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Pragmatische Funktion von Diminutiven

1. Kapitel Morphologische Modifikation

1.5 Semantische vs. pragmatische Funktion der Modifikationssuffixe

1.5.2 Pragmatische Funktion der Modifikation

1.5.2.1 Pragmatische Funktion von Diminutiven

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) legen den Schwerpunkt ihrer Studie auf die systematische Behandlung des regelmäßigen Gebrauchs von Diminutiven zur Er-zielung pragmatischer Effekte. Italienische Diminutive weisen ihres Erachtens eine hohe Zahl vorhersagbarer strategischer Verwendungen in Sprechakten und Sprechsituationen auf. Ihre Untersuchung basiert auf mündlichen und schriftlichen Texten. Die Bedeutung der Diminutive wird in Dressler/Merlini Barbaresi (1994) wie folgt aufgeteilt: 1. quantitative Bewertung, 2. qualitative Bewertung und 3.

morphopragmatische Bedeutung (zu Punkt 1 und 2 siehe 1.4ff.).

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) erläutern zwei Sichtweisen zur Erfassung der Bedeutung der Diminutive: die maximalistische, die auch sie vertreten, und die minimalistische Sicht. Eine minimalistische Sicht vertritt z.B. Dardano (1978: 96):

Die Morphosemantik der Diminutive erkläre ihre Bedeutungen, die

Morpho-pragmatik ihre Bezeichnungen. Alle pragmatischen Effekte der Diminutive wer-den von der Morphosemantik mittels genereller pragmatischer Strategien, die unabhängig von der Morphologie sind, generiert. Es wird nur ein einziges Bedeu-tungsmerkmal [klein] oder [nicht ernsthaft] angenommen, auf das generelle pragmatische Strategien angewandt werden. Dressler/Merlini Barbaresi (1994, 2001) kritisieren diese Sichtweise, da die hypothetischen morphosemantischen qualitativen Bewertungen der Diminutive fraglich seien (siehe 1.4.2.1). Quantitati-ve und Quantitati-vermeintliche qualitatiQuantitati-ve Bewertung von italienischen und deutschen Di-minutiven sind ihres Erachtens fast identisch. Innerhalb einer minimalistischen Sicht sei es schwer zu erklären, warum die pragmatische Verwendung deutscher und italienischer Diminutive sich unterscheide. Eine weitere Kritik ist, dass die quantitative Bewertung [klein] und die qualitativen Bewertungen ["affektiv"] oder [angenehm, graziös] auch zum Beispiel zu piccolo passen. In einer minimalistischen Anschauung müssten folglich alle pragmatischen Verwendungen von diminuti-ven Nomina durch eine Nominalphrase mit piccolo substituierbar sein und umge-kehrt. Dies treffe jedoch nicht zu.

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) hingegen vertreten die maximalistische Annah-me, dass es pragmatische Regelmäßigkeiten gibt, die nur für Diminutive gelten.

Sie erfassen die Bedeutung der Diminutive durch ein semantisches Merkmal [klein] und ein morphopragmatisches Merkmal [nicht ernsthaft]. In Dressler/Mer-lini Barbaresi (2001) verteidigen sie ihre Annahme der Priorität der Pragmatik und lehnen alle Ansätze ab, die die pragmatische Funktion der Modifikativa von einem semantischen Merkmal ableiten wollen (wie z.B. bei Wierzbicka 1984 oder Jurafsky 1996). Insbesondere kritisieren sie an Jurafskys (1996) Ansatz, dass keine Abgrenzung zwischen Kognition, Semantik und Pragmatik vorliege, und stellen dem ihre Auffassung gegenüber:

Let us just repeat our view [...] that (1) pragmatics is cognitively founded, but t h a t cognitive foundation and the pragmatic superstructure based on it should be separated, and that (2) semantics is included within pragmatics, but can be separated from it by canceling (sic!) all pragmatic variables. (Dressler/Merlini Barbaresi 2001: 45)

Des Weiteren führen sie zahlreiche Suffixe aus mehreren Sprachen an, welche nicht auf die Ursprungsbedeutung 'Kind' zurückzuführen seien und somit Jurafskys (1996) Annahme der Ursprungsbedeutung 'Kind' falsifizieren sollen. Sie schreiben den pragmatischen Wert einer Diminutivbildungsregel dem gesamten Sprechakt und der Sprechsituation zu. Es beruhe auf Fokussierung und anderen Restriktionen, welchen "Landeplatz"38 ein Diminutivsuffix wähle.

38 Da Dressler/Merlini Barbaresi (1994) von einer Funktion des Diminutivsuffixes auf einen gesamten Sprechakt o.Ä. ausgehen, bevorzugen sie den Terminus "Landeplatz" statt

"Derivationsbasis", der, ihres Erachtens, zu stark an die morphologische Ebene gebunden ist.

Nieuwenhuis (1985)39 schlägt die folgende Hierarchie diminuierbarer Kategorien vor:40

N > ADJ > V > Numerale > Interjektionen > Pronomina > Präpositionen > Demonstrativa

Je weiter rechts in der Hierarchie eine Diminutivform erscheine, desto geringer die Bedeutungsänderung und desto größer die Bedeutung der subjektiven Dimi-nutivkraft. Zu vielen Wortarten fanden Dressler/Merlini Barbaresi (1994) keine Beispiele im Italienischen. Diminuierte Verben würden hauptsächlich zur "Denota-tion" verwendet, aber ihre "denotative" Bedeutung sei unterschiedlich von der

"denotativen" Bedeutung bei anderen Wortarten. Bei diminuierten Adjektiven finden sie keinerlei Beweis dafür, dass sie proportional weniger für "denotative"

Diminution verwendet werden als diminuierte Nomina. Nieuwenhuis (1985) liefe-re zudem keine Erklärung für seine Hierarchie. Dliefe-ressler/Merlini Barbaliefe-resi (1994) stellen fest, dass graduierbare Dimensionen eine typische Eigenschaft von Adjek-tiven und Nomina sind, während bei Verben andere Dimensionen wichtiger sind (z.B. Aktionsarten, Aspekt). Interjektionen, Pronomina und Präpositionen seien schwer graduierbar.

Sie nehmen an, dass die allgemeine morphopragmatische Bedeutung des Diminu-tivsuffixes [nicht ernsthaft] ist. Dieses Merkmal ist eine Kombination aus den Merkmalen [nicht wichtig] und [fiktiv]. Die Anwendung dieses kombinierten Merkmals auf Sprechsituation oder Sprechakt ist innerhalb ihres Modells konstitu-tiv, d.h. notwendige Vorbedingung für die Anwendung einer produktiven Dimi-nutivbildungsregel. Die Anfügung eines Diminutivsuffixes sei u.a. eine Strategie, um die eigene Verantwortlichkeit gegenüber dem ablaufenden Sprechakt zu ver-ringern. Dressler/Merlini Barbaresi (1994) nehmen demnach an, dass die Bedeu-tung von Diminutivbildungsregeln innerhalb der Morphologie einen Eintrag ent-hält, ein Diminutiv könne metaphorisch verwendet werden, um die Nicht-Ernst-haftigkeit eines Sprechaktes zu "konnotieren" (siehe Dressler/Merlini Barbaresi 1994: 144). Es treten, ihres Erachtens, oft metaphorische Relationen auf, z.B. bei der Nachbildung von Sprechsituationen, bei denen Kinder Teilnehmer oder Thema des Gesprächs sind, wie beispielsweise im Gespräch mit Haustieren (s.u.).

Wie bei Metaphern allgemein, so ist auch bei metaphorischen Relationen laut Dressler/Merlini Barbaresi (1994) nicht klar, in welchem Ausmaß sie zwischen den verschiedenen Bedeutungen und pragmatischen Effekten der Diminutive etabliert werden können.

39 Nieuwenhuis, Paul (1985): Diminutives. Edinburgh unveröffentlichte Dissertation. In:

Dressler/Merlini Barbaresi (1994: 131ff.). Leider nicht zugänglich.

40 Merlini Barbaresi (2004a: 267) schlägt eine leicht abweichende Hierarchie vor: "nome >

aggettivo > verbo > avverbio > indefinito > esclamazione > numerale". Die Hierarchie basiere auf Kriterien der Distribution und der Anwendbarkeit.

Funktion der Diminutive ist nach Dressler/Merlini Barbaresi (1994), den gesamten Sprechakt in der gegebenen Sprechsituation zu modifizieren. Wie bereits erwähnt, ist ein rein quantitativ bewertender Gebrauch der Diminutive ihres Erachtens weitgehend auf lexikalisierte Diminutive beschränkt. In Merlini Barbaresi (2000) scheint jedoch eine andere Auffassung vorzuliegen. Ein quantitativ bewertendes Adjektiv und ein Diminutivsuffix innerhalb einer Nominalphrase werden als pleonastisch empfunden, wie folgendes Zitat illustrieren soll. Eine Grundhypo-these der vorliegenden Arbeit ist ja eben die Annahme, dass Adjektive wie piccolo und Suffixe wie -ino dieselbe Bedeutung tragen.

In Italian, due to the clear diminutive denotation of the suffix, the addition of piccolo ('little') to a diminutivized word is heard as pleonastic and even discouraged by prescriptive stylistics. (Merlini Barbaresi 2000: 322)

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) betrachten Sprechsituationen, in denen das Merkmal [nicht ernsthaft] konstitutiv ist: "kindzentrierte", "(haus)tierzentrierte"

und "liebhaberzentrierte" Sprechsituationen (bei den Autoren child-centered, pet-centered, lover-centered). Die pragmatische Anwendung der Diminutivbildung in kindzentrierten Situationen wird nach Dressler/Merlini Barbaresi (1989a, 1990, 1994) auch als Diminutivum puerile bezeichnet. Im Italienischen kann laut Dressler/Merlini Barbaresi (1989a, 1990) der Gebrauch des Diminutivs durch die bloße Tatsache hervorgerufen werden, dass mit Kindern gesprochen wird oder Kinder Gesprächsgegenstand sind. Da der Erstspracherwerb zunächst in kind-zentrierten Sprechsituationen (mit dem hierfür charakteristischen übermäßigen Diminutivgebrauch) stattfinde, würden Kinder erst später den pragmatischen Gebrauch, das Merkmal [nicht ernsthaft] auf Sprechakte anzuwenden, lernen (siehe Bates/Rankin 1979, Ceccherini et al. 1997, De Marco 1998 und Tonelli et al.

1998). Der Gebrauch von [nicht ernsthaft] in Sprechakten sei somit konventionel-ler als sein Gebrauch in kindzentrierten und ähnlichen Sprechsituationen. Im Sprachvergleich stellen Dressler/Merlini Barbaresi (1994) größere Unterschiede beim konventionelleren Gebrauch der Diminutive (Modifikation von Sprechak-ten) als bei der Kennzeichnung von kindzentrierten und ähnlichen Sprechsitua-tionen fest. Im Italienischen findet auch in der Bezeichnung von Spielzeug Dimi-nution statt: elefantino usw. Dieser Gebrauch erfordere jedoch eine "affektive"

Komponente. Werde z.B. auf eine bei einem Bankraub verwendete Spielzeug-pistole referiert, werde rivoltella giocattolo und nicht rivoltellina verwendet (siehe Dressler/Merlini Barbaresi 1989a: 248). Kindzentrierte Sprechsituationen können laut Dressler/ Merlini Barbaresi (1994) metaphorisch nachgebildet werden, z.B. im Gespräch von Verliebten oder allgemein in der Nachahmung der Kinderwelt (z.B.

ironisch). Dies könne mit dem Suffixmerkmal [klein] oder [nicht ernsthaft] er-reicht werden. Diminutive hätten meist eine "affektive" Nuance in diesen

Situatio-nen. Die "affektive" Nuance trete in den Vordergrund, wenn Freundlichkeit, Zärt-lichkeit, Zartheit oder Mitleid durch Diminutive ausgedrückt würden.

Dressler/Merlini Barbaresi (1989a) erwähnen weitere pragmatische Werte des Diminutivgebrauchs.41 Z.B. müsse beim Diminutivum sociale Familiarität als Voraussetzung vorliegen. Generell liege eine positive Einstellung bezüglich aller Komponenten der kommunikativen Situation vor. Es könne auch eine Strategie der Milderung einer unangenehmen Handlung o.Ä. auftreten. Im Italienischen werde Familiarität präferiert und somit seien, wie Rainer (1989) erwähnt, Begriffe des bürokratischen Wortschatzes bei der Diminution ausgeschlossen. Die prag-matische Funktion der Abmilderung trete auch in Sprechakten wie Bitten auf (Dressler/Merlini Barbaresi 1989a: 242). Das Diminutiv habe in diesem Fall die Funktion, die Bitte indirekter zu machen und somit die Gefahr eines Gesichtsver-lustes zu begrenzen. Demnach liege hier eine Funktion der Modalisierung vor. In dieser Funktion betreffe die Modalisierung den ganzen Satz42. Das Diminutiv stelle eine alternative oder komplementäre Wahlmöglichkeit zu anderen syntakti-schen und lexikalisyntakti-schen Strategien dar (z.B. Konditional in Bitten). Ein weiterer Aspekt bei der Milderung ist die euphemistische Abschwächung von Tabuwör-tern. Ein zweiter pragmatischer Wert ist das Diminutivum modestum. Diese Unter-gruppe beziehe sich auf Aspekte der Meiose43 wie z.B. beim "Understatement". Im Unterschied zum Diminutivum sociale sei diese Strategie nicht auf eine intime Sprechsituation beschränkt. Im Falle des Diminutivum ironicum bestehe immer ein versteckter Konflikt zwischen effektiver Realität und der "Denotation" des Diminutivs. Der Diminutivgebrauch spiegle hier einen interaktiven sozialen Kon-flikt wider. Der Effekt der Ironie deriviere aus der Übertreibung des KonKon-flikts mit der wahrgenommenen Realität. Dressler/Merlini Barbaresi (2001) lehnen ab, dass sich dieser ironische Effekt aus der Semantik ableiten lässt.44 Im folgenden Beispiel ist das Diminutiv riposino ihres Erachtens für die ironische Interpretation der ge-samten Äußerung verantwortlich:

41 Im Gegensatz zu Dressler/Merlini Barbaresi (1994) unterteilen sie nach pragmatischen Werten, die teilweise durch Sprechsituation, durch Sprechakt oder durch regulative Faktoren definiert werden.

42 Dressler/Merlini Barbaresi (1994) wenden die Funktion des Diminutivs auf die ganze Sprechsituation an und stellen sich gegen eine Begrenzung auf Satzebene.

43 = Litotes: "Redefigur, die durch doppelte Verneinung oder durch Verneinung des Gegenteils eine vorsichtige Behauptung ausdrückt und die dadurch eine (oft ironisierende) Hervorhebung des Gesagten bewirkt." (Müller et al. 1974).

44 "[...] a purely semantic representation of the evaluative character of diminutives and augmentatives leads to unacceptable reductionism. This particularly holds for emotive and attitudinal aspects of evaluation [...]. For example, the Italian diminutive ripos-ino is responsible for the ironic empathy conveyed by the whole utterance." (Dressler/Mer-lini Barbaresi 2001: 44)

Non c'è giorno che non si faccia il suo ripos-ino di due ore. (Dressler/Merlini Barbaresi 2001: 45)

Allerdings lässt sich meines Erachtens diese ironische Deutung problemlos aus der semantischen Unverträglichkeit zwischen Diminutiv und der Zeitangabe di due ore ableiten.

"Affektive" Faktoren sind nach Dressler/Merlini Barbaresi (1994) nicht primär und konstitutiv, sondern nur sekundär und regulativ. Als wichtige regulative Faktoren nennen die Autoren u.a. Sympathie, Empathie, Familiarität, Informalität, Intimität, Ironie, Euphemismus, "Understatement" und eigene Bescheidenheit. Eine Realisierung des Merkmals [nicht ernsthaft] sei z.B. der spielerische Charakter eines Sprechaktes. Andere Realisierungen des Merkmals träten beispielsweise bei der Milderung von inhärent oder potentiell unangenehmen Sprechakten wie Bit-ten, Befehlen, Anschuldigungen oder Drohungen auf.

Konstitutive und regulative Faktoren zusammen bestimmten die Wahrscheinlich-keit eines Diminutivgebrauchs in einem gegebenen Sprechakt innerhalb einer gegebenen Sprechsituation. Die tatsächliche Anwendung einer produktiven Dimi-nutivbildungsregel hänge davon ab, ob die Äußerung einen geeigneten "Lande-platz" enthalte. Morphologische, lexikalische (d.h. semantische) Restriktionen könnten die Wahl der "Landeplätze" begrenzen. Bei Verfügbarkeit mehrerer

"Landeplätze" werde (außer in markiertem Stil) nur ein "Landeplatz" gewählt, und zwar anhand einer Reihe von strukturellen und pragmatischen Faktoren. Die obengenannten Faktoren, Konditionen und pragmatischen Effekte sind im Modell der Autoren konzeptualisiert als regulative Eigenschaften, d.h. Faktoren, welche die Anwendung des konstitutiven Merkmals [nicht ernsthaft] regeln. Diese Faktoren implizieren jedoch keinen obligatorischen Diminutivgebrauch. Die relevanten Faktoren, die zur Sprechsituation gehören, sind im Modell von Dressler/Merlini Barbaresi (1994) weniger wichtig als die Faktoren, die zum Sprechakt gehören. Diminutive können auch als Stilmarker von bestimmten Genres auftreten, z.B. der Hirtenpoesie und Kinderliteratur.

Dressler/Merlini Barbaresis (1994) Modell kann, nach eigenen Angaben, Vorher-sagen machen, unter welchen pragmatischen Voraussetzungen ein Diminutiv nicht in nicht quantitativer Bedeutung auftreten kann, unter welchen pragmati-schen Bedingungen überhaupt Diminutive gebraucht werden können, welche Faktoren den Diminutivgebrauch wahrscheinlich oder weniger wahrscheinlich machen sowie pragmatische Funktionen, für die Diminutive strategisch benutzt werden können (siehe Dressler/Merlini Barbaresi 1994: 149). Zur Erklärung der Pragmatik von Diminutiven sei, wie bereits erwähnt, das Merkmal [nicht ernst-haft] oft geeigneter als das Merkmal [klein], da es alle Faktoren erkläre. Als Be-weis dafür, dass Diminutivbildung zur Bildung neuer Wörter dient, führen

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) u.a. folgende Punkte an: Für gewisse pragmati-sche Effekte überbieten Sprecher einfache Diminution mit rekursiver Diminution.

In einem ihrer Beispiele ersetzt ein Sprecher ein Wort, welches von den Gesprächspartnern kritisiert und abgelehnt wurde mit dem Diminutiv desselben Wortes und nimmt an, dass es sich um ein neues Wort handelt (siehe Dressler/Merlini Barbaresi 1994: 330). Diese Befunde greifen alle auf Wortebene und scheinen ein Paradox für ihr Modell der "Satzdiminutive" darzustellen, in dem die pragmatische Bedeutung des Diminutivs auf die Bedeutung des gesamten Sprechaktes angewendet wird. Dieses Modell nimmt an, dass die lexikalische Basis des Diminutivs ein autonomes Wort ist, das aus rein textuellen, pragmatischen oder syntaktischen Gründen als geeigneter "Landeplatz" gewählt wird und nicht aus Gründen lexikalischer Art. Ihr Paradox bezieht sich demzufolge auf die prag-matische Transparenz von produktiven morphopragprag-matischen Regeln: Das Di-minutivsuffix trage die pragmatische Bedeutung [nicht ernsthaft] und werde der Bedeutung des Sprechaktes oder der Sprechsituation insgesamt zugeschrieben.

Diese globalen Bedeutungsrelationen sehen Dressler/Merlini Barbaresi (1994) als weitgehend vorhersagbar an. Die Bedeutung des Diminutivsuffixes interagiere jedoch lokal mit der Bedeutung der lexikalischen Basis. Diese lokale Bedeutungs-operation sei für die teilweise Verdunkelung der pragmatischen Transparenz ver-antwortlich. Je höher die Frequenz der Anfügung eines Diminutivsuffixes an die-selbe lexikalische Basis sei, desto größer werde die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse der lokalen Interaktion zwischen Bedeutungen des Suffixes und der Basis stabil würden und den Lexikalisierungsprozess starteten.

Im Folgenden möchte ich die Eigenschaften der Diminutivbildung von Dressler/Merlini Barbaresi (1994) zusammenfassend darstellen. Da hierbei auch pragmatische Aspekte behandelt werden, ist diese Zusammenfassung an dieser Stelle meines Erachtens sinnvoll.