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Anorganische Stoffe und Organische Stoffe

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 144-147)

6.2 Vielfalt der Moleküle

6.2.1 Anorganische Stoffe und Organische Stoffe

Traditionell werden in der Chemie 2 große Gebiete unterschieden. Es sind die Anorgani-sche Chemie und die OrganiAnorgani-sche Chemie.

Womit beschäftigen sich die Anorganische Chemie und die Organische Chemie ? Die Anorganische Chemie untersucht alle Stoffe, die keine Kohlenstoffatome enthalten.

Die übrigen Stoffe sind Gegenstand der Organischen Chemie.

Ausnahmen sind die Stoffe Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2) und die Carbona-te, die zur Anorganischen Chemie gehören. Eine Handvoll Verbindungen werden manch-mal zur Organischen, dann wieder zur Anorganischen Chemie gezählt. Es sind die Cyan-wasserstoffsäure (HCN) und ihre Salze, die Cyanide, dann die Cyansäure (HOCN), die Isocyansäure (HNCO) sowie deren Salze, die Cyanate und Isocyanate, und schließlich die Thiocyansäure (HSCN), die Isothiocyansäure (HNCS) und deren Salze.

Bild 6.11:

Moleküle von Siliciumtetrachlorid (anorganisch, links) und Tetrachlormethan (organisch, rechts)

Man kennt zur Zeit (Ende 2020) über 168 Millionen Verbin-dungen, davon sind nur einige hunderttausend anorganische.

Die Moleküle der anorgani-schen und die der organianorgani-schen Chemie sind nach denselben Prinzipien aufgebaut. Die Mole-küle beider Gebiete besitzen die-selben Arten von Bindungen und dieselbe Struktur. Bild 6.11 zeigt links ein Molekül eines anorgani-schen Stoffes (Siliciumtetrachlorid) und rechts daneben ein organisches Molekül (Te-trachlormethan). In beiden ist ein Zentralatom (einmal Silicium, dann Kohlenstoff) von

4 Liganden (Chlor) umgeben. In beiden sind die Liganden entsprechend dem VSEPR–

Modell (vgl. Kap. 6.1) tetraedrisch um das Zentralatom angeordnet. In beiden sind polare Atombindungen vorhanden. Dass diejenige im Siliciumtetrachlorid stärker polar ist, ist in diesem Zusammenhang unbedeutend, denn auch in anorganischen Verbindungen gibt es schwach polare Bindungen. Die Frage, warum man die beiden Gebiete unterscheidet, steht plötzlich da.

Warum unterscheidet man Anorganische Chemie und Organische Chemie ? Es gibt mehrere Gründe.

Einige sind praktischer Natur.

ã Die Zahl der Kohlenstoffverbindungen ist größer als die Zahl aller Verbindungen, die keinen Kohlenstoff enthalten.

ã Die Mechanismen, nach denen die Reaktionen der Kohlenstoffverbindungen ab-laufen, unterscheiden sich grundlegend von den Mechanismen der übrigen Reak-tionen.

ã Die Bedingungen, unter denen die Reaktionen der Kohlenstoffverbindungen ablau-fen, sind moderater als die Bedingungen der übrigen Reaktionen. CO, CO2und die Carbonate ähneln in ihrem Verhalten den anorganischen Verbindungen, weshalb sie weiterhin diesen zugezählt werden.

Als die Chemie begann, sich in Teilgebiete wie Anorganische und Organische Chemie aufzuspalten (dies war im 19. Jahrhundert), war die Zahl der Verbindungen noch sehr überschaubar, und von den Mechanismen der Reaktionen wusste man so gut wie nichts.

Ein anderer Grund war damals wichtiger. Trotz großer Anstrengungen gelang es zu dieser Zeit nicht, Stoffe, die in Lebewesen vorkommen, chemisch herzustellen.

Heute wissen wir, dass es am fehlenden Wissen um die dafür geeigneten Reaktions-verfahren lag. Langes kräftiges Erhitzen und Behandeln mit reaktiven Chemikalien, zum Beispiel starken Säuren oder Basen, waren gängige Methoden in der Anfangszeit der Chemie. Damit kann man organische Verbindungen nur zersetzen, nicht aber aufbauen.

Damals wusste man das nicht. Statt dessen nahm man an, dass den Stoffen aus der belebten Natur eine geheimnisvolle Lebenskraft (sie hieß „vis vitalis“) innewohnt, die man aus Stoffen der unbelebten Natur grundsätzlich nicht schaffen kann. Die Umwandlung von anorganischen, nicht aus Lebewesen stammenden Stoffen in organische Stoffe sah man also als unmöglich an. Gläubige Menschen (und bis weit ins 20. Jahrhundert glaub-ten fast alle Menschen an Gott) waren zum Teil der Ansicht, dies wäre die Anmaßung einer Tätigkeit, die Gott vorbehalten war, nämlich die Erschaffung von Leben, und sahen es als Gotteslästerung.

Im Jahre 1828 gelang es Friedrich Wöhler, aus Ammoniumcyanat, einem Stoff, den man damals als anorganisch ansah, Harnstoff, einen organischen Stoff zu gewinnen.

Damit war das eben genannte Argument entkräftet. Aus den oben genannten pragmati-schen Gründen hält man die Unterscheidung von Anorganischer und Organischer Che-mie jedoch weiterhin aufrecht.

Ein weiterer, offensichtlicher Unterschied

Bild 6.12:

Molekül der Schwefelsäu-re

Schlägt man ein Lehrbuch der Anorganischen Chemie auf, zum Beispiel [1] oder [2], fallen schnell 2 Dinge auf.

ã Man findet Verbindungen aller in der Natur vorkom-menden Elemente (ausgenommen Helium und Neon, die keine Verbindungen bilden, ausgenommen eini-ge radioaktive Stoffe, die kaum untersucht sind, und natürlich ausgenommen Kohlenstoff). Insgesamt sind das knapp 90 Elemente.

ã Die Moleküle und Ionen anorganischer Stoffe sind klein. Es gibt einige, die deutlich mehr als 10 Atome enthalten, aber nicht allzu viele.

Quelle der Vielfalt in der Anorganischen Chemie ist die Zahl der Bausteine.

Schlägt man ein Lehrbuch der Organischen Chemie auf, zum Beispiel [3] oder [4], fallen schnell 2 Dinge auf.

ã Man findet Verbindungen nur weniger Elemente. Alle organischen Stoffe enthalten Kohlenstoff, die meisten Wasserstoff, viele Sauerstoff oder Stickstoff. Schon sel-tener sind die Halogene, Schwefel und Phosphor. Das Vorkommen aller anderen Elemente ist außergewöhnlich.

ã Die Moleküle organischer Stoffe haben sehr unterschiedliche Größe. Mehr dazu in der Einleitung zu diesem Kapitel (Seite 123).

Quelle der Vielfalt in der Organischen Chemie ist der Aufbau komplexer Strukturen aus wenigen Arten von Bausteinen.

2 typische Beispiele sehen Sie in den Bildern 6.12 und 6.13.

Bild 6.13: Molekül von Ibuprofen

Schwefelsäure spielt in der Industrie6 und im Labor eine wichtige Rolle. Hier steht sie als Vertreterin der anorgani-schen Chemie. Ihr Molekül (Bild 6.12) ent-hält Schwefel–, Sauerstoff– und Wasser-stoffatome. Das zentrale Schwefelatom ist tetraedrisch von 4 Liganden umgeben.

Ibuprofen (2–(4–(2–Methyl–propyl)–phe-nyl)–propionsäure) wird als Arzneimittel unter anderem gegen Fieber eingesetzt.

Hier steht es als Vertreter der organischen Chemie. Sein Molekül (Bild 6.13) zeigt eini-ge der typischen Muster, die in Molekülen der organischen Chemie vorkommen : Rineini-ge und Ketten aus Kohlenstoffatomen, dabei auch verzweigte Ketten, und als Beispiel einer reaktiven funktionellen Gruppe eine Carboxylgruppe (–COOH).

6 Weltweit werden jährlich über 150 Millionen Tonnen hergestellt.

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