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2.5 DAS VIRUS DER BORNASCHEN KRANKHEIT (BDV)

2.5.4 BDV-spezifische Proteine

Aufgrund des Transkriptionsgradientens werden BDV-N und BDV-P im Vergleich zu den anderen viralen Proteinen in großen Mengen exprimiert. BDV-N stellt mindestens 50 % der in Virionen nachweisbaren BDV-Proteine dar (PYPER und CLEMENTS, 1994), während BDV-GP in vivo und in vitro nur bei 1-10 % der infizierten Zellen nachweisbar ist (RICHT et al., 1998; DE LA TORRE et al., 2002a).

2.5.4.1 Proteine des viralen Polymerasekomplex

Nukleoproteine der NNS-RNA-Viren sind Teil des Nukleokapsid (CALAIN und ROUX 1993;

BHELLA et al., 2002) und wichtiger Teil des viralen Polymerasekomplexes (RNP). Innerhalb der NNS-RNA-Viren bildet nur BDV zwei Isoformen des BDV-N mit einem Molekulargewicht von 39/40 kDa und 38 kDa aus, die beide in infizierten Zellen nachweisbar sind (PYPER und GARTNER, 1997). Das N-terminale NLS ist nur bei der Isoform p40 vorhanden (PYPER und GARTNER, 1997; KOBAYASHI et al., 1998). Dennoch können beide Isoformen im Nukleus infizierter Zellen vorkommen Am C-Terminus von p38 und p40 liegt ein NES, das mit der BDV-P-bindenden Region überlappt und die TELEISSI-Region, die das immundominante Epitop des BDV-N für murine CD8+ T-Zellen darstellt, enthält (KOBAYASHI et al., 2001;

SCHAMEL et al., 2001; TOMONAGA et al., 2002). In vivo tritt BDV-N bei experimentell infizierten Lewis-Ratten disseminiert im Gehirn in Neuronen, Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen auf und kann dort im Nukleus und/oder Perikaryon und dessen Fortsätzen sowie im Neuropil detektiert werden (DESCHL et. al., 1990; HERDEN et al., 2000b, 2005; WERNER-KEIŠS et al., 2008). In Zellkulturen wurden beide Isoformen des BDV-N jedoch nur im Nukleus nachgewiesen (PYPER und GARTNER, 1997; KOBAYASHI et al., 1998).

Phosphoproteine anderer NNS-RNA-Viren sind essentielle Kofaktoren für die virale Polymerase (BANERJEE et al., 1991; HORIKAMI et al., 1992). Auch BDV-P soll eine derartige Funktion innehaben und wesentlich am assembly des RNP beteiligt sein (SCHWEMMLE et al., 1998; WOLFF et al., 2000; SCHNEIDER et al., 2004a; SCHNEIDER, 2005). Wie auch bei BDV-N, existieren zwei BDV-P-Isoformen mit 24 kDa (p24) bzw. 16 kDa (p16), wobei die Funktion der bereits in vitro und in vivo nachgewiesenen Isoform p16 nicht genau bekannt ist (SCHNEEMANN et al, 1995; SHOYA et al., 1998; KOBAYASHI et al., 2000; TOMONAGA et al., 2002). Die Phosphorylierung des BDV-P soll im Gegensatz zu anderen Phosphoproteinen die Kofaktoraktivität des BDV-P negativ beeinflussen (SCHMID et al., 2007). Das komplette BDV-P besitzt zwei NLS jeweils am N- und C-Terminus des

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Proteins (SHOYA et al., 1998; SCHWEMMLE et al., 1999b). Das BDV-P verfügt über vier weitere Interaktionsdomänen. Dazu zählen eine BDV-X-bindende Domäne am N-Terminus, eine Homo-Oligomerisationsdomäne sowie eine BDV-N- und BDV-L-Interaktionsdomäne am C-terminalen Ende (SCHWEMMLE et al., 1998; WOLFF et al., 2000; SCHNEIDER et al., 2004a). Das BDV-P bildet vermutlich wie andere Phosphoprotein Trimere (SCHNEIDER et al., 2004a). In vitro ist BDV-P ist vor allem im Nukleus, aber auch im Zytoplasma zu finden (KOBAYASHI et al., 1998, 2003; SCHWEMMLE et al., 1998, 1999b; SHOYA et al., 1998).

Bei BDV-infizierten Ratten liegt BDV-P disseminiert im Gehirn in Nukleus, Zytoplasma, Fortsätzen sowie im Neuropil vor, wobei alle Gehirnzellen BDV-P aufweisen können.

BDV-X stellt einen Regulationsfaktor des RNP dar und scheint ein Nichtstrukturprotein zu sein, das nicht in Viruspartikel eingebaut wird (KOBAYASHI et al., 2003; PEREZ et al., 2003;

SCHNEIDER et al., 2003; POENISCH et al., 2004, 2008a; SCHWARDT et al., 2005). Mit einer Molekularmasse von ca 10 kDa (p10) ist BDV-X das kleinste BDV-Protein (VAN DE WOUDE et al., 1990; CUBITT et al, 1994a; WEHNER et al., 1997; DE LA TORRE, 2002a;

TOMONAGA et al., 2002). Das für BDV-X kodierende ORF x1 überlappt dabei mit ORF II.

BDV-X bindet in vitro am N-terminalen Ende an den nukleären Transportrezeptor Importin α und könnte so in den Kern transportiert werden (WOLFF et al., 2002). BDV-X besitzt weiterhin ein mutmaßliches NES, dessen Exportaktiviät bisher unklar ist (WOLFF et al., 2000). In vitro wird BDV-X in Kolokalisation mit BDV-P und BDV-N im Kern als auch im Zytoplasma beschrieben, das Verhältnis von BDV-X:BDV-P:BDV-N soll etwa 1:6:40 betragen (WEHNER et al., 1997; KOBAYASHI et al., 2003; SCHWARDT et al., 2005). Bei natürlich und experimentell infizierten Tieren liegt BDV-X vor allem im Zytoplasma von Gehirnzellen vor (WEHNER et al., 1997; HERDEN et al., 1999).

Das ORF V kodiert für die virale RNA-abhängige RNA Polymerase BDV-L. Das 180 kDa große Protein (p180) interagiert mit BDV-P (WALKER et al., 2000; SCHNEIDER, 2005).

Möglicherweise existieren zwei weitere, unvollständige Isoformen des BDV-L, deren Funktion unklar ist (DE LA TORRE, 2002b). BDV-L enthält ca. 40 potentielle Phosphorylierungsstellen, so dass eine Regulation der Polymerasefunktion über Phosphorylierung vermutet wird (WALKER et al., 2000). Der Transfer von neu synhetisiertem BDV-L im Zytoplasma an den Ort der Virusreplikation (Nukleus) erfolgt eventuell über ein NLS im BDV-L oder über eine Interaktion mit BDV-P (WALKER und LIPKIN, 2002;

SCHNEIDER et al., 2003). Die katalytische Domäne des Proteins ist stark konserviert und vergleichbar mit den Polymerasen anderer Vertreter der Mononegavirales (BRIESE et al., 1994; CUBITT et al., 1994a; TOMONAGA et al., 2002). Als Matrize für die RNA-Synthese dient der Polymerase ausschließlich das virale Nukleokapsid aus RNA und BDV-N;

deproteinierte Virus-RNA kann nicht verwendet werden (PEREZ und DE LA TORRE, 2005).

WALKER et al. (2000) fanden in vitro BDV-L vorrangig im Zellkern infizierter und

LITERATURÜBERSICHT 25 transfizierter Zellen. Dies weist auf einen nukleären Transport der Polymerase auch in Abwesenheit weiterer BDV-Proteine hin (WALKER et al., 2000). In vivo wurde BDV-L selber bisher nicht detektiert. In natürlich infizierten Pferdegehirnen liegt BDV-L +ssRNA vor allem im Kern, aber auch im Zytoplasma vor (ALGERMISSEN et al., 2007a, b).

Alle NNS-RNA-Viren mit linearem Genom formieren einen aktiven Polymerasekomplex (RNP), der die kleinste infektiöse Einheit des Virus darstellt (TORDO et al., 1992; CUBITT et al., 1994a; CONZELMANN, 1998, 2004). Der aktive RNP besteht, wie im Minireplikonmodell gezeigt wurde, auch beim BDV aus BDV-N, BDV-P, BDV-L und der RNA (PEREZ et al., 2003; SCHNEIDER et al., 2003; DE LA TORRE, 2006), wobei Interaktionen mit BDV-X und wahrscheinlich auch BDV-M bestehen (SCHNEIDER, 2005; CHASE et al., 2006). Die BDV-N Isoform p38 scheint keine aktiven RNPs zu formen; p38 kann jedoch BDV-P binden, das in zu hoher Menge die RNP-Aktivität hemmen kann. So könnte p38 an der Feinregulierung der RNP-Aktivität beteiligt sein, was auch für die Isoform p16 des BDV-P vermutet wird (PEREZ et al., 2003; SCHNEIDER et al., 2003, 2004a, b). BDV-N und BDV-P sind wichtig für den nukleozytoplasmatischen Transport des RNP (KOBAYASHI et al., 2001; TOMONAGA et al., 2002; YANAI et al., 2006). Die NLS und NES enthaltenden BDV-N und BDV-P binden direkt oder indirekt an die BDV-RNA, wobei die Mechanismen der Interaktion und des Kerntransfer unvollständig bekannt sind (CROS und PALESE, 2003; DE LA TORRE, 2006). Das NES des BDV-N ist zudem mit einer der Bindungsstellen für BDV-P kolokalisiert (KOBAYASHI et al., 2001), so dass die Exportaktivität von BDV-N durch Bindung von BDV-P beeinflusst werden kann.

Für die Funktion des RNP ist weiterhin die Feinregulation durch das intrazelluläre Verhältnis von BDV-N:BDV-P bzw. von BDV-X:BDV-P essentiell. Für eine optimale Replikation wird zwanzigfach mehr BDV-N als BDV-P benötigt, bei einem 1:1 Verhältnis beider Proteine wird die Replikation gehemmt (SCHNEIDER et al., 2003, SCHNEIDER, 2005). Diese strenge Kontrolle der Replikation durch variierende molare Mengen von BDV-P kann wesentlich zur viralen Persistenz beitragen. Dies bestätigen auch WATANABE et al. (2000), die in der persistierenden Phase achtmal mehr BDV-P als BDV-N nachweisen konnten. Die RNP-Aktivität scheint auch von den Verhältnissen von BDV-P zu BDV-X abhängig zu sein. Die Inhibition soll dabei durch die Interaktion von BDV-X mit BDV-P erfolgen (WOLFF et al., 2000; YANAI et al., 2006). Dies kann zu einer Retention von BDV-P im Zytoplasma mit konsekutiver BDV-P-Reduktion im Nukleus führen (KOBAYASHI et al., 2003; POENISCH et al., 2004; YANAI et al., 2006). Im Nukleus könnte BDV-X direkt mit BDV-P interagieren, um so die RNP-Aktivität über die Konzentration an aktivem BDV-P zu beeinflussen (POENISCH et al., 2004; SCHWARDT et al., 2005). Neue Studien zeigen, dass BDV-X das assembly des RNP auch förden kann und so nicht nur ein Inhibitor sondern eher Regulator der viralen Replikation darstellt (POENISCH et al., 2008a).

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2.5.4.2 Strukturproteine

Matrixproteine behüllter RNA-Viren sind durch die Interaktion mit dem RNP einerseits und viralen Hüllproteinen andererseits an der Freisetzung von reifen Viruspartikeln beteiligt (MARTIN und HELENIUS, 1991; GAROFF et al., 1998). Auch für das BDV-M wird eine Beteiligung beim assembly und budding des BDV angenommen (KRAUS et al., 2001, 2005).

Matrixproteine sollen weiterhin eine wichtige Rolle in der Regulierung der Virusreplikation spielen. BDV-M soll auch mit dem RNP interagieren, die Funktion der Polymerase aber im Gegensatz zum Matrixprotein des Tollwutvirus aber nicht beeinflussen (CHASE et al., 2006).

Das vom ORF III kodierte Protein p16 wurde zunächst für ein membrangebundenes Glykoprotein (gp18) gehalten (CUBITT et al., 1994a; KLICHE et al., 1994; BRIESE et al., 1994; STOYLOFF et al., 1997). Mittlerweile wurde eindeutig gezeigt, dass es sich um ein typisches, nicht glykosiliertes Matrixprotein handelt, das an der inneren Schicht der Hüllmembran des Virions lokalisiert ist (KRAUS et al., 2001, 2005). BDV-M ist in vitro im Zytoplasma zu finden und im Kern mit BDV-P und BDV-X kolokalisiert (CHASE et al., 2006).

Ungespleißte Transkripte, die für BDV-M kodieren, kommen weitaus häufiger im Zytoplasma BDV-infizierter Zellen vor als Intron I–gespleißte mRNA, die für BDV-GP kodiert (JEHLE et al., 2000). Dies soll zu einem Konzentrationsgradienten von BDV-M zu BDV-GP im Zytoplasma führen. Detaillierte Studien zur Expression des BDV-M in vivo liegen derzeit nicht vor.

Virale Glykoproteine stellen häufig Determinanten für die antivirale Immunantwort dar und bedingen durch ihre Rolle beim initialen Zellkontakt auch wesentlich den Gewebe- und Zelltropismus. Das BDV-GP (gp84, gp94) ist das einzige Glykoprotein des BDV (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997; SCHNEIDER et al., 1997a; RICHT et al., 1998). Das 57 kDa große Vorläuferprotein inseriert als Typ-I-Membranprotein im endoplasmatischen Retikulums (ER), wo die N-Glykosilierung stattfindet, die die molekulare Masse auf 84/94kDa erhöht. Die meisten viralen Glykoproteine nutzen für die proteolytische Spaltung der Vorläuferproteine zelluläre Enzyme, so dass die zelluläre Ausstattung entscheidet, ob infektiöses Virus entsteht (KLENK und ROTT, 1988; RICHT et al., 1998; VOLCHKOV et al., 1998; MAISNER et al., 2000). Das BDV-GP enthält an mehreren AS-Positionen multibasische Konsensussequenzen als Motive zur endoproteolytischen Spaltung des BDV-GP, die in vitro von der Subtilisin-ähnlichen Protease Furin übernommen werden kann. Furin spaltet das BDV-GP C-terminal bei AS 249 (Arginin, RICHT et al., 1998). In vivo können vermutlich auch andere subtilisinähnliche Endoproteasen eingesetzt werden (RIMA und DUPREX, 2005). Die Spaltung des BDV-GP erfolgt bereits im ER bzw. im cis-Golgi (EICKMANN et al., 2005) und ist essentiell für seine biologische Aktivität. Dabei entsteht eine 43 kDa C-terminale Untereinheit (gp43, BDV-GP-C), sowie ein stark N-glykosiliertes, 51 kDa großes N-terminales Fragment (gp51, BDV-GP-N; RICHT et al., 1998; KIERMAYER et al.,

LITERATURÜBERSICHT 27 2002). Lediglich BDV-GP-C ist bislang auf der Oberfläche infizierter Zellen nachgewiesen.

BDV-GP-N ist für die initiale Rezeptorbindung verantwortlich, während BDV-GP-C in der Virushülle verankert ist und die pH-abhängige Fusion mit der Wirtsmembran einleitet (SCHNEIDER et al., 1997a; GONZALEZ-DUNIA et al., 1998; PEREZ et al., 2001). In aufgereinigten BDV-Partikeln wurde zunächst sowohl GP-C als auch komplettes BDV-GP nachgewiesen, wobei neuere Studien zeigen, dass darin nur GP-C und GP-N vorhanden sind, nicht aber ungespaltenes BDV-GP (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997; EICKMANN et al., 2005). Nur ein kleiner Teil von GP-N und GP-C wird an die Zelloberfläche transportiert.

Stattdessen akkumuliert BDV-GP in ER und Golgi-Apparat (GONZALEZ-DUNIA et al., 1997, 1998; KOHNO et al., 1999; KIERMAYER et al., 2002; EICKMANN et al., 2005). Obwohl unbehüllte RNPs des BDV infektiös sein können (CUBITT und DE LA TORRE, 1994), wird die Ausbreitung von BDV in hippocampalen neuronalen Zellkulturen durch neutralisierende, BDV-GP-spezifische Antikörper verhindert und der Einsatz eines Furin-Inhibitors unterbindet die Virusvermehrung komplett (BAJRAMOVIC et al., 2003). Daher scheint BDV-GP zumindest für die transneuronale Ausbreitung essentiell zu sein. Eine gleichartige Bedeutung des BDV-GP wird auch für die neuronale Ausbreitung des BDV in vivo vermutet (WERNER-KEIŠS et al., 2008). In neueren Studien wird in vitro auch eine furinunabhängige Ausbreitung ohne Spaltung des BDV-GP vermutet (CLEMENTE und DE LA TORRE, 2007). Durch die Übertragung von neutralisierenden Antiseren auf immuninkompetente Lewis-Ratten konnte eine Infektion von nicht neuronalem Gewebe verhindert werden (STITZ et al., 1998). In vivo ist BDV-GP in viel geringerem Ausmaß als BDV-N nachweisbar und nur im Zytoplasma von Neuronen lokalisiert (RICHT et al., 1998; HERDEN et al., 1999; ALGERMISSEN et al., 2007a, b; WERNER-KEIŠS et al., 2008).