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Ziel der vorliegenden Diplomarbeit war es, herauszufinden, nach welchen Kriterien DeutschlehrerInnen Bücher, insbesondere KJL, für ihre SchülerInnen auswählen. Es stellte sich die Frage, wie LehrerInnen damit umgehen, dass SchülerInnen andere Erwartungen an das Buchlesen haben, als sie selbst. Dazu sollte mit Hilfe der Fachliteratur zunächst eine Basis zu den Grundlagen der Lesedidaktik und speziell zum Lesen im Deutschunterricht geschaffen werden.

Aufbauend auf die Fachliteratur wurde eine empirische Studie durchgeführt.

Bei dieser handelte es sich um eine auf problemzentrierten Leitfadeninterviews basierende Befragung von acht Lehrerinnen aus Kärnten. Durch die persönlichen Interviews mit den Lehrerinnen sollten ein Eindruck über das Lesen in der Schule gewonnen und die Forschungsfragen beantwortet werden.

Die Forschungsfragen meiner Diplomarbeit lauteten:

• Wie schätzen LehrerInnen die Lesemotivation ihrer SchülerInnen ein und wie gehen sie vor, um diese zu verstärken?

• Welche Position nimmt Lesen im Deutschunterricht ein? Wie wichtig ist Lesen aus Sicht der LehrerInnen?

• Nach welchen Kriterien wählen sie Bücher für den Deutschunterricht aus?

Welche Kriterien beziehen sie bei der Auswahl ein?

• Nehmen LehrerInnen Kritik von SchülerInnen, Eltern und KollegInnen an der Buchauswahl wahr?

Ziel der Befragung war es vielmehr einen Einblick in den Unterrichtsalltag der acht befragten Lehrerinnen gewährt zu bekommen, als generell gültige Ergebnisse zu liefern. Denn dies wäre aufgrund der geringen Stichprobe nicht möglich.

Die Ergebnisse zu den einzelnen Forschungsfragen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Lesemotivation von SchülerInnen

Die Lesemotivation von SchülerInnen wird von den befragten Lehrerinnen sehr unterschiedlich eingeschätzt. Alle LehrerInnen beschreiben aber einen Motivationsrückgang am Ende der Kindheit – zwischen zehn und zwölf Jahren.

Dieser kann damit begründet werden, dass Kinder und Jugendliche zu dieser Zeit eine „Lesekrise“ durchleben, die Graf (2007: S. 87) als „literarische Pubertät“

bezeichnet. Zu dieser kommt es unter anderem deshalb, weil sich Jugendliche mit

der kindlichen Literatur nun nicht mehr identifizieren können und die bisherigen Lesestoffe uninteressant werden (vgl. Daubert 2009: S. 85). Verantwortlich für diese Lesekrise machen die befragten Lehrerinnen den Einfluss der digitalen Medien sowie die Buchauswahl im Deutschunterricht. Diese Einschätzung der Befragten kann durch die Fachliteratur bestätigt werden: Böck (2002: S. 36) schreibt, dass sich Jugendliche in der Zeit der Lesekrise statt mit Büchern lieber mit Bildschirmmedien beschäftigen. Motivationsprobleme tauchen laut Graf (2007: S. 160) in der Sekundarstufe aber auch deshalb auf, weil zwischen der lustvollen Privatlektüre von Kindern und Jugendlichen und der interpretierenden, analytischen Schullektüre ein Widerspruch entsteht. Aus der Schilderung der Lehrerinnen geht hervor, dass sie zur Stärkung der Lesemotivation sehr vielfältige Methoden anwenden: Neben der Buchauswahl, bei der sie auch Freizeitinteressen der SchülerInnen miteinbeziehen, führen sie einige leseanimierende Verfahren wie das Erstellen von Bücherkisten, den Besuch von AutorInnenlesungen oder die Beschäftigung mit der Verfilmung eines Werkes an.

Lesen im Deutschunterricht

Alle LehrerInnen schreiben dem Lesen in ihrem Deutschunterricht eine besondere Bedeutung zu. Stellvertretend für alle Lehrerinnen soll Lehrerin 8 zitiert werden, welche die Aussagen aller Befragten auf den Punkt bringt, indem sie sagt: „Ein Deutschunterricht ohne Leseunterricht [...] geht [...] nicht“ (Lehr8: 445f.). Die Lehrerinnen betrachten Lesen als Grundlage für alles weitere und versuchen daher so oft wie möglich, diese Kulturtechnik in ihren Unterricht zu integrieren.

Lesesequenzen, Lesetandems zur Förderung der Lesekompetenz und rotierende Lesestunden sind Teil ihres Unterrichts.

Ihres Erachtens nimmt die Schule zwar einen wichtigen Einfluss auf die Lesesozialisation, kann Defizite der Lesesozialisationsinstanz Familie jedoch nicht wettmachen. Dies wird auch durch die Fachliteratur bestätigt: Pieper et al. (2004: S.

12) schreiben beispielsweise, dass es der Schule nur schwer gelingt, familiäre Mängel auszugleichen. Rosebrock (2003: S. 163) sagt, dass das Schulfach Deutsch und besonders der Literaturunterricht nach der Familie den zweitmeisten Einfluss auf die Lesesozialisation hat.

Böck und Wallner-Paschon (2002b: S. 44) fanden heraus, dass in der Schule oft keine anderen Lesemedien als Bücher verwendet werden. Medien wie Zeitschriften, Zeitungen oder das Internet, die einen hohen Stellenwert in der Freizeit

der Jugendlichen einnehmen, werden in das schulische Lesen oft nicht eingebunden (vgl. ebd.). Auf die Frage, was in ihrem Deutschunterricht gelesen wird, antworten die Lehrerinnen: Texte aus Lesebüchern oder Zeitungen, Ganzschriften, Zeitschriften, wie Topic oder Jö und Kinder- und Jugendbücher. Sie lesen also nicht nur Bücher, sondern greifen auch zu Zeitschriften und Zeitungen, die laut Befunden aus der Fachliteratur im Unterricht meist eher gemieden werden. In der Sekundarstufe I werden von den befragten LehrerInnen als Ganzschriften ausschließlich Kinder- und Jugendbücher gelesen.

Bücher im Deutschunterricht

Schon der Titel dieser Diplomarbeit Das Lesen von Büchern im Deutschunterricht.

Nach welchen Kriterien wählen DeutschlehrerInnen Bücher für ihre SchülerInnen aus? verweist darauf, dass das Hauptziel dieser Diplomarbeit darin lag, in Erfahrung zu bringen, nach welchen Kriterien LehrerInnen Bücher für den Deutschunterricht auswählen. Mit Hilfe der problemzentrierten Leitfadeninterviews sollte in Erfahrung gebracht werden, wie LehrerInnen damit umgehen, dass SchülerInnen andere Erwartungen an das Buchlesen haben, als sie selbst.

Aus der Fachliteratur (vgl. Kaufmann 2015: S. 76) geht hervor, dass die Interessen der SchülerInnen bei der Textauswahl kaum einbezogen werden.

Kaufmann (2015: S. 76) schreibt, dass sich Kinder und Jugendliche unabhängig von Geschlecht und Altersstufe vorrangig phantastische Literatur wünschen. Bei einer Untersuchung von Böck (2000: S. 155) nennen 8- bis 12-Jährige folgende Erwartungen an ein Buch: „spannend“, „lustig“, „einfach zu lesen“ und „nicht zu dick“.

Die 12- bis 14-Jährigen wünschen sich Spannung und die Möglichkeit, sich in ein Buch hineinversetzen zu können (vgl. ebd. S. 155f.). Kinder lesen in ihrer Freizeit hauptsächlich fiktionale und fantastische Literatur. Wenn sie nach ihren bevorzugten Genres gefragt werden, favorisieren sie vor allem Literatur, in der Abenteuer geschildert werden und solche, die phantastische Elemente aufweist (vgl.

Plath/Richter 2012: S. 492).

Fast alle befragten Lehrerinnen geben an, dass sie die SchülerInnen bei der Buchauswahl miteinbeziehen und ihren Interessen nachkommen. Für sie ist es nicht das wichtigste, dass Bücher immer „hochliterarisch“ (Lehr3: 147) sind, sondern dass sie den SchülerInnen gefallen. Die Beschreibung von Lehrerin 6, wie ein Buch für den Deutschunterricht sein sollte, kommt den Erwartungen von SchülerInnen schon sehr nahe: „Ein Buch für den Deutschunterricht sollte die Kinder fesseln. Es soll

einfach für sie interessant sein. [...] Sie sollen in eine Phantasiewelt eintauchen und einfach die deutsche Sprache mögen“ (Lehr6: 283-286). Aus den Interviews geht hervor, dass es den LehrerInnen wichtig ist, die Interessen der SchülerInnen bei der Buchauswahl miteinzubeziehen und es scheint so, als ob die LehrerInnen gut darüber Bescheid wissen, was SchülerInnen gerne lesen. Durch das Einbeziehen der SchülerInnen in die Buchauswahl versuchen sie zu gewährleisten, dass die ausgewählten Bücher den SchülerInnen gefallen. Sie sind sich aber auch dessen bewusst, dass „es immer Sachen [gibt], die einem gefallen und dem anderen nicht“

(Lehr4: 541f.). Metzger (2004: S. 152) schreibt, dass es ein Buch, das allen SchülerInnen einer Klasse gefällt, nicht gibt. Die Lehrerinnen sind aber bemüht, dass die SchülerInnen ihre Interessen so oft es geht, in den Deutschunterricht einbringen können – sei es durch Buchvorstellungen, durch Vorschläge für die Buchauswahl oder durch die Entscheidung für ein Buch aus mehreren Vorschlägen seitens der Lehrerinnen.

Runge (1996, zit. nach Gölitzer 2007: S. 213) schreibt, dass LehrerInnen häufig zu „Problemtexten“ – zu Texten, in denen Probleme der Heranwachsenden im jeweiligen Alter der Klasse thematisiert werden – greifen. So auch die befragten Lehrerinnen: Sie suchen Kinder- und Jugendbücher häufig so aus, dass sie im Unterricht über längere Zeit hinweg zum Thema arbeiten können. Alle acht Lehrerinnen finden es praktisch, aufgrund der Lektüre ein gemeinsames Thema zu haben, zu welchem Aufgaben gegeben werden können und welches vielleicht sogar die Grundlage der nächsten Schularbeit bilden kann. Sogenannte „Problembücher“

werden passend zur jeweiligen Klassensituation ausgewählt, um die SchülerInnen für gewisse Themen zu sensibilisieren. Zwei Lehrerinnen weisen aber explizit darauf hin, dass sie auf „Extremthemen“ (Lehr1: 385) verzichten, da die Gefahr besteht, die Kinder mit solchen Themen abzuschrecken. Thematisch versuchen sich die Lehrerinnen immer an aktuellen Ereignissen zu orientieren oder sich mit KollegInnen anderer Fächer abzusprechen.

Die interviewten LehrerInnen versuchen Literatur zu nutzen, die an der Schule vorhanden ist: „Wenn ich es habe, dann nutze ich es aus“ (Lehr4: 403), sagt Lehrerin 4. Neben der Verfügbarkeit von Lesemedien an der Schule beziehen sie bei der Auswahl Faktoren wie das Lesealter, das Geschlecht und den Migrationshintergrund von SchülerInnen mit ein. Fenkart (2007: S. 64) geht davon aus, dass LehrerInnen den SchülerInnen ein möglichst breites Angebot an unterschiedlichen Textsorten

machen sollten, sodass Klassenlektüre und Leselisten die Bedürfnisse beider Geschlechter erfüllen. Dies versuchen auch die befragten Lehrerinnen. Sie lesen keine typischen „Mädchen- und Jungenbücher“, um die Lesemotivation des jeweils anderen Geschlechts nicht negativ zu beeinflussen. Nur Lehrerin 8 vertritt die Ansicht, dass zwischen den Geschlechtern keine expliziten Unterschiede gemacht werden müssen. Sie sagt, dass es für Jungen lehrreich sein kann, einmal ein

„Mädchenbuch“ zu lesen und umgekehrt. Generell nehmen die Lehrerinnen die Suche nach einem Buch für Jungen als schwieriger wahr als die nach einem

„Mädchenbuch“. Dazu schreiben Schilcher und Hallitzky (2004: S. 125), dass im Deutschunterricht eher Inhalte behandelt werden, die Mädchen ansprechen.

Ferner orientieren sich die befragten Lehrerinnen bei der Buchauswahl an AutorInnen oder an Veranstaltungen und dem Internet. Beispielsweise war einmal eine Autorenlesung ausschlaggebend für die Wahl eines Buches. Österreichische AutorInnen und internationale BestsellerautorInnen sollen im Unterricht der Befragten von Zeit zu Zeit Eingang finden.

Darüber hinaus greifen sie manchmal zu Büchern, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben. Wenn ein Buch in einer Klasse gut ankam, heißt das aber noch lange nicht, dass es in der nächsten Klasse ebenso gut funktionieren kann. Daher richten sich die Lehrerinnen vorwiegend nach der Klasse selbst. Außerdem vertreten sie die Ansicht, dass nicht immer dieselben Bücher gelesen werden können, denn mit der Zeit werden diese selbst für die Lehrpersonen langweilig. Daher ist es ihnen wichtig auf einem relativ aktuellen Stand zu sein, was den Bereich der KJL betrifft. Da es nicht so einfach ist, auf dem großen Gebiet der KJL den Überblick zu bewahren, holen sie sich häufig Tipps bei KollegInnen oder bei den LeiterInnen der Schulbibliotheken. Diese können den Lehrerinnen besonders gut weiterhelfen, da sie in der Regel belesen und auf dem neuesten Stand sind.

Zeitweise empfehlen sogar LehrerInnen ihren SchülerInnen Bücher, obwohl sie sich dessen bewusst sind, dass „die Geschmäcker von Erwachsenen und die Geschmäcker [...] von Jugendlichen [...] manchmal sehr weit auseinander (sind)“

(Lehr4: 151f.). Gelegentlich werden die SchülerInnen einfach mit Büchern „beglückt“

(Lehr2: 288).

Neben der Buchauswahl selbst, soll auf die Beschäftigung mit Literatur im Unterricht der befragten Lehrerinnen eingegangen werden: Texte bzw. (Kinder- und Jugend-)Bücher müssen von SchülerInnen vorwiegend zuhause gelesen werden, da

dafür im Unterricht meist zu wenig Zeit bleibt. Die Beschäftigung mit Literatur findet immer langfristig statt. Grundsätzlich wird mit einem Buch über mehrere Monate gearbeitet. Bei der Beschäftigung mit Literatur stehen leseanimierende Verfahren, wie das Erstellen von Lesekisten, das Vorstellen von Büchern oder kreative Aufgaben im Mittelpunkt. In der ersten Stunde, in der das Buch ausgeteilt wird, arbeiten die Lehrerinnen fast immer gemeinsam mit ihren SchülerInnen zum Buch, um ihr Vorwissen zu aktivieren. Aufgaben zum Cover, zum Titel oder zum Thema des Buches stehen während dieser Unterrichtsstunde im Mittelpunkt. Danach macht eine Vielfalt an Aufgaben den Unterricht der Lehrerinnen aus: Das Erstellen von Lesemappen oder Lesetagebüchern, das Anschauen von Filmen uvm. sind Teil der Arbeit mit Literatur.

Kritik an der Buchauswahl der Lehrerinnen

Die Lehrerinnen erzählen, dass die SchülerInnen mit ihrer Buchauswahl größtenteils zufrieden sind – Kritik kommt eher selten vor. Kritische Kommentare seitens der SchülerInnen sind zwar erlaubt, müssen gegenüber den Lehrerinnen aber (immer) begründet werden, denn selbst eine nicht geglückte Buchauswahl kann – so die Einschätzung der Lehrerinnen – lehrreich sein.

Wenn sich die Eindrücke der LehrerInnen mit denen der SchülerInnen decken und sie auch finden, dass ein Buch unpassend ist, kann es schon vorkommen, dass das Lesen gestoppt und das Buch wieder zurückgetragen wird. Solch eine Entscheidung wird damit begründet, dass es nicht Ziel ist, die Kinder vom Lesen abzuschrecken.

Kritik seitens der Eltern und KollegInnen kommt – so die befragten Lehrerinnen – nur selten vor. Wenn doch, wird diese zwar zur Kenntnis genommen, jedoch ist und bleibt das höchste Ziel der Lehrerinnen, die Erwartungen der SchülerInnen zu erfüllen. Wenn diese zufrieden sind, ändern die Lehrerinnen nichts an ihrer Auswahl, trotz Kritik seitens KollegInnen oder Eltern.

Abschließend möchte ich festhalten, dass die Befragung der acht Lehrerinnen zwar zeigte, dass SchülerInnen und LehrerInnen unterschiedliche Erwartungen an das Lesen von Kinder- und Jugendbüchern stellen. Aus den Aussagen der Lehrerinnen ging aber hervor, dass sie gut über die Vorlieben von Kindern und Jugendlichen Bescheid wissen und sich große Mühe geben, diese im Unterricht zu berücksichtigen

– in erster Linie, um bei den SchülerInnen Lesefreude hervorzurufen, was als höchstes Ziel der Lehrerinnen genannt werden kann.