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Semantik der Adjektivphrase

2. Kapitel Adjektive

2.2 Adjektive im Italienischen

2.2.6 Semantik der Adjektivphrase

Die Grundbedeutung von Adjektiven wie z.B. alto/basso kann nach Goy (1997) be-schrieben werden als 'Bezug auf die Konzeptualisierung unserer perzeptiven Er-fahrung'. Ihres Erachtens kann lexikalische Semantik nur voll erfasst werden, wenn man eine Verbindung zwischen Sprache und Wahrnehmung annimmt. Es handelt sich hierbei um eine Grundlagenfrage der lexikalischen Semantik (vgl.

auch die Position von Vandeloise 1992):

Quindi l'idea è che le carenze dei sistemi artificiali di comprensione del linguaggio dipendano dalla mancanza di una connessione tra semantica lessicale e percezione.

Recentemente infatti, sempre più linguisti, filosofi, psicologi e informatici, si sono convinti che una teoria adeguata e completa della nostra competenza del significato delle parole non possa essere costruita senza un'ipotesi sulle connessioni tra il linguaggio da un lato e l e capacità di percezione e interazione col mondo dall'altro [...]. (Goy 1998: 40f.).

Da diese Frage nicht zentral für die Analyse einer Ausdrucksalternative zwischen Adjektiven und Suffixen ist, soll sie jedoch nicht weiter vertieft werden.

Qualifizierende Adjektive (bello, cattivo) bezeichnen nach Goy (1996) eine Eigen-schaft des Referenten; determinierende Adjektive hingegen (mio, questo) fügen dem Nomen eine Bestimmung hinzu, die der besseren Identifizierung des Refe-renten dient. Ihres Erachtens handelt es sich hierbei um eine schwache Unterschei-dung, da qualifizierende Adjektive in postnominaler Stellung (in einer definiten NP) auch restriktive Funktion haben können, d.h. sie dienen eher dazu, den Refe-renten zu identifizieren, als ihn zu qualifizieren. Dies spiegle sich in den zwei Funktionen wider, die in italienischen Grammatiken unterschieden werden – al-lerdings mit sehr unterschiedlichen Bezeichnungen, welche beispielhaft in der fol-genden Tabelle dargestellt werden:

Goy (1996) kritisiert die Unterscheidung von denotativer und referentieller Funk-tion bei Nespor (1988). Die unterschiedliche InterpretaFunk-tion hängt ihres Erachtens vom Determinator ab und nicht vom Adjektiv. Die restriktive Funktion (in post-nominaler Stellung) und die deskriptive Funktion (in präpost-nominaler Stellung) un-terscheiden sich ihres Erachtens bei definiter und indefiniter NP. Bei definiter NP sei ein Unterschied aufgrund der Adjektivstellung deutlich: è andato a Roma con l'amico simpatico (restriktiv) vs. è andato a Roma con il simpatico amico (deskriptiv). Bei indefiniter NP scheine dies nicht der Fall zu sein: è andato a Roma con un amico simpatico vs. è andato a Roma con un simpatico amico.64

Zusätzlich zur Unterscheidung restriktiv vs. deskriptiv kann bei manchen Adjek-tiven auch ein Bedeutungsunterschied bestehen, welcher durch die Adjektivstel-lung signalisiert wird. Auf dieses Phänomen möchte ich im Folgenden eingehen.

2.2.6.1 Bedeutungsunterschied bei prä- oder postnominaler Stellung

Laut Nespor (1988) besteht bei manchen Adjektiven auch ein Bedeutungsunter-schied, der sich in unterschiedlicher Stellung zeigt. In postnominaler Stellung trete

64 Aber es scheint Fälle zu geben, in denen auch bei indefiniter NP ein Unterschied besteht, z.B. un ragazzo intelligente non avrebbe reagito così vs. *un intelligente ragazzo non avrebbe reagito così. Ich danke Christoph Schwarze für den Hinweis.

die wörtliche Bedeutung auf, z.B. libri nuovi (= non vecchi), in pränominaler Stel-lung hingegen die übertragene Bedeutung, z.B. nuovi libri (= altri).

Andere sind nach Nespor in postnominaler Stellung Adjektive, z.B. certo (= sicuro), und in pränominaler Stellung Quantifikatoren, z.B. parecchio (= alcuni). Für diese Adjektive besteht ihres Erachtens keine Distinktion zwischen restriktiver und deskriptiver Funktion. Eine begrenzte Gruppe von Adjektiven habe neben der normalen Funktion (deskriptiv-pränominal; restriktiv-postnominal) eine andere Bedeutung mit bestimmten Nomina, wenn das Adjektiv pränominal steht. Bei-spiele nach Nespor (1988: 433f.):

un grand'uomo (Held) ≠ un uomo grande (Körpergröße)

un alto ufficiale (hoher Rang) ≠ un ufficiale alto (Körpergröße)

Conte (1973) beschäftigt sich ebenfalls mit Adjektiven, die einen Bedeutungsun-terschied je nach Stellung zum Bezugsnomen aufweisen. Sie versucht, Normen für die Stellung anzugeben und nimmt an, dass die Stellung der Adjektivphrase von der Semantik des Bezugsnomens abhängt, wobei sich dies durch Merkmale darstellen lässt. Da sich Conte (1973) explizit auf die für die vorliegende Arbeit re-levanten Adjektive bezieht, soll ihre Untersuchung im Detail dargestellt werden.

Wie bereits erwähnt, korreliert bei den meisten Adjektiven postnominale Stellung mit restriktiver Funktion. Aber Adjektive, die in post- oder pränominaler Stellung unterschiedliche Bedeutung haben können, z.B. grande, alto, buono, povero, könnten auch in pränominaler Stellung restriktive Funktion besitzen. Die Bedeutung in postnominaler Stellung entspreche jeweils der Bedeutung in prädikativer Stellung:

il ragazzo è povero = il ragazzo povero. Die Bedeutung in pränominaler Stellung könne hingegen eine übertragene, metaphorische Bedeutung besitzen. Die semantische Differenzierung (prä- oder postnominal) trete allerdings nicht immer auf. Conte (1973) untersucht unter, welchen Bedingungen diese Differenzierung bei den Adjektiven grande und buono auftritt.

Grande ist ein Dimensionsadjektiv, welches beim Bezugsnomen das Vorhanden-sein des semantischen Merkmals 'Maß, Größe' (bei Conte misura) voraussetzt.

Messbar sind nach Conte (1973) Nomina, die ein physisches konkretes Maß haben (tavolo). Aber auch abstrakte Nomina, wie avvenimento oder paura, besäßen das Merkmal 'Größe, Maß': un grande avvenimento; la grande paura. Folglich nimmt Conte (1973: 84) ein Merkmal für 'Maß, Größe' beim Nomen an, welches bezüg-lich Abstraktheit spezifiziert sein kann: (misura-astratto) und (misura+astratto). Bei uomo treten beide Merkmale auf, deshalb könne das postnominale Adjektiv auf das Merkmal (misura-astratto) und das pränominale Adjektiv auf (misura+astratto) zugreifen:

uomo - (misura-astratto) uomo grande

- (misura+astratto) grande uomo

Nur Nomina, die die beiden Merkmale haben können, lassen nach Conte (1973) eine semantische Differenzierung des Adjektivs zu. Sie nennt folgende Korrela-tion: (misura-astratto) und postnominal vs. (misura+astratto) und pränominal.

Des Weiteren betrachtet sie Fälle mit dem Wertadjektiv buono. Es sei kompatibel mit Nomina, die das Merkmal 'Bewertung' haben. Als möglichen Aspekt bezüg-lich dessen bewertet wird, nennt Conte (1973) einerseits die Bewertung des Cha-rakters, andererseits die Bewertung der Funktion, was zu folgender Korrelation führe: valutazionecarattere → postnominal und valutazionefunzione → pränominal.

Zusammenfassend soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass nicht immer ein Bedeutungsunterschied zwischen prä- und postnominaler Stellung auftreten muss. Es besteht lediglich die Möglichkeit bei manchen Adjektiven in Verbindung mit manchen Nomina.

In dieser Arbeit möchte ich nicht weiter auf die Korrelation von Bedeutungsunter-schieden und post- bzw. pränominaler Stellung eingehen bzw. auf die Suche nach Faktoren für je prä- oder postnominale Stellung. Verwiesen sei u.a. fürs Italieni-sche auf Sciarone (1970), D'Addio (1974), Wuttig (1979), Vincent (1986), Crisma (1993) und Rocci (2000). Die Arbeit von Mälzer (1999) beschäftigt sich mit dem Problem der Adjektivstellung in den romanischen Sprachen. Des Weiteren behan-deln Leischner (1990), Langer (1998) und Goes (1999) das Problem fürs Französi-sche und Pelzing (1981) fürs SpaniFranzösi-sche. Radatz (2001) untersucht innerhalb der construction grammar die semantische Seite der Adjektivstellung fürs Spanische, Französische und Italienische. Insgesamt besteht eine umfangreiche Literatur zu diesem Problembereich für die romanischen Sprachen.