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2.5 DAS VIRUS DER BORNASCHEN KRANKHEIT (BDV)

2.5.5 Persistenz des BDV

Als Voraussetzungen für die virale Persistenz gelten die Retention des Virus bzw. des viralen Genoms im Wirtsorganismus, das Vermeiden einer effektiven Viruselimination durch die antivirale Immunantwort und die Minimierung der virusinduzierten Zellschäden, um das Überleben des Wirtes zu sichern (GILBERT et al., 1996; AHMED und LYLES, 1997;

OLDSTONE, 2001). Bevorzugte Lokalisationen für eine persistierende Virusinfektion sind immunologisch isolierte Organsysteme wie das Gehirn, Hoden und definierte Anteile des Auges (STEVENSON et al., 1997; ROCHA et al., 1998). Der ausgeprägte Neurotropismus des BDV, die intraaxonale Virusausbreitung, die restriktive Freisetzung maturer Viruspartikel und die für ein RNA-Virus ungewöhnlich hohe Konservierung des Genoms begünstigen per se die Entwicklung einer Persistenz. Darüberhinaus kann der Tropismus für bestimmte Gehirnareale, häufig als Teile des limbischen Systems angesprochen, ebenfalls wichtig für die virale Persistenz sein (GOSZTONYI und LUDWIG, 1995; HERDEN et al., 2000a, b).

Derzeit ist nicht bekannt, welche zeitlichen Effekte, regionalen Präferenzen und zelluläre

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Faktoren in vivo die virale Persistenz ermöglichen, die sich in einer angepassten Transkriptions- und Replikationsleistung und Proteinexpression des BDV im infizierten Gehirn wieder spiegeln dürften. Weiterhin treten trotz hoher Stabilität des Virusgenoms Punktmutationen auf, die die Replikationsfähigkeit in einem anderen Wirt anzupassen scheinen (NISHINO et al., 2002; ACKERMANN et al., 2007a, b).

Die Replikations- und Transkriptionskontrolle des BDV erfolgt auf verschiedenen Ebenen und dient der Ausbreitung und dem Erhalt der viralen Infektion. Zum einen wird die Replikation und Transkription über die Menge der für die Polymerase kodierenden Transkripte reguliert, da das dafür notwendige Durchlesen des Stopsignals T3 nur bei bis zu 5 % der Transkripte erfolgen soll (SCHNEEMANN et al., 1994, 1995; SCHNEIDER, 2005).

Weitere regulierende Einflüsse entstehen durch das aktive Kürzen der Enden des BDV-Genoms, die die effektive Synthese infektiöser Viruspartikel einschränkt, was mit einer reduzierten und langsamen Virusausbreitung einhergehen soll (ROSARIO et al., 2005;

SCHNEIDER et al., 2005, SCHNEIDER, 2005; DE LA TORRE, 2006). Dies kann zur Etablierung einer nicht zytolytischen, persistierenden Infektion beitragen. Weiterhin sollen durch das trimming der 5’-Enden des BDV 5’-Triphosphatgruppen eliminiert werden um so eine IFN-Induktion zu vermeiden (SCHNEIDER et al., 2007; HABJAN et al., 2008).

Die Abhängigkeit des RNP vom optimalen Verhältnis von BDV-N zu BDV-P und der Konzentration des Regulators BDV-X können zusätzlich die Viruspersistenz fördern (SCHNEIDER et al., 2003, 2004a; POENISCH et al., 2004; SCHNEIDER, 2005;

SCHWARDT et al., 2005). So liegt in vitro in der persistierenden Phase der Infektion ein Überschuss an BDV-P gegenüber BDV-N vor, der zur Regulation der Replikation beiträgt (WATANABE et al., 2000; SCHNEIDER, 2005). Das Fehlen von BDV-X in Virionen kann eine Polymerase-Aktivität in der frühen Infektionsphase ermöglichen, während sein Vorkommen in persistierend infizierten Zellen diese Aktivität zumindest hemmen und somit zur viralen Persistenz beitragen kann (SCHWARDT et al., 2005).

Der Transkriptionsgradient in 3’- 5’ Richtung sorgt für eine regulierte Transkription vor allem von den am 5’ Ende des Genoms gelegenen ORFs und kann so die Expression von z.B.

BDV-GP oder BDV-L limitieren. Dies wird weiterhin durch alternatives Spleißen der Transkriptionseinheit III moduliert (2.5.3). So wird eine überschüssige Synthese immunogener Virusproteine vermieden und die Persistenz erleichtert. Detaillierte quantitative und morphologische Untersuchungen zur Expression und dem Verhältnis der viralen Transkripte im Verlauf der BDV-Infektion liegen bislang nicht vor. Alternatives Spleißen wird auch von anderen Viren wie Influenzavirus, Adenovirus, Humanem-Immundefizienz-Virus und dem bovinen Papillomavirus Typ 1 benutzt (LAMB und HORVATH, 1991; BARKSDALE und BAKER, 1995; BERGET, 1995; KANOPKA et al., 1998). In vitro wird rekombinante, BDV-spezifische RNA effizienter gespleißt als die nativen BDV-Transkripte (JEHLE et al.,

LITERATURÜBERSICHT 29 2000; TOMONAGA et al., 2000). Über die In-vivo-Spleißeffizienz und mögliche temporäre Unterschiede im Infektionsverlauf ist derzeit noch wenig bekannt.

Die Regulation der Expression viraler Proteine erfolgt auf vielfältige Weise. Da virale Glykoproteine häufig Determinanten für die antivirale Immunantwort darstellen, wird auch beim BDV durch die Limitierung von BDV-GP auf der Oberfläche infizierter Zellen bzw. durch die Maskierung antigener Epitope mittels wirtseigener N-Glykane eine effektive Virusabwehr vermieden (OLDSTONE, 1991; KIERMAYER et al., 2002; EICKMANN et al., 2005). Eine verminderte BDV-GP-Expression soll nach EICKMANN et al. (2005) die Freisetzung reifer Viruspartikel beschränken und so die Viruseliminierung verhindern. Weiterhin kann eine regulierte Menge BDV-M vor allem zu späteren Zeitpunkten der Infektion wesentlich für den Erhalt der Persistenz sein, da so keine vollständigen Partikel mehr gebildet werden können.

Da die Regulation der Expression der viralen Strukturproteine vermutlich einen wesentlichen Faktor der viralen Persistenz darstellt, wurde dies in der vorliegenden Arbeit in zwei Infektionsmodellen detailliert untersucht. Die Regulation der BDV-X- und BDV-P-Konzentrationen kann, wie oben angeführt, ebenfalls zur Viruspersistenz beitragen.

In BDV-infizierten Zellkulturen wurde gezeigt, dass viruskodierte mRNAs weniger effizient gespleißt werden als plasmidkodierte mRNAs (BARKSDALE und BAKER, 1995; JEHLE et al., 2000; TOMONAGA et al., 2000; CUBITT et al., 2001). Nicht gespleißte mRNAs akkumulieren im Nukleus und im Zytoplasma sind je nach Zelllinie ca. 30-70 % der viralen mRNAs ungespleißt (JEHLE et al., 2000). Generell kann eine niedrige Spleißeffizienz viraler RNAs hilfreich sein, um den zellulären Spleißmechanismus nicht zu überlasten und das Überleben der infizierten Zelle zu sichern. Dabei sollen BDV-kodierte oder virusinduzierte, zelluläre Faktoren die niedrige Spleißeffizienz bestimmen (CUBITT et al., 2001).

Für das BDV sind mittlerweile verschiedene Interaktionen mit dem Wirt, z.B. mit wirtseigenen Faktoren und Signalkaskaden oder mit der Induktion der antiviralen IFN-Antwort beschrieben. Viele davon betreffen die antivirale Abwehr, da eine wesentliche Persistenzstrategie die Vermeidung einer effektiven Immunantwort darstellt. So wurde bereits eine verminderte funktionale Avidität virusspezifischer CD8+ T-Zellen im BDV-infizierten ZNS beobachtet (ENGELHARDT et al., 2005). Weiterhin verhindert BDV aktiv oder passiv die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB, der normalerweise durch virale Infektionen aktiviert wird (BOURTEELE et al., 2005). Kürzlich wurde gezeigt, dass BDV-P einer durch die Kinase TBK-1 bedingten Expression des antiviralen Zytokins IFN-ß entgegenwirkt und so eventuell die antivirale Abwehr unterdrückt (UNTERSTAB et al., 2005).

Mögliche Interaktionen des BDV mit Neurotrophinen zur Steigerung der viralen Replikation werden ebenfalls diskutiert, da neurotrophe Faktoren wie NGF die Expression von BDV-spezifischen Proteinen und Transkripten in Neuronen und Gliazellen fördern (CARBONE et al., 1993; IBRAHIM et al., 2002; 2.2.2). Möglicherweise stimuliert NGF zelluläre Proteine, die

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dann indirekt die Virustranskription und Replikation fördern. Andere Studien weisen auf Interaktionen des BDV mit der Signalkaskade Ras/MEK/ERK hin, da eine Inhibition dieser Kaskade die Virusausbreitung hemmt, während die BDV-Infektion diese Signalkaskade aktiviert (CARBONE et al., 1993; HANS et al., 2001, 2004; PLANZ et al., 2001b). Daher scheint das BDV zur Steigerung der Virusproduktion in die Neurotrophin-Signalwege einzugreifen. Das BDV soll mit der neurotrophinregulierten Plastizität hippocampaler Neuronen interagieren und die BDNF-induzierte Synthese synaptischer Proteine vermindern.

Am RNP beteiligte Virusproteine können auch mit zellulären Faktoren interagieren. So kann BDV-N an den Cdc2-Zyklin B1-Komplex binden und BDV-P interferiert mit dem Neuriten Auswachsfaktor Amphoterin HMG-1 (KAMITANI et al., 2001; PLANZ et al., 2003a). Die Zytokinexpression bei der BDV-Infektion scheint die virale Persistenz nicht zu beeinflussen, wobei derzeit unbekannt ist, ob modulierte Spiegel des Zytokins TNF, das häufig an der Viruseliminierung beteiligt ist (2.6), auf die virale Persistenz wirken können.