• Keine Ergebnisse gefunden

Teil I: Organisatorische Ebene

5 Lehrbetriebsverbünde: Flexibilisierte Berufsbildung im

5.1 Lehrbetriebsverbünde als dezentrale und flexible Form der

5.1.2 Spednet

Spednet ist ein Lehrbetriebsverbund in der Speditions- und Logistikbranche, welcher ebenfalls seit gut zehn Jahren existiert. Spednet bildet vierzig Ler-nende in rund vierzig Mitgliedsfirmen aus. Der größte Teil der LerLer-nenden wird im Beruf „Kauffrau/Kaufmann EFZ Internationale Speditionslogistik“

ausge-bildet. Daneben bietet der Verbund auch die beiden branchenneutralen Ausbil-dungen „Kauffrau/Kaufmann EFZ Dienstleistung und Administration“ sowie

„Büroassistentin/Büroassistent EBA“ an. Im Gegensatz zu Transportnet, an welchem vorwiegend Großunternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeiten-den beteiligt sind, richtet Spednet sein Angebot explizit an klein- und mittel-ständische Unternehmen.

Gründungskontext: Fachkräftemangel und erschwerte Ausbildungsbedingungen

Obschon ebenfalls privatwirtschaftlich initiiert, wurde Spednet nicht von ei-nem Unternehmen gegründet, sondern von einer regionalen Sektion des Bran-chenverbands. Um die Jahrtausendwende zeichnete sich ab, dass innerhalb der Speditionsbranche ein Fachkräftemangel bestand. Insbesondere kleinen Spe-ditions- und Logistikunternehmen der Region fiel es zunehmend schwer, auf dem Arbeitsmarkt qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren. Der Fachkräfteman-gel ließ sich unter anderem darauf zurückführen, dass die lokalen Speditions-betriebe jahrelang zu wenige Lernende ausgebildet hatten, um genügend qua-lifizierten Nachwuchs für die Branche zu garantieren.

Der Branchenverband erkannte, dass dieses Problem durch die bevorste-hende Reform der kaufmännischen Grundbildung im Jahr 2003 noch ver-schärft werden würde: Infolge der neuen Ausbildungsauflagen hätten Klein- und Mittelbetriebe tendenziell „keine Chance mehr, einen Lehrling auszubil-den“, weil der Aufwand zu groß sei oder weil die Betriebe die in der Bildungs-verordnung geforderten Tätigkeitsbereiche nicht abdecken könnten (Vertre-tung Leitorganisation; P1: 82). So entschied der Branchenverband der Region, einen Lehrbetriebsverbund ins Leben zu rufen, welcher es Klein- und Mittel-betrieben weiterhin ermöglichen sollte, Berufslernende auszubilden. Das aus-drückliche Ziel Spednets war, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der erschwerten Ausbildungsbedingungen möglichst viele Lehrstellen zu erhalten bzw. neu zu schaffen.

Beteiligungsmotive der Ausbildungsbetriebe

Der Fachkräftemangel und die in der Folge der KV-Reform verschärften Aus-bildungsbestimmungen – die beiden Faktoren, welche zur Gründung von Spednet führten – sind auch zwei der Grundthemen in den Narrativen der Aus-bildungsbetriebe. So berichten mehrere Betriebe, dass sie zu dieser Zeit erheb-liche Schwierigkeiten gehabt hätten, offene Stellen zu besetzen. Die Erkennt-nis, dass der Fachkräftemangel ganz konkret auch die Zukunftsperspektiven des eigenen Betriebs betrifft, hatte viele der Verbundbetriebe dazu motiviert, Spednet beizutreten:

Wir waren letztes Jahr wieder auf Personalsuche und haben festgestellt, wie schwierig es eigentlich im Markt ist. Und man kann sich nicht beklagen über die Situation und selbst nichts dagegen tun. Das ist ganz klar. Und von daher engagieren wir uns da, auch wenn wir ganz klar sagen, wir tun uns selbst was Gutes, langfristig. (Vertretung Ausbildungs-betrieb; P1: 528)

Der Interviewpartner betont, dass man in der Speditionsbranche auf den Aus-bildungsverbund angewiesen sei, um das Nachwuchsproblem zu lösen, und dass jeder Betrieb „seinen Teil dazu beitragen muss“ (P1: 1167). Würde der Markt „immer Unmengen an Personal produzieren, ohne dass man etwas dazu beitragen müsste“, dann gäbe es den Lehrbetriebsverbund nicht (P1: 1167).

Ein anderer Interviewpartner erzählt, dass sein Betrieb früher selbst Ler-nende ausgebildet habe, von denen heute noch einige im Betrieb angestellt seien. Vor einigen Jahren habe man jedoch die Lernendenausbildung sistiert.

Nun, da man für den betrieblichen Nachwuchs nicht mehr auf eigene Lernende zurückgreifen konnte, sondern auf den offenen Arbeitsmarkt angewiesen war, erkannte man, dass sich die Suche nach geeigneten Fachkräften als unerwartet schwierig gestaltete. Als der Betrieb von Spednet darauf angesprochen wurde, dem Verbund beizutreten, kam dies „wie gerufen. Damit wir da selbst auch wieder ausbilden können und schauen, dass der eigene Nachwuchs herange-zogen werden kann“ (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P3: 47).

Ein weiterer Ausbildungsbetrieb berichtet, dass er bis zur Gründung von Spednet selbst Speditionskaufleute ausgebildet habe. Im Zuge der KV-Reform war die selbstständige Ausbildung von Lernenden vom Betrieb allerdings nicht mehr zu bewältigen und er schloss sich dem Lehrbetriebsverbund an:

[Die KV-Reform] hat zu einem sehr hohen Aufwand geführt und hat zu dem Zeitpunkt sehr viele Kleinunternehmen, wie wir das sind, einfach dazu geführt, dass man sich [aus der Lernendenausbildung] zurückgezogen hat. Weil das ist einfach nicht möglich. […]

Das gesamte Ausbildungsprogramm musste neu erstellt werden, mit den üKs, mit den ALS-Einheiten und und und. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P11: 62)

Betriebliche Spezialisierung verhindert eigenständige Ausbildung

Obwohl die Speditionsbranche nicht dem industriellen Sektor, sondern dem Dienstleistungsbereich angehört, weist sie in vieler Hinsicht Merkmale des postfordistischen Produktionsmodells der flexiblen Spezialisierung auf. Dieses Produktionsmodell ist dadurch charakterisiert, dass die Erzeugung von Pro-dukten bzw. Dienstleistungen auf mehrere flexibel vernetzte Klein- und Mit-telbetriebe aufgeteilt ist, welche auf jeweils einen Teil der Wertschöpfungs-kette bzw. des Produktionsablaufs spezialisiert sind. Gemäß dem wirtschafts-wissenschaftlichen Diskurs erlaubt es diese flexibel vernetzte Arbeitsorgani-sation, an variable Kundenbedürfnisse angepasste Produkte und Dienstleistun-gen in hoher Qualität, effizient und zeitnah zu erarbeiten (Ben, 2013, S. 65).

Die Speditionsbranche besteht zu einem großen Teil aus Klein- und Mit-telbetrieben, welche auf spezifische Bereiche des Speditionsprozesses (u.a.

Transportmittel, Gütergruppen und/oder Regionen) spezialisiert sind und in re-gionalen sowie globalen Netzwerken agieren. Die Speditionsunternehmen sind

„untereinander sehr eng verknüpft“ (P3: 311), da die wenigsten Betriebe „al-les von A bis Z anbieten können“ (P3: 315). Die flexible, vernetzte und spezi-alisierte Struktur vieler Speditionsunternehmen wird im folgenden Zitat eines der Ausbildungsbetriebe deutlich:

Wir sind ein typischer Vertreter aus dem Speditionslogistikbereich, mit einem Mitarbei-terbestand im Bereich von fünf bis zehn Leuten. (…) Und das ist eigentlich die Welt, wie sie sich heute in der Schweiz darstellt, in unserer Branche. Wir sind natürlich als kleine Firma spezialisiert auf gewisse Bereiche. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P11: 38)

Ein Hauptmerkmal der flexiblen Spezialisierung sind Kooperation und Kon-kurrenz über die Firmengrenzen hinweg. Häufig wird die Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz mittels einer steuernden Organisation (u.a. Ver-bände und Ausbildungseinrichtungen) erreicht (Herrigel, 2013, S. 223). Im vorliegenden Fall der Speditionsbranche übernehmen der Branchenverband und der Lehrbetriebsverbund diese steuernde und stabilisierende Rolle:

Über die Konkurrenz hinaus ist eigentlich sehr viel, wie soll ich sagen, Kollegialität in dieser Branche. Ich meine, jeder kennt jeden. (…) [Im Branchenverband] legen wir auch zusammen fest, was geben wir als Einstiegsgehalt für Leute, die ausgelernt haben. (…) Es geht nicht darum, dass man im Wettbewerb ist, sondern man [ist], ich sage mal, in einer friendly competition auf eine gewisse Art. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P1:

1139)

Die dezentrale und vernetzte Produktionsweise stellt hohe qualifikatorische Anforderungen an die Angestellten. Die Interviewpartnerinnen und Inter-viewpartner sind sich einig, dass der Tätigkeitsbereich der Speditionskaufleute aufgrund der technologischen und organisatorischen Entwicklungen der letz-ten zwanzig Jahre heute sehr viel anspruchsvoller geworden sei:

Alle einfachen Sachen sind automatisiert oder durch klare Prozesse gesteuert. Der [Ar-beitsinhalt] der Mitarbeitenden geht eigentlich immer mehr in Richtung Exception-Ma-nagement, in Richtung Problemlösung. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P1: 801).

Das Produktionsmodell der flexiblen Spezialisierung mag spezifische Wettbe-werbsvorteile auf dem globalen Markt implizieren. Es stellt jedoch zugleich das in der Schweiz institutionalisierte Berufsbildungsmodell vor große Her-ausforderungen: Die Aufsplittung des Speditionsprozesses auf eine Vielzahl flexibel vernetzter Firmen erschwert die Ausbildung der zukünftigen Spediti-onskaufleute, denn das komplette Tätigkeitsspektrum des Berufsprofils wird nur noch von wenigen Großbetrieben abgedeckt. Dies hat weitreichende Kon-sequenzen für die Ausbildung des Branchennachwuchses:

[Wir beteiligen uns an der Verbundausbildung], weil wir zu klein sind. In der Spedition haben wir so viele Branchen, wie Flugfracht, wie Container, wie Rheinschifffahrt, wie Übersee, wie LKW-Verkehr, Post, Bahn etc. Und wir sind ein kleiner Betrieb. (…) Wir können gar nicht alles ausbilden. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P5: 54)

Wir sind hauptsächlich in der Rheinschifffahrt und der Lagerung tätig, und das ist eine relativ einseitige Sache. Also Luftfracht oder das Spediteurwesen generell, das lernt man bei uns nicht. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P3: 63)

Die Bildungsverordnung für den Beruf „Kauffrau/Kaufmann Internationale Speditionslogistik“ definiert, dass die Ausbildung das gesamte Tätigkeits-spektrum des Berufs abdecken muss. Dazu gehören die vier verschiedenen Verkehrsträger (Schienen- und Strassengüterverkehr, Luftfracht, Binnen- und Seeschifffahrt) sowie weitere Bereiche wie Zollwesen und Gefahrgut. Damit eine Firma die Bewilligung zur Ausbildung Lernender erhält, muss sie all diese unterschiedlichen Fachbereiche abdecken können. Wie oben beschrieben wurde, sieht die Realität der Branche jedoch so aus, dass viele, insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen auf wenige dieser Tätigkeitsbereiche spe-zialisiert sind. Da diese Betriebe nicht das gesamte Ausbildungsspektrum des Berufs ausbilden können, erhalten sie keine Bildungsbewilligung. Sie könnten Lernende zwar in den branchenneutralen Grundprofilen „Büroassistentin/Bü-roassistent (EBA)“ oder „Kauffrau/Kaufmann EFZ Dienstleistung und Admi-nistration“ ausbilden, was jedoch nicht den betrieblichen Erfordernissen ent-spricht, denn für den zukünftigen Betriebsnachwuchs werden Speditionskauf-leute benötigt:

Sie könnten ausbilden, aber nur branchenneutral, das heisst D & A. Für das hätten sie genug. (Vertretung Leitorganisation; P3: 181)

Hier bietet sich der Lehrbetriebsverbund als Lösung an. Im Verbund können Betriebe so gruppiert werden, dass sie in der Summe das gesamte Ausbildungs-spektrum abdecken:

Wenn wir nur noch Zoll und LKW anbieten können, dann gibt es ja auch andere Firmen, die haben nur Übersee, Container, deswegen ergänzt sich das. (Vertretung Ausbildungs-betrieb; P5: 54)

Die Spezialisierung der Betriebe, und damit einhergehend die Unmöglichkeit, eigenständig Speditionskaufleute auszubilden, lässt sich in den Gesprächen mit den Mitgliedsfirmen von Spednet als eines der grundlegenden Motive für die Verbundausbildung herauskristallisieren:

Wir haben nur die [Lernenden] von [Spednet]. (…) Eben genau aus diesem Grund, weil wir halt sehr seefrachtspezifisch sind. Und um eine Spedi-Ausbildung zu machen, sollte man halt auch noch andere Verkehrsträger haben. Und wir können die anderen Sachen gar nicht ausbilden. Wir machen keine LKW- Transporte, wir machen keine Schienen-transporte. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P1: 111 f.)

Entlastung der Mitarbeitenden, Einsparung von Personalkosten

Spednet bietet zwei verschiedene Ausbildungsmodelle an, eines mit Rotation und eines ohne Rotation. In den Gesprächen wird deutlich, dass sich in der Regel nur diejenigen Betriebe am Rotationsmodell beteiligen, welche das Aus-bildungsspektrum nicht abdecken können (vgl. oben). Für diejenigen Betriebe,

die theoretisch selbst ausbilden könnten, war der große Zeitaufwand der eigen-ständigen Lernendenausbildung das zentrale Motiv für den Beitritt zum Lehr-betriebsverbund:

Wenn wir selbst ausbilden, müssen wir schauen, wie es in der Schule geht, müssen Bran-chenausbildung machen und das alles während der Arbeitszeit. Das schaffen wir nicht mehr. Heute sind weniger Leute als früher und es wird doppelt so viel verlangt in der Arbeit. Wir haben keine Zeit mehr, selbst auszubilden. (Vertretung Ausbildungsbetrieb;

P5: 78)

Die meisten der befragten Ausbildungsbetriebe betonen, dass sie nicht über die zeitlichen und personellen Ressourcen verfügen, welche die traditionelle Be-rufslehre erfordert. Ein Interviewpartner weist darauf hin, dass er, würde er selbstständig Lernende ausbilden, eine zusätzliche Arbeitskraft einstellen müsste, welche sich schwerpunktmässig mit den Lernenden befasst. Jedoch möchte er „nicht administrativ wachsen, sondern mit Sendungen“ (P13: 211), sich also auf seinen Kernbereich konzentrieren. Durch die Beteiligung am Lehrbetriebsverbund werden die Mitarbeitenden zeitlich entlastet, ohne dass zusätzliches Personal eingestellt werden muss. Indirekt ermöglicht die Ausla-gerung der Berufsbildung einen Personalabbau und folglich eine Reduktion von Personalkosten:

Vom Ausbildungsverbund wird doch sehr viel abgenommen. Das ist die Rekrutierung, die bei uns so wegfällt. Das Auswahlverfahren. Dann sind die Prozesseinheiten, die in-ternen Schulungen, die vom Verbund gemacht werden, die ALS, all die ganzen Sachen.

Gut, da ist der Lehrlingsbetreuer schon auch mit involviert, aber hat dann doch nicht den enormen Aufwand. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P3: 79).

Mit diesen beiden Argumenten, der zeitlichen Entlastung der Mitarbeitenden und dem Fokus auf den Kernbereich, beziehen sich auch die befragten Spedi-tionsbetriebe – wie bereits die im vorherigen Kapitel vorgestellten Unterneh-men des öffentlichen Verkehrs – auf klassische Motive für Outsourcing. Die Ausgangslage stellt sich in der Speditionsbranche jedoch grundsätzlich anders dar als im öffentlichen Verkehr. Bei den interviewten Mitgliedsbetrieben von Transportnet handelt es sich in allen Fällen um Großbetriebe mit mehreren Tausend Mitarbeitenden. Grundsätzlich wären diese Unternehmen groß genug, um dezidierte Ausbildungsverantwortliche zu beschäftigen, welche sich um die Konzeptualisierung und die Professionalisierung der betriebseigenen Ler-nendenausbildung kümmern. Die Auslagerung der Berufsbildung war entspre-chend eine Folge der grundsätzlichen strategischen Entscheidung, die Lernen-denausbildung nicht zu einem Fokus des Unternehmens zu machen.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Mehrzahl der befragten Spediti-onsunternehmen um Kleinbetriebe, welche in der Regel nur einzelne bis einige wenige Lernende ausbilden. Es ist offensichtlich, dass es für diese Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll ist, Personal einzustellen, das sich

aus-schließlich um die Ausbildung der Lernenden kümmert. In diesen Kleinbetrie-ben werden die Lernenden sozusagen „neKleinbetrie-benbei“ ausgebildet, die Betreuung und die Ausbildung der Lernenden gehen im hektischen Arbeitsalltag oft unter.

Die Lernendenausbildung ist kaum formalisiert und es bestehen in der Regel keine institutionalisierten Angebote zur Unterstützung der Berufsbildenden:

Und dann ist man klein und da ist man dauernd wieder mit dem Nächsten beschäftigt.

Weil wir haben natürlich keine Lehrlingsbetreuungs-Verantwortlichen. Kleinbetriebe ha-ben das nicht wie mittelständische oder dann die ganz großen, [Name eines großen Spe-ditionsbetriebs] und so. Die haben Personalabteilungen, da stehen die Leute bereit für die Auszubildenden. Das ist eine Armada von Leuten, die da stehen und alles organisieren und machen. Bei den Kleinbetrieben ist das alles noch nebenher. (Vertretung Ausbil-dungsbetrieb; P11: 118)

Da diese Betriebe aufgrund ihrer geringen Größe nicht über Personal verfügen, das speziell für die Ausbildung Lernender eingesetzt werden könnte, sind sie mit den Ansprüchen, welche die Ausbildung Lernender heutzutage an sie stellt, tendenziell überfordert:

Wir hatten auch schon einen Lehrling, der diese Leistungsziele, so einen dicken Ordner, durcharbeiten musste, zwei Stück davon. Hunderte von verschiedenen Aufgaben. (…) Wir würgten einen so durch diese Lehre. Und das war viel zu viel des Guten. Und den Nächsten machten wir dann nicht mehr so. Dann sahen wir schon den Grund, da beizu-treten. Denn ich war eigentlich immer ein Verfechter davon, dass man ausbilden sollte, wenn es möglich ist. Aber eben, die Zeiten ändern sich. (Vertretung Ausbildungsbetrieb;

P9: 191 f.)

Für Kleinbetriebe, die jeweils nur eine Lernende oder einen Lernenden haben, stellt sich die Balance von Aufwand und Ertrag der eigenständigen Ausbildung grundsätzlich anders dar als für Großbetriebe. Entsprechend ist die Auslage-rung der Ausbildung bei diesen Betrieben eher eine pragmatische Entschei-dung, um dieses Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen zu korrigieren.

Erhöhung der Ausbildungsqualität

Einige Ausbildungsbetriebe weisen zudem darauf hin, dass die Verbundaus-bildung gerade für Kleinbetriebe eine bessere Betreuungs- und AusVerbundaus-bildungs- Ausbildungs-qualität ermöglicht. Sie beziehen sich hierbei auf die bereits oben angespro-chene Argumentation, dass es sich für Kleinbetriebe aus wirtschaftlichen Gründen nicht lohne, spezialisierte Ausbildungsverantwortliche zu beschäfti-gen. Der Mangel an Ressourcen und Expertise führe notwendigerweise zu ei-ner „unprofessionellen“ Lernendenausbildung:

Also wenn man eine Betriebsgröße hat, in der man keine dezidierten Leute für die Lehr-lingsausbildung abstellen kann, ist man zwingend, meiner Meinung nach, wenn man es professionell machen möchte, auf einen Ausbildungsverbund angewiesen. Anders geht es nicht. Außer man macht es halbpatzig. Damit ist ja niemandem gedient. Weder dem Lernenden, noch der Branche, noch sich selbst. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P9: 63)

Durch die Auslagerung erhält der Betrieb Zugang zu Expertenwissen, welches die eigenen Mitarbeitenden nicht haben. „Also für mich ist es in erster Linie der Zeitfaktor und das Know-how, das wir vom Ausbildungsverbund bekom-men“ (P13: 199). Für den Betrieb selbst lohnt sich der große Zeitaufwand nicht, den es braucht, um sich substanzielles Wissen bezüglich der Bildungs-verordnung, der Leistungsziele, überbetrieblicher Kurse etc. zu erarbeiten. Die höhere Qualität der Verbundausbildung im Vergleich zur traditionellen Lehre im Einzelbetrieb hängt folglich auch mit dem bereits angesprochenen Missver-hältnis zwischen (Zeit-)Aufwand und Ertrag zusammen, welches die selbst-ständige Lernendenausbildung in Kleinbetrieben impliziert. Denn, so hält ein Interviewpartner fest, eine gute Ausbildung koste Zeit, die er nicht habe:

[Spednet] macht einen professionellen Job und unterstützt die Lernenden auch noch, hilft gerade auch bei schulischen Problemen. Und das war dann auch mit ein Grund, weshalb wir gesagt haben, nein, wenn wir Lernende ausbilden, wollen wir das professionell ma-chen. Wir haben leider zu wenig Zeit dafür. (Vertretung Ausbildungsbetrieb; P13: 163)

Zusammenfassende Analyse

Während die Gründung von Transportnet par excellence auf der Implementie-rung des Leitbilds des schlanken Unternehmens beruht, ist die Entstehung von Spednet nicht das unmittelbare Resultat der Orientierung an postfordistischen Managementdiskursen. Die beiden Verbünde haben, auch wenn beide privat-wirtschaftlich initiiert wurden, sehr unterschiedliche Entstehungskontexte und -motive. Spednet wurde nicht von einem Management ins Leben gerufen, wel-ches das Unternehmen modernisieren wollte, sondern von einem Branchenver-band, welcher sich gezwungen sah, ein durch die „postfordistische“ Organisa-tionsstruktur der Branche (mit)verursachtes Problem anzugehen: den auf der zu geringen Ausbildungstätigkeit der Speditionsbetriebe beruhenden Fachkräf-temangel.

Das typische Schweizer Speditionsunternehmen ist klein, spezialisiert und vernetzt. Aufgrund der betrieblichen Spezialisierung sind viele Betriebe nicht in der Lage, das gesamte Tätigkeitsprofil des Berufs Speditionskaufmann/Spe-ditionskauffrau abzudecken. Die geringe Größe der meisten Speditionsunter-nehmen bedeutet, dass eine eigenständige Lernendenausbildung verhältnismä-ßig sehr viel mehr Zeit erfordert. Denn selbst wenn nur eine Lernende oder ein Lernender ausgebildet wird, müssen sich die Ausbildenden dennoch das ge-samte Wissen bezüglich der Bildungsverordnung, der Leistungsziele etc. an-eignen. Zudem fehlen in Kleinbetrieben institutionalisierte Abläufe und dezi-dierte Ansprechpersonen, welche die Ausbildenden entlasten könnten. Unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs und der weltweiten Vernetzung ist der Arbeitsalltag in der Spedition dynamisch und kaum planbar.

Vor diesem Hintergrund sind viele Speditionsbetriebe nicht mehr in der Lage, eigenständig Lernende auszubilden. Selbst wenn sie das Berufsprofil ab-decken könnten, fehlt den Mitarbeitenden die erforderliche Zeit, um Lernende professionell zu begleiten. Die Lernendenausbildung als Dienstleistung einzu-kaufen, wird als kostengünstigere und strategisch sinnvollere Option gesehen, als zusätzliches Personal einzustellen und selbst auszubilden. Legitimiert wird dieser Buy-Entscheid durch die übliche Rationalität, die hinter Outsourcing-Prozessen steht: Für den Betriebe ist es effizienter, wenn sich die Angestellten auf ihren Kernbereich, d.h. die Spedition, konzentrieren können, und die Aus-bildung ist professioneller, weil sie von Expertinnen und Experten organisiert wird (Kompromiss zwischen Industrie, Markt und Netzwerk).