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Ein Atom hat immer denselben Radius

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 55-59)

3.7 Modelle in der Chemie

3.7.3 Ein Atom hat immer denselben Radius

Die Stahlkugel in Bild 3.26 hat immer denselben Radius, egal ob sie auf dem Tisch liegt oder durch die Luft fliegt, egal ob sie von Luft, Wasser, anderen Kugeln oder sonst irgend etwas umgeben ist. Und auch die Plastikkugeln aus Bild 3.27, die in der Schule gern als Stellvertreter von Atomen benutzt werden, haben einen unveränderlichen Radius. Warum also sollte es bei echten Atomen anders sein ?

Ein Argument habe ich im vorigen Abschnitt genannt. Ein Atom hat gar keinen festen Radius, und jede Festlegung eines Radius ist willkürlich. Bei einzelnen, isolierten Atomen ohne Nachbarn7kann man es so sehen.

Atome in Flüssigkeiten und Festkörpern haben im Gegensatz dazu Nachbarn in ih-rer Nähe. Hier ist eine andere Betrachtungsweise sinnvoller. Ein Atom hört da auf, wo sein Nachbar anfängt. Oder exakter gesagt : Der Radius eines Atoms ist die Hälfte des Abstands zwischen 2 Atomen (natürlich vom gleichen Element).

Da stellt sich sofort die Frage, wie groß denn der Abstand zweier Atome ist. Eine klare Antwort auf diese klare Frage lautet : Es kommt drauf an.

440 pm

Bild 3.29: In festem Xenon haben die Atome einen Abstand von 440 pm.

7 Von solchen isolierten Atomen geht man im idealen Gas aus, jedoch ist auch dies ein Modell. In der Realität kann man auch die Atome von Gasen bei niedrigem Druck, zum Beispiel dem gewöhnlichen Luftdruck, näherungsweise als isoliert ansehen.

Gleichgewicht Es kommt auf die Kräfte an, die zwischen den kleinsten Teilchen wir-ken. Es gibt Anziehungskräfte und abstoßende Kräfte. Diese können unterschiedliche Ur-sachen haben, sie können unterschiedliche Stärke haben und in unterschiedlicher Weise mit der Entfernung abnehmen.

Bei einem bestimmten Abstand zwischen 2 gegebenen Teilchen sind die anziehenden und die abstoßenden Kräfte gleich stark, es liegt ein Gleichgewicht vor. Diesen Abstand nehmen die beiden Teilchen dann tatsächlich an, und man kann ihn in 2 (nicht notwendig gleichgroße) Teile teilen. Man hat die Atomradien erhalten.

Einige Kräfte wirken immer zwischen Atomen. Dazu gehören ã Abstoßungskräfte zwischen den beiden Atomkernen.

ã Abstoßungskräfte zwischen den Elektronenhüllen der beiden Atome.

ã die Dispersionskräfte. Es sind Anziehungskräfte.

Mehr über diese und die anderen im folgenden genannten Kräfte erfahren Sie im Ka-pitel über Bindungen. (Kap.5). 8

Kurzbeschreibung des Modells Einen einzigen Atomradius für ein Element anzu-geben, wäre ein allzu einfaches Modell.

Statt dessen definiert man eine Handvoll verschiedener Radien, je nachdem, welche der abstoßenden und anziehenden Kräfte wirken, und benutzt gerade den, der passt.

van–der–Waals–Radius

Zu Beginn betrachte ich Stoffe, zwischen deren Atomennur die 3 eben genannten Kräfte wirken. Solche Stoffe sind selten. Außer den Edelgasen gibt es keine.

Die Atome der Edelgase bilden im festen Zustand eine dichteste Kugelpackung (vgl.

Kap. 7.2). Einen zweidimensionalen Ausschnitt einer solchen Packung des Edelgases Xenon zeigt Bild 3.29. Sie sehen, dass der Abstand zwischen 2 Xenon–Atomen 440 pm beträgt. Ein Xenon–Atom hat also einen Radius von 220 pm.

Man nennt diesen Radius den van–der–Waals–Radius von Xenon.

Obwohl die eben beschriebene Situation ausgesprochen selten ist, haben van–der–

Waals–Radien doch eine große Bedeutung. Immer wenn zwischen 2 Atomen als An-ziehungskräfte nur die Dispersionskräfte vorhanden sind (das kommt zwischen Atomen benachbarter Moleküle recht oft vor), nennt man den Raum, den eines der Atome ein-nimmt, seinen van–der–Waals–Radius.

Der van–der–Waals–Radius eines Elements ist nicht konstant, sondern kann in engen Grenzen schwanken, abhängig von der Umgebung des Atoms.

kovalenter Radius

Sehr häufig kommt es vor, dass Atome (des gleichen oder verschiedener Elemente) durch eine Atombindung verbunden sind.

268 pm 449 pm

Bild 3.30:

In festem Iod haben gebundene Atome einen Abstand von 268 pm, nicht gebundene, benachbarte Atome von 449 pm.

Zum Beispiel beträgt der Abstand der beiden Kohlenstoffatome in einer C–C–Einfach-bindung 154 pm. Er nimmt in den meisten VerC–C–Einfach-bindungen, die eine solche Bindung besit-zen, diesen Wert an. Analog ist die Länge einer C–C–Doppelbindung 134 pm. Man kann also den Radius eines Kohlenstoffatoms zu 77 pm bzw. 67 pm ansehen, je nachdem ob es an ein anderes Atom mittels einer Einfach– oder einer Doppelbindung gebunden ist.

Kennt man den Radius des Kohlenstoffatoms, kann man auf andere Elemente schlie-ßen. Der Abstand der beiden Atome in einer C–O–Einfachbindung beträgt in der Regel 143 pm. Damit kommt dem Sauerstoffatom ein Radius von 66 pm zu.

Auf diese Weise kann man eine Tabelle aller Radien von Atomen aufstellen, die mit anderen Atomen durch eine Atombindung verbunden sind. Diese Radien nennt man die kovalenten Radien der jeweiligen Elemente. Sie unterscheiden sich deutlich für un-terschiedliche Bindungsordnung (Einfach–, Doppel–, Dreifach– oder andere Bindung), schwanken sonst aber nur wenig.

Bild 3.30 zeigt den Unterschied zwischen van–der–Waals– und kovalentem Radius.

Im Iodkristall liegen Iodmoleküle aus 2 Iodatomen (mit der Formel I2) vor. Diese beiden Atome sind 268 pm voneinander entfernt, der kovalente Radius von Iod beträgt also 134 pm. Die Entfernung der Iodatome benachbarter Iodmoleküle beträgt 449 pm, und das ist das Doppelte des van–der–Waals–Radius von Iod8.

Ionenradius

Viele Stoffe sind aus Ionen aufgebaut.

Die Zahl der stärksten Kräfte, die zwischen Ionen wirken, ist überschaubar. Es sind zwei. Die eine ist die elektrostatische Anziehung zwischen entgegengesetzt geladenen Ionen (auch Coulomb–Kraft genannt), das andere ist die elektrostatische Abstoßung der

8 In [2], S. 336 ist er mit 195 – 212 pm angegeben, also etwas weniger als hier. Es sieht so aus, als könnten sich die Moleküle im Iodkristall nicht optimal packen und hätten dadurch etwas mehr Abstand.

(immer negativ geladenen) Elektronenhüllen. Beide nehmen mit zunehmender Entfer-nung ab, jedoch unterschiedlich stark. Bei einer bestimmten EntferEntfer-nung zwischen den Ionen sind beide gleich. Dies ist dann auch der Abstand der Ionen im Kristall.

Weniger überschaubar ist die Stärke der beiden Kräfte. Sie hängt zum einen von der Ladung der Ionen ab, und diese Ladung ist in einer Verbindung nicht unbedingt eine ganze Zahl (vgl. Kap. 3.7.4). Zum anderen hängt sie von der Umgebung der Ionen ab, und die ist bei verschiedenen Stoffen oft sehr unterschiedlich.

Was bedeutet das für die Größe der Ionen, also den Ionenradius ?

Dazu ein Beispiel. Natriumchlorid (NaCl) besteht aus Na+– und aus Cl–Ionen.

283 pm

Bild 3.31:

In festem Natriumchlorid ha-ben ha-benachbarte Ionen einen Abstand von 283 pm. Aber welches Ionenpaar gibt die korrekten Größenverhältnisse wieder ?

Bild 3.31 zeigt die auftretenden Probleme. Der Ab-stand zwischen den beiden Ionen (dem violett gezeich-neten Natrium–Ion und dem grün gezeichgezeich-neten Chlor–

Ion) beträgt 283 pm. Das kann man (relativ) leicht mes-sen. Aber welcher Teil dieses Abstands entfällt auf das Na+–Ion, welcher auf das Cl–Ion ? Ich habe 3 Ionen-paare gezeichnet. Die Summe der Radien ist immer 283 pm, aber die Größe der Ionen unterschiedlich. Gibt ein Teil der Zeichnung die Realität wieder ?

Ionenradien zu bestimmen ist eine schwierige Aufga-be.

Was nicht geht (im Gegensatz zum van–der–Waals–

und dem kovalenten Radius), ist das Nebeneinander-legen zweier gleicher Ionen. Die hätten ja die gleiche Ladung und würden sich abstoßen. In jeder Ionenver-bindung sind immer unterschiedlich geladene Ionen be-nachbart.

Es ist sehr aufwendig und nur in Einzelfällen mach-bar, aus der Summe zweier Ionenradien die einzelnen Radien zu bestimmen9.

Hat man das geschafft, kennt man nicht etwa die Grö-ße eines Ions (zum Beispiel des Na+–Ions), sondern nur die Größe des Ions in der untersuchten Verbindung. In anderen Stoffen (in denen es eine andere Ladung oder eine andere Umgebung hat) wird es auch einen anderen Radius haben.

Trotzdem hat man Tabellen von Ionenradien aufstellen können. In [22] finden Sie eine solche.

Ach ja, Na+–Ionen haben im Natriumchlorid einen Radius von 116 pm, Cl–Ionen von 167 pm. Das mittlere Ionenpaar in Bild 3.31 gibt die Verhältnisse korrekt wieder.

9 Dazu versucht man, den Punkt zwischen den beiden Zentren (Kernen) der Ionen zu messen, an dem weder positive noch negative Ladung vorhanden ist, der somit die Grenze zwischen den beiden Ionen darstellt.

Über die Schwierigkeiten dieser Aufgabe werde ich schweigen.

metallischer Radius

Für Metalle wird ein weiterer Radius, der metallische Radius angegeben.

Kleinsten Teilchen kann man, abhängig von Bindung und Umgebung, Radien zuschreiben :

van–der–Waals–Radius kovalente Radien Ionenradien

metallischer Radius

Was kann man mit dem Modell erklären ?

In der Regel schließt man in der anderen Richtung als hier beschrieben. Die Radien werden gemessen. Aus den Radien schließt man auf Bindungsart, Bindungsordnung, Ladung. Zusammen mit ihrer Erfahrung gelingt das den Forschenden erstaunlich gut.

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