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Einflussgröße Länge des Grundkörpers

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 184-188)

7.3 Vielfalt der Kristalle

8.1.5 Nematische Phasen

8.1.5.4 Einflussgröße Länge des Grundkörpers

Das ist eine einfach zu verstehende und einfach zu untersuchende Einflussgröße, also das Richtige für den Anfang. Ich sehe dazu Moleküle an, die keine Endgruppen und kei-ne Seitengruppen besitzen. Von daher kann also überhaupt kein Einfluss kommen. Der Grundkörper soll auch völlig starr sein. Solche Moleküle gibt es. Die para–Polyphenyle sind Beispiele dafür. Bei diesen Molekülen sind mehrere Benzolringe durch Bindungen verbunden.

Bild 8.16:

p–Quinquephenyl – Formel und 2 Molekülansichten. In der ersten Molekülansicht liegen alle Ringe in einer Ebene. In der zweiten sind die Ringe um unterschiedliche Winkel aus dieser Ebene herausgedreht. Dabei wurde um die Bindungen, die in der Formel mit einem roten Pfeil markiert sind, gedreht.

p–Polyphenyle Eine Strukturformel für ein solches Molekül sehen Sie in Bild 8.16a.

Es ist p–Quinquephenyl, bei dem 5 Benzolringe in einer Kette verbunden sind. Seine Summenformel lautet C30H22. Analog aufgebaut sind Biphenyl (2 Benzolringe) bis p–

Sexiphenyl (6 Ringe). Diese Moleküle sind starr in dem Sinn, das sie sich nicht verbiegen können, so wie man einen dünnen Ast biegen kann. Jedoch haben sie nicht die Form eines Bretts oder einer Latte. In Bild 8.16b zeige ich ein solches unrealistisches Lat-tenmolekül. Sie sehen, dass sich die Wasserstoffatome benachbarter Ringe sehr nah kommen. Um dieser energetisch ungünstigen Situation auszuweichen, drehen sich die einzelnen Benzolringe um die Längsachse des Moleküls so, dass Nachbarringe in ver-schiedenen Ebenen liegen4. Das Molekül nimmt daher einen zylinderförmigen Raum ein.

Bild 8.16c zeigt ein Molekül p–Quinquephenyl in einer realen Konformation.

Und was hat diese Verlängerung des Grundkörpers für Auswirkungen ? Sehen Sie sich dazu Tabelle 8.4 an.

Auftreten nematischer Phasen Bei den ersten 3 Molekülen der Tabelle treten über-haupt keine Mesophasen auf. Die Grundkörper (und damit die gesamten Moleküle) sind kurz. Sie sind zu kurz, um mit den Grundkörpern der Nachbarmoleküle nennenswerte Interaktionen ausführen zu können. p–Quinquephenyl hat einen längeren Grundkörper.

Er ist lang genug für schwache Interaktionen, und es kann sich zumindest eine kaum

ge-4 Diese Rotationen sind leicht möglich, denn die Rotationsbarriere (vgl. dazu Kapitel??) ist so niedrig, dass solche Drehungen um die Einfachbindung bei Raumtemperatur ungehindert erfolgen können. Die Bindun-gen, um die die Drehungen erfolBindun-gen, sind in Bild 8.16a mit einem roten Pfeil markiert.

Name Zahl der Ringe

Phasenübergänge (in °C)

Biphenyl 2 krist 69 isoFl

p–Terphenyl 3 krist 210 isoFl

p–Quaterphenyl 4 krist 320 isoFl p–Quinquephenyl 5 krist 386 N 415 isoFl

p–Sexiphenyl 6 krist 434 SmA 464 N ca. 500 Zersetzung Tabelle 8.4: p–Polyphenyle und ihre Phasenübergänge

ordnete nematische Phase bilden. Das p–Sexiphenyl–Molekül ist noch länger, und durch die nun stärkeren Interaktionen kann sich erst eine stärker geordnete smektische Phase ausbilden. Bei weiterer Erwärmung reichen die Interaktionen zwischen den Molekülen (sie werden ja nur durch van–der–Waals–Kräfte bewirkt) nicht mehr aus, um gegen die thermische Energie zu bestehen, und eine nematische Phase entsteht.

Hohe Temperaturen Die Temperaturen, bei denen Mesophasen auftreten, sind für organische Stoffe sehr hoch. Der Grund ist, dass die Schmelzpunkte sehr hoch sind. Der Grund dafür ist, dass bereits im Kristall starke Interaktionen zwischen den Molekülen stattfinden5. Erst wenn diese Interaktionen überwunden sind, können sich Mesophasen bilden. p–Polyphenyle sind daher für technische Anwendungen ungeeignet. Es wird also darum gehen, zu verstehen, wie sich Mesophasen schon bei niedrigeren Temperaturen bilden. Schwächere Interaktionen werden eine Schlüsselrolle spielen.

Länge oder Länge zu Breite In der Reihe der p–Polyphenyle wird die Länge der Moleküle immer größer, während die Breite (des lattenförmigen Moleküls) und der Radius (des zylinderförmigen, vom Molekül eingenommenen Raums) gleich bleibt. Es ändert sich also nicht nur die Länge der Moleküle, sondern auch das Verhältnis von Länge zu Breite. Und, ist das wichtig ? Man müsste es untersuchen. Aber das ist nicht so leicht.

Im Baumarkt kann man 2 Bretter gleicher Länge kaufen, von denen das eine doppelt so breit ist wie das andere. Aber kann man auch ein Molekül herstellen, dass doppelt so breit ist wie ein anderes ?

Einen Versuch stelle ich vor (nach [43], S. 155). Es ist der Vergleich von p–Sexiphenyl (6) und 2’,3””–Dimethyl–p–Sexiphenyl6(7). Bild 8.17 zeigt einmal die Strukturformeln der beiden Moleküle, darunter ihre Kalottendarstellungen, die die Raumerfüllung besonders gut veranschaulichen. Sie können leicht sehen, dass7nicht auf seiner gesamten Län-ge breiter ist als6. Bedenkt man jedoch, dass diese stabförmigen Moleküle sich schnell

5 Und der Grund dafür ist, dass diese Moleküle einen zylinderförmigen Raum einnehmen, und dass sich solche Zylinder leicht stapeln lassen, fast wie die Streichhölzer in der Schachtel.

6 Die hochgestellten Striche im Namen beziehen sich auf den Abstand des Benzolringes, an dem sich die jeweilige Methylgruppe befindet, vom linken (ersten) Benzolring.

6

H3C CH3

7

Bild 8.17:

p–Sexiphenyl (6) und 2’,3””–Dimethyl–p–Sexiphenyl (7) – Formeln und Molekülansichten.

In den Molekülansichten (oben 6, unten 7) sind die Benzolringe um unterschiedliche Winkel gedreht, um ein realistisches Bild des Moleküls zu erhalten. Die zylinderförmigen Räume, die die beiden Moleküle einnehmen, sind grün markiert. Der Radius des einen ist fast 50 % größer als der des anderen.

um ihre Längsachse drehen, wird klar, dass der zylinderförmige Raum, den7einnimmt, deutlich größer ist als der von6. Dadurch sind die Grundkörper zweier benachbarter Mo-leküle bei7weiter voneinander entfernt als bei6. Als Folge sind sind die gegenseitigen Anziehungskräftezwischen den Grundkörpernbei7geringer als bei6. Die Anziehungs-kräfte zwischen den Seitengruppen (denn das sind die beiden Methylgruppen ja) können das nicht ausgleichen, und man erwartet bei 7 einen niedrigeren Schmelzpunkt7 und einen niedrigeren Klärpunkt als bei6. Und, trifft das zu ?

Hier sind die Phasenübergänge.

p–Sexiphenyl : krist 434 SmA 464 N ca. 500 Zersetzung 2’,3””–Dimethyl–p–Sexiphenyl : krist 263 N 350 Zersetzung

2’,3””–Dimethyl–p–Sexiphenyl hat tatsächlich einen wesentlich niedrigeren Schmelz-punkt als p–Sexiphenyl, und es hat sicher auch einen niedrigeren KlärSchmelz-punkt, obwohl

7 Grund für den niedrigeren Schmelzpunkt sind natürlich die Verhältnisse im Kristall. Die Argumentation ist aber dieselbe. Schon im Kristall werden die Grundkörper durch die Methylgruppen auf Distanz gehalten, und die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen sind geringer.

dieser von der thermischen Zersetzung verdeckt wird. Ob Sie dabei der Begründung von Collings und Goodby in [43] folgen, sollten Sie selbst entscheiden. Ich halte meine Be-gründung aus dem vorigen Absatz für stichhaltig.

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