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Das VSEPR–Modell

Im Dokument Die Struktur der Stoffe (Seite 139-144)

5.8 Induzierte Dipole und Polarisierbarkeit

6.1.1 Das VSEPR–Modell

Das VSEPR–Modell ist ein Modell, mit dem man die räumliche Anordnung von Atomen in einem Molekül erklären (bei bekannten Molekülen) oder vorhersagen (bei noch nicht untersuchten Molekülen) kann.

Was braucht man, um das Modell anwenden zu können ?

Es ist nur eine Hand voll einfacher, leicht zugänglicher Informationen nötig. Sie müssen wissen,

ã welche Atome im Molekül vorhanden sind, ã wieviele Valenzelektronen diese Atome haben, ã zwischen welchen Atomen Bindungen verlaufen,

ã welche Atome freie (einsame) Elektronenpaare tragen, und wieviele das sind.

Damit ist auch eine Grenze des VSEPR–Modells aufgezeigt. Man kann es nur auf Ver-bindungen mit kovalenten und polaren Bindungen anwenden. Die Verhältnisse in Ionen-kristallen oder Metallen kann man damit nicht beschreiben. Mehr über weitere Grenzen des Modells erfahren Sie am Ende dieses Abschnitts, auf Seite 130.

2 Begriffe

C H

H H

H

O

H H

rot : Zentralatom schwarz : Liganden blau : Elektronenpaare

Bild 6.5: Zentralatome und Liganden Zentralatom. Das Zentralatom ist

das-jenige, von dem man wissen will, wie sich andere Atome räumlich darum her-um anordnen, dessen Geometrie man also herausfinden will.

Liganden.Die Liganden sind die Ato-me, die sich um das Zentralatom herum gruppieren.

An den beiden Formeln in Bild 6.5 se-hen Sie, was Zentralatome, Liganden, Bindungselektronenpaare und einsame Elektronenpaare sind.

Die Kernaussage des VSEPR–Modells

Die Elektronenpaare in der Valenzschale eines Atoms stoßen sich gegenseitig ab und

ordnen sich deshalb in möglichst großer Entfernung voneinander an.

Wie kann man mit dem VSEPR–Modell die Geometrie eines Moleküls bestimmen ? 1. Schritt : Die Elektronenpaare bilden einen Polyeder Wo landen die Elektronen-paare eines Atoms, wenn sie sich möglichst weit voneinander entfernen ? Sie kommen an den Ecken eines Polyeders3an.

Und was für Polyeder sind das ? Das kommt darauf an, wieviele Elektronenpaare vor-handen sind.

ã 2 Elektronenpaare stehen einander gegenüber. Das Molekül ist linear gebaut.

ã 3 Elektronenpaare zeigen zu den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks.

ã 4 Elektronenpaare zeigen zu den Ecken eines Tetraeders.

ã 5 Elektronenpaare zeigen zu den Ecken einer trigonalen Bipyramide.

ã 6 Elektronenpaare zeigen zu den Ecken eines Oktaeders.

ã Bei mehr als 6 Elektronenpaaren gibt es mehrere Möglichkeiten, die nicht ohne Weiteres vorhergesagt werden können.

Bild 6.6 zeigt die wichtigsten Polyeder.

2. Schritt : Elektronenpaare in Bindungen und einsame Elektronenpaare unter-scheiden sich Gehören alle Elektronenpaare zu Bindungen (ein Beispiel ist Methan, Bild 6.7, links), so befinden sich alle Liganden an den Ecken eines Polyeders um das Zentralatom. Das Methanmolekül ist also tetraedrisch gebaut.

Sind einsame Elektronenpaare vorhanden, befinden sich an den betreffenden Ecken der Polyeder keine Liganden. Die Moleküle von Wasser und Ammoniak (Bild 6.7, rechts) sind Beispiele dafür.

3. Schritt : Manche Elektronenpaare brauchen mehr Platz als andere Einsame Elektronenpaarebrauchen mehr Platz als Bindungen. Dadurch drücken sie die Bindun-gen etwas zur Seite, und die Polyeder werden verzerrt.

3 Ein Polyeder (griechisch Vielflächner) ist ein Körper, der von ebenen Flächen begrenzt ist. Bei regulären Polyedern sind diese Flächen gleich. Beispiele für reguläre Polyeder sind Tetraeder, Würfel und Oktaeder.

Nichtreguläre Polyeder sind zum Beispiel die trigonale Bipyramide, die quadratische Pyramide oder auch eine sechseckige Säule.

Tetraeder trigonale

Bipyramide Oktaeder Bild 6.6: 3 bekannte Polyeder

Bild 6.7:

Das Methanmolekül (links) hat 4 Bindungen. Das Ammoniakmolekül (rechts) hat 3 Bin-dungen und ein einsames Elektronenpaar.

Die Elektronen von Doppel– und Dreifachbindungen befinden sich an der gleichen Stelle des Polyeders, werden also nur einfach gezählt. Sie brauchen aber mehr Platz als Einfachbindungen. Dadurch drücken sie die anderen Bindungen etwas zur Seite, und die Polyeder werden verzerrt.

Ein paar Beispiele

H C H H

H

Bild 6.8: Methan Methan – Aus der Valenzstrichformel (links

in Bild 6.8) sieht man, dass das Kohlenstoff-atom 4 Elektronenpaare hat. Sie gehören alle zu Bindungen, es gibt keine einsamen Elektro-nenpaare.

Die Elektronenpaare befinden sich an den Ecken eines Tetraeders. Also befinden sich auch die Liganden an den Ecken eines

Tetra-eders. Bild 6.8 zeigt rechts ein Methanmolekül. Die Liganden (Wasserstoffatome) sind an den Ecken eines Tetraeders.

H N H

H

Bild 6.9: Ammoniak

Ammoniak – Wieder sieht man an der Va-lenzstrichformel (Bild 6.9), dass das zentrale Stickstoffatom 4 Elektronenpaare hat. Sie be-finden sich wieder an den Ecken eines Tetra-eders. Nur 3 Elektronenpaare gehören zu Bin-dungen. Die 3 Wasserstoffatome besetzen also die 3 Positionen an der Grundfläche des Tetra-eders (Bild 6.9, rechts).

Das vierte Elektronenpaar ist ein einsames. Es drückt die 3 Bindungen etwas zusam-men. Das Stickstoffatom sitzt an der Spitze einer sehr flachen Pyramide, die Wasserstoff-atome an der Basis.

H O H

Bild 6.10: Wasser

Wasser – Die Valenzstrichformel (Bild 6.10) zeigt 4 Elektronenpaare am zentralen Sauer-stoffatom. Sie sind an den Ecken eines Tetra-eders. 2 davon gehören zu Bindungen. Die bei-den Bindungen zeigen also in 2 Ecken eines Tetraeders (Bild 6.10, rechts).

Die beiden anderen (einsamen) Elektronen-paare drücken die Bindungen zusammen, so dass der Winkel zwischen ihnen kleiner ist als im Ammoniak oder Methan.

Grenzen des VSEPR–Modells

Natürlich hat auch das VSEPR–Modell seine Grenzen. Einige nenne ich hier.

Nur kovalente Bindungen – Die wichtigste Einschränkung bezieht sich auf die Art der Bindung.

Die Geometrie von Molekülen, in denen kovalente Bindungen (Atombindungen) vor-handen sind, beschreibt es (abgesehen von den noch folgenden Einschränkungen) gut.

Moleküle, in denen schwach polare bis mittelmäßig polare Bindungen4vorhanden sind, beschreibt es genauso gut. Die Beispiel aus dem vorigen Abschnitt, Methan, Ammoniak und Wasser gehören dazu.

Die Geometrie von Stoffen, deren kleinste Teilchen durch Ionenbindungen zusammen-gehalten werden, kann es nicht beschreiben. Um genau zu sein : Die Geometrie von

4 Mehr zur Atombindung finden Sie in Kapitel 5.3, mehr zu den polaren Bindungen in den Kapiteln 5.5 und

??.

Stoffen, bei denen man den Zusammenhalt der kleinsten Teilchen korrekt mit dem Mo-dell der Ionenbindung beschreiben kann5, kann das VSEPR–Modell nicht beschreiben.

Der Grund ist, dass die Geometrie hier nicht durch Abstoßung von Valenzelektronen be-stimmt wird, sondern durch die Abstoßung anderer Ionen.

Hauptgruppenelemente am besten – Ein Teil der Forschenden und Lehrenden ist der Meinung, man kann die Geometrie von Moleküle, in denen das Zentralatom ein Ne-bengruppenelement ist, genauso gut beschreiben wie bei Hauptgruppen–Zentralatomen.

Ich denke, dass die Verhältnisse dort zu komplex sind und dass es zu viele Ausnahmen gibt, um geradlinig argumentieren zu können.

Entscheiden Sie selbst (zum Beispiel anhand von [8]), welcher Ansicht Sie zustimmen wollen.

Seltene Fälle – Es gibt eine Reihe weiterer Konstellationen, in denen das VSEPR–

Modell an seine Grenzen stößt, jedoch sind diese von geringerer Bedeutung. Das heißt, es gibt vergleichsweise wenige Moleküle, in denen sie auftreten. Dazu gehören die fol-genden.

ã Können einem Zentralatom 7 oder mehr Valenzelektronenpaare zugeordnet wer-den, lässt sich die Geometrie der Liganden nur eingeschränkt vorhersagen. Grund ist, dass es mehrere Ligandenanordnungen von fast gleicher Stabilität gibt.

ã Sterisch anspruchsvolle Liganden (dazu gehören sehr voluminöse und sperrige, platzverbrauchend geformte) können das Auftreten der eigentlich stabilsten Geo-metrie verhindern.

ã Ist das Zentralatom an delokalisierten Bindungen beteiligt, kann seine Geometrie oft vorhergesagt werden, aber nicht immer.

Wieviele Molekülgeometrien gibt es ?

Etwas mehr als 20. Darunter sind sehr häufig vorkommende, weniger häufige und ziem-lich exotische. Eine Liste gängiger Molekülgeometrien finden Sie im nächsten Abschnitt (Kapitel??).

Bald geht es hier weiter.

5 Mehr zur Ionenbindung finden Sie in Kapitel 5.2, mehr zur Frage, wann man Stoffe mit dem Modell der Ionenbindung beschreiben sollte, in Kapitel 3.7.4.

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