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5 DISKUSSION

5.1 NEURODEGENERATION, NEUROPROTEKTION, KLINIK

5.1.1 Klinik und histopathologische Befunde

Nach experimenteller BDV-Infektion adulter Lewis-Ratten wurden die klinischen Symptome und histopathologischen Veränderungen im Gehirn dokumentiert, um sicherzustellen, dass der typische biphasische klinische Verlauf der BD mit korrespondierenden entzündlichen Veränderungen als Ausgangsbasis für die weiteren Untersuchungen vorlag. Beides konnte bestätigt werden. Die erste Phase begann an Tag 14 p.i. mit Ataxien, Agressivität und Hyperaktivität und korrelierte, wie bereits beschrieben, mit dem Beginn der entzündlichen Läsionen im Gehirn (NARAYAN et al., 1983a, b; HERDEN, et al., 2000a, b, 2005; WERNER-KEIŠS et al., 2008). Etwa 31 bis 42 Tage p.i. begann die chronische Phase mit Anorexie, Somnolenz, Apathie und Paralysen, die mit dem Rückgang der entzündlichen Infiltrate im Gehirn einherging. Krämpfe wurden nicht beobachtet.

Alle BDV-infizierten Tiere entwickelten eine nicht eitrige Meningoenzephalitis, die durch mononukleäre leptomeningeale, perivaskuläre und parenchymatöse Infiltrate sowie eine Satellitose, Mikrogliaaktivierung und Astrogliose gekennzeichnet war. Dies entsprach, wie erwartet, den Ergebnissen früherer Studien (NARAYAN et al., 1983a, b; DESCHL et al., 1990; RICHT et al., 1994; HERDEN et al., 2000b, 2005). Die Immunzellinfiltrate traten vor allem in Cortex cerebri, Hippocampus, Amygdala und Thalamus sowie teilweise Cerebellum und Medulla oblongata auf. Die Grundlage dieses regionalen Tropismus ist bislang nicht zufriedenstellend geklärt. Daher wurde auf diese Gehirngebiete auch detailliert in Bezug auf

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Virusreplikation, -transkription und –translation geachtet. Die Reaktion der residenten Gehirnzellen und die Zusammensetzung der Entzündungszellen stimmt mit früheren Studien überein (DESCHL et al., 1990; HERDEN et al., 2000b). Dies gilt auch für die degenerativen Veränderungen wie neuronale Nekrosen und Ausdünnung der Faszia dentata zu späten Zeitpunkten p.i. (DESCHL et al., 1990; HERDEN et al., 2000b). Insgesamt traten das Maximum der Entzündung und der degenerativen Veränderungen ca. 10 Tage später auf als bei NARAYAN et al. (1983a, b) beschrieben. Inwiefern dies auf eine höhere Passagierung und Adaptation des zur Infektion verwendeten Virusstocks zurückzuführen ist, bleibt derzeit fraglich. Es ist bereits bekannt, das im Verlauf von In-vivo-Passagen Mutationen im Virusgenom entstehen, die bei der Adaptation an die Maus mit einer erhöhten Replikationsfähigkeit des BDV einhergehen (ACKERMANN et al., 2007a, b).

Bei der experimentellen BDV-Infektion von Mäusen variiert die Schwere der klinischen Erkrankung in Abhängigkeit des MHC I-Allels und die Empfänglichkeit für die klinische BD beruht vermutlich auf bisher nicht identifizierten genetischen Faktoren (HALLENSLEBEN et al., 1998). So zeigen insbesondere Tiere mit dem H-2k-Hyplotyp wie MRL-Mäuse eine ausgeprägte Symptomatik, da sie das Epitop TELEISSI des BDV-N erkennen (SCHAMEL et al., 2001). B10.BR-Mäuse mit dem gleichen Haplotyp erkranken jedoch erst nach peripherer Immunisierung mit BDV-N (HAUSMANN et al., 1999). Die in dieser Studie eingesetzten C57Bl/6-Mäuse gelten als weniger empfänglicher Haplotyp (H-2b), der jedoch in Kombination mit einer cerebellären IL-12-Überexpression regelmäßig zu einer klinischen Erkrankung führte (FREUDE et al., 2002). Computer-gestützte Voraussagen ergaben, dass CD8+ T-Zellen von C57Bl/6-Mäusen vermutlich das Epitop TELEISSI des BDV-N nicht erkennen, wobei unklar ist, ob CD8+ T-Zellen andere Virusepitope oder andere Immunzellen, wie z.B.

CD4+T-Zellen, weitere virusspezifische Epitope erkennen können (SCHAMEL et al., 2001;

HAUSMANN et al., 2005b). Da bei den tg BDV-infizierten Tieren insgesamt mehr CD4+ als CD8+ T-Zellen vorlagen (KRAMER, 2006), muss diese Möglichkeit weiter abgeklärt werden.

Daher eignete sich dieser genetischen Hintergrund zur initialen Untersuchung des TNF-Effekts auf die Induktion und den Verlauf der Erkrankung. Insbesondere war von Interesse, ob die TNF-Überexpression diese partielle Resistenz überwinden kann. Dies konnte eindeutig gezeigt werden, da die transgenen (tg) Tiere sowohl klinische Symptome als auch eine ausgeprägte nicht eitrige Meningoenzephalitis entwickelten.

Sowohl die tg auch die nicht transgenen (ntg) Tiere zeigten nicht die typische Symptomatik wie von HALLENSLEBEN et al. (1998) beschrieben. Bei zahlreichen klinisch untersuchten Parametern waren nur dezente Unterschiede zwischen BDV-infizierten und mock-infizierten Tieren zu finden. Zwischen ntg und tg BDV-infizierten Mausgruppen waren meist auch nur geringe Unterschiede vorhanden. Herausstechend waren jedoch die nur bei den BDV-infizierten tg Tieren beobachteten spontanen, epileptiformen Krämpfe, wobei 42% der tg+/+

DISKUSSION 135 Tiere und 25% der tg+/- Mäuse betroffen waren. Dies spricht für einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Krämpfe, der BDV-Infektion und der Höhe der TNF-Expression, da tg+/+ Tiere nach BDV-Infektion signifikant höhere Gesamt-TNF-mRNA-Spiegel im Gehirn aufweisen (SCHAUDIEN et al., 2006, 2007d). Weiterhin ist zu vermuten, dass die nur bei den tg Tieren deutliche Enzephalitis mit Gliaaktivierung an der Krampfentstehung beteiligt ist.

Eine cerebrale TNF-Überexpression als solche induziert meist keine Krämpfe (PROBERT et al., 1997; TAUPIN et al., 1997; AKASSOGLOU et al., 1997, 1998; MARCHETTI et al., 2004).

Dies wurde durch die klinischen Untersuchungen der tg Kontrolltiere bestätigt. Chronische Entzündungsprozesse im Gehirn sind auch bei Menschen mit ätiologisch unterschiedlichen Epilepsieformen beschrieben und Zytokinen wird aufgrund neuerer Studien eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krämpfen zugesprochen (JANKOWSKY und PATTERSON, 2001; ELENKOV et al., 2005; VEZZANI et al., 2008).

Bei Ratten sind im chronischen Infektionsstadium bereits Krämpfe beschrieben, die auf einen hippocampalen Verlust von Dynorphin zurückgeführt werden (SOLBRIG et al., 1996; 2006).

Dynorphin gilt als wichtiges neuromodulatorisches Neuropeptid, das inhibitorische und antikonvulsive Eigenschaften besitzt und so wesentlich zu einem homoöstatischen Zustand beiträgt, aber unter entsprechenden Bedingungen auch neurotoxisch wirken kann (MADAMBA et al., 1999; PIERCE et al., 1999; HAUSER et al., 2005; SOLBRIG et al., 2006).

Bei den BDV-infizierten Ratten wird der Verlust von Dynorphin auf den Untergang der Körnerzellen des Gyrus dentatus mit assoziierter Aufregulierung von Enkephalin in CA1-Interneuronen des Hippocampus zurückgeführt (SOLBRIG et al., 2006). Die BDV-Infektion soll in diesem Modell auch die Reifung und Entwicklung der Körnerzellen beeinflussen.

Interessanterweise fand sich in den TNF-überexprimierenden BDV-infizierten Mäusen kein offensichtlicher Untergang der Neuronen des Gyrus dentatus. Dies steht im Gegensatz zu den Daten nach experimenteller Infektion von Ratten, wo ein eindeutiger Neuronenverlust der Faszia dentata in der chronischen Infektionsphase auftrat. Es ist jedoch bereits bekannt, dass Zytokine auch ohne Zelluntergänge den Schwellenwert für eine Krampfentstehung senken können (VEZZANI und BARAM, 2007). Bei den tg+/- und tg+/+ nicht infizierten Mäusen waren jedoch höhere Basalwerte der Prodynorphin-mRNA im Vergleich zu den nicht infizierten ntg Tieren messbar. Während nach BDV-Infektion der ntg Tiere die Kopienzahlen der Prodynorphin-mRNA sich nicht wesentlich änderten, war bei den tg BDV-infizierten Mäusen ein signifikanter Abfall in Ammonshorn und Cortex cerebri zu erkennen. Dies kann auf eine präexistente funktionelle Imbalance des Dynorphinsystems in den TNF-transgenen Tieren hindeuten, die durch die BDV-Infektion weiter verstärkt wurde. C57Bl/6-Mäuse sollen per se eine höhere Sensitivität des endogenen Opiatsystems gegenüber Medikamenten und Drogen besitzen (JAMENSKY und GIANOULAKIS, 1997), was das Reaktionsmuster in diesem Mausmodell beeinflusst haben kann. Wie es durch die TNF-Überexpression zu einer

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Modulation des Opiatsystems gekommen ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Prinzipiell möglich erscheinen sowohl direkte als auch indirekte Zytokin-Neuropeptid-Interaktionen.

Beispielsweise trat bei den BDV-infizierten tg Tieren im Ammonshorn eine signifikante Aufregulierung von BDNF-mRNA im Hippocampus auf und erhöhte BDNF-Level können erniedrigte Dynorphinwerte bewirken (CROLL et al., 1994). Dies hat sich vermutlich besonders bei den tg Tieren ausgewirkt, da deren Dynorphinsystem anscheinend bereits durch die TNF-Überexpression per se moduliert war. Im Cortex cerebri war keine signifikante BDNF-mRNA-Zunahme messbar, aber die Gesamtanzahl BDNF-positver Zellen war, v.a.

durch die BDNF-positiven Immunzellen, hier vermehrt. Inwiefern die TNF-transgenen Mäuse sich durch die signifkant erhöhten TNF-Basalwerte bereits in einem präkonvulsivem Zustand befinden und die höheren Prodynorphin-mRNA-Werte als kompensatorische Reaktion zu werten sind, kann mit entsprechenden Knock-out-Modellen überprüft werden. Weiterhin scheint die Analyse weiterer Dysbalancen neuromodulatorischer Neuropeptide und Neurotransmitter sinnvolI.

Alle BDV-infizierten Mäuse entwickelten eine nicht eitrige Meningoenzephalitis. Die Stärke der Entzündung korrelierte mit dem transgenen Status der Tiere. So lag nur in beiden tg Mausgruppen ein hoch signifikanter Anstieg der Entzündungsreaktion vor. Bei ntg Mäusen fanden sich lediglich geringgradige entzündliche Läsionen, was früheren Untersuchungen entspricht, dass C57Bl/6-Mäuse nur dezente Enzephalitiden und kaum klinische Symptome entwickeln (HALLENSLEBEN et al., 1998). Interessanterweise fiel ab 42. Tag p.i. bei den ntg Tieren eine Leukozytostase auf. Inwieweit daher die relative Resistenz von C57Bl/6-Mäusen auf eine verminderte Invasion mononukleärer Immunzellen zurückzuführen ist, bleibt abzuklären. Die starke entzündliche Reaktion der beiden tg Mausgruppen stellt ein Effekt der TNF-Überexpression dar, da in beiden tg Gruppen signifikant höhere Gesamt-TNF-mRNA-Level als bei ntg Tieren zu finden waren (SCHAUDIEN et al., 2006, 2007d). TNF kann über die Aufregulation des vascular adhesion molecule (VCAM)-1 an den Endothelzellen die Einwanderung aktivierter T-Zellen in das Gehirn triggern (LIEBERT, 2001; NOTTET, 2005), was auch bei den bei den tg BDV-infizierten Tieren zu vermuten ist. Hierzu kann auch die Aufregulation der TNF-Rezeptoren beitragen (5.1.3). Die höheren TNF-Level induzierten wiederum erhöhte Level anderer Zytokine, die auch die stärkeren Entzündungsreaktion bei den tg Tieren induziert haben dürfte (SCHAUDIEN et al., 2007d). So wurden bei den BDV-infizierten tg Tieren signifikant erhöhte Werte von IL 1, IL 6, IFNγ und bei tg+/+ Tieren auch von TGFβ-mRNA gemessen. Nach BDV-Infektion von Mäusen sind bereits ähnliche Zytokinaufregulierungen beschrieben (SAUDER et al., 2000). Interessanterweise fanden sich erst ab Tag 35 p.i. bei allen BDV-infizierten Mausgruppen nur gelegentlich dezente entzündliche Reaktionen im Ammonshorn, obwohl dort vergleichbar hohe TNF-Spiegel wie in Cortex cerebri, Striatum und Thalamus vorlagen. Dies kann mit den signifikant höheren

DISKUSSION 137 BDNF-mRNA-Werten im Ammonshorn der tg Tiere zusammenhängen. Dieser Befund steht im Gegensatz zu der starken entzündlichen Reaktion im Ammonshorn bei Pferden und Ratten (1993; NARAYAN et al., 1983a, b; DESCHL et al., 1990; HERDEN et al., 2000b;

ALGERMISSEN et al., 2007a, b; RICHT et al., 2007). Innerhalb der perivaskulären Entzündungszellpopulation stellten T-Zellen und Makrophagen jeweils ca. ein Drittel der Entzündungszellen am Tag 42 p.i. dar, die als CD4+- und CD8+ T-Zellen und B-Zellen charakterisiert wurden (KRAMER, 2006). Dabei fand sich eine ähnliche Verteilung in allen BDV-infizierten Mausgruppen vor, wobei die tg Tiere signifikant mehr Entzündungszellen aufwiesen. Diese Verteilung passt zu der auch bei der Maus formulierten virusinduzierten T-zellvermittelten Immunpathogenese (HALLENSLEBEN et al., 1998).

5.1.2 CHARAKTERISIERUNG RESIDENTER ZELLEN UND NEUROPROTEKTIVER FAKTOREN

Nach experimenteller BDV-Infektion adulter Lewis-Ratten wurde eine signifikante Astrozytenaktivierung nachgewiesen, die den Ergebnissen früherer Studien entspricht (NARAYAN et al., 1983a, b; DESCHL et al., 1990; RICHT et al., 1994; HERDEN et al., 2000b, 2005). Das deutliche Auftreten der Astrogliose ab 24 Tagen p.i. korrelierte mit der Zunahme der entzündlichen Infiltrate und blieb bis zu späten Zeitpunkten p.i. bestehen.

Astrogliosen per se stellen unspezifische Reaktionen auf einen Insult dar und sind regelmäßig nach Virusinfektionen zu beobachten (VINTERS und KLEINSCHMIDT-DEMASTERS, 2008). Das Auftreten der Astrogliose in Gehirnregionen mit starken entzündlichen Veränderungen, aber auch in weniger betroffenen Arealen, weist auf eine generelle Aktivierung hin.

Die BDV-infizierten Lewis-Ratten zeigten nach BDV-Infektion die erwartete deutliche Mikrogliaaktivierung (DESCHL et al., 1990; HERDEN et al., 2005). Der funktionelle Status der Mikroglia/Makrophagen nach BDV-Infektion adulter Lewis-Ratten wurde erstmals anhand der Expression von AIF-1 charakterisiert, die bereits in vielen anderen Modellen, wie der EAE, EAN und EAU, zur Darstellung langfristiger Mikrogliaaktivierung angewendet wurde (SCHLUESENER et al., 1998). In den BDV-infizierten Gehirnen war AIF-1 erstmals 9 Tage p.i. in der Leptomeninx nachweisbar, wobei es sich um aktivierte residente oder bereits eingewanderte Makrophagen handeln dürfte. Mit Beginn der perivaskulären Infiltrate (≥14 Tage p.i.) war AIF-1 vor allem in perivaskulären monozytären Zellen zu finden. Bereits 21 Tage p.i. lagen AIF-1-positive Fortsätze in unveränderten Gehirngebieten subependymal oder perivaskulär vor, was auf eine Aktivierung residenter Zellen hinweist. Ab 24 Tagen p.i.

bis zum Ende der Untersuchung 50 Tage p.i. war eine weit verbreitete AIF-1 Expression vorhanden, die selbst mit Rückgang der entzündlichen Infiltrate ab 42 Tage p.i. erhalten blieb. Dies unterstreicht die durch AIF-1 darstellbare frühe und langfristige Mikrogliaaktivierung nach BDV-Infektion. In anderen Modellen konnte gezeigt werden, dass

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eine Mikrogliaaktivierung häufig der astroglialen Reaktion vorangeht (VINTERS und KLEINSCHMIDT-DEMASTERS, 2008), wie es auch hier beobachtet wurde. Am wahrscheinlichsten beruht die AIF-1-Induktion auf der antiviralen Immunantwort, da sich bislang keine Hinweise auf eine Virusreplikation in Mikroglia/Makrophagen ergeben haben (MORALES et al., 1988; DESCHL et al., 1990; DIETZSCHOLD und MORIMOTO, 1997;

WEISSENBÖCK et al., 2000; HERDEN et al., 2005; OVANESOV et al., 2006, 2008). AIF-1 wird vermutlich durch die nach BDV-Infektion auftretende langfristige IFNγ -mRNA-Expression oder andere Transkriptionsfaktoren wie z. B. NFкB aufreguliert (SHANKAR et al., 1992; UTANS et al., 1996; DEININGER et al., 2002; DIETZSCHOLD et al., 2001; LIU et al., 2007). Verglichen mit der ED1-Expression war die AIF-1-Expression wesentlich weiter verbreitet. Unterschiede zwischen der Expression von AIF-1 und ED1 oder ED1 und Iba-1 nach Ischämie oder in EAE-Modellen sind bereits bekannt (SCHLUESENER et al., 1998;

ITO et al., 2001). So scheint die differentielle Regulation mikroglialer Marker von der Schwere des Insults und/oder der Präsenz untergehender Zellen oder Entzündungszellen abhängig zu sein. Eine differentielle Mikrogliaaktivierung ist auch bei der experimentellen EAN beschrieben (BEITER et al., 2005). Inwieweit das Expressionsmuster aktivierter Mikroglia/Makrophagen nach BDV-Infektion Einfluß auf die Immunpathogenese nimmt und so letztendlich auch am Erhalt der Persistenz beteiligt ist, ist derzeit nicht bekannt.

Die Korrelation der Mikrogliaaktivierung und Astrogliose mit dem Auftreten neuroprotektiver Faktoren wurde anhand der Expression von HO-1 sowie beispielhaft für die Expression von BDNF und ADNP gezeigt. Überraschenderweise war bereits sehr früh p.i. (9 Tage p.i.) und vor dem Auftreten erster entzündlicher Veränderungen eine HO-1-Induktion zu erkennen. Die maximale HO-1-Immunreaktion war zwischen 18-28 Tagen p.i. erreicht und korrelierte damit mit dem Anstieg der entzündlichen Läsionen, der AIF-1- und GFAP-Expression sowie der disseminierten Ausbreitung des BDV im Gehirn. Danach nahm die HO-1-Expression wieder signifikant ab. Dies zeigt, dass bereits während der Aufregulation der entzündlichen Veränderungen und der initialen Virusreplikation neuroprotektive Effekte induziert werden.

Bei EAE-Modellen ist HO-1 dagegen auch noch später exprimiert und an der Resolution der entzündlichen Infiltrate beteiligt (SCHLUESENER und SEID, 2000). Warum oder wie HO-1 trotz anhaltender Mikrogliaaktivierung und Astrogliose herunterreguliert wird, ist derzeit nicht bekannt; dies könnte aber zur Aufrechterhaltung des entzündlichen, immunpathogenen Prozesses beitragen. HO-1 ist durch TNF, IL-1, reaktive Sauerstoffspezies, NFκB und AP-1 induzierbar, diese Faktoren gelten auch nach BDV-Infektion als aufreguliert (SHANKAR et al., 1992; AKAIKE et al., 1995; DIETZSCHOLD et al., 2001; HOOPER et al., 2001). HO-1 soll neuesten Studien nach seine Effekte z.B. durch Metaboliten des Hämabbaus wie CO und Eisen vermitteln (LEE und SUK, 2007; PAE et al., 2008). HO-1 bereitstellende Zelltypen waren einwandernde monozytäre Zellen, Mikroglia und aktivierte Astrozyten, wobei der früh

DISKUSSION 139 nach Infektion ansteigende HO-1-Nachweis auf eine Expression in residenten Zellen hinweist. In den entzündlichen Infiltraten war HO-1 vor allen in monozytären Zellen zu finden, während im Ammonshorn auch Gliazellen HO-1 exprimierten. Die vorwiegend monozytäre Expression entspricht der HO-1-Expression im EAE-Modell (SCHLUESENER und SEID, 2000). Da bereits bekannt ist, dass HO-1 je nach Insult von verschiedenen Zelltypen produziert wird, deutet die gliale HO-1-Expression auf spezifische neuroprotektive Strategien im Ammonshorn hin (HERDEN et al., 2005).

Zu Zeitpunkten ansteigender und maximaler Inflammation, maximaler AIF-1-Expression und Astrogliose aber verringerter HO-1-Expression (24-42 Tage p.i.) war ADNP prinzipiell in den gleichen Zellen wie im nicht infizierten Rattengehirn (GENNET et al., 2008) exprimiert.

Jedoch traten in der Nähe der entzündlichen Infiltrate vermehrt ADNP-positive Gliazellen auf, teilweise wiesen auch Mikroglia eine ADNP-Immunreaktion auf. Die Produktion von ADNP durch Astrozyten und Makrophagen ist bereits bekannt (FURMAN et al., 2004; QUINTANA et al., 2006), wobei ADNP zu einer Downregulation der proinflammatorischen Zytokine TNF, IL-12 und IL-16 in Makrophagen führt (QUINTANA et al., 2006). Da ADNP vermutlich einen Transkriptionsfaktor darstellt (GENNET et al., 2008), kann das vermehrte Vorkommen ADNP-positiver Zellen in der Nähe der Immunzellinfiltrate einen neuroprotektiven Effekt darstellen, wie bereits in anderen Modellen postuliert (GOZES et al., 2000; SIGALOV et al., 2000; ZALTZMAN et al., 2004). Der gelegentliche intranukleäre Nachweis von ADNP im infizierten Rattengehirn belegt die potenzielle Funktion als Transkriptionsfaktor.

Der Nachweis der BDNF-Expression ergab keine deutlich höhere Anzahl BDNF-positiver residenter Gehirnzellen in BDV-infizierten Rattengehirnen zu Zeitpunkten ansteigender und maximaler Entzündung, aber vermehrt BDNF-positive Immunzellen. Der Nachweis von BDNF in Immunzellen gilt für MS-Läsionen und EAE als protektiv (HAMMARBERG et al., 2000; KERSCHENSTEINER et al., 2003; HOHLFELD, 2008), so dass bei der BDV-Infektion ähnliche neuroimmunmodulatorische Mechanismen in Betracht kommen. Eine BDV-BDNF-Interaktion wurde bereits in vitro charakterisiert und in neonatal infizierten Ratten ist eine Abnahme der BDNF-mRNA ab 14 Tagen p.i. gezeigt (HANS et al., 2001, 2004; ZOCHER et al., 2000; 5.2.4). Ob die häufig schwächere hippocampale BDNF-Immunreaktion bei BDV-infizierten Ratten mit den starken entzündlichen Läsionen in Zusammenhang steht, bedarf weiterer Abklärung. Insgesamt soll BDNF, wie NGF, die Virusreplikation fördern (CARBONE et al., 1993; HANS et al., 2001; IBRAHIM et al., 2002), so dass eine BDNF-Induktion in Immunzellen auch dem Erhalt der Virusinfektion dienen kann.

Nach experimenteller BDV-Infektion trat in beiden TNF-transgenen Mausgruppen eine progressive Astrogliose im Verlauf der Infektion auf, die an einigen Zeitpunkten p.i.

signifikant stärker war als bei ntg infizierten Tieren. Die Astrogliose bei BDV-infizierten ntg Tieren zeigte sich vor allem als Hyperplasie der Astrozyten. Bei den tg Mausgruppen war

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zusätzlich eine ungewöhnliche Hypertrophie mit signifikant größeren Kerndurchmessern und Anzeichen von Apoptose zu beobachten. Die vergrößerten Kerne waren bereits bei den nicht infizierten tg Tieren zu erkennen, was auf einen Aktivierungszustand schon durch die erhöhten TNF-Basalwerte hindeutet. Die deutlich hypertrophierten Astrozyten fanden sich nur in der Nähe entzündlich veränderter und TNF-überexprimierender Areale wie Striatum und Cortex cerebri, nicht aber Ammonshorn. So scheint das Ammonshorn auch bei der Astrozytenaktivierung eine Sonderstellung einzunehmen. Insgesamt lassen die Befunde eine Assoziation dieser ungewöhnlichen Astroglioseform mit TNF-Überexpression, entzündlichen Parametern und BDV-Infektion zu. Es ist bereits bekannt ist, das TNF die Proliferation von Astrozyten induziert (SELMAJ et al., 1990; LEE et al., 1993). Proinflammatorische Zytokine müssen jedoch nicht zwangsläufig vermehrt exprimiert werden, um eine Astrogliose zu erzeugen (LITTLE und O’CALLAGHA 2001). So lag bei BDV-infizierten MRL-Mäusen keine vermehrte GFAP-Immunreaktion trotz Schwellung der Astrozyten vor (HALLENSLEBEN et al., 1998). Generell gelten heute Astrozyten aber als wichtige Quelle proinflammatorischer Zytokine bei Krämpfen und verschiedenen Epilepsieformen (VEZZANI et al., 2008).

Bei den tg Mäusen fand sich eine Mikrogliaaktivierung mit Maximum 42 Tage p.i., die bei den ntg BDV-infizierten Tieren kaum zu finden war, so dass die TNF-Überexpression eindeutig als entscheidender Faktor anzusehen ist. So findet sich auch in TNFR-knock-out-Mäusen wegen des fehlenden TNF-Signals eine reduzierte Mikrogliaaktivierung (BRUCE et al., 1996) und es ist bereits bekannt, dass die gleichen, nicht infizierten TNF-transgenen Mäuse eine geringgradige Mikrogliaaktivierung in TNF-überexprimierenden Gehirngebieten aufweisen (MARCHETTI et al., 2004). Dies weist auf einen sich potenzierenden Effekt der TNF-Überexpression und BDV-Infektion bei den TNF-transgenen Mäusen hin. Vermutlich handelt es sowohl um eine direkte TNF-Wirkung auf die Mikroglia als auch um einen indirekten Effekt durch die stärkere Entzündungsreaktion mit aufregulierten Zytokinprofil in den tg Mausgruppen (SCHAUDIEN et al., 2007d). Nach BDV-Infektion ist gezeigt, dass die Mikrogliaaktivierung der Interaktion mit infizierten Neuronen und Astrozyten bedarf (OVANESOV et al., 2006, 2008). Die BDV-infizierten Mäuse zeigten das Zytokinprofil einer typischen Th1-Immunantwort, wie sie nach BDV-Infektion von Ratten und Mäusen auftritt (SHANKAR et al., 1992; HATALSKI et al., 1998; SAUDER et al., 2000; SCHAUDIEN et al., 2007d). Es fehlten jedoch die vermehrte Expression der IL-2-mRNA und IL-12-mRNA, so dass eine inkomplette Th1-Antwort vermutet wird (SCHAUDIEN, et al., 2007d).

Zur Detektion neuroprotektiver Faktoren und deren potenzielle Modulation durch die TNF-Überexpression und BDV-Infektion wurde die Expression von ADNP, BDNF und der p50-Untereinheit des NFкB 21, 42 und 49 Tage p.i. untersucht.

Eine ADNP-Expression war bei den nicht infizierten Tieren aller Gruppen vor allem im Zytoplasma von Neuronen zu finden und entspricht somit der ADNP-Expression im nativen