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Finanzhilfen nach Gleichstellungsgesetz (Art. 14)

5 Berufliche Gleichstellungspolitik

5.3 Bessere Wirkung durch Verknüpfung von Steuerungsprinzipien?

5.3.1 Finanzhilfen nach Gleichstellungsgesetz (Art. 14)

Das Gleichstellungsgesetz sieht in Artikel 14 Subventionen für Umsetzungs-projekte und Fördermaßnahmen vor sowie in Artikel 15 Subventionen für Beratungsstellen.115 Die Notwendigkeit konkreter Förderprojekte für die Erwerbsarbeit begründet das EBG in der Vorstellung ihres Arbeitsschwer-punktes Arbeit folgendermaßen:

Das Gleichstellungsgesetz ermöglicht es Frauen und Männern, sich gegen direkte und indirekte Diskriminierungen im Erwerbsleben zu wehren. Und das ist wichtig, denn die Chancengleichheit im Erwerbsleben spielt eine zentrale Rolle für die Verwirklichung der Gleichstellung in den anderen Lebensbereichen. Gesetzliche Bestimmungen allein reichen jedoch nicht aus. (www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/themen/arbeit.html, 3. August 2017)

Mit den Finanzhilfen wird das Verfassungsgebot zur Förderung der tatsächli-chen Gleichstellung von Frau und Mann umgesetzt, welches in die neue Bundesverfassung Einzug hielt. Bereits der Schlussbericht der Arbeitsgruppe

„Lohngleichheit für Mann und Frau“ von 1988 hatte eine breite Palette von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung unter anderem durch Förde-rungsprogramme und Beratungsstellen skizziert (Schulz 2009a, Rn. 7–9) und den Schwerpunkt dabei auf konkrete Programme und Pilotprojekte mit Transferpotential gelegt. In der parlamentarischen Debatte wurde die Be-schränkung der Finanzhilfen auf das Erwerbsleben bekräftigt. Minderheiten-anträge, die Hilfen gerne auf strukturell mit Erwerbsarbeit verbundene Berei-che ausgedehnt hätten – wie die Verteilung unbezahlter Arbeit, unterlagen (Schulz 2009a, Rn. 10–15).

Die Finanzhilfen sind ein klassisches Anreizprogramm. Subventionen können gemeinnützige Organisationen und Institutionen für Projekte mit den Themen Gleichstellung am Arbeitsplatz und in Unternehmen, familien-freundliche Rahmenbedingungen im Unternehmen und zu beruflicher Lauf-bahn beantragen. Sie sollen strukturelle und nicht nur individuelle Wirkungen vorsehen, also auf die Verbesserung von Rahmenbedingungen gerichtet sein, dabei aber möglichst konkret und direkt sein. Die Projekte sollen zudem möglichst nachhaltig sein, d.h. in die regulären Strukturen oder Angebote der Trägerschaften überführt werden können. Es besteht zudem eine Pflicht zu Evaluation und Transfer (Bekanntmachung, Verbreitung und Verankerung des Projekts und seiner Ergebnisse). Eine breite Wirkung kann zudem über ein überregionales Konzept sowie Kooperation mit anderen Akteur*innen erreicht werden. Die Projektergebnisse sind öffentlich zugänglich (Eidgenös-sisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann 2017b). Mit der Prio-ritätenordnung 2017 – 2020 werden zurzeit vorrangig Projekte gefördert, die Dienstleistungen und Produkte in und für Unternehmen zur Förderung der

115 Die Beratungsstellen werden hier nicht weiter behandelt, vgl. aber die Evaluation Interface und evaluanda 2006.

Vereinbarkeit und der Lohngleichheit zum Inhalt haben. Eine weitere Priori-tät ist die Förderung der gleichwertigen Teilhabe der Geschlechter in Berei-chen mit Fachkräftemangel – hier wurden die Finanzhilfen auf die Fachkräf-teinitiative des Bundes abgestimmt. Daneben wurden auch mit jeweils etwa der Hälfte des Geldes (2016: 4,4 Mio. Franken) zwölf Beratungsstellen insti-tutionell gefördert, die vor allem individuelle juristische Beratung sowie Beratung zur beruflichen Neuorientierung anbieten. 2017 und 2018 erhalten sie reduzierte Beiträge, danach keine mehr, sofern es sich um die Beratung von Einzelpersonen handelt. Diese Aufgabe liegt heute in der Kompetenz der Kantone.116

Bis Ende 2017 wurden 291 Projekte gefördert. Im EBG sind zwei Perso-nen für die Beratung, Information und Betreuung der Finanzhilfen zuständig;

Gesuche werden auch durch externe Fachpersonen begutachtet und bei Gesu-chen über 200.000 Franken entscheidet das Departement des Inneren (wo das EBG angesiedelt ist). Die Bewilligungsraten schwanken, lagen jedoch in den letzten Jahren um die 80% (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann 2017a). Das EBG setzt dabei schon im Vorfeld auf eine pro-fessionelle Beratung und Unterstützung von Interessierten (Interview EBG).

2006 wurden die Finanzhilfen positiv evaluiert: es sei eine große Band-breite von Projekten gefördert worden, die ihr Zielpublikum gut erreichen.

Dies waren bei drei Vierteln der Projekte Arbeitnehmerinnen, bei einem Drittel Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen und bei der Hälfte auch Multiplika-tor*innen. Nachhaltigkeit und Transfer sei bei einem großen Teil der unter-stützten Vorhaben gelungen; zudem sei der Vollzug gesetzeskonform und effizient. Die Subventionen wurden durch Eigenleistungen der Trägerschaf-ten und weitere Drittmittel fast verdoppelt. Wirkung wird den Finanzhilfen vor allem beim Wissensaufbau in den betreffenden Organisationen und ihren Mitarbeitenden bescheinigt: es seien eigentliche Kompetenzzentren entstan-den und dadurch neue Angebote für die Zielgruppen. Auch seien weiterrei-chende Vernetzungen mit anderen Organisationen entstanden und die inter-nen Strukturen der Organisatiointer-nen hätten sich professionalisiert (Interface und evaluanda 2006, S. 10–12). Mehr als die Hälfte der Angebote konnte nach der Finanzierungsphase verstetigt werden, auch wurden spätere Gesuche tendenziell öfter aufgrund schon bestehender Angebote eingereicht. Dies deutet darauf hin, dass erfolgreiche Projekte im Sinne eines Transfers von Dritten aufgenommen wurden.

116 Vgl. Prioritätenordnung für die Vergabe von Finanzhilfen an Beratungsstellen nach Art. 15 desGleichstellungsgesetzes (GIG) vom 16. März 2016

(www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/dienstleistungen/finanzhilfen/finanzhilfen-fuer-beratungsstellen.html, 4. August 2017). Der Beratungsbedarf war nach Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes massiv unterschätzt worden. Zwischenzeitlich wurden die Mittel für Beratungsstellen auf höchstens 50% des gesamten Budgets für Fördermaßnahmen be-grenzt, vgl. Schulz 2009b, Rn. 11–12.

Nach den Empfehlungen der Evaluation, auch mit Förderschwerpunkten Einfluss auf die zu entwickelnden Inhalte zu nehmen, wurde ein Pilot-Programm für unternehmensinterne Projekte aufgelegt (2009 – 2016). Diese mussten im Personalbereich angesiedelt sein, 50% Eigenleistung aufweisen und über die zwingende Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes hinausgehen.

Früh zeichnete sich eine geringe Beteiligung ab (vgl. Lanfranconi 2012b, S.

107). 2016 gingen nur 3% aller Finanzhilfen an unternehmensinterne Projek-te (Eidgenössisches Büro für die GleichsProjek-tellung von Frau und Mann 2017b, S. 6), zwischen 2009 und Mai 2015 wurden insgesamt 42 Projekte durchge-führt. Die entsprechende Evaluation (Neukomm et al. 2015) stellte fest, das Zielpublikum habe man nur schlecht erreichen können. Die Unternehmen waren nur zu 40% die Kern-Zielgruppe, nämlich privatwirtschaftliche ge-winnorientierte Unternehmen. Häufig wurden Subventionen für das Erlangen von bestehenden Zertifizierungen beantragt, seltener für Eigenentwicklungen.

Die großen und nachhaltigen Wirkungen der Projekte innerhalb der Unter-nehmen zeigen sich v. a. bei einem verbesserten Image und der Vorbildfunk-tion sowie besseren Rahmenbedingungen und erhöhter Sensibilisierung -weniger hingegen bei Strukturen und Prozessen (Neukomm et al. 2015, S.

32–33). Der Kreis der interessierten Unternehmen habe sich nur unwesentlich erweitert. Zudem gab es Mitnahmeeffekte, denn nur ein Drittel der Unter-nehmen hätte das Projekt ohne Finanzhilfen nicht durchgeführt. Als mögliche Gründe führt die Evaluation die schwierige konjunkturelle Lage, ein geringes Problembewusstsein und eine Zurückhaltung gegenüber staatlichen Zuschüs-sen an. Profitorientierte Unternehmen können nach Ende des Pilotprogramms keine Finanzhilfen mehr beantragen.

Die Datenbank der geförderten Projekte (www.topbox.ch) verzeichnet insgesamt 18 Projekte, die im engeren Sinne die Lohngleichheit fördern sol-len. Das erste taucht 2003 auf, 13 sind seit 2010 lanciert worden – dies bestä-tigt den auch schon im Medienecho und beim Agenda-Setting beobachteten Aufwärtstrend des Themas. Bei fünf Projekten sind vor allem explizit Ar-beitnehmende, bei zehn vor allem explizit Arbeitgebende angesprochen.

Projekte, die Überprüfungsinstrumente für Lohngleichheit entwickeln (darun-ter auch Logib-Anwendungen) werden ebenso gefördert wie verschiedene Arten der Information und Sensibilisierung und ein Projekt hat klar ein ge-werkschaftliches Empowerment zum Ziel.117 Seit 1997 wurden 13 Projekte gegen sexuelle Belästigung unterstützt. Es wurden dabei in vier Projekten die Arbeitnehmenden direkt angesprochen, nur ein Projekt wendet sich aus-schließlich an Arbeitgebende; in drei Projekten standen junge Leute im Fo-kus. Auffällig ist, dass fünf Projekte eine starke Empowerment-Komponente

117 Projekt „Fair-Pay – Lohngleichheit“ mit dem Lohnrechner. Damit können Frauenlöhne mit durchschnittlichen Männerlöhnen für das gleiche Profil verglichen werden, vgl.

www.lohngleichheit.ch.

haben, indem sie auf die Erweiterung der Handlungsfähigkeit von Betroffe-nen fokussieren.

Angebot und Nachfrage bei den Finanzhilfen, also die Ressourcenausstat-tung, stehen in einem guten Verhältnis. Die Finanzhilfen zielen auf das ge-samte Schweizer Erwerbsleben. Die Förderpraxis achtet darauf, dass die Projekte über die ganze Schweiz und über die Sprachregionen verteilt sind.

Durch eine proaktive Schwerpunktsetzung bei bisher wenig bearbeiteten Gebieten, etwa bei Projekten für und in Unternehmen oder solchen speziell für Männer, wird der Anwendungsbereich nochmals ausgeweitet. Die geplan-ten strukturellen Auswirkungen sind groß: sowohl Strukturen und Routinen in den Unternehmen wie auch Rahmenbedingungen sollen verändert werden.

Projekte beschäftigen sich mit dem Zugang, den Rahmenbedingungen und der Qualität von Arbeit; damit wird ein umfassenderes Verständnis von Gleichstellung im Erwerbsleben umgesetzt. Die Konsistenz der Finanzhilfen als Anreizprogramm ist gegeben. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die vielfältigen Projekte nicht alle miteinander konsistent sind; so wäre es beispielsweise denkbar, dass Projekte im Bereich Teilzeit in der tatsächlichen Umsetzung bei den Adressat*innen dazu führen, dass noch mehr Frauen Teilzeit arbeiten und die geschlechtsspezifischen Arbeitsmuster sich nicht substanziell verändern, während andere erfolgreich dafür werben, dass Frau-en mehr erwerbsarbeitFrau-en. Die FinanzhilfFrau-en sind bei der VerwFrau-endung der Mittel und bei den Zusprachekriterien verbindlich, ein Rechtsanspruch be-steht aber nicht. In der Natur der Sache liegt es, dass alle unterstützten Pro-jekte freiwillige Angebote sind: sie können von den Adressat*innen genutzt werden, müssen es aber nicht.