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Kombinierbarkeit der Modifikationssuffixe

1. Kapitel Morphologische Modifikation

1.7 Kombinierbarkeit der Modifikationssuffixe

Im Folgenden möchte ich auf das Phänomen der Suffixhäufung oder Kumulation eingehen. Meist wird eine Suffixhäufung bei dem Suffix angeführt, welches als das grundlegende angesehen wird. Brunet (1991) führt dies jeweils beim ersten Suffix an. Mutz (2000: 88) nennt die folgenden "modifizierenden Merkmale", die zusam-men auftreten können. Unklar ist, weshalb [groß] sich nicht mit [gut] verbinden kann. Zudem ist es sicher als Generalisierung zu verstehen, dass ein Suffix nur die Bedeutung [gut] vermitteln soll.

klein groß gut schlecht

klein

groß

gut

schlecht

Nach Mutz (2000: 89)

1.7.1 -etto /-ino

Laut Dardano (1978; 1991) und Dardano/Trifone (1991) tritt beim Suffix -ino am häufigsten eine Suffixkumulation auf. Schwarze (1988/1995) stellt fest, dass -etto und -ino anscheinend miteinander auftreten können, und zwar prinzipiell in bei-den möglichen Reihenfolgen. Diese Bildungen beruhten aber nicht auf einer Re-gel, die die beiden Suffixe beliebig an eine Basis anfüge, sondern darauf, dass die Diminutivregel auf ein bereits lexikalisiertes Diminutiv angewandt werde. Eine freie Kombination der beiden Suffixe schließt er aus. Schon Lepschy/Lepschy (1986) erwähnen, mit Beispielen belegt, Suffixhäufung und merken an, dass hier keine freie Kombinierbarkeit vorliegt. Tekavciç (1980) und Dressler/Merlini Bar-baresi (1994) sehen jedoch freie Kombinierbarkeit bei z.B. tazzettina - tazzinetta.

Auch bei der Kombination Diminutiv und Pejorativ sehen sie freie Kombinierbar-keit, z.B. bestiaccina - bestiolinaccia (siehe Dressler/Merlini Barbaresi 1994: 100).

Diese freie Reihenfolge widerspreche der üblichen Annahme fester Morphem-ordnung. Gemäß Merlini Barbaresi (2004a) steht das Suffix –ino bei Kombination mit anderen Suffixen jedoch bevorzugterweise in Endposition. Tekavciç (1980: 95) nennt verschiedene Kombinationen mit -ino (hierbei treten auch Elemente auf, die von anderen Autoren als Interfixe bzw. Suffixvarianten betrachtet werden):

-icino in fiumicino; -cino in bastoncino (als synkopierte Form von -icino); -olino in magrolino; -uccino in fettucine; -ellino in centellino. Brunet (1991), die Suffixhäu-fungen beim jeweils ersten Suffix anführt, erwähnt als mögliche Kombinationen:

-ettello, -ettino (negativ oder positiv bewertet, aber immer diminutiv), -ettone, -ettuccio (selten) sowie -inello (seltener als -ellino), -inetto (hier ist -ettino häufiger), -inicchio (selten), -inino und -inone (augmentativ).

1.7.2 -ello

Tekavciç (1980) führt bei -ello folgende Kombinationen an (auch hier treten Inter-fixe u.Ä. auf): -erello in pazzerello, canterellare; -itello in campitello, -icello in campicello;

die synkopierte Form -cello trete nach /n/ auf in bastoncello, informazioncella; -olello in filulella (apulisch) (siehe Tekavciç 1980: 93f.). Brunet (1991) erwähnt -ellino, -elluccio sowie -arellino, -erellino. Costa (1997) nennt -ellone.

1.7.3 -atto/-otto

Beide Suffixe -atto und -otto gehen laut Tekavciç (1980: 98) Kumulationen ein, wie in febbriciattola, viottolo. Calboli/Moroni (1989: 492) erwähnen diesbezüglich giovanottino, salsiciottino. Brunet (1991) nennt -ottello, das ihres Erachtens verniedli-chende Bedeutung hat, wie z.B. bei grassottella. Bei der Kombination -ottolo sei der Kontext wichtig; es könne eine pejorative Nuance auftreten. Bei der Kombination -ottone liege eine gegenseitige Beeinflussung beider Suffixe vor.

1.7.4 Sonstige Diminutivsuffixe

Auch bei -uccio tritt laut Tekavciç (1980: 100) Suffixhäufung auf. Gemäß Brunet (1991) ist die Verbindung -uccino, als doppeltes Diminutiv, selten. Dardano (1988:

58) erwähnt, dass bei vielen Fällen der Suffixhäufung die Zwischenformen nicht gebräuchlich sind oder nicht existieren: orsacchio zu orsacchiotto sei selten, libriciatto zu libriciattolo gebe es nicht. Brunet (1991) nennt -oletto/-uoletto als sehr positiv be-wertetes Diminutiv. In ihren Beispielen treten fast nur Personennamen oder Tiere als Basen auf. Die Suffixe -olino/-uolino seien verbreiteter als –oletto, aber -olone tre-te nur bei einem Beispiel auf. Brunet (1991) nennt zudem -icci(u)olo als diminutiv, jedoch fast immer negativ bewertet. Sie erwähnt, dass es Autoren gibt, die nur -icciolo verwenden. Dies seien v.a. zeitgenössische norditalienische oder toskani-sche Autoren. Vor allem Autoren des letzten Jahrhunderts oder süditalienitoskani-sche Autoren verwendeten hingegen nur -icciuolo. Dardano (1988, 1991) sowie

Darda-no/Trifone (1991) betrachten auch -olo, das meist in Kombination mit einem ande-ren Suffix auftrete, wie in nomignolo, mediconzolo (pejorativ). Die Verbindung -icciattolo habe diminutiv-pejorativen Wert, z.B. in febbriciattola (siehe Dardano 1978: 103). Auch bei -olo gebe es Kombinationen: -er-+-uolo: museruola (allerdings liegt hier kein Modifikativ vor), punteruolo (ebenfalls keines) und -iccio +-(u)olo:

muricci(u)olo, stradicci(u)ola (siehe Tekavciç 1980: 97).

1.7.5 -one

Bei der Suffixkumulation führen Dardano (1978, 1988, 1991) und Dardano/Trifone (1991) Beispiele an wie omaccione, porcaccione (siehe Dardano 1978: 104). Ferner er-wähnt Brunet (1991) Formen wie -oncello, -oncino. Die rekursive Augmentation drückt laut Dressler/Merlini Barbaresi (1994: 431ff.) einen extremen oder übertrie-benen Grad der quantitativen Bewertung aus.

1.7.6 -acchio/-icchio

Laut Dardano (1978: 104) tritt dieses Suffix fast nur in Suffixkumulation und mit ironischer "Konnotation" auf, wie in fratacchione, volpacchione, furbacchione (siehe Dardano 1978: 104). Musarra (1983) erwähnt -acchio und -icchio als kaum noch produktive Augmentativsuffixe. Brunet (1991) nennt Suffixhäufung bei -acchietto, -acchi(u)olo, -acchione und -acchiotto. Grimaldi (1991) sieht –acchione als Augmen-tativsuffix, das pejorativen Wert in ironischem Sinne ausdrückt.

1.7.7 -accio

Brunet (1991) erwähnt als Suffixkumulation mit -accio die Verbindung -accino als selten und -accione als häufiger auftretend. Costa (1997) nennt omaccione, sporcaccione, ricconaccio.

1.7.8 Sonderfälle

Dressler/Merlini Barbaresi (1994) gehen auf zwei Sonderfälle bei den modifizie-renden Suffixen ein, die allerdings fast nur bei -ino auftreten. Der erste Sonderfall besteht ihres Erachtens in der rekursiven Anfügung ein und desselben modifizie-renden Suffixes an dieselbe Basis (dies könne sowohl wurzelbasiert als auch wortbasiert geschehen). Sie gehen auf Formen wie guf-ino-ino-ino (guf-ini-ini-ini Plural) ein, die von ihren Informanten akzeptiert wurden (siehe Dressler/Merlini

Barbaresi 1994: 99). Das erste Suffix ist ihres Erachtens wurzelbasiert und die zwei nachfolgenden haben das flektierte Wort als Basis. Außer -ino könne nur bei -uccio wortbasierte Rekursivität auftreten. Durch diese rekursive Suffigierung werde eine Intensivierung der quantitativen Bedeutung erreicht. Bei wurzelba-sierter Rekursivität könne quantitative oder qualitative Intensivierung auftreten.

Im Gegensatz dazu sei bei rekursiver wortbasierter Diminution die qualitative Bewertung im Hintergrund, im Vordergrund stehe die Bezeichnung von Klein-heit. Diese könne pragmatisch verwendet werden, ein rein pragmatischer Ge-brauch scheine jedoch ausgeschlossen. Eine Suffixkumulation bei wurzelbasierter Derivation desselben Suffixes tritt laut Dressler/Merlini Barbaresi (1994: 100) selten und nur bei -ino auf, z.B. panciottinino. Die Kumulation der Suffixe (und somit Wiederholung der Bedeutung) mit verschiedenen Diminutivsuffixen ist ihrer Ansicht nach häufig. Die rekursive Anfügung ein und desselben Suffixes schließt Mutz (2000: 88) völlig aus. Im LIP FB16 findet sich jedoch pochinino wo eindeutig zweimal dasselbe Suffix auftritt.

Einen weiteren Sonderfall sehen Dressler/Merlini Barbaresi (1994: 102) in der Erlangung des Wortstatus von Diminutivsuffixen in der Umgangssprache (auch Lepschy/Lepschy 1986 erwähnen dies): un poderino proprio ino, questo vino è proprio uccio, questo è proprio one. Diese Formen treten wie Adjektive auf: è proprio ino/a.

Wortstatus können nach Dressler/Merlini Barbaresi (1994) nur -ino, -one und -uccio erlangen. Auch hier können "Suffix"häufungen auftreten. Bei -one sei auch eine wortbasierte, rekursive Suffigierung möglich, wie in fettona-ona-ona.