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- Massnahme 10 ist der Kommunikation zwischen Volksschule und fremdsprachigen Eltern gewidmet. Dabei setzt die Stadt auf Kulturvermittler und -vermittlerinnen. Für die Eltern gilt, dass sie sich aktiv an der Elternarbeit beteiligen müssen. Ziel ist es, den fremdspra-chigen Eltern, die aus sprachlichen, kulturellen oder anderen Gründen in die Elternanlässe der Schule schlecht eingebunden sind, die Schule als Treffpunkt zugänglich zu machen und die Schule zu einem Ort des kulturellen Austausches werden zu lassen (ebd.: 22).

- Im Handlungsfeld Partizipation (H4) wird der Elternrat als grundlegend betont. Der El-ternrat ist die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern (ebd.: 23).

- Erwähnt werden die Eltern auch im Handlungsfeld 7 „familienergänzende Betreuung und Unterstützung“. Wichtig ist für die Stadt Bern ein mit den Tagesschulen koordiniertes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung (M18) sowie ein familienergänzendes Betreuungsangebot insbesondere für erwerbstätige Eltern in den Schulferien (M19) (ebd.:

26).

- Im Handlungsfeld Weiterbildung (H8) betont die Stadt Bern die Weiterbildungsangebote für Mitglieder von Schulkommissionen und Elternräten (M21) (ebd.: 27).23

4.4 Schule und Elternhaus: Ungleiche Voraussetzungen für das Aushandeln

mokratischen Tradition. Dies verweist darauf, dass die Zusammenarbeit zwischen zugewan-derten Eltern und der lokalen Schule tatsächlich von migrations- und integrationspolitischen Idealen gerahmt werden. Insbesondere gilt dies für jene Zugewanderten, die sich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht auf eine ‚christliche-abendländische’ und demokratische Tra-dition berufen können. Ihre Sprachen und Kulturen gelten in der Schule als ‚Andere’. Von ihnen wird eine Anpassungsleistung an die Normalitätsvorstellungen der lokalen Schulen er-wartet.

Die gesetzlichen Vorgaben stellen die Schule vor Schwierigkeiten. Da die schulische Perfor-manz der Kinder und Jugendlichen in unserem Schulsystem stark vom Elternhaus abhängig ist, gleichzeitig das Elternhaus rechtlich als Privatsphäre der Familie von der Schule abge-schottet wird, kann die Mitarbeit der Eltern kaum erzwungen, sie muss vielmehr durch An-reizstrukturen gewonnen werden. In den Ausführungen des bernischen Lehrplans werden die Dilemmata von Schule und Lehrpersonen in Zusammenhang mit der Elternarbeit denn auch ersichtlich. Es wird einerseits bemerkt, dass die Schule Aufgaben übernehmen muss, die frü-her von der Familie wahrgenommen wurden. Gleichzeitig wird jedoch die Einflusssphäre der Lehrpersonen nicht auf familiale Bereiche ausgedehnt. Die Rechte der Eltern werden ausge-baut. Für die Lehrpersonen scheinen vermehrt Pflichten und zusätzliche Aufgaben anzufallen.

Postuliert wird in diesem Zusammenhang eine gemeinsame Verantwortung der Erziehungs-verantwortlichen (Eltern und Lehrpersonen) für das schulische Lernen der Kinder, die Ver-trauen und klare Arbeitsteilung bedingt. Somit bleibt es den Lehrpersonen (und den Eltern) überlassen, die entsprechende Arbeitsteilung zu bestimmen, aber auch gegenseitiges Vertrau-en aufzubauVertrau-en und zu pflegVertrau-en. Da die VorstellungVertrau-en über die ZuständigkeitVertrau-en von Schule und Elternhaus weit auseinandergehen können, scheint es für Lehrpersonen fast unmöglich zu sein, tragfähige Vereinbarungen zu treffen, zumal diese kaum für alle Eltern, entsprechend ihren unterschiedlichen Lebenssituationen, gleich sein können.

Auf rechtlicher Ebene besteht insgesamt keine Handhabe, die Eltern für die Zusammenarbeit mit der Schule in Pflicht zu nehmen, solange sie ihre Kinder regelmässig in die Schule schi-cken. Sanktionsmöglichkeiten hat die Schule nur indirekt: via Beurteilung und mittels diszip-linarischer Massnahmen bei Fehlverhalten der Schülerin oder des Schülers. Der schulische Einfluss auf die Familie beschränkt sich auf (moralische) Appelle an Zusammenarbeit und Unterstützung, Leistungsbeurteilung und letztlich disziplinarische Massnahmen. Auch wird versucht, die Eltern nicht nur über die institutionalisierten Formen der Mitwirkung stärker einzubeziehen. Vielmehr werden in der Schulverordnung die Eltern verpflichtet, sich mit der Schule auseinanderzusetzen, mit ihr zu kooperieren und zu einem positiven Schulklima

beizu-tragen. Diese Formulierung erscheint insofern problematisch, als ‚unkooperative’ Eltern dadurch potenziell als Gefahr für ein gutes Schulklima betrachtet werden. Zudem bleibt offen, was ein positives Schulklima umfasst und auf welche Weise Eltern dazu beitragen könnten.

Bei der Beurteilung besitzt die Schule die Hoheit, auch wenn sie diese vermehrt begründen und legitimieren muss. Sie setzt die Selektionskriterien für das schulische Weiterkommen, entscheidet über Schul(miss)erfolg. Die Eltern bleiben für das schulische Weiterkommen ih-res Kindes von der wohlwollenden Beurteilung und Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch die Lehrpersonen abhängig. In Zusammenhang mit der Selektion am Ende der Primar-stufe, bei der die Lehrpersonen das Sozial- und Arbeitsverhalten sowie das Entwicklungs- und Lernpotenzial beurteilen, weisen bildungssoziologische Arbeiten auf die Gefahr der ungenau-en Beurteilung und der Institutioneller Diskriminierung hin (Gomolla 2010; Gomolla & Radt-ke 2002; Kronig 2007; Oester et al. 2008). Aushandlungsprozesse zwischen Schule und El-ternhaus, zwischen Lehrpersonen und Eltern sind somit stets davon geprägt, dass die instituti-onellen Spielregeln und Bedingungen durch die Schule und die Lehrpersonen gesetzt sind.

Offensichtlich bedingen der gesellschaftliche Wandel und seine Folgen in den letzten Jahr-zehnten eine Neubestimmung des Verhältnisses von Schule und Elternhaus. Wie die Zusam-menarbeit genau aussehen soll, dafür gibt es seit der Einführung des neuen Volksschulgeset-zes gesetzliche Vorgaben. Die Schule hat einen umfassenden Informationsauftrag gegenüber den Eltern. Für einige Schullaufbahnentscheide muss das Einverständnis der Eltern eingeholt werden. Die Lehrpersonen sind den Eltern gegenüber begründungspflichtig. Gegen Schul-laufbahnentscheide können Eltern rekurrieren. Die Schule ist in diesem Sinne transparenter geworden. Demokratischer ist die Schule durch die Institutionalisierung von Elternräten. Die-se Gremien sind dazu gedacht, die Anliegen der Eltern besDie-ser wahrzunehmen und in die Schule und die Behörden einbringen zu können. Immerhin können auch Eltern ohne Schwei-zerpass zu Mitgliedern von Elternräten gewählt werden. Die Eltern haben auf institutioneller Ebene mehr Einblick in die Schule.

Je heterogenen die Gesellschaft, desto höher der Anspruch an die Institution Schule, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen. Die Schule scheint gefordert zu kompensieren, was in der Familie nicht mehr funktioniert. Dies ist letztlich die Konsequenz gesellschaftli-cher Veränderungen, die auch die Institution Familie betreffen. Diese Veränderungen werden in den vorliegenden Dokumenten als Folgen gesellschaftlicher Veränderungen negativ gese-hen. Sie entsprechen nicht mehr den gängigen Normalitätsvorstellungen. Zumindest auf der Ebene der Dokumente scheint sich die Institution Schule eher an den politischen Mainstream-diskurs als an Ergebnisse der Forschung zu Migration, Integration und Lebenssituationen und

Bedürfnissen von Familien anzulehnen. So muss vermutet werden, dass sich auch die Praxis der lokalen Schulen an migrations- und integrationspolitischen Positionen orientiert, die dem medialen und politischen Zeitgeist und nicht den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen entsprechen. Dass solche Normalitätsvorstellungen ausgrenzend bis diskriminierend wirken, zeigen die Arbeiten zur Institutionellen Diskriminierung, zur Passung von Bildungshabitus oder auch zur Problematik der Beurteilung, die in Kapitel 2 besprochen wurden.

Wie die Elternarbeit in zwei Schulen in der Arbeiter- und Ausländervorstadt Bern West konk-ret aussieht, wird nun in den folgenden Kapiteln beschrieben.

5 Der lokale Kontext: sozialräumliche Entwicklungen und die

Sicht der Schulen