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9. Eine Befragung von DeutschlehrerInnen: zur empirischen Studie

9.4 Stichprobe

Lamnek (2010: S. 351) schreibt, dass bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen für qualitative Interviews häufig informelle Kontakte eine Rolle spielen. Enge Bekannte, FreundInnen oder Verwandte eignen sich nicht als InterviewpartnerInnen, da die Gefahr besteht, dass die Beteiligten befangen sein könnten oder die ForscherInnen ihr Vorwissen über die Befragten in die Auswertung einfließen lassen könnten (vgl.

Keuneke 2005: S. 263).

Für meine Befragung habe ich acht Lehrerinnen aus Kärnten für Einzelinterviews ausgewählt. Der Großteil der Interviewpartnerinnen gehört zu meinem persönlichen Bekanntenkreis – dabei handelt es sich um Lehrerinnen, die ich während meiner Schulzeit und während des Lehramtsstudiums im Zuge von Praktika kennengelernt habe. Der erste Kontakt mit den zu interviewenden Personen erfolgte telefonisch, indem ich sie über mein Forschungsvorhaben informierte. Die Lehrerinnen halfen mir dann durch ihre persönlichen Kontakte weitere Interviewpartnerinnen zu generieren. Auffällig ist, dass alle acht Lehrkräfte, die sich für ein Interview zur Verfügung gestellt haben, weiblich sind. Dies liegt möglicherweise unter anderem daran, dass im Schulwesen Frauen deutlich überwiegen. Aus dem Nationalen Bildungsbericht 2012 (vgl. Bruneforth/Lassnigg 2012: S. 46) geht hervor, dass 80% des Landeslehrpersonals und 60% des Bundeslehrpersonals weiblich sind.

Alle Befragten sind unterschiedlich lang als Lehrerinnen tätig: Die jüngsten der befragten Lehrerinnen haben fünf Jahre Berufserfahrung, die älteste 34. Für die Lehrerinnen wurden in den Transkripten die Abkürzung ‚Lehr’ sowie eine fortlaufende Ziffer verwendet, um die erhobenen Daten zu anonymisieren. Direkte Zitate aus den Interviews werden im Text kursiv gesetzt.

Bei der ersten Interviewperson (Lehr1) handelt es sich um eine Lehrerin, die seit sechs Jahren an einer NMS und BHS Deutsch unterrichtet. Bereits davor konnte sie mit ihren Zweit- und Drittfächern Englisch und Italienisch Unterrichtserfahrung sammeln. Die Lehrperson sieht Deutsch als Grundlage für alle Fächer und weiß vor allem die Vielfalt des Faches Deutsch zu schätzen – nicht nur Literatur und der Umgang mit Sprache generell, sondern auch das Üben von Präsentationen ist für sie von Bedeutung. Ihre Erwartungen an den Lehrberuf haben sich, wie sie sagt, bestätigt, da sie durch ihre bereits gesammelte Schulerfahrung genau wusste, was

auf sie zukommt. Derzeit unterrichtet sie in zwei achten Schulstufen sowie in einer neunten Schulstufe Deutsch.

Die zweite Interviewpartnerin (Lehr2) wollte eigentlich Volksschullehrerin werden, hat sich aufgrund der schlechten Aussicht auf einen Job aber umorientiert.

Sie entschied sich für die Fächer Deutsch und Italienisch, da ihr diese schon in der Schule gut gefallen haben. Ein weiterer Grund für ihre Entscheidung war ihr Ehrgeiz, es besser zu machen als ihr eigener Deutschlehrer, dessen Unterricht fast ausschließlich aus Literaturunterricht bestand und bei dem sie viel auswendig lernen und reproduzieren musste. Die Lehrerin unterrichtet nun seit 24 Jahren und findet es sehr schwierig „diesen Spagat [zu] schaffen zwischen Textsortentraining einerseits, Literaturkompetenzen schulen andererseits und der dritten Achse – nämlich auch jetzt der menschlichen Weiterbildung“ (Lehr2: 34ff.)9. SchülerInnen der fünften sowie der zehnten und zwölften Schulstufe werden in diesem Schuljahr von ihr im Fach Deutsch unterrichtet.

Bei der dritten Interviewten (Lehr3) handelt es sich um eine junge Lehrerin, welche seit sechs Jahren als Deutsch- und Slowenischlehrerin an einer AHS tätig ist.

Ihre Wahl fiel trotz fehlender Vorkenntnisse auf Slowenisch, weil sie sich mit diesem Fach bessere Einstellungschancen versprach. Die Lehrerin hebt aber hervor: „Also man kann nicht einfach irgendein Fach nehmen, einfach nur aus Berufsgründen oder Anstellungsgründen, sondern man muss schon ein Interesse haben, ja. Und so bin ich zu Deutsch gekommen“ (Lehr3: 16-19). Sie sagt, dass sie sich den Lehrberuf anders vorgestellt hat, ist aber trotzdem gerne Lehrerin. Kritisch sieht sie, dass man an der Uni zu wenig auf die Praxis vorbereitet wird. Lehrerin 3 unterrichtet in diesem Schuljahr SchülerInnen der fünften, achten und zwölften Schulstufe.

Die vierte Befragte (Lehr4) unterrichtet bereits seit 1982. Ihr Grund damals Deutschlehrerin zu werden, war ein sehr praktischer, nämlich der Gedanke, dass

„Deutsch und Englisch [...] zwei Gegenstände [sind], die an allen Schulen unterrichtet werden“ (Lehr4: 9f.). In diesem Schuljahr unterrichtet sie im Fach Deutsch SchülerInnen der siebten, achten, elften und zwölften Schulstufe.

Aus Sicht der fünften Lehrerin (Lehr5) ist der Lehrberuf ein sehr familienfreundlicher Beruf, und sie nimmt die Schule als einen angenehmen Lebensraum wahr. Dies waren, neben dem Wunsch mit Kindern und Jugendlichen

9 Die den direkten Zitate aus den Interviews angehängten Kürzel sind folgendermaßen zu lesen: Das Kürzel ‚Lehr’ und die fortlaufende Nummer verweisen auf die jeweilig befragte Lehrerin. Die Zahlen nehmen Bezug auf die nummerierten Zeilen der im Anhang angeführten Interviews.

zu arbeiten, auch ihre Beweggründe, den Lehrberuf einzuschlagen. Nach dem Probejahr war sie einige Jahre ohne Anstellung. Vor 15 Jahren hat sie dann begonnen zu unterrichten. Ihre Erwartungen an den Beruf haben sich ihren Aussagen zufolge zum größten Teil erfüllt. Die von Lehrerin 5 unterrichteten SchülerInnen besuchen die sechste, siebte, achte, neunte sowie zehnte Schulstufe.

Die Begeisterung für die deutsche Sprache und die Liebe zum Lesen waren für die sechste Interviewpartnerin (Lehr6) zwei von vielen Gründe, Lehrerin zu werden. Mittlerweile hat die junge Deutsch- und Slowenischlehrerin sechs Jahre Unterrichtserfahrung an einer NMS und einer BHS sammeln können. Mit Begeisterung spricht sie über ihr engagiertes und nettes KollegInnenteam und die netten SchülerInnen, welche dazu beitragen, dass sich ihre Erwartungen an den Lehrberuf durchwegs erfüllt haben. Lehrerin 6 unterrichtet im Fach Deutsch Klassen von der fünften bis zur achten Schulstufe.

Die berufliche Laufbahn der siebten Lehrerin (Lehr7), die von ihrer Deutschlehrerin dazu inspiriert wurde, Deutsch auf Lehramt zu studieren, begann vor fünf Jahren an einer AHS. Ihre ersten Jahre als Lehrerin empfand sie als sehr schwierig. Grund dafür war, „dass man eigentlich im Studium anders vorbereitet wurde und dass (lacht) sich das [...] eigentlich total gewandelt hat. Und äh teilweise man das vom Studium überhaupt nicht eins zu eins einsetzen kann“ (Lehr7: 21-24).

Mittlerweile sei sie aber in den Beruf hineingewachsen. SchülerInnen der sechsten, achten und zwölften Schulstufe werden in diesem Schuljahr von Lehrerin 7 im Unterrichtsfach Deutsch unterrichtet.

Die achte und letzte Interviewpartnerin (Lehr8) hat die meiste Unterrichtserfahrung. Sie unterrichtet seit 34 Jahren an einer AHS und leitet nebenher die Schulbibliothek. Für das Lehramt Deutsch entschied sie sich damals aus Interesse zum Gegenstand selbst und aus Liebe zur Literatur, aber auch der Wunsch, den SchülerInnen die deutsche Sprache näherzubringen, bewegte sie dazu. Sie erachtet es für wichtig, den SchülerInnen das Kulturgut der Literatur, bei dem es sich für sie in erster Linie um eine Kunstform handelt, näherzubringen. Aus den Aussagen der Lehrerin geht hervor, dass sie sich schon immer sehr für die Schule eingesetzt hat. Im Laufe der Jahre besuchte sie zahlreiche Seminare und absolvierte einige pädagogische Zusatzausbildungen. Seit zwei Jahren leitet sie nun die Schulbibliothek der über 200 Jahre alten Schule. Sie schätzt die Aufgaben von DeutschlehrerInnen als sehr schwierig ein. Verantwortlich dafür macht sie die

digitalen Medien und dass die Kinder immer weniger lesen. Sie selbst unterrichtet in diesem Schuljahr SchülerInnen der achten und elften Schulstufe.

9.5 Inhalt und Aufbau der problemzentrierten Leitfadeninterviews