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2 LITERATURÜBERSICHT

2.6 TUMOR-NEKROSE-FAKTOR-α (TNF)

2.6.1 TNF und TNF-vermittelte Signalwege

Als Hauptmediator der akuten Entzündungsreaktion spielt TNF in der viralen, bakteriellen und parasitären Abwehr eine zentrale Rolle (ABBAS et al., 2007; KRUGLOV et al., 2008). Im ZNS kann TNF von aktivierten Makrophagen und Mikroglia, Astrozyten, Neuronen sowie von infiltrierenden Lymphozyten exprimiert werden (LEE et al., 1993; HOPKINS und ROTHWELL, 1995). TNF wird als nicht glykolisiertes, menbrangebundenes, 26 kDa Typ II Transmenbranprotein synthetisiert und bildet stabile Homotrimere. Nach Spaltung durch eine membranassoziierte Metalloproteinase entsteht ein 17 kDa schweres Polypeptid (MOSS et al., 1997; LOCKSLEY et al., 2001). Drei dieser Polypeptide bilden das lösliche TNF (51 kDa).

Die membrangebundene und die lösliche Form des TNF können an die TNF-Rezeptoren binden, wobei erstere bevorzugt an den TNF-Rezeptor-2 bindet (GRELL et al., 1995). Das murine TNF ist zu 80 % homolog zum humanen und zu 95 % homolog zum TNF der Ratten (PENNICA et al., 1984; MARMENOUT et al., 1985; KWON et al., 1993).

Bisher sind zwei TNF-Rezeptoren (TNFR) beschrieben. Der TNFR1 oder auch TNF receptor superfamily member 1A (TNFRSF1A, CD120a, p55/60) ist der Prototyp der TNF-Rezeptor-Superfamilie, die auch den nerve growth factor receptor/p75, die Fas- und TRAIL-Rezeptoren enthält (LOTZ et al., 1996). Der TNFR1 kann zudem als 27-30 kDA große, lösliche Form (sTNFR1) vorliegen. TNFR1 wird konstitutiv in fast allen Zellen und Gewebetypen exprimiert. Die Bindung von TNF an TNFR1 triggert viele intrazelluläre Reaktionen, die über die Aktivierung von NF-κB und c-jun die Transkription proinflammatorischer und immunmodulierender Gene induzieren können (Abb. 3). Über die Caspase-8-Kaskade kann andererseits Apoptose ausgelöst werden (HERBEIN und O’BRIEN, 2000; CHEN und GOEDDEL, 2002; KUMAR et al., 2004; MOSHE et al., 2008).

LITERATURÜBERSICHT 31 Neuronen besitzen die gleichen grundlegenden Apoptoseprogramme wie andere Zellen, die verschiedenen Neuronentypen zeigen unterschiedliche Kombinationen von Bcl-2 und Enzymen der Caspasekaskade (YUAN und YANKNER, 2000). Nach Bindung des TNF an den TNFR1 beginnt die Apoptose mit der Ablösung des inhibitorischen Proteins silencer of death domain (SODD) von der inneren Seite der Zielmembran. Daraufhin können sich Adapterproteine, z.B. TNF-receptor-associated death domain (TRADD), TNF-R-associated factor 2 (TRAF2), receptor-interacting protein (RIP), cellular inihibitor of apoptosis (cIAP1) und Fas-associated death domain (FADD), anlagern. Durch die Bindung weiterer Schlüsselenzyme wie Caspase-8 an die Adapterproteine wird Caspase-3 aktiviert, die die DNA-Fragmentierung und Apoptose initiiert (HERBEIN und O´BRIEN, 2000; BAUD und KARIN, 2001). Eine über den TNFR1 vermittelte antiapoptotische Signalkaskade verläuft via Proteinkinase RIP und TRAF2, die Schlüsselrollen bei der Aktivierung des NF-κB besitzen (KELLIHER et al., 1998; HERBEIN und O´BRIEN, 2000). Durch Phosphorylierung der Inhibitorproteine IκB wird NF-κB im Zytoplasma aktiviert und gelangt in den Zellkern, wo es als Transkriptionsfaktor wirkt.

Der TNFR2 oder auch TNF receptor superfamily member 1B (TNFRSF1B, CD120b, p75/80) ist ein 75-80 kDa großes Membranprotein, von dem auch eine lösliche Form bekannt ist (sTNFR2). Im Gegensatz zum TNFR1 besitzt TNFR2 keine death domain. Allerdings kann TNF über den TNFR2 direkt TRAF2 und damit NF-κB aktivieren (Abb. 3). Eine weitere über den TNFR2 stimulierte Signalkaskade, an deren Ende NF-κB steht, verläuft über die Phosphatidylinositol (PI)3-Kinase. Die PI3-Kinase aktiviert über die Serin/Threoninkinase (Akt) ebenfalls NF-κB (ROMASHKOVA und MAKAROV, 1999). Im Gegensatz dazu soll die Aktivierung der PI3-Kinase über den TNFR1 als silencer of survival signals verhindert werden (VENTERS et al., 2001).

TNF kann somit gleichzeitig verschiedene Signalkaskaden einleiten, die zu Überleben oder Untergang der Zellen führen. Dabei scheint das Verhältnis der Aktivierung dieser Wege, insbesondere die Aktivierung von NF-κB entscheidend zu sein. So soll TNF neurotoxisch wirken, wenn die NF-κB Aktivität unterdrückt wird und neuroprotektiv über die Aktivierung von NF-κB (BOTCHKINA et al., 1999; VENTERS et al., 2001; FONTAINE et al., 2002;

FRIDMACHER et al., 2003). Die Übermittlung neuroprotektiver Signale verläuft vermutlich über den TNFR2 und Aktivierung von Akt (FONTAINE et al., 2002). Beide TNFR können NF-κB aktivieren, dabei soll die Aktivierung von NF-NF-κB über den TNFR2 länger andauern als über den TNFR1 (MARCHETTI et al., 2004). Generell soll TNF eine höheren Affinität zum TNFR1 als zu dem TNFR2 aufweisen (YANG et al., 2002; ABBAS et al., 2007). Die lösliche Form des TNFR1 und TNFR2 kann ebenfalls TNF binden, wobei sie in hoher Konzentration die Aktivität inhibiert, in geringer Konzentration die biologische Halbwertszeit der TNF-Aktivität jedoch erhöht (LOETSCHER et al., 1991; ADERKA et al., 1992).

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Abb. 3: TNF-vermittelte Signalwege

a) TNFR1-vermittelte Apoptose via TRADD, FADD and Caspase-8

b) TNFR1-vermittelter, antiapoptotischer Übertragungsweg via TRAF2 oder RIP c) TNFR1-Wirkung als silencer of survival signals über Inhibition der PI3-Kinase d) TNFR2-vermittelter, antiapoptotischer Übertragungsweg via TRAF2 and NF-κB und

vermuteter antiapoptotischer Effekt via PI3-Kinase und Phospho-Akt-Aktivierung 2.6.2 FUNKTIONEN DES TNF IM ZNS

Bei Mäusen ist eine konstitutive TNF-Expression in Neuronen, Glia und Mikroglia-ähnlichen Zellen im Gehirn beschrieben, wobei generell Mikroglia, Astrozyten und einige Neuronen TNF sezernieren können (LEE et al., 1993; HOPKINS et al., 1995; GAHRING et al., 1996).

TNF wiederum induziert die Proliferation von Astrozyten (SELMAJ et al., 1990). TNF-Rezeptoren finden sich auf Mikroglia, Astrozyten, Neuronen, Oligodendrozyten und Endothelzellen (DOPP et al., 1997). Eine hohe konstitutive Expression des TNFR1 findet sich in vielen Neuronen in Hirnstamm, motorischen Kerngebieten und sensorischen Trigeminuskernen, während eine TNFR2-Expression bisher nur in Endothelzellen und einzelnen mikrogliaähnlichen Zellen gezeigt wurde (DOPP et al., 1997; BETTE et al., 2003).

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen wird eine Überproduktion von TNF im ZNS beobachtet, wie z.B. AIDS-Dementia-Komplex, Schlaganfall, Trauma, cerebraler Malaria, Multipler Sklerose und Alzheimerscher Krankheit (TYOR et al., 1992; MINAGAR et al., 2002;

NELSON et al., 2002; WILLIAMS und HICHKEY, 2002; BRABERS und NOTTET, 2006). Bei transgenen Mausmodellen mit TNF-Überexpression im ZNS können auch progressive neurodegenerative Erkrankungen auftreten (PROBERT et al. 1995; AKASSOGLOU et al.

1997; TAUPIN et al., 1997). Dabei spielt vor allem die TNFR1-Signalübertragung eine wichtige Rolle, da durch Rückkreuzung in einen TNFR1-knock-out-Hintergrund die

LITERATURÜBERSICHT 33 entzündlichen und demyelinisierenden Läsionen komplett unterdrückt wurden. Die Rückkreuzung in einen TNFR2-knock-out-Hintergrund beeinflusste die Gehirnalterationen hingegen nicht (AKASSOGLOU et al., 1998).

Der neurotoxische Effekt des TNF kann über zahlreiche Mechanismen vermittelt werden. So erhöht TNF an den Endothelzellen die Expression des vascular adhesion molecule (VCAM)-1, an das aktivierte T-Zellen binden und ermöglicht somit den Influx von Immunzellen in das Gehirn (LIEBERT, 2001; NOTTET, 2005). Bei der Aktivierung der Endothelzellen soll vor allem die TNFR2-Signalübertragung wichtig sein (DOPP et al., 1997). Weiterhin hemmt TNF die Glutamat-Aufnahme der Astrozyten so dass die erhöhten extrazellulären Glutamatspiegel neurotoxisch wirken (FINE et al., 1996). TNF kann auch über die Aktivierung von Astrozyten, Makrophagen und Mikroglia neurodegenerativ wirken. In Astrozyten wird z.B. über die Aktivierung von NF-κB die Synthese proinflammatorischer Zytokinen angeregt (HAN et al., 2001). Fetale humane Astrozyten exprimieren zudem konstitutiv TNFR1, wohingegen die Expression des TNFR2 erst durch die Zugabe von TNF induziert wird (CHOI et al. 2005).

TNF zeigt jedoch auch eindeutig neuroprotektive Effekte im ZNS, z.B. beim AIDS-Dementia-Komplex (BRABERS und NOTTET, 2006). Bei Mäusen mit neuronaler TNF-Überexpression fand sich ein dosisabhängiger Schutz der Neuronen gegen glutamatinduzierte Neurotoxizität (MARCHETTI et al., 2004). Fehlen Mäusen beide TNF-Rezeptoren, sind nach cerebraler Ischämie und Kainat-induzierten Verletzungen der oxidative Stress vermehrt und antioxidative Enzyme reduziert, vermutlich aufgrund der fehlenden neuroprotektiven Wirkung des TNF. Weiterhin ist bei diesen TNFR-knock-out-Mäusen die Mikrogliaaktivierung reduziert, was die Bedeutung des TNF für die Immunreaktion betont (BRUCE et al., 1996).

2.6.3 ROLLE DES TNF BEI VIRALEN INFEKTIONEN DES ZNS

TNF gilt aufgrund der Induktion der IFNα- und IFNβ-Expression und der direkten antiviralen Aktivität als wichtiger Teil der antiviralen Abwehr. Direkt kann TNF vor allem mit der viralen Absorption und Penetration der Wirtszelle interferieren. Viele Viren interagieren mit TNF und seinen Rezeptoren, wobei beide TNFR an der antiviralen Aktivität beteiligt sein sollen (RUBY et al., 1997). So können viruskodierte Proteine TNF oder TNF-vermittelte Reaktionen auf vielen Ebenen beeinflussen, die von der Inhibition von TNF und TNFR bis hin zur Modulation der TNF-induzierten Signalkaskaden reichen (HERBEIN und O’BRIEN 2000; LIEBERT 2001;

RAHMAN und MCFADDEN, 2006).

Eine antivirale TNF-Wirkung wurde für die masernvirusinduzierte Enzephalitis von Mäusen beschrieben, da die Enzephalitis durch virusspezifische T-Zellen über einen synergistischen Effekt von TNF mit IFNγ kontrolliert werden konnte (FINKE et al., 1995). In vitro ist ebenfalls eine starke antivirale Wirkung des TNF über einen noch unbekannten Mechanismus gegen aviäre, porcine und humane Influenzaviren nachgewiesen, da die Vorbehandlung der Zellkulturen mit TNF die virale Replikation deutlich reduzierte (SEO und WEBSTER, 2002).

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In Studien mit TNF-überexprimierenden Tollwutviren fanden sich Hinweise auf einen direkten antiviralen Effekt des TNF und eine indirekte antivirale TNF-Wirkung über die Induktion der Entzündungsreaktion (FABER et al., 2005). Bei West Nile Virus-infizierten Mäuse liegt ein Zusammenhang der Virulenz und Neuroinvasion mit dem TNF-Spiegel vor (SHIRATO et al., 2006). Für einige Viren ist die Interaktion mit TNF im Detail geklärt. So sollen γ-Herpesviren den apoptotischen Weg der TNF-Kaskade blockieren und NF-κB aktivieren, um ein Überleben der infizierten Zelle zu sichern (BERTIN et al., 1997). Das Nichtstrukturprotein 5A des Hepatitis C–Virus interagiert z.B mit TRADD um so eine TNF-induzierte Apoptose zu verhindern, kann aber auch an TRAF2 binden, um die Zellen für eine TNF-vermittlte Zytotoxizität zu sensibilisieren (MAJUMDER et al., 2002; PARK et al., 2003). Poxviren produzieren ein TNFR-Homolog, das TNF mit einer hohen Affinität bindet und so die TNF-Signalkaskade verhindert (CUNNION et al., 1999). Weiterhin können adenovirusspezifsche Proteine den TNFR1 und die NF-κB-Aktivierung herunter regulieren (FESSLER et al., 2004).

Bei der experimentellen BDV-Infektion von Ratten und Mäusen kommt es zu einer starken Aufregulierung des TNF (SHANKAR et al., 1992; SAUDER et al., 2000), wobei derzeit nicht bekannt ist, ob diese Aufregulierung mit der viralen Ausbreitung und Persistenz interferiert.

2.6.4 TNF-TRANSGENE MAUSMODELLE

Zum Studium einer TNF-Überexpression im Gehirn sind bereits einige TNF-transgene Mausmodelle etabliert. So wird TNF über Promotoren der Gene für myelin basic protein (MBP), GFAP, Neurofilament (NF) sowie über den endogenen TNF-Promotor exprimiert und führt bei einigen Mauslinien schon im Alter von weniger als zwei Monaten, bei anderen nach etwa einem Jahr zu spontanen Veränderungen (PROBERT et al., 1997; TAUPIN et al. 1997;

AKASSOGLOU et al., 1998). In Mäusen, die TNF über MBP exprimieren, traten in einer Linie spontane Demyelinisierungen auf. Zwei andere Linien zeigten keine Spontanläsionen, erwiesen sich jedoch empfänglicher für die Induktion einer EAE (TAUPIN et al., 1997). Bei einer TNF-Überexpression unter dem GFAP-Promotor oder dem endogenen TNF-Rezeptor wurden ebenfalls Demyelinisierung, Aktivierung der Mikroglia/Makrophagen oder eine Immunzellinfiltration beschrieben (PROBERT et al., 1997; AKASSOGLOU et al., 1998). Bei der neuronalen Expression des TNF unter dem NF-Promotor traten keine spontanen Veränderungen auf, obgleich die TNF-Menge dem unter dem GFAP-Promotor stehenden Modell entsprach bzw. überschritt (AKASSOGLOU et al., 1997, 1998). Dies zeigt, dass nicht nur die TNF-Menge sondern auch der Expressionsort für die TNF-Wirkungen wichtig sind.

Die in dieser Studie verwendeten TNF-transgenen Mäuse exprimieren TNF unter der Kontrolle des Promoters des Glutamatrezeptorsubtyps NR2B (ε2), was zu einer neuronalen Expression des TNF und dessen löslicher Form führt. Die Tiere zeigen keine spontanen entzündlichen oder degenerativen Veränderungen im ZNS, sondern nur eine Aktivierung der Mikroglia in den TNF-überexprimierenden Gehirngebieten (MARCHETTI et al., 2004).

MATERIAL UND METHODEN 35 3 MATERIAL UND METHODEN

Zur Untersuchung der In-vivo-Strategien des BDV zur Ausbreitung im ZNS, Induktion der persistierenden Infektion sowie der regionalen und zellulären Präferenzen innerhalb des Neurotropismus diente die experimentelle Infektion adulter Lewis-Ratten und TNF-transgener Mäuse. Dies beinhaltete weiterhin die Analyse des Reaktionsmusters residenter Gehirnzellen als Basis zum Verständnis der zugrunde liegenden Virus-Wirtsbeziehungen.

Histologie und Immunhistologie (IH) wurden in beiden Modellen zur morphologischen Dokumentation des Entzündungsgeschehens im Gehirn, der Aktivierung residenter Gehirnzellen und der Expression neuroprotektiver Faktoren eingesetzt (3.1.5, 3.1.6, 3.2.5, 3.2.6). Die morphologischen Nachweise der viralen Proteine und RNAs erfolgten mittels IH und In-situ-Hybridisierung (ISH; 3.1.6, 3.1.8., 3.2.6, 3.2.8). Zur Quantifizierung viraler RNAs, der mRNA-Spezies des TNF-Systems und ausgewählter neuroprotektiver Faktoren wurden real time RT-PCR-Assays etabliert und angewendet (3.1.7, 3.1.10, 3.2.7, 3.2.9). Die Charakterisierung der regionen- und zellspezifischen viralen Transkription erforderte die Etablierung der Laser Microbeam Microdissection sowie Laser Microbeam and Pressure Catapulting zur nachfolgenden Mengenbestimmung viraler RNAs (3.1.9).

3.1 EXPERIMENTELLE INFEKTION VON LEWIS-RATTEN 3.1.1 VERSUCHSTIERE UND TIERHALTUNG

Als Versuchstiere wurden 30 Tage alte Lewis-Ratten aus der Nachzucht des Tierbestandes des Institutes für Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen verwendet. Die Tiere wurden in Gruppenkäfigen (Makrolon®) bei einem Tag-Nacht-Rhythmus von 12 Stunden gehalten.

Die Käfige befanden sich in einem Raum mit konstanter Luftfeuchtigkeit (55 +/- 10 %) und Raumtemperatur (20-24 °C), die Beleuchtung erfolgte durch Neonröhren. Wasser und pelletiertes Fertigfutter (Altromin®, Diätfutter für Zuchttiere, Altromin, Lage) standen ad libitum zur Verfügung. Alle Arbeiten mit und an den Versuchstieren wurden mit Einweghandschuhen und Mundschutz durchgeführt. Zur Zwischendesinfektion aller Materialien, die mit den Tieren in Kontakt kamen, wurde 1%iges Venno Vet 1 super (Menno Chemie-Vertriebsgesellschaft, Norderstedt) für 2 Stunden (h) bei Raumtemperatur verwendet. Danach wurde das Besteck bei 123 °C und 1,15 bar für 20 Minuten autoklaviert.

3.1.2 VIRUSPRÄPARATION

Zur Infektion wurde eine dreimal in adulten Lewis-Ratten passagierte Viruspräparation des Gießener Stammes H24 (5/25/92) verwendet, die freundlicherweise von Herrn Prof. Richt, vormals Institut für Virologie, Justus-Liebig-Universität Gießen; derzeit Diagnostic Medicine/Pathobiology Department, Manhattan, Kansas, USA zur Verfügung gestellt wurde.

Der Virustiter betrug etwa 106 ID50/ml. Zur Infektion wurde eine 10%ige Gehirnsuspension benutzt.

MATERIAL UND METHODEN 36

3.1.3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

Die Tierversuche wurden in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Richt, Diagnostic Medicine/Pathobiology Department, Manhattan, Kansas, USA gemäß den Bestimmungen für genehmigungspflichtige Tierversuche durchgeführt (Az. GI 18/7 Nr. 11/2000).

3.1.3.1 Infektion der Versuchstiere und Kontrollen

30 Tage alte Tiere wurden mit 0,1 ml der 1:10 verdünnten Viruspräparation unter Ketanest® -Narkose (40mg/kg Ketamin) in die linke vordere Großhirnhemisphäre (n=3-5 pro Zeitpunkt post infectionem [p.i.]) infiziert. Als Kontrolle dienten Tiere, die mit 0,1 ml einer 1:10 verdünnten Gehirnsuspension von nicht infizierten adulten Ratten inokuliert wurden (Mock-Infektion; n=1 pro Zeitpunkt p.i.) sowie nicht infizierte adulte Lewis-Ratten (n=3).

3.1.3.2 Klinik, Versuchsablauf und Übersicht der durchgeführten Untersuchungen Die Ratten wurden während des Versuches zweimal pro Woche adspektorisch untersucht.

Die Tötung der Ratten erfolgte nach tiefer Ketanest®-Narkose (40mg/kg Ketamin) durch Dekapitation. Für die morphologischen und molekularbiologischen Untersuchungen (3.1.6, 3.1.8-3.1.10) wurden je drei infizierte sowie ein mock-infiziertes Tier zwischen 1 und 90 Tagen p.i. getötet (Tabelle [Tab.] 1). Zusätzlich wurden drei nicht infizierte Kontrolltiere im Alter von 3 Monaten getötet. Zur Charakterisierung der residenten Gehirnzellen wurden im Zeitraum 3 bis 50 Tage p.i. (days post infection, dpi) 22 weitere Tiere sowie 2 mock-infizierte Ratten verwendet. Eine Übersicht der durchgeführten Untersuchungen gibt Tabelle 1.

Tab. 1: Untersuchungen an BDV-infizierten Lewis-Ratten und Kontrolltieren

dpi Histologie IH ISH DM Real time

MATERIAL UND METHODEN 37 dpi: days post infection, Tage nach Infektion; HE: Hämatoxylin-Eosin-Färbung; IH: Immunhistologie;

ISH: In-situ-Hybridisierung; DM: Doppelmarkierung; Real time RT-PCR: real time reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion; BDV-N: BDV-Nukleoprotein; BDV-GP: BDV-Glykoprotein;

BDV-M: BDV-Matrixprotein; BDV-LE: leader-haltige +ssRNA; +ssRNA: positiv orientierte RNA; RNAs:

positiv und negativ orientierte RNA; GFAP: glial fibrillary acidic protein; CNPase: 2’,3’-cyclic nucleotide-3’-Phosphodiesterase; AIF-1: allograft inflammatory factor 1; ED1: Rattenhomolog zu CD68; HO-1: Häm-Oxygenase-1; ADNP: activity-dependent neuroprotective protein; BDNF: brain derived neurotrophic factor; IIFT: Indirekte Immunfluoreszenz

MATERIAL UND METHODEN 38

3.1.4 PROBENENTNAHME, PRÄPARATION DER ORGANE UND UNTERSUCHTE GEHIRNREGIONEN

Die Gehirne wurden direkt nach der Tötung steril entnommen und sagittal in zwei Hälften geteilt. Die linke Hälfte wurde in 10%igem, nicht gepuffertem Formalin über Nacht bei Raumtemperatur fixiert. Daraus wurden in 6-8 Ebenen Coronarschnitte (A-H, Tab. 2; Abb. 4) hergestellt, die 16 h in der aufsteigenden Alkoholreihe entwässert und in Roti-Histol® (Carl Roth, Karlsruhe) mit Hilfe eines Einbettautomaten (Tissue-Tek TECTM 5, Vogel, Gießen) bei 65 °C in Paraffin eingebettet wurden. Anschließend wurden 3-4 µm dicke Schnitte angefertigt, auf Starfrost® oder Superfrost® Plus Objektträger (Menzel Gläser, Braunschweig) aufgezogen und ca. 45-60 Minuten bei 56 °C im Wärmeschrank getrocknet. Dieses Material wurde für die histologischen und immunhistologischen Untersuchungen sowie für die ISH verwendet (3.1.5, 3.1.6, 3.1.8). Die rechte Hälfte wurde transversal in den Ebenen B (I), C (II), D (III, IV) und H (V) geschnitten und die Gehirnscheiben in Tissue-Tek® O.C.T.-Compound (OCT, Sakura Finetek Europe B.V., Zoeterwoude, Niederlande) eingebettet und bei –80 °C gefroren (Tab. 2; Abb. 4). Diese Gewebeproben dienten der RNA-Isolierung für die real time reverse Transkriptase-PCR (real time RT-PCR) und dem Nachweis von infektiösem Virus (3.1.10, 3.1.11).

3.1.4.1 Untersuchte Gehirnregionen

Die Schnittebenen der 6-8 Coronarschnitte sowie der in OCT-eingebetteten Gehirnhälften entsprachen weitgehend den Ebenen nach PAXINOS und WATSON (1998; Tab. 2; Abb. 4).

Tab. 2: Schnittebenen nach PAXINOS und WATSON (1998)

Ebene FFPE Bregma Interaural Ebene OCT Name OCT

A 6,70 mm 15,70 mm

B 3,70 mm 12,70 mm

I Bulbus olfactorius

C 0,48 mm 9,48 mm II CPu

Drost -1,30 mm 7,70 mm III AH rostral

Dcaud -1,30 mm 7,70 mm

E -3,30 mm 5,70 mm IV AH caudal

F -5,20 mm 3,80 mm

G -7,80 mm 1,20 mm

H -11,60 mm -2,60 mm V Kleinhirn

Ebene FFPE: Ebenen der Coronarschnitte für formalinfixiertes, paraffineingebettetes Gewebe (FFPE); Bregma: Schnittpunkt der Sagittalnaht des Schädels mit dem Mittelpunkt der Coronarnaht;

Interaural: Linie zwischen beiden äußeren Öffnungen der knöchernen Gehörgänge; Ebene OCT:

Ebenen der Anschnitte der in OCT eingebetteten Gehirnhälften; Drost: Anschnittfläche nach rostral;

Dcaud: Anschnittfläche nach caudal; CPu: N.caudatus/Putamen; AH: Ammonshorn

MATERIAL UND METHODEN 39 Abb. 4: Schematische Darstellung der verwendeten Schnittebenen

OCT: Tissue-Tek® O.C.T.-Compound

FFPE: Formalinfixiertes, paraffineingebettetes Gewebe

Folgende Gehirngebiete und -strukturen wurden in die morphologischen Untersuchungen einbezogen, sofern sie anhand der Gewebeschnitte eindeutig ansprechbar waren:

1. Bulbus olfactorius 2. Neocortex

3. Corpus callosum

4. Corpus amygdaloideum (Amygdala)

5. Ammonshorn, unterteilt in CA1-, CA2-, CA3-Region, Gyrus dentatus (DG) 6. Nucleus caudatus/Putamen

7. Thalamus 8. Hypothalamus 9. Mesencephalon 10. Cerebellum

11. Medulla oblongata 12. Ependym

13. Leptomeninx

MATERIAL UND METHODEN 40

3.1.5 HISTOPATHOLOGISCHE PRÄPARATION

Die etwa 4 µm dicken Gehirnschnitte wurden mit Hämatoxylin-Eosin (HE) gefärbt. Die histologische Untersuchung diente dem Nachweis der Entzündungszellinfiltration und Aktivierung von Mikroglia und Astrozyten sowie der Bewertung degenerativer Veränderungen.

3.1.5.1 Auswertung

Die Auswertung der histopathologischen Veränderungen im Gehirn erfolgte semiquantitativ nach folgenden Kriterien in verschiedenen Vergrößerungsstufen:

1. Entzündliche Veränderungen:

Infiltrate: - perivaskulär - meningeal - parenchymal Mikrogliaaktivierung Astrogliose

Satellitose

2. Degenerative Veränderungen:

Hydrocephalus internus Neuronennekrosen

0 = keine Veränderungen

1 = bei den meisten Infiltrate bis 15 Zellen/Herd, perivaskulär meist ein bis zwei Schichten von Entzündungszellen, leicht erhöhte Zellularität (Leptomeninx, Parenchym), vereinzelte Herde, einzelne Gehirngebiete betroffen, kaum-geringgradige Satellitose, kein Hydrocephalus internus, vereinzelte Neuronennekrosen

2 = bei der Mehrzahl der Infiltrate 15-30 Zellen/Herd, perivaskulär ein bis zwei oder mehr als zwei Schichten von Entzündungszellen, deutlich erhöhte Zellularität, zahlreiche Herde, mehrere Gehirngebiete betroffen, mittelgradige Satellitose, kein bis beginnender Hydrocephalus internus, vermehrt Neuronennekrosen

3 = bei der Mehrzahl der Infiltrate über 30 Zellen/Herd, perivaskulär immer mehr als zwei bis viele Schichten von Entzündungszellen, sehr hohe Zellularität, viele große, evtl.

konfluierende Herde, gesamtes Gehirn betroffen, hochgradige Satellitose, ausgeprägter Hydrocephalus internus, zahlreiche Neuronennekrosen

Die Auswertungskriterien des Astroglianachweises finden sich unter der Bewertung der GFAP-Expression (3.1.6.6).

Die Anzahl reaktiver Mikroglia wurde nach Anzahl von Stäbchenzellen und perineuronaler Lokalisation bei 400facher Vergrößerung bewertet:

0 = keine reaktiven Mikroglia pro Gesichtsfeld

1 = wenige (bis zu 10) reaktive Mikroglia pro Gesichtsfeld 2 = einige (bis zu 20) reaktive Mikroglia pro Gesichtsfeld Die statistische Auswertung findet sich unter 3.1.12.

MATERIAL UND METHODEN 41 3.1.6 IMMUNHISTOLOGIE (IH)

Die Immunhistologie wurde zum Nachweis der BDV-spezifischen Proteine sowie der Beurteilung der Astrogliose, Mikrogliaaktivierung und neuroprotektiver Vorgänge eingesetzt.

1. Blockseren

1.1 Pferdeserum (PS, PAA Laboratories, Linz, Österreich) 1.2 Schweineserum (SS, PAA Laboratories)

1.3 Ziegenserum (ZS). Das Serum wurde von gesunden Tieren der Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover gewonnen (10.2.1).

2. Primärantikörper

Die verwendeten Primärantikörper finden sich in Tabelle 3.

3. Kontrollseren

Als Kontrollserum für monoklonale Antikörper diente ein monoklonaler Antikörper von der Maus gegen Hühner T-Zellen (CTL 1), für die monospezifischen, polyklonalen Antikörper wurde Serum gesunder Kaninchen (Sigma-Aldrich, Heidelberg) verwendet.

4. Sekundäre Antikörper

Für die Detektion monoklonaler Antikörper wurde ein biotinilierter Pferd-anti-Maus-Antikörper verwendet (IgG, Vector Laboratories, Burlingame, USA) und für die polyklonalen Antiseren ein biotinilierter Ziege-anti-Kaninchen-Antikörper (IgG, Vector Laboratories). Zur Detektion des Anti-CNPase Antikörpers wurde ein biotinilierter Ziege-anti-Maus-Antikörper (IgG (H+L), Vector Laboratories), zum Nachweis der Anti-AIF-1- und Anti-HO-1-Antikörper ein biotinilierter Ratten-anti-Maus-Antikörper (Dako Cytomation) eingesetzt.

5. Avidin-Biotin-Peroxidase-Komplex (ABC)

Es wurde das ABC-Kit Peroxidase Standard PK-4000 von Vector Laboratories verwendet.

6. Streptavidin-Avidin-Biotin (AB)-Komplex

Als Streptavidin-AB-Komplex diente das kommerziell erhältliche Kit von Dako Cytomation.

7. Avidin-Biotin-Alkalische Phosphatase-Komplex (ABC-AP)

Verwendet wurde das Kit Alkaline Phosphatase Standard AK-5000 (Vector Laboratories).

MATERIAL UND METHODEN 42

Tab. 3: Verwendetes Gewebe, Spezifität und Verdünnungen der primären Antikörper

Maus-anti-AIF-1 Monoklonal 1:2 in TBS 0,1% BSA

Mikrowelle/Citratpuffer SS FFPE TBS: tris buffered saline; PBS: phosphate buffered saline; SS: Schweineserum; PS: Pferdeserum; ZS:

Ziegenserum; BSA: Bovines Serumalbumin; BDV-N: BDV-Nukleoprotein; BDV-GP: BDV-Glykoprotein,

*: Zur Herstellung diente ein 16 AS-großen Peptid, das im C-terminalen BDV-GP-Bereich in

*: Zur Herstellung diente ein 16 AS-großen Peptid, das im C-terminalen BDV-GP-Bereich in