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Aufgaben und Kompetenzen

6 Staatliche Gleichstellungsstellen: institutionelles Potenzial

6.2 Entwicklung und gegenwärtige Situation von Gleichstellungs-

6.2.3 Aufgaben und Kompetenzen

Mit wenigen Ausnahmen haben schweizerische Gleichstellungsstellen vor allem Kompetenzen in Beratung, Information und Expertise. Sie verfügen über keinerlei gesetzliche Einspruchs- oder Sanktionsrechte; vereinzelt kön-nen sie Subventiokön-nen an zivilgesellschaftliche Organisatiokön-nen vergeben.174 Das EBG kann die Einhaltung der Lohngleichheit bei öffentlichen Beschaf-fungen des Bundes kontrollieren und kann mit den erwähnten Finanzhilfen des GlG Gleichstellungsprojekte unterstützen. Im Kanton Waadt kann die Fachstelle bei Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz um eine Meinung zum Fall nach Aktenlage gebeten werden.175 Die Fachstellen erfüllen in der Regel einen doppelten Auftrag: sie sollen die tatsächliche Gleichstellung in der inhaltlichen Arbeit der öffentlichen Verwaltung und in der Gesellschaft fördern. Somit sind die Fachstellen Agenturen des gesellschaftlichen Wan-dels, die verwaltungsintern und extern mit verschiedenen Anspruchsgruppen arbeiten. Dieser transformatorische Auftrag wird von konkreten politischen Gegebenheiten im Kanton überformt und ist zu einem bedeutenden Teil Or-ganisationsentwicklung.

Die Fachstellen sind in der Regel klein und beschäftigen ihr Personal fast ausschließlich in Teilzeit – in der größten Einrichtung, dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann, arbeiteten 2015 20 Personen, die sich rund 12 Vollzeitstellen teilen, 176 aktuell sind es 14 Vollzeitstellen.177 Die genauen finanziellen und personellen Ressourcen sind schwierig zu be-stimmen, sind nicht immer transparent ausgewiesen (z. B. auf den Websei-ten) und schwanken auch von Jahr zu Jahr. Scheidegger schätzte 2008 den langjährigen Durchschnitt pro Fachstelle auf 120 – 280 Stellenprozente. Für 1990 eruierte sie 13 Vollzeitstellen und für 2004 etwa 39 Vollzeitstellen insgesamt für alle kantonalen Fachstellen, mit einem leicht abnehmenden Gesamtvolumen seither. Somit machten Gleichstellungsstellen 2004 0.2

dolph und Schirmer 2004, S. 73–75). Einzelne materielle Vorschriften sind recht stark aus-gebildet und es werden Rechtsansprüche formuliert, wie etwa auf Teilzeitbeschäftigung. Im Bundesrecht fallen konkrete Verfahrensvorschriften auf, die in der Schweiz völlig fehlen, etwa zur Einladung bei Bewerbungsgesprächen. Schließlich ist Deutschland das einzige Land, das via Kommunalverfassungen Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte (mit einem externen Mandat) fast flächendeckend eingeführt hat (Wrangell 2012, S. 20).

174 JU, VD.

175 Loi d'application dans le Canton de Vaud de la loi fédérale du 24 mars 1995 sur l'égalité entre femmes et hommes (173.63), Art. 4, Abs. 3).

176 Vgl. www.ebg.admin.ch/org/00018/index.html?lang=de (22. Juli 2015, nicht mehr verfüg-bar).

177 Vgl. www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/das-ebg/organisation.html (12. Dezember 2017).

Promille des gesamten kantonalen Personalbestands aus (Scheidegger 2008, S. 328–329). Zürich, Basel-Stadt und Genf sind jene Kantone, die jemals mehr als drei ganze Stellen zur Verfügung hatten; die Fachstelle der Stadt Zürich verfügte 2015 über 650 Stellenprozente. In kleinen Kantonen sind Gleichstellungsbeauftragte auch als Einzelpersonen in Teilzeitanstellung tätig. So wurde innerhalb der Fachstelle für Gesellschaftsfragen im Kanton Obwalden die Gleichstellung der Geschlechter in einem 30%-Pensum bear-beitet, bot also keine eigenständige Existenzsicherung, war relativ weniger sichtbar als andere Fachstellen und auch entsprechend leicht abzuschaffen.178

Fachstellen arbeiten oft als Stabsstellen, d. h. sie sind der Regierung oder der Staatskanzlei direkt zugeordnet und sind somit hierarchisch recht hoch angesiedelt. Einige sind eine selbstständige Dienststelle. Bei Zusammenle-gungen mit anderen Fachstellen wurde oft eine weitere Hierarchieebene ein-geführt. Nach Scheidegger waren Veränderungen in der hierarchischen An-siedlung bis 2004 mehrheitlich Herunterstufungen (Scheidegger 2008, S.

326–327). Allerdings gibt es vereinzelt auch mehr Ressourcen, z. B. für das EBG, um eine nennenswerte Anzahl Lohnkontrollen im Beschaffungswesen durchführen zu können. In der Regel bestehen folgende Aufgaben und Kom-petenzen:179

 Die Überprüfung von Erlassen auf Diskriminierungsfreiheit und Stellung-nahmen (Vernehmlassungen) zu Geschäften mit Gleichstellungsbezug;

die Fachstellen sollen hier frühzeitig beigezogen werden;

 Beratung und Information für Behörden (Projekte, Maßnahmen, Recht, Verwaltungspraxis), wobei teilweise eine Gender-Mainstreaming-Perspektive zugrunde gelegt wird:

 Die Erarbeitung von Grundlagenwissen und Studien;

 Monitoring des Stands der Gleichstellung

 Die Entwicklung von Maßnahmen und Projekten zur Förderung der Gleichstellung. Je nach Fachstelle werden einzelne Themen hervor-gehoben, wie Gewalt gegen Frauen, politische Partizipation, Ver-einbarkeit von Familie und Beruf oder Bildung:

b. sie fördert den Miteinbezug der Gleichstellungsperspektive in alle Politikbereiche der Verwaltung und unterstützt die zuständigen Stellen bei der Vorbereitung und Umsetzung von gleichstellungsrelevanten Maßnahmen.180

178 Es liegt der Gedanke nahe, dass – nicht nur in diesem Fall - implizit auf freiwillige Über-stunden gezählt wird. Zudem verlangt ein solches Pensum sehr große zeitliche Flexibilität für Termine, Gespräche und Sitzungen.

179 Die folgende Zusammenstellung beruht auf einer Auswertung der kantonalen rechtlichen Grundlagen (Gesetze, Verordnungen, Reglemente), die über www.lexfind.ch (Juli 2015) recherchiert wurden.

180 Kanton Bern, BSG 152.211 - Verordnung über die Organisation und die Aufgaben der Staatskanzlei (Organisationsverordnung STA, OrV STA), Art. 15, Abs. 2.

 Beratung für Privatpersonen und Organisationen, teilweise beson-ders für private Arbeitgeber;

 Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierungsarbeit, z. T. Weiterbil-dung;

 Bei der Hälfte der Fachstellen ist das Führen einer Dokumentation (z. B. gleichstellungsrelevanten Daten, Presse, Literatur) explizit vorgesehen;

 Koordination und Vernetzung mit ähnlichen Fachstellen und rele-vanten Verwaltungsstellen und in der Schweiz.

Fachstellen können in der Regel mit allen Dienststellen direkt verkehren und Auskünfte einholen. Sie können zum Teil verlangen, als Mitglied in Arbeits-gruppen und Kommissionen innerhalb der Verwaltung teilzunehmen, wenn gleichstellungsrelevante Fragen berührt sind.

Wie in anderen deutschsprachigen Ländern sind viele Fachstellen auch für eine verwaltungsinterne gleichstellungsgerechte Personalpolitik zustän-dig. Sie arbeiten oft181 mit den Personaldiensten zusammen, die in einzelnen Fällen über eigene Stellen zur gleichstellungsgerechten Personalpolitik ver-fügen. Gleichstellungsbeauftragte sind nicht an Personalentscheidungen be-teiligt. Quotierungsbestimmungen fehlen im Personalrecht und werden daher auch nicht überwacht. Vereinzelt gibt es politische Beschlüsse zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, die mit verschiedenen Maßnahmen erreicht werden sollen.182 In den 2000er Jahren bekamen viele Fachstellen erweiterte Mandate oder wurden mit anderen Stellen zusammengelegt, die sich mit Migration, Gleichstellung von Behinderten, Familienfragen, Jugend oder Gesundheitsförderung beschäftigen (vgl. Bannwart 2009). In der Regel wurden die Ressourcen nicht entsprechend erweitert, so dass viele GBA befürchten, die Geschlechtergleichstellung komme unter die Räder. Prinzipi-ell mögliche Gewinne einer intersektionalen Bearbeitung von Problemlagen, z. B. von Migration und Geschlecht, lassen sich so nicht realisieren.

Alle Fachstellen von Bund, Kantonen und den Städten sind in der Schwei-zerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten zusammengeschlossen, die vornehmlich der gegenseitigen Unterstützung und Information, der Koor-dination, der Vorbereitung von Stellungnahmen und der Realisierung von Projekten nationaler Reichweite dient. Als Ziel wird eine langfristige und

181 Besonders z. B. BL, BS, GR, LU, ZH; in Uri besteht eine Ombudsstelle innerhalb der Verwaltung für Gleichstellungsfragen im Personalbereich. In einigen Kantonen kann eine entsprechende Kompetenz in den Rechtsgrundlagen aus Ressourcengründen aber nur punk-tuell eingelöst werden. In der Bundesverwaltung übernehmen Eidgenössisches Personalamt sowie die Personaldienste der Departemente und Ämter die Gleichstellungsförderung beim Personal, vgl. Fuchs et al. 2016.

182 So in der Stadt Bern (www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/stadt-bern-mehr-frauen-in-fuehrungspositionen, 30. Oktober 2017) und in der Bundesverwaltung z. B. bei der Besetzung von Kommissionen.