Anspruchs dieses Buches.

7 Kristalle

Oft entsteht diese Situation : Kleinste Teilchen gruppieren sich zu einem Ensemble. In einem winzigen Bereich nehmen die kleinsten Teilchen eine bestimmte Anordnung ein.

Diese Anordnung wiederholt sich in allen 3 Raumrichtungen immer wieder. Ein solches Ensemble nennt man einen Kristall.

Gesagtes und Ungesagtes

Oft ist das Wichtige das, was nicht gesagt wird, so auch hier.

Bild 7.1:

Kristalle, oben Auri-pigment, unten Mala-chit

Kleinste Teilchen– Über die kleinsten Teilchen habe ich am Beginn des Kapitels nichts gesagt, außer dass sie vorhanden sind. Die Frage ist also, welche kleinsten Teilchen in Kristallen vorkommen können. Die Antwort lautet : alle. Es können Ato-me, Ionen und Moleküle sein. In einigen Kristallen kommt nur eine Art von kleinsten Teilchen vor, zum Beispiel Kupferatome oder Essigsäuremoleküle. In anderen Kristallen kommen 2 Ar-ten von Teilchen vor, zum Beispiel Natriumionen und Chlorionen im Natriumchlorid–Kristall. Es können auch 3, 4 oder noch mehr Teilchenarten sein.

Bindungen – Über die Bindungen zwischen den kleinsten Teilchen habe ich am Beginn des Kapitels gar nichts gesagt. Der Grund ist, dass in Kristallen alle Arten von Bindungen vorkom-men können. In Kapitel 5 habe ich sie aufgezählt und beschrie-ben.

Perfektion– Zu Beginn habe ich gesagt, dass sich die Anord-nung der kleinsten Teilchen wiederholt. Dass diese Wiederho-lung exakt und perfekt ist, habe ich nicht gesagt. Das wäre auch gelogen. Den Grund, warum Nicht–Perfektion (oberhalb des ab-soluten Nullpunkts) notwendig auftreten muss, finden Sie in Kap.

??, mehr über die Realisierung von Nicht–Perfektion in Kap. 9.1 (Baufehler, Diffusion) und??.

Aggregatzustände– Kristalle treten nur im festen Aggregat-zustand auf. Nur im festen Zustand kann sich eine Anordnung über weite Strecken wiederholen. Im flüssigen und gasförmigen Zustand bewegen sich die kleinsten Teilchen regellos, und eine einmal vorhandene Anordnung der Teilchen wäre im Nu zerstört.

Größe– In Ausstellungen kann man Kristalle sehen, die deutlich größer als ein Meter sind. Eine harte obere Grenze für die Größe von Kristallen scheint es nicht zu geben.

Mineraliensammler lieben Kristalle in handlichen Größen von einigen Millimetern bis gut 10 Zentimeter, wie in Bild 7.1. Metalle bilden in der Regel nur winzige Kristalle von weit unter einem Millimeter Größe.

Kristalle und Moleküle

Bild 7.2:

Zuckerkristalle, etwa 1 mm groß

Manchmal kommt die Vorstellung auf, dass ein Stoff ent-weder Moleküle oder Kristalle bilden müsse. Das ist falsch.

Sehen Sie sich gewöhnlichen Haushaltszucker an. Einige solcher Zuckerkristalle sind in Bild 7.2 gezeigt. Sie bestehen aus Molekülen des Stoffes Saccharose. Tatsächlich lassen sich die meisten Stoffe der organischen Chemie gut kristal-lisieren, und diese Kristalle bestehen aus Molekülen.

Das Auftreten von Kristallen und Molekülen bei einem Stoff schließt sich nicht aus. Der Grund liegt in der Defintion der beiden Begriffe. Moleküle sind über Bindungen definiert (starke Bindungen im Molekül, schwache zwischen ihnen, vgl. Kap. 6), Kristalle dagegen über die Anordnung.

Kristalle – definiert durch Anordnung Moleküle – definiert durch Bindungen

Inhalt des Kapitels

In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels erfahren Sie mehr zu einigen Phänomenen und Konzepten rund um Kristalle. Im einzelnen geht es um diese Themen.

− Beschreibung von Kristallen : Kap. 7.1

− Strukturtypen 1 – Kugelpackungen – Es geht um Kristalle, die nur eine Atomsorte enthalten. : Kap. 7.2

− Strukturtypen 2 – Ionenkristalle – Es geht um Kristalle, die 2 oder mehr Atomsorten enthalten. : Kap.??

− Nicht–perfekte Kristalle – Fehlordnung : Kap.??

− Legierungen : Kap.??

− Kristalle aus Molekülen : Kap.??

− Plastische Kristalle : Kap.??

− Vielfalt der Kristalle : Kap. 7.3

7.1 Beschreibung von Kristallen

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 147-153)