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Politikimplementation und Steuerung

2.6 Policy-analytische Perspektiven

2.6.3 Politikimplementation und Steuerung

Die eigentliche Implementation von Gleichstellungspolitik ist bisher weniger intensiv bearbeitet worden. Dabei ist die Implementation die wesentliche Phase für eine Politik, die über Erfolg oder Scheitern entscheidet. Mit Im-plementation ist die Umsetzung eines politischen Programms in konkrete Maßnahmen oder Instrumente gemeint, wodurch ein bestimmter Output – eine Subvention, ein Rechtsanspruch, der Bau einer Infrastruktur oder eine Informationskampagne – erbracht wird. Der Output führt dann zum er-wünschten Impact – die Adressat*innen ändern ihr Verhalten, was wiederum zu erwünschten gesellschaftlichen Veränderungen, dem Outcome, führt (vgl.

Knoepfel et al. 2011, Kapitel 10 und 11). Die aktuelle Forschung sieht Im-plementation nicht mehr als eine vor allem technische Angelegenheit der geschickten organisatorischen Umsetzung, sondern geht davon aus, dass Implementation als „Post-Entscheidungs-Politik“ kontingent ist und von einer Reihe differenzierter Faktoren abhängt (Blum und Schubert 2011, S.

116–129, Howlett et al. 2009, S. 160–177). Implementationsforschung fragt danach, was eine gute Umsetzung in die Praxis begünstigt oder hindert. Heu-te sind sowohl Top-Down-Perspektiven – die Umsetzung staatlicher festge-legter Ziele durch die Instanzen – wie auch Bottom-Up-Ansätze – die Unter-suchung informeller Interaktionen, Informationsflüsse und Netzwerkbildun-gen sog. ‚street level bureaucrats‘ präsent, die sich geNetzwerkbildun-genseitig ergänzen

(Blum und Schubert 2011, S. 127, Anicker 2015). Implementationsprobleme sind sprichwörtlich (vgl. Howlett et al. 2009, S. 163), etwa weil es eine er-hebliche Lücke zwischen den politischen Zielen und der administrativen Praxis gibt und weil die Wahl der Steuerungsprinzipien die Umsetzungsmus-ter stark beeinflusst (Lascoumes und Le Galès 2007, S. 8). Solche Probleme vermutet auch Amy Mazur für die Gleichstellungspolitik:

As many feminist studies have shown, governments may not seek to actively and authorita-tively implement such controversial policies that challenge long held established patterns of behavior on the part of the powerful; rather they may systematically pursue symbolic measures, formal policy statements, with no policy outputs (Mazur o.J., S. 3).

Um also den Stand der Implementation überhaupt einzuschätzen, müssen zuerst einmal die administrativen Outputs und dann die tatsächlichen Prakti-ken der Akteur*innen erhoben werden. Mazur hält dies gerade bei der Analy-se feministischer Politik für bedeutsam, da Legislativen dazu neigen können, eine schöne Gleichstellungspolitik mit entsprechenden Instrumenten zu ver-abschieden, aber weit weniger geneigt sind, den politisch kostspieligen Pro-zess der eigentlichen Umsetzung in die Praxis zu unterstützen (Mazur o.J., S.

11).

Konkrete Maßnahmen folgen unterschiedlichen Steuerungsprinzipien und Logiken, deren Einsatz von verschiedenen Faktoren abhängt. Steuerungsprin-zipien sind verschiedentlich klassifiziert worden (Windhoff-Héritier 1987, Schubert 1991, Howlett et al. 2009, S. 117–135, Hood und Margetts 2007) und gehen auf die Grundformen Regulierung, Überzeugung und Finanzie-rung zurück (Blum und Schubert 2011, S. 88–93). Neben vom Staat selbst bereitgestellten Gütern und Dienstleistungen sind diese Prinzipien darauf gerichtet, gesellschaftliches Handeln bei den Adressat*innen zu beeinflussen.

 Die Regulierung in Gesetzen, Verordnungen oder Standards kann klare Verbote enthalten und sollte dann auch Überprüfungsmecha-nismen und entsprechende Sanktionen einschließen.

 Es gibt jedoch auch Instrumente und Regeln, die in unterschiedli-chem Ausmaß freiwillig für das Handeln der Akteur*innen sind.

Solche „weichen“ Steuerungsformen werden auch als reflexives Recht bezeichnet. Es macht keine materiellen Vorschriften, sondern schreibt Verfahren in einer bestimmten Situation vor, nach denen Akteur*innen Ziele festlegen und überprüfen müssen und erst je nach Ergebnis Sanktionen fällig werden (vgl. dazu Schulz 2006, für Gleichstellung Raasch 1999).

Überzeugung kann durch Information und Sensibilisierung erreicht werden. Dazu gehören etwa Sensibilisierungskampagnen (auf Plaka-ten, mit Broschüren, im Netz) sowie die Generierung und Bereitstel-lung von Wissen. Dabei kann es sich um wissenschaftliches Wissen oder um Praxis- und Erfahrungswissen bzw. um Kombinationen von

beidem handeln, das durch Beratung, Publikation oder Propagierung guter Praktiken verbreitet wird. Dazu gehört auch die Vorbildfunkti-on des Staates, etwa durch gute (nicht-diskriminierende) Beschäfti-gungsbedingungen.

 Unter Finanzierung fallen sowohl finanzielle Anreize durch Subven-tionen, und Versicherungs- und Transferleistungen als auch Steuer-systeme, die bestimmtes Verhalten finanziell belohnen und anderes bestrafen.

Organisation meint die Etablierung staatlicher Einrichtungen und Institutionen, die mit einem bestimmten Auftrag dauerhaft bestimm-te Politikfelder bearbeibestimm-ten, also z. B. Gleichsbestimm-tellungssbestimm-tellen oder ein Amt für Familienfragen

Die Bandbreite der Steuerungsinstrumente „available to policy-makers to address a policy problem is limited only by their imaginations” (Howlett und Ramesh 2003, S. 88). Welche am relevantesten in der Gleichstellungspolitik sind, soll dieses Buch klären. Die untenstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Steuerungsformen und eine Auswahl von Instrumenten, die diesen Prinzipien folgen.

Tabelle 1: Steuerungsprinzipien und Steuerungsinstrumente in der Gleichstellungspolitik

Steuerungsprinzip Beispiel von Instrumenten Rechtliche Regulierung

Verbote – Gebote

Diskriminierungsverbot im Gleichstellungsgesetz Reflexives Recht Pflichten zur Erstellung von Gleichstellungsplänen

Pflicht zur Prävention von sexueller Belästigung Überzeugung, Sensibilisierung, Information Informationskampagnen

Zukunftstag zur geschlechtsunabhängigen Berufswahl

Studien und Expertisen Finanzierung (Subvention, steuerliche

Erleichterungen/Belastungen)

Unterstützung konkreter Projekte und Maßnahmen Subventionen von Kinderbetreuung

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuung Organisation (staatliche Einrichtungen für

bestimmte Politikfelder)

Gleichstellungsstellen

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Die Wahl der Grundprinzipien und der damit verbundenen Instrumente wird häufig bereits im Agenda-Setting-Prozess angelegt und in der Politikformu-lierung weiter ausgearbeitet. Welche Instrumente gefordert sowie ausgearbei-tet werden und sich schließlich durchsetzen, ist nicht zufällig. Die aktiven Akteur*innen im jeweiligen Subsystem, die zur Verfügung stehenden unter-schiedlichen Ressourcen, die Art und Komplexität des Problems sowie die Ideen und Vorstellungen, die Akteur*innen über gute Lösungen des Problems haben, tragen zur Instrumentenwahl bei (Howlett et al. 2009, S. 172). In deren Präferenzen kommen auch grundsätzliche Ansichten zum Problem und

zum Verhältnis zwischen Staat und Bürger*in zum Ausdruck.14 In der politi-schen Praxis werden meist mehrere Instrumente auch mit unterschiedlichen Steuerungsprinzipien eingesetzt, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Bestimmte Merkmale von Maßnahmen können die Implementationschancen allerdings senken, so u. a. eine große Zahl Beteiligter, diffuse oder mehrdeutige Pro-grammziele oder die erleichterte Abwandlung von „sanfter“ Steuerung durch Programmgegner (Windhoff-Héritier 1987, 86, 92, 99-100; Peters 2002).

Zudem müssen die formulierten Ziele sich tatsächlich mit den Instrumenten erreichen lassen und verschiedene Instrumente dürfen sich nicht widerspre-chen. Darüber hinaus müssen Instrumente und Ziele einer neuen Policy sich logisch mit bereits implementierten Policies verbinden lassen (Howlett et al.

2009, S. 173, vgl. Howlett und Rayner 2007).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Untersuchung von einem normativen Verständnis ausgeht, was Gleichstellungspolitik soll: sie soll sich zum Ziel setzen, die Gleichverteilung von Geld, Zeit, Anerkennung und Macht zwischen den Geschlechtern voranzubringen und somit Gleichheit als eine Leitnorm der Moderne unterstützen. Dies wird als ein grundsätzlich umstrittenes Ziel gefasst, so dass ausgedehnte Auseinandersetzungen – wie bei anderen Ungleichheitsdimensionen auch – unvermeidlich und notwendig sind. Gleichstellungspolitik bewegt sich damit im Spannungsfeld von Kon-flikt und nötigen Kompromissen. Das Geschlechterverhältnis umfasst rechtli-che, ökonomisrechtli-che, politisrechtli-che, soziale und kulturell-symbolische Aspekte und Gleichstellungspolitik muss in verschiedenen gesellschaftlichen Teilberei-chen ansetzen. Daher ist eine Regime-Perspektive sinnvoll. Als Policy-Regime in der Gleichstellungspolitik wird die Gesamtheit der eingesetzten Steuerungsprinzipien und Institutionen verstanden, die in verschiedenen Politikfeldern das Geschlechterverhältnis steuern. Für die Untersuchung sind Ansätze der Policy-Analyse zentral, die sich heuristisch am Policy-Zyklus orientieren und genauer die Entstehung und Implementation fokussieren.

Hierbei ist die Analyse von konkreten Instrumenten mit ihren unterschiedli-chen Steuerungsprinzipien zentral. Wo es möglich ist, liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Zusammenspiel der Maßnahmen.

14 “Public policy instrumentation reveals a (fairly explicit) theorization of the relationship between the governing and the governed. In this sense, it can be argued that every public policy instrument constitutes a condensed and finalized form of knowledge about social control and ways of exercising it (Lascoumes und Le Galès 2007, S. 11).