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5 DISKUSSION

5.1 NEURODEGENERATION, NEUROPROTEKTION, KLINIK

5.2.4 ÜBERGREIFENDE DISKUSSION UND BEDEUTUNG DER

5.2.4.2 Regulation der Expression BDV-spezifischer Proteine

In der vorliegenden Arbeit konnte das bereits bekannte disseminierte Expressionsmuster des BDV-N bestätigt werden und zusätzlich die bis dato nicht bekannten Expressionsstrategien von BDV-M und BDV-GP in vivo charakterisiert werden.

DISKUSSION 169 Nach experimenteller BDV-Infektion der Lewis-Ratten und Mäuse waren BDV-N und BDV-N +ssRNA disseminiert im gesamten Gehirn in Zytoplasma und Zellkern nachweisbar.

Daher scheint auch in vivo die Bereitstellung adäquater BDV-N-Mengen essentiell für eine angepasste Funktion des RNP in der akuten und persistierenden Infektionsphase in beiden Nagermodellen zu sein. Dies wird durch vergleichbare Expressionsstrategien des BDV-N und seiner RNA bei der Ratte und Maus untermauert. BDV-N schützt weiterhin das Virusgenom und Antigenom vor eukaryonten RNasen, verhindert die Bildung von dsRNA-Hybriden und somit die Aktivierung antiviraler Abwehr (LEAMAN, 1998). Exzessive Mengen von BDV-N verhüten eine Superinfektion und können so zur genomischen Stabilität beitragen (FORMELLA et al., 2000; GEIB et al., 2003). Daher ist BDV-N für den Erhalt der Infektion und die virale Persistenz wesentlich, was in beiden Modellen bestätigt wurde.

Die Ergebnisse nach BDV-Infektion der Lewis-Ratten zeigen eindeutig, dass die BDV-M-Expression zeitlichen und regionalen Regulationen unterliegt. Die subzelluläre Verteilung der BDV-Intron I +ssRNA in Neuronen entsprach in der frühen Phase p.i. der vorwiegend zytoplasmatischen Lokalisation der N +ssRNA und diente so einer ausreichenden BDV-M-Synthese. Die Mechanismen des viralen Kernexports unprozessierter Transkripte sind auch zeitlich differierend, regionen- und zellspezifisch, da eine zytoplasmatische Lokalisation von BDV-Intron I +ssRNA konstant nur in hippocampalen Neuronen vorlag. In der chronischen Infektionsphase war, wie für die BDV-Intron II +ssRNA, eine Kernretention zu beobachten, die mit der Abnahme der BDV-M-Expression korrelierte. Daher scheint die Expression des BDV-M frühzeitig durch die BDV-M-Synthese in Neuronen, Aufregulation der Transkription und nukleären Export der BDV-Intron I +ssRNA gefördert zu werden, während in der chronischen Phase BDV-Intron I +ssRNA aus unbekannten Gründen vermehrt im Kern zurückgehalten wird und in den Neuronen der CA3-Region die Transkriptmenge abnimmt. In dieser Phase scheint jedoch den Astrozyten eine wichtige Funktion zuzukommen, wobei die zugrundeliegenden Mechanismen des zellulären switch derzeit nicht bekannt sind.

Bei den BDV-infizierten Mäusen war 28 Tage p.i. eine ähnliche Exportstrategie Intron I-haltiger +ssRNA wie bei der Ratte zu erkennen, die die effiziente Translation von BDV-M ermöglichte. Ob eine regionen- und zellspezifische Regulation der BDV-M-Expression im Verlauf der murinen BDV-Infektion ähnlich wie bei der Ratte besteht, wird derzeit untersucht.

BDV-M und die kodierende +ssRNA weisen daher eindeutig ein anderes Expressionsprofil als das Strukturprotein BDV-GP in beiden Modellen auf. Möglicherweise stellt dies auch ein Hinweis auf die über die Strukturfunktionen hinausgehenden, regulativen Aufgaben des BDV-M dar. Übereinstimmend zur BDV-GP-Expression trat jedoch eine Abnahme beider Hüllproteine im chronischen Infektionsstadium auf, was zu einer verminderten Synthese vollständiger Partikel und zur Persistenz beitragen kann. Gleichzeitig kann so auch eine Expression immunogener Proteine vermieden werden.

DISKUSSION 170

Nach BDV-Infektion der Lewis-Ratten wird die restriktive und regional limitierte BDV-GP-Expression anscheinend durch verschiedene Regulationsmechanismen erreicht. Dazu gehört neben einer regional unterschiedlichen Transkriptionseffizienz eine unterschiedliche zeitliche Regulation der neuronalen Transkriptexpression sowie eine Limitierung der Translation in der chronischen Phase. Die limitierte Bereitstellung kodierender +ssRNAs wird vermutlich durch eine geringe Spleißeffizienz von Intron I und die Kernretention Intron II-haltiger +ssRNAs erzielt (POROMBKA, 2006; WERNER-KEIŠS et al., 2008), da der Transkriptionsgradient alleine nicht für das restriktive und regionale Vorkommen des BDV-GP verantwortlich sein kann. Der restriktive nukleäre Export stellt daher einen essentiellen Mechanismus dar, um die virale Transkriptions- und Translationsleistung zu regulieren und die virale Persistenz zu erhalten. Generell wird somit die Expression des BDV-GP auf vielen Ebenen reguliert, die von der Menge der bereitgestellten Transkripte, ihrer Reifung und nukleären Export bis hin zur Limitierung der Translation reichen. Dies ergänzt sich mit den posttranslationellen Mechanismen wie der Herabregulation des BDV-GP auf der Zelloberfläche, limitierte Prozessierung des BDV-GP und Maskierung durch wirtseigene N-Glykane (EICKMANN et al., 2005). Diese Strategien scheinen zusätzlich noch in verschiedenen Zelltypen und im Verlauf der Infektion zu variieren. Dies verdeutlicht die vielschichtigen Regulationsebenen der viralen Syntheseleistung, deren Zusammenspiel wesentlich zum Überleben im infizierten Wirt und zur Viruspersistenz beitragen dürfte. Dies kann weiterhin die Effizienz der Freisetzung von Viruspartikeln beeinflussen. Ähnliche Mechanismen werden auch für das Tollwutvirus vermutet (MORIMOTO et al., 1999; FABER et al., 2002).

In den BDV-infizierten Mausgruppen war noch weniger BDV-GP als bei der Ratte nachweisbar, trotz mehr zytoplasmatischer BDV-Intron II +ssRNA, Reduktion der BDV-Intron II-Transkriptmengen über die Zeit bzw. vermehrtes Spleißen dieses Introns sowie stabilen BDV-Intron I-Mengen. Daher scheint die BDV-GP-Translation noch restriktiver zu sein, was die virale Persistenz begünstigen kann. Weiterhin kann das BDV bei der Maus 28 Tage p.i., wie bei der Ratte, gespleißte und ungespleißte RNA aus dem Zellkern exportieren. Bei der Maus fand sich ein gleichartiger Zelltropismus für die BDV-GP-Expression wie bei der Ratte, aber mit Unterschieden in regionalem Tropismus, nukleärer Exportrate und Limitierung der Translation. Die geringen BDV-GP-Mengen bei disseminierter Virusausbreitung in allen Gruppen zeigen, dass auch bei der Maus BDV-GP-unabhängige Ausbreitungsmechanismen vorliegen. Ob der restriktive BDV-GP-Nachweis auf einer noch stärkeren Glykolisierung des BDV-GP zum Abschirmen antigenetischer Strukturen beruht (KIERMAYER et al., 2002) und daher nicht alles BDV-GP detektiert wurde, bedarf weiterer Untersuchungen.

Zusammenfassend lassen die Ergebnisse der Expression von BDV-N, BDV-M und BDV-GP und deren RNAs darauf schließen, dass unterschiedliche kontrollierende Mechanismen für

DISKUSSION 171 die einzelnen viralen mRNAs und ihre Proteine während der experimentellen BDV-Infektion adulter Lewis-Ratten, TNF-transgener und nicht transgener Mäuse aktiv sind. Bei den Mäusen scheinen ähnliche, modifizierte Mechanismen der Virusausbreitung, Translation und Expression viraler Proteine wie in anderen Nagermodellen vorzuliegen. Diese Strategien greifen auf verschiedenen Ebenen der BDV-Infektion, beginnend bei dem Tropismus des BDV für bestimmte Gehirnareale und Zelltypen, der sich im Verlauf der Infektion verändern kann, über die qualitative und quantitative Beeinflussung von Transkription, Replikation und Translation. Zur Umgehung der Immunabwehr sind also vielschichtige Mechanismen vorhanden, die im Zusammenspiel die Feinregulierung der Vorgänge gewährleisten.

5.2.4.3 Einfluss neuroprotektiver und wirtseigener Faktoren auf die Virusreplikation,