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4.3 Das Volksschulwesen in der Stadt Bern

4.3.2 Die Bildungsstrategie der Stadt Bern

Der Elternrat des Schulstandortes, in den die Vertretungen der Eltern der einzelnen Klassen delegiert sind, hat die Aufgabe, sich mit aktuellen, den Schulstandort betreffenden Themen zu beschäftigen. Dies sind insbesondere Themen, die von den Klasseneltern, den Lehrpersonen oder der Schulkommission für wichtig befunden werden. Eine weitere Aufgabe des Elternrats ist es, für die Vertretung der fremdsprachigen und/oder ausländischen Eltern zu sorgen. Der Elternrat des Schulstandortes wählt zwei VertreterInnen in den Elternrat des Schulkreises und informiert die Eltern der einzelnen Klassen regelmässig über dessen Aktivitäten (Art. 22, SV).

Der Elternrat des Schulkreises hat die Aufgabe, den Schulkreis betreffende Themen zu disku-tieren, die sich aus der Zusammenkunft der Elternräte, der Konferenz der Elternratspräsidien, der Lehrerschaft sowie der Schulkommission als wichtig gezeigt haben. Der Kreiselternrat vertritt die Anliegen der Eltern gegenüber der Schulleitung und der Schulkommission. Er wählt einen Präsidenten oder eine Präsidentin, der oder die den Kreiselternrat nach aussen und in der Konferenz der Elternratspräsidien vertritt. Auch hier ist die Information der Eltern über die Kreiselternratsarbeit wichtig (Art. 26, SV). Die Konferenz der Elternratspräsidien vertritt die Anliegen der Eltern gegenüber der Direktion (BSS).

Die Elternvertretung in der Schulkommission sowie der Volksschulkonferenz nehmen die Elterninteressen wahr (Art. 31, Abs. 2; Art. 32, Abs. 2, SV).

Die Stadt ist „für die Infrastruktur und die Rahmenbedingungen der Volksschule“ (ebd.: 7) verantwortlich. Sie muss „im Interesse der Qualitätssicherung sowie in Berücksichtigung der unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lernenden und Lehrenden“ (ebd.) ihre Aufgaben erfüllen. Konkretisiert wird dies bezüglich der Eltern und Familien im Papier anhand von „Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen-Eltern-Schulbehörden“ und „Mitwir-kung der Eltern“ (ebd.).

Ihre bildungspolitische Verantwortung nimmt die Stadt Bern wahr, indem sie Bildungsziele formuliert und im Rahmen ihrer Spielräume geeignete Massnahmen trifft, um diese zu errei-chen (ebd.). Grundlage dieser Bildungsziele und Massnahmen ist eine „Lage-Analyse der Volksschule der Stadt Bern“. Um den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen, werden „Grundsätzliche Fragestellungen“ aufgeworfen, die in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt werden (ebd.: 8). Im Zusammenhang mit den Eltern lautet die entsprechende Fragestellung: „Welches sind die Bedürfnisse und Erwartungen der Kinder und Jugendlichen, der Eltern und der Lehrpersonen?“ (ebd.).

In den darauf folgenden Kapiteln wird die Lage-Analyse vorgenommen. Im Papier werden die verschiedenen Akteurinnen und Akteure des städtischen Bildungswesens bezeichnet. Es sind dies die Kinder und Jugendlichen, die Eltern, die Lehrpersonen sowie die städtischen Schulbehörden. Weiter werden schulstatistische Daten zusammengetragen und kommentiert.

Im letzten Teil des Papiers folgen schliesslich die Ziele und Leitlinien der stadtbernischen Bildungspolitik, aus denen Handlungsfelder und Massnahmen abgeleitet werden.

Um die Massnahmen, welche Eltern und Familien betreffen zu kontextualisieren, wird im Folgenden die „Gesellschaftsanalyse“ der Bildungsstrategie etwas genauer ausgeführt. Im Kapitel zu den Kindern und Jugendlichen besteht diese aus der Feststellung, dass der Alltag von Kindern und Jugendlichen heute von einer „Schnelllebigkeit der Gesellschaft, neue[n]

Familienformen, rasante[m] technische[m] Fortschritt, Folgen der Globalisierung, Wertewan-del und Abkehr von Traditionen“ (ebd.: 9) geprägt sei. Diese Herausforderungen könnten nicht alle Kinder und Jugendlichen bewältigen. Einige würden unter schwierigen Bedingun-gen aufwachsen und mit „Leistungsverweigerung, Flucht in die Zerstreuung“ reagieren. An-dere neigten „zu Aggression, Depression und Resignation“, da ihnen Zukunftsperspektiven fehlten. Längere Ausbildungszeiten und somit längere finanzielle Abhängigkeiten der Kinder von Eltern und ein Wandel des Verhältnisses zwischen den Generationen (Autoritätsverlust, fliessende Grenzen zwischen den Generationen) würden zu einer veränderten Situation auch in der Schule führen. Eltern und Lehrpersonen seien gegenüber den Jugendlichen „oft ratlos“

(ebd.). Jugendliche bräuchten „engagierte Erwachsene mit pädagogischem Geschick“ (ebd.), welche sie begleiteten. Viele Jugendliche würden denn auch „Beeindruckendes“ leisten und über „hohe soziale und kommunikative Kompetenzen“ verfügen (ebd.).

Im Kapitel, das den Eltern gewidmet ist (Kap. 23) wird die elterliche Sorge und Verantwor-tung hervorgehoben. Die wichtige Rolle der Eltern für „die Lernbiographie und die Schulleis-tungen ihrer Kinder“ (ebd.: 10) wird betont. „Die Art und Weise, wie die Eltern ihr Leben gestalten, wie sie dafür Verantwortung tragen, wie sie sich in der Familie und in der Gemein-schaft verhalten, aber auch die soziale Situation der Familie wirken sich bestimmend auf das Leben und insbesondere die Lernbiographie und die Schulleistungen ihrer Kinder aus“ (ebd.).

Damit ist einerseits die Vorbildfunktion der Eltern angesprochen. Andererseits ist die Wich-tigkeit des Elternhauses für den Schulerfolg angesprochen, die im Anschluss an die PISA-Tests medial und politisch erneut diskutiert wird. So wird im Text weiter betont, dass die Schule heute mit einer „heterogen zusammengesetzten Elternschaft“ konfrontiert sei. Der Bogen wird aufgespannt zwischen jenen Eltern, die aus verschiedenen Gründen ihre Erzie-hungsverantwortung nicht „wirkungsvoll wahrnehmen“ könnten und angesichts „allseits an-gepriesener Erziehungsratschläge sowie den Beeinflussungen der Kinder durch Medien, Schule, Werbung und Peer-Groups die Orientierung verloren“ hätten. Solchen Eltern fehlten die „persönlichen und zeitlichen Ressourcen, um die Erziehung ihrer Kinder wirkungsvoll wahrnehmen zu können“. Oftmals seien ihre Lebensumstände problematisch. Andere Eltern versuchten „verstärkt auf die Schule Einfluss“ zu nehmen (ebd.). Die unterschiedlichen Wert-vorstellungen und Zielsetzungen oder auch das Anzweifeln der Professionalität der Lehrper-son führe zu Konflikten zwischen Schule und Elternhaus. Unbefriedigend auch jene Situation, wo Eltern der Schule „in einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber“ stünden (ebd.). Proble-matisch sei für die Eltern zudem, wenn sie ganztägig erwerbstätig und Betreuungsangebote für ihre Kinder nicht in ausreichender Form verfügbar seien.

In Kapitel 2.4 wird auf die Situation der Lehrpersonen eingegangen. Ihr Beruf wird als „be-friedigende und sinnvolle Aufgabe“ mit hohem Freiraum und Entwicklungsmöglichkeiten geschildert. Auch wird der Mehrheit der Lehrpersonen Engagement und berufliche Kompe-tenz attestiert (ebd.). Charakteristisch für ihre berufliche Situation sei, dass „ihre Berufsauf-gaben von aussen beeinflusst“ (ebd.) würden. Als Beispiele in diesem Zusammenhang ge-nannt werden veränderte Anstellungsbedingungen, schulorganisatorische Neuerungen, Spar-beschlüsse, bildungspolitische Debatten, Erwartungen seitens der Eltern, Schülerinnen und Schüler uam. „Andere Berufsgattungen, Interessengruppen und Einzelpersonen nehmen für sich in Anspruch – ob nun berechtigt oder nicht –, die Arbeit der Lehrpersonen und die

Auf-tragserfüllung der einzelnen Schulen zu beurteilen und auf operative Bereiche der Schule steuernd einzuwirken“ (ebd.).

Die Tatsache, dass die Lehrpersonen mit ihrer Arbeit den Lernerfolg der Kinder und Jugend-lichen beeinflussten, führe – nebst den genannten gesellschaftJugend-lichen Veränderungen und den Charakteristika des Lehrberufs – zu einem anspruchsvollen Anforderungsprofil. Dieses bein-halte einerseits generell die Kooperation mit den Eltern und andererseits gemeinsam mit den Eltern die angemessene Begleitung der Schülerinnen und Schüler (ebd.: 11).

Vor dem Hintergrund dieser Analyse formuliert die Direktion Handlungsfelder (H) und Mas-snahmen (M) für die Volksschule, den Kindergarten und den Vorkindergarten. Als Hand-lungsfelder gelten der Vorkindergarten (H1), die Volksschule (H2), Kommunikation und In-formation (H3), Partizipation (H4), Infrastruktur (H5), Schulorganisation (H6), Familiener-gänzende Betreuung und Unterstützung (H7) und Weiterbildung (H8). Innerhalb dieser Hand-lungsfelder werden total 21 Massnahmen formuliert. Im Folgenden werden jene Massnahmen und die dazugehörigen Handlungsfelder aufgelistet, in denen die Eltern vorkommen.

- Im Vorkindergarten (H1) sollen „fremdsprachige Kinder und [parallel dazu] ihre Eltern“

Deutsch als Zweitsprache (M1) lernen (ebd.: 17).

- In der Volksschule (H2) erhalten die Eltern fremdsprachiger Kinder die Möglichkeit, wäh-rend der Kindergartenzeit ihrer Kinder Deutschkurse (M2) zu besuchen (ebd.: 18).

- Bei der Berufsfindung sollen die Eltern die Verantwortung übernehmen. Die Schule und die beteiligten Institutionen liefern die nötige fachliche Unterstützung (M6) (ebd.: 20).

- Bei sozialen Problemen leistet die Schulsozialarbeit (SSA) Unterstützung für Schülerin-nen und Schüler, LehrpersoSchülerin-nen sowie Eltern (M7) (ebd.).

- Im Handlungsfeld Kommunikation und Information (H3) dreht sich M9 um die Informa-tion der Eltern. Ziel ist es, die Eltern über das bernische Schulsystem zu informieren, ins-besondere über Zielsetzungen, pädagogische Ansätze, zusätzliche Förderangebote, organi-satorische Strukturen und ausserschulische Quartierangebote. Die Eltern sollten die Rech-te und PflichRech-ten der Schülerinnen und Schüler, der Lehrpersonen und ihre eigenen RechRech-te und Pflichten kennen. Die Tragweite von Schullaufbahnentscheiden soll den Eltern klar sein und sie sollten sich bei Fachstellen Unterstützung organisieren können. Es wird zu-dem erwähnt, dass für fremdsprachige Eltern möglicherweise spezielle Informationsver-anstaltungen vorzusehen sind (ebd.: 21).

- Massnahme 10 ist der Kommunikation zwischen Volksschule und fremdsprachigen Eltern gewidmet. Dabei setzt die Stadt auf Kulturvermittler und -vermittlerinnen. Für die Eltern gilt, dass sie sich aktiv an der Elternarbeit beteiligen müssen. Ziel ist es, den fremdspra-chigen Eltern, die aus sprachlichen, kulturellen oder anderen Gründen in die Elternanlässe der Schule schlecht eingebunden sind, die Schule als Treffpunkt zugänglich zu machen und die Schule zu einem Ort des kulturellen Austausches werden zu lassen (ebd.: 22).

- Im Handlungsfeld Partizipation (H4) wird der Elternrat als grundlegend betont. Der El-ternrat ist die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern (ebd.: 23).

- Erwähnt werden die Eltern auch im Handlungsfeld 7 „familienergänzende Betreuung und Unterstützung“. Wichtig ist für die Stadt Bern ein mit den Tagesschulen koordiniertes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung (M18) sowie ein familienergänzendes Betreuungsangebot insbesondere für erwerbstätige Eltern in den Schulferien (M19) (ebd.:

26).

- Im Handlungsfeld Weiterbildung (H8) betont die Stadt Bern die Weiterbildungsangebote für Mitglieder von Schulkommissionen und Elternräten (M21) (ebd.: 27).23

4.4 Schule und Elternhaus: Ungleiche Voraussetzungen für das Aushandeln