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1. Kapitel Morphologische Modifikation

1.3 Klassifikation der Modifikationssuffixe

1.3.1 Semantische Klassifikation

Bei den Vertretern der Modifikation mit vier Untergruppen sind letztere vermut-lich als Merkmale zu interpretieren, da sie auch kombiniert werden können, z.B.

kann 'groß' mit 'schlecht' oder 'gut' kombiniert werden und ebenso 'klein'.

Zu den Vertretern der Modifikation mit drei Untergruppen zählt beispielsweise Musarra (1983). Er unterteilt in drei semantische Relationen zwischen Basis und Derivat: Diminutiv, Augmentativ und Pejorativ. Die Koseformen rechnet er zu den Diminutiven, da sie immer auch einen reduzierenden Wert haben und die se-mantischen Implikationen nicht grundlegend von denen der Diminutivsuffixe ab-weichen. Schwarze (1988/1995) sieht die Modifikation als eine auf ein sehr einfa-ches "Modell der Gegenstandseigenschaften" bezogene Derivation an (Schwarze 1995: 509ff.). Auch er unterteilt innerhalb seines Modells in die obengenannten drei Gruppen. Sein Modell enthält Kategorien, wie z.B. Gegenstände (unbelebte Gegenstände und Lebewesen), die Beurteilung von Gegenständen nach ihrer Größe mit Hilfe von 'groß' und 'klein' sowie die Bewertung von Gegenständen nach den Kategorien 'schön, nett' und 'hässlich' usw. Für jedes der Derivate treffe die Bedeutung der Basis zu und es werde zudem als 'klein', 'lieb', 'nett' oder 'niedlich' bewertet, Augmentative als 'groß', Pejorative als 'schlecht' oder 'unangenehm'. Auch Dressler/Merlini Barbaresi (1994) unterteilen in drei Grup-pen; sie betrachten zudem Formen wie -issimo, auf die ich jedoch nicht näher eingehen möchte, da diese ansonsten nicht zu den modifizierenden Suffixen ge-rechnet werden (siehe hierzu 3.1 prä- und postnominale Stellung).

Dardano (1978, 1988) zählt hingegen zu den Vertretern, die bei der Modifikation zwei Untergruppen annehmen. Er sieht die Augmentative als direkten Gegensatz der Diminutive an. Dass er nicht von der qualitativen Komponente ausgeht, son-dern von der quantitativen, erklärt er dadurch, dass die grundlegende Bedeutung quantitativ ist. Eine qualitative Bewertung erfolge im Kontext.

Eine grundlegende Unterscheidung ist in der Auffassung von Dardano (1978, 1988) bzw. Dardano/Trifone (1991), Diminutiv/Augmentativ mit Untergruppen, bei denen positive (Koseformen) oder negative (Pejorative) Bewertung über-wiegt. Die qualitative Bewertung sieht Dardano (1978: 99) als sekundär. Un ragazzo che è un po' pallido > un ragazzo pallidino ist seines Erachtens eine zulässige Transformation. Beim Diminutiv trete jedoch eine qualitative Bewertung hinzu, die in der analytischen Konstruktion nicht vorhanden sei. Dardano/Trifone (1991)

gestehen bei der Bildung von Modifikativa der "Affektivität", d.h. dem persönli-chen Gefühl des Sprechers, eine grundlegende Rolle zu.

Serianni (1988) hat beobachtet, dass die Modifikation zu stabilen oder zu kurzlebi-gen Bildunkurzlebi-gen führen kann. Fast immer beinhalten die modifizierenden Bildun-gen eine qualitative Bewertung, die, je nach Ausgangsbasis oder Kontext, variiert.

Die Modifikation ist laut Serianni (1988) nicht vorhersagbar, das heißt, es ist nicht vorhersagbar, welche Bildung tatsächlich auftritt. Er teilt die modifizierenden Suf-fixe in zwei Gruppen ein: diminutive und augmentative SufSuf-fixe, aufgrund ihres objektiven linguistischen Wertes (= Quantität), unabhängig von den speziellen

"affektiven" qualitativen Bewertungen, die sie im Diskurs annehmen können.

Auch laut Grimaldi (1991) können die Modifikativa bezüglich der Quantität dimi-nutiv oder augmentativ sein. Bezüglich der Qualität können die Modifikativa pe-jorativ oder kosend sein. Grimaldi (1991) unterteilt die Suffixe in Diminutive und Augmentative und gibt beim jeweiligen Suffix an, welcher qualitative Wert über-wiegt.

Die Unterteilung in zwei Untergruppen ist bei onomasiologischer Vorgehenswei-se sicher angemesVorgehenswei-sener, da zunächst in einer Sprache die quantitative Komponen-te der Modifikation durch spezifische morphologische MitKomponen-tel ausgedrückt wird und erst nach Ausbilden von Diminutiven und Augmentativen auch die qualitati-ve Komponente. Wie sich in den Untersuchungen von u.a. Bauer (1997) oder Grandi (2002, 2003) gezeigt hat, lässt sich für die Modifikationssuffixe klar die Implikationsrelation Pejorativ ⊃ Augmentativ ⊃ Diminutiv aufstellen (vgl. 1.1).

Meines Wissens gibt es keine Sprache, die spezifische modifizierende Suffixe für den Ausdruck einer positiven qualitativen Bewertung besitzt. Die Unterteilung in drei bzw. vier Untergruppen ist semasiologisch in Bezug auf eine Sprache passen-der. Es bleibt festzustellen, welche Gruppen in einer gegebenen Sprache klar aus-geprägt und produktiv sind. Im modernen Italienisch sind dies drei: Diminutiv, Augmentativ und Pejorativ. Sie sind klar durch Suffixe vertreten.

Innerhalb dieses Kapitels werden die modifizierenden Suffixe wie folgt klassifi-ziert: Diminutive, Augmentative, Pejorative und Modifikation beim Verb. Die Ko-seformen, die von manchen Autoren als eigene Modifikationsklasse angesehen werden, rechne ich zu den Diminutiven, als Diminutive mit positiver Bewertung.

Bei vielen Koseformen ist die semantische Bedeutung kaum mehr vorhanden. Es handelt sich vielmehr nur noch um eine pragmatische Bedeutung und zwar die, die gesamte Rede zu kennzeichnen (mehr hierzu findet sich in 1.5.1ff.). Zudem gibt es im Inventar des Italienischen keine reinen Kosesuffixe (im Gegensatz zu den Pejorativsuffixen).

1.3.1.1 Relationen zwischen den Klassen

Lepschy/Lepschy (1986) erwähnen eine mögliche Einteilung in vier Gruppen (Di-minutiv, Augmentativ, Pejorativ und Koseformen), fügen jedoch hinzu, dass die Einordnung teilweise schwierig sein kann, da ein und dasselbe Suffix verschiede-nen Gruppen angehören und außerdem durch die Basis und den Kontext beein-flusst werden könne. Sie erwähnen auch die rein "affektive" Verwendung, die oh-ne quantitative Änderung erfolge. Lediglich mit Beispielen führen die Autoren zahlreiche Suffixe an, unterteilen diese jedoch nicht in Diminutive oder Augmen-tative (Lepschy/Lepschy 1986: 221f.). Tekavciç (1980: 91ff.) zeigt das Bedeutungs-spektrum der modifizierenden Suffixe folgendermaßen auf:

Trotz der zahlreichen Nuancen, Kombinationen und Überlappungen lassen sich zwei Hauptachsen unterscheiden, die sich schneiden. Die horizontale Achse ist die der Quantität ('groß' und 'klein'), die vertikale Achse ist die der Qualität ('positiv' oder 'negativ'). Die zwei sich kreuzenden Achsen führen zu vier grundlegenden Werten, die traditionell als Diminutive, Koseformen, Augmentative und Pejorati-ve bekannt sind. Aber diese "reinen" Werte können sich mit unterschiedlichen, feinen Nuancen verbinden, so wie Tekavciç dies versucht hat auch graphisch festzuhalten. Etwas kann also als 'groß' und 'positiv' (imponierend, stark) oder als 'groß' und 'negativ' (riesig, hässlich) bewertet sein, ebenso kann etwas als 'klein' und 'positiv' (zart, lieb) oder als 'klein' und 'negativ' (schwach, kümmerlich) bewertet sein. Im täglichen Sprachgebrauch sind die Kombinationen und deren Untergruppen häufiger als die "reinen" Werte. Wenn die zentrale Bedeutung die der Kleinheit sein soll, so werde man sie eher mit analytischen Mitteln ausdrücken (denselben Standpunkt vertreten auch Dressler/Merlini Barbaresi 1994). Selten werde z.B. mit Diminutiv ausschließlich Kleinheit ausgedrückt.