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Publikationsgeschichte und Forschungsstand

Im Dokument Spiegel einer Gesellschaft im Umbruch (Seite 129-133)

3.7 Das Bürgertum und die Macht des Geldes

4.1.2 Publikationsgeschichte und Forschungsstand

Isabelle de Charrière verfasste die ersten beiden Teile des Romans 1795. Ihr Freund Huber war so angetan von dem Werk, dass er es sogleich ins Deutsche übersetzte und im selben Jahr unter dem Titel Drei Weiber in Leipzig publizierte. Ein Jahr später erschien in London die erste französischsprachige Ausgabe, wobei es für die

212 Courtney, 1993, S.522ff.

213 Isabelle de Charrière hat die Arbeit vermutlich wegen des Todes Ludwigs XVI. und der Affäre Constant-Staël abgebrochen. (vgl. Swillen, 1992, S.71.)

Autorin sehr schwer war, einen Verleger dafür zu gewinnen. Es wurde nicht gerne gesehen, dass Frauen öffentlich aktiv wurden, und so brauchte Madame de Charrière Mittelsmänner, um mit Verlegern in Kontakt zu treten. Sie finanzierte ihre Veröffentlichungen selbst, obwohl sie und ihr Mann nicht besonders wohlhabend waren.214 Sie hatte die Hoffnung, Trois Femmes könnte ein Erfolg werden, und verfügte, dass der Erlös Madame de Montrond, einer befreundeten Emigrantin in Geldnöten, zukommen solle215. Leider wurde die Londoner Ausgabe jedoch ohne das Einverständnis der Autorin vom Verleger de Lally stark gekürzt, und die ersehnte Resonanz der Öffentlichkeit blieb aus. Isabelle de Charrière gab sich nicht geschlagen und veranlasste 1797 eine erneute Veröffentlichung in Lausanne. Sie beauftragte Constant d’Hermenches, die Druckvorlage Korrektur zu lesen und war sehr enttäuscht, als sie feststellen musste, dass die Ausgabe voll von Rechtschreibfehlern war. Da der Autorin sehr an diesem Roman gelegen war, beschloss sie, ihn 1798 zusammen mit anderen Erzählungen bei einem Züricher Verleger nochmals zu veröffentlichen216. Als Autor dieser mehrbändigen Schriftensammlung L’Abbé de la Tour ou le Recueil de Nouvelles et autres Ecrits divers gab sie den Abbé de la Tour an217.

Die zeitgenössischen Rezensionen sind eher negativ. In Lausanne war man der Auffassung, es handele sich bei den Trois Femmes um

214 Karmarkar, 1996, S.9.

215 Isabelle de Charrière hatte erfahren, dass die Comtesse de Flahaut (die spätere Mme de Souza) mit ihrem Roman Adèle de Sénanges einen so großen kommerziellen Erfolg hatte, dass sie damit im Exil die Kosten für ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. (s. Brief an Henriette L’Hardy, 10.-14.02.1795. In: Œuvres Complètes, Bd. V (Amsterdam 1980), S.44.)

216 In dieser Ausgabe folgt auf die Trois Femmes eine Erzählung mit dem Titel Honorine d’Userche, in der einige Figuren des ersten Romans wieder auftreten.

217 Vielleicht versprach sie sich mehr Erfolg, wenn die Öffentlichkeit im Glauben gelassen werde, es handele sich um einen männlichen Autor.

Hierfür spricht, dass die meisten Romane zur damaligen Zeit von Männern veröffentlicht wurden. Von 861 Publikationen in den Jahren zwischen 1789 und 1795 waren angeblich nur 69 von Autorinnen. (vgl. Letzter, 1995, S.73, Fußnote Nr.4.) Es besteht auch die Möglichkeit, dass Isabelle de Charrière das Pseudonym Abbé de la Tour aus Dankbarkeit gegenüber ihrem Zeichenlehrer La Tour wählte.

eine moralisch bedenkliche Lektüre, die nicht in die Hände von Kindern geraten dürfe:

Ce petit Roman [Trois Femmes] prouve ce qu’on savoit, c’est que l’Auteur a beaucoup d’esprit et de talens. Du reste, on peut mettre cette production au rang de ces bagatelles, qui sans utilité ont quelque agrément, mais dont une mere sage ne recommandera jamais la lecture à sa fille.218

Erst am 02.04.1809 erschien posthum in Le Publiciste eine Kritik, die den Roman sehr lobt219.

Drei Weiber wurde 1819 und 1822 nochmals verlegt, die französische Fassung erlebte sogar fünf Neuauflagen (1808, 1809, 1942, 1971 und 1981). In dieser Arbeit beziehen sich alle Textverweise auf die kritische Ausgabe in den Œuvres Complètes von 1981, in denen auch ein unvollendeter Entwurf für einen dritten Teil des Romans (Suite des Trois Femmes) abgedruckt wurde. Wir behalten bei den Zitaten die unregelmäßige Orthographie des Originals bei, die besonders in der Suite sehr fehlerhaft ist.

Es existieren eine Reihe von Publikationen zu den Romanen Isabelle de Charrières, wobei sich viele auf das Verhältnis der Autorin zur Aufklärung konzentrieren. Des weiteren existieren einige Analysen unter frauenrechtlichen Gesichtspunkten220. Wir werden einen Teil der Ergebnisse in unserer Arbeit erwähnen und durch eigene Beobachtungen ergänzen.

Es gibt nur zwei Veröffentlichungen, die ausschließlich den Trois Femmes gewidmet sind: Zum einen die sehr ausführliche Analyse von A. Deguise221, die vor allem auf den Einfluss von Kant und Voltaire auf das Werk eingeht. Zum anderen ein Aufsatz von W.

Poelstra222, der die moralphilosophischen Elemente des Romans untersucht. In weiteren Veröffentlichungen wird zumindest teilweise auf Trois Femmes eingegangen. Trousson hat

218 Journal littéraire de Lausanne, VIII/7 (Juillet 1797), S.135f.

219 Courtney, 1993, S.666.

220 s. hierzu Minier, 1987; Jaeger, 1994; Allison, 1995; Karmarkar, 1996.

221 Deguise, 1981.

beispielsweise die Einstellung der Autorin gegenüber Rousseau erforscht223, und J. Letzter hat die Romane von Madame de Charrière im Hinblick auf pädagogische Fragen analysiert.224 In dem Sammelwerk Une Européenne: Isabelle de Charrière en son siècle (Neuchâtel 1994), das anlässlich eines Kolloquiums aus dem Jahre 1993 herausgegeben wurde, finden sich zahlreiche kurze Untersuchungen, wie zum Beispiel von H. Coulet, der der Frage nachgeht, inwieweit Mme de Charrière als Aufklärerin zu bezeichnen ist225, oder von Claire Jaquier, die die Symbolsprache von Isabelle de Charrière analysiert.226 Für unseren Untersuchungsgegenstand ist hierbei vor allem der Aufsatz von F.

Rosset227 von Interesse, der zeigt, wie wirklichkeitsnah und vielseitig Isabelle de Charrière ihre Charaktere sprechen lässt. Allerdings gibt Rosset vorwiegend Beispiele aus dem Roman Lettres trouvées dans des portefeuilles d’émigrés. Wir werden in unserer Untersuchung auf die unterschiedliche Ausdrucksweise der Charaktere aus den Trois Femmes eingehen. Darüber hinaus wollen wir sehen, ob Isabelle de Charrière auch mit anderen Mitteln Wirklichkeitsnähe erzeugt.

222 Poelstra, Wardy. Trois Femmes: L’architecture d’une morale. In: Went-Daoust, 1995.

223 Trousson, 1995.

224 Letzter, 1995.

225 Coulet, Henri. Isabelle de Charrière, femme des Lumières? In:

Jakubec/Candaux/Delacrétaz, 1994.

226 Jaquier, Claire. Le damier, la harpe, la robe salie: médiations et symboles du désir dans l’œuvre romanesque d’Isabelle de Charrière. In:

Jakubec/Candaux/Delacrétaz, 1994.

227 Rosset, François. La reine s’amuse: le bruissement des langues dans les romans d’Isabelle de Charrière. In: Jakubec/Candaux/Delacrétaz, 1994.

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