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Attributive und Prädikative Funktion

2. Kapitel Adjektive

2.2 Adjektive im Italienischen

2.2.5 Attributive und Prädikative Funktion

Adjektive können in attributiver Funktion (also als Modifikator des Nomens in-nerhalb der NP) oder in prädikativer Funktion (als Komplement der Kopula) auf-treten. Goy (1996) erläutert zwei unterschiedliche Richtungen in der Forschung zu den Adjektiven: a) die nominale-Modifikator-Theorien, die als grundlegende Funktion von Adjektiven die attributive Verwendung annehmen und die prädi-kative Verwendung als hiervon abgeleitet ansehen und b) die Prädikat-Theorien, die hingegen die prädikative Verwendung als grundlegende Funktion annehmen und die attributive hiervon ableiten. Goy (1996) zeigt, dass beide Theorierich-tungen nicht ohne Probleme sind. Die traditionelle transformationelle Analyse beispielsweise leitet nach Goy (1996) die attributiven Adjektive von prädikativen Formen in zugrunde liegenden Relativsätzen ab, z.B. un simpatico ragazzo ← un ragazzo che è simpatico. Diese Analyse ist nach Goy (1996) aber zu beschränkt, die Paraphrase funktioniert beispielsweise nicht bei relationalen Adjektiven (siehe 2.2.2), die nicht prädikativ stehen können: un ingegnere chimico - *un ingegnere che è chimico.62

Mit der Frage des Primats von attributiver vs. prädikativer Stellung beschäftigt sich auch Kaiser (1978), die verschiedene Positionen beleuchtet und verschiedene Argumente für beide Positionen liefert. Außerdem zu diesem Problem siehe

62 Beispiele aus Goy (1996).

Vendler (1968) sowie Radatz (2001: 47ff.). Szabó (2001: 136) weist auf psycho-linguistische Evidenz hin, die das Primat der prädikativen Stellung untermauert (im Spracherwerb werde zuerst die prädikative Stellung erworben, bei Aphasi-kern und DysphasiAphasi-kern werde diese zuerst wiedererlangt).

2.2.5.1 Prädikative Funktion

Die prädikative Funktion der Adjektive stellt nach Goes (1999) eine Scharnier-funktion zwischen Nomina und Verben dar. Nur das Adjektiv könne in prädikati-ven Konstruktionen mit allen Kopulaverben auftreten. Es sei der Prototyp des

"Prädikatsnomens". Nomina und Partizipien haben adjektivischen Charakter in dieser Funktion. Goes (1999) betrachtet den Zusammenhang der Bedeutung von Adjektiven in attributiver und prädikativer Stellung fürs Französische. Es können folgende Fälle auftreten (siehe auch 2.2.6.1):

1. Das pränominale und das postnominale Adjektiv weisen einen Bedeutungs-unterschied auf; die Bedeutung des prädikativen Adjektivs entspricht nicht der Bedeutung in pränominaler Stellung.

2. Es besteht kein Bedeutungsunterschied zwischen prä- und postnominaler Stellung, und die Bedeutung in prädikativer Stellung ist dieselbe.

3. Es besteht kein Bedeutungsunterschied zwischen prä- und postnominaler Stellung; die prädikative Stellung ist nicht möglich.

4. Das postnominale Adjektiv begrenzt die Extension des Nomens (determi-nierendes Adjektiv); die prädikative Stellung ist nicht möglich.

Im Folgenden möchte ich nur die attributive Funktion näher betrachten, da diese im engsten Zusammenhang mit den modifizierenden Suffixen gesehen werden kann.

2.2.5.2 Stellung des attributiven Adjektivs

Im Gegensatz zum Deutschen können in den romanischen Sprachen attributive Adjektive post- oder pränominal stehen.63 Im Französischen und Spanischen ste-hen die meisten Adjektive postnominal, bei pränominaler Stellung besteht laut Dixon (1994, 1999) ein semantischer Unterschied. Dies ist jedoch nicht vollständig zu akzeptieren (vgl. u.a. Conte 1973, Goes 1999, Mälzer 1999).

63 Radatz (2001: 30 FN2) nennt weitere Sprachen, in denen prä- und postnominale Stellung möglich sind, z.B. klassisches Armenisch, Polnisch, Tagalog.

Goes (1999) betont, dass das Adjektiv der einzige adnominale Modifikator ist, der vor oder nach dem Nomen stehen kann. Er untersucht morphologische, syntakti-sche und semantisyntakti-sche Faktoren, welche die post- bzw. pränominale Stellung be-einflussen könnten (wie z.B. die oft in der Literatur angegebene Reihenfolge nach zunehmender Länge: längere Adjektive stehen tendenziell eher postnominal), die jedoch nie ausnahmslos zutreffen, wie Goes (1999) fürs Französische zeigt. Zur post- bzw. pränominalen Stellung im Italienischen siehe 2.2.5.2.1 und 2.2.5.2.2.

Nach Schwarze (1995: 244ff.) kann das attributive Adjektiv im Italienischen prinzi-piell prä- oder postnominal stehen. Die Regeln für prä- bzw. postnominale Stel-lung sind "kompliziert, da sie sich auf verschiedene Bereiche von Regeln oder Prinzipien beziehen". Schwarze (1995) erwähnt textpragmatische (tendenziell ste-hen Elemente "auf denen das kommunikative Gewicht der Äußerung liegt" am Ende der Konstituente), syntaktische (s.u.) und lexikalische (s.u.) Faktoren, die die Stellung beeinflussen können. Seines Erachtens besteht eine Analogie zur Thema-Rhema-Abfolge im Satz (Schwarze 1995: 780ff.). Er sieht je einen Zusam-menhang zwischen der pränominalen Stellung und deskriptiver Funktion des Ad-jektivs (siehe 2.2.5.2.2) sowie postnominaler Stellung und restriktiver Funktion (siehe 2.2.5.2.1). Insgesamt spiegelt sich seines Erachtens hier die rhematische End-stellung vs. die thematische AnfangsEnd-stellung einer Konstituente im Satz wider.

Nach Nespor (1988) können vor oder nach dem Nomen eine oder mehrer Adjek-tivphrasen stehen. Die Stellung in der Nominalphrase sei nicht frei wählbar.

Bei den syntaktischen Faktoren verweist Schwarze (1995) auf das rhythmische Prinzip der wachsenden Glieder; alle Adjektivphrasen mit Erweiterung stehen postnominal, außer bei manchen erweiterten Adjektivphrasen. Nach Nespor (1988) können auch mehrere Adjektivphrasen koordiniert werden (in pränomina-ler Stellung meist nicht mehr als drei Adjektive). Die Reihenfolge der koordinier-ten Adjektivphrasen sei frei (es bestehen höchskoordinier-tens phonologische Restriktionen).

Sie verweist auch auf Adjektive die koordinierte Nomina modifizieren. Das Welt-wissen entscheidet ihrer Auffassung nach in solchen Fällen, ob das Adjektiv sich nur auf das nächststehende Nomen oder auf alle Nomina bezieht.

Bei den lexikalischen Faktoren bemerkt Schwarze (1995), dass für manche Adjek-tive pränominal die unmarkierte Stellung ist, für andere die postnominale, für wieder andere entscheidet die Stellung über die Lesart. Es gibt nach Nespor (1988) Adjektive, die nur postnominal stehen können und solche die nur pränominal stehen können, z.B. l'energia nucleare aber *la nucleare energia. Auch sie verweist auf Bedeutungsunterschied bei Stellungsunterschied.

Die postnominale vs. pränominale Stellung des Adjektivs ist auch für einen Ver-gleich mit den modifizierenden Suffixen von Interesse, da sich die Frage stellt, ob modifizierende Suffixe nur eine Ausdrucksalternative zu pränominalen oder auch

zu postnominalen Adjektiven darstellen können. In dieser Perspektive möchte ich zeigen, welche Faktoren und Funktionen bezüglich der Stellung des attributiven Adjektivs angeführt werden.

2.2.5.2.1 Postnominale Stellung

Gemäß Nespor (1988: 426) ist die nicht markierte Position des Adjektivs die post-nominale. Adjektive mit restriktiver Funktion (bei Schwarze 1995 identifizierende Funktion) stehen postnominal. Restriktive Funktion (denotativ oder referentiell) definiert Nespor (1988) wie folgt: Das Adjektiv legt eine Unterklasse der Klasse fest, die durch das Nomen bestimmt wird, z.B. denotativ vorrei vedere dei cavalli selvaggi, referentiell (zur Individuierung eines Objektes über das gesprochen wird) vorrei vedere i cavalli selvaggi.

Viele Adjektive haben laut Nespor (1988) immer die Funktion, eine Unterklasse abzugrenzen und stehen deshalb fast ausschließlich in postnominaler Stellung. So sind ihres Erachtens alle denominalen Adjektive (scolastico, statale) ebenso relatio-nale Adjektive, weil sie eine Relation zwischen dem Nomen der Nominalphrase und dem Basisnomen des Adjektivs herstellen: l'amore paterno → l'amore del padre.

Weitere Adjektive, die Unterklassen definieren, sind solche, die eine objektive, nicht inhärente Eigenschaft ausdrücken: ho comprato un tavolo rosso. Auch Wertad-jektive können diese Funktion haben: vorrei un gatto simpatico.

2.2.5.2.2 Pränominale Stellung

Nach Nespor (1988: 430) ist die pränominale Stellung die markierte Position, mit-tels der eine "konnotative" Bedeutung in Bezug aufs Nomen (Adjektive, die Ge-schmack oder Meinung des Sprechers und/oder Hörers ausdrücken) zum Aus-druck gebracht wird. Sie sieht solche Adjektive als syntaktisch appositiv oder deskriptiv an (bei Schwarze 1995 charakterisierend). Beispiele von Nespor (1988):

1. restriktiv Luca è andato a Roma con un suo amico simpatico und 2. deskriptiv Luca è andato a Roma con un suo simpatico amico. Das erste Beispiel wird von Nespor (1988) folgendermaßen gedeutet: Der Freund wird als sympathisch denotiert. Der Spre-cher sagt aus, dass Luca nach Rom gegangen ist mit einem Individuum, welches durch die Unterklasse 'sympathische Freunde' aus der Klasse 'Freunde' identifi-ziert wurde. Im zweiten Beispiel hingegen werde eine Meinung des Sprechers über den Freund von Luca zum Ausdruck gebracht.

Nespor (1988) nennt weitere Adjektivtypen, die häufig deskriptiv verwendet werden. Sie streicht v.a. Adjektive, die eine Wertschätzung ausdrücken, hervor, z.B. simpatico, buono, brutto. Aber auch Adjektive, die sich auf physische

Eigen-schaften beziehen, wie z.B. rosso, pesante, könnten deskriptiv verwendet werden.

Solche Adjektive werden ihres Erachtens immer deskriptiv verwendet und gehen dem Nomen voraus, wenn sie eine inhärente Eigenschaft des Nomens aus-drücken: la bianca neve, la buia notte und wenn sie in übertragener Bedeutung ver-wendet werden: mi sembra proprio una bassa soddisfazione (= meschina); è una persona di alto ingegno (= molto); Carlo è un vecchio amico (l'amicizia dura da molto tempo).

Nespor (1988) zufolge können manche denominalen Adjektive deskriptive Funk-tion haben: lo guardò con paterna dolcezza. Ihres Erachtens wird restriktive FunkFunk-tion nie durch ein pränominales Adjektiv ausgedrückt (pränominale Adjektive können bei Ausdruck von Gegensatz nicht verwendet werden): *vorrei vedere il tuo simpatico cane, non quello antipatico vs. vorrei vedere il tuo cane simpatico, non quello antipatico. Nespor (1988) folgert, dass semantische Faktoren, die die Stellung des Adjektivs bestimmen, keine Eigenschaften des Adjektivs selbst sind, sondern in der semantischen Funktion zu suchen sind, die der Sprecher einem Adjektiv zu geben beabsichtigt. Möchte der Sprecher Adjektiv X in restriktiver Funktion ver-wenden, so werde er postnominale Stellung wählen, möchte er Adjektiv X hinge-gen deskriptiv verwenden, so werde er sich für pränominale Stellung entscheiden.

Dass manche Adjektive nur postnominal auftreten können, liege daran, dass sie sich wenig dazu eignen, deskriptiv verwendet zu werden.

Zur Reihenfolge bei mehreren Adjektivphrasen, Koordination bzw. Reihenfolge von Adjektivphrase und anderen Syntagmen innerhalb der Nominalphrase möchte ich verweisen auf z.B. Nespor (1988).