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3 Methode, Untersuchungsansatz und Vorstudie

3.1 Methodenprobleme zwischen Erklären und Verstehen

3.1.2. Logik sozialer Feldforschung

Zum Kausalitätsverständnis sozialen Handelns

Welchen Weg kann Erkenntnissuche angesichts der skizzierten Eigenheiten pädagogischen Handelns gehen? Können angesichts der kritischen Betrachtungen über den Kausalzusammenhang pädagogischen Handelns überhaupt Wirkungen des Handelns festgestellt und erklärt werden? Oder geht es nur um Verstehen von Wirkungen in Wahrscheinlichkeitshorizonten?

Ohne die Annahme von Kausalität, wie es das Alltagshandeln ja auch immer schon praktiziert, ist Handeln als sinnvolles Tun nicht möglich:

Ein zumindest implizites Vertrauen darauf, dass von Handlungen Wirkungen auf die umgebende Welt ausgehen, ist nämlich die notwendige Bedingung für jedes (auch nur minimal bewusstes und reflektiertes) menschliches Handeln. (Kelle 2006, S. 119)

Auch Max Weber ging von der – wenn auch meist impliziten – Sinnhaftigkeit des Handelns aus, die die Wissenschaft „deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen

Wirkungen ursächlich erklären will“ (Weber 1976, S. 8). Weber nahm allerdings auch an, dass die Handelnden selbst sich ihrer Motive nicht jederzeit bewusst sind:

Das reale Handeln verläuft in der großen Masse seiner Fälle in dumpfer Halbbewusstheit oder Unbewusstheit seines „gemeinten Sinns“. Der Handelnde

„fühlt“ ihn mehr unbestimmt, als dass er ihn wüsste oder „sich klar machte“, handelt in der Mehrzahl der Fälle triebhaft oder gewohnheitsmäßig. Nur gelegentlich (...) wird ein Sinn des Handelns in das Bewusstsein gehoben (...) Aber das darf nicht hindern, dass die Soziologie ihre Begriffe durch Klassifikationen des möglichen „gemeinten Sinns“ bildet, also so, als ob das Handeln tatsächlich bewusst sinnorientiert verliefe.“ (Weber 1980, S. 10f)

Wenn Kausalität des sozialen Handelns als nicht klar erkennbar und zuverlässig erfassbar problematisiert wird, dann geschieht dies am Maßstab naturwissenschaftlicher Kausalität, die deterministisch eine eindeutige und präzise Nachweisbarkeit voraussetzt.

Aber auch soziales Handeln geht von Kausalität aus:

Ohne dass damit ein deterministisches Verständnis menschlichen Handelns konstruiert werden muss, kann soziales Handeln problemlos im Sinn der ursprünglichen Verwendungsweise des Begriffs causa als beeinflusst, bewirkt oder verursacht gesehen werden. (Kelle 2006, S. 120)

Das von Kelle beschriebene handlungstheoretische Verständnis scheint uns brauchbar für unser Forschungsfeld, in dem die Handelnden als Professionelle mehr oder weniger bewusst handeln und experimentierend Handlungsbedingen verändern können. Wir zitieren Kelle hier ausführlicher, weil er eine dem Erziehungsgeschehen gerecht werdende, pragmatische handlungs-theoretische Orientierung für unsere Forschung skizziert:

Insbesondere dann, wenn man sich eine handlungstheoretische Perspektive zu Eigen macht, wie sie durch den Pragmatismus und die interpretative Soziologie eingeführt wurde, muss man davon ausgehen, dass Handlungsbedingungen, Handlungsziele und Handlungsregeln zwischen verschiedenen Handlungskontexten variieren können und zudem durch kompetente, kreative und entscheidungsfähige Akteure in bestimmten Grenzen veränderbar sind. Akteure können ihre Handlungsprobleme lösen durch eine Veränderung von Handlungszielen oder durch eine Beeinflussung von situativen Handlungsbedingungen, aber auch durch innovative Entwicklung neuer Handlungsregeln, mit deren Hilfe Handlungsziele bei unveränderten Handlungsbedingungen auf neuen Wegen erreicht werden. Solche Handlungsregeln entstehen in beschränkten Handlungsfeldern (z.B. in einzelnen Organisationen, in bestimmten Subkulturen und Milieus) und werden dann möglicherweise von anderen Akteuren übernommen und als neue kulturelle Praktiken etabliert. Da Handlungsregeln keine universellen Gesetzmäßigkeiten darstellen, sondern lokale Regeln, die soziokulturellem Wandel unterliegen, muss man bei der Formulierung von kausalen Handlungserklärungen in den Sozialwissenschaften stets mit der Möglichkeit rechnen, dass neue, bislang unbekannte Handlungsbedingungen kausal relevant werden.“ (Kelle 2006, S. 122f)

Als ein Grundproblem der Kausalanalyse sozialen Handelns beschreibt Kelle ein zu einfaches Kausalmodell mit der Logik von Hypothesenüberprüfung im Blick auf eine Intervention mit einem bestimmten outcome. Nach Kelle lassen sich aber in komplexen Netzwerken von Handlungsketten durch eine Intervention weniger die Handlungen der Akteure, sondern eher die Handlungsbedingungen der Akteure vor Ort direkt beeinflussen. So kann eine Intervention bestenfalls nur Anreize schaffen, Gelegenheitsstrukturen institutionalisieren oder Sanktionssysteme installieren. Akteure werden nicht mechanisch gezwungen, sondern nur motiviert, gewünschte Ergebnisse zu erreichen. Als wichtige motivierende Bedingung gehört dazu auch, dass die Akteure die Ergebnisse selbst anstreben. Sie sind in jedem Fall Mitproduzenten der Handlungsergebnisse. Jedoch können konkurrierende Handlungsziele der Mitproduzenten die intendierten Ergebnisse jederzeit und unerwartet unterlaufen, es können unbeabsichtigte Effekte auftreten, die zeitnahe Korrekturen etwa der Handlungsstrukturen oder der Handlungsziele herausfordern (Kelle 2006, S. 129).

Zur Forschungsmethodik

Im Blick auf die dargestellte komplexe und dynamische Situation sozialen Handelns stellt Kelle die „eigentlichen Schwächen“ quantitativer Verfahren der empirischen Sozialforschung fest:

Die für quantitative Kausalanalysen notwendige Standardisierung der Datenerhebung durch Fragebögen o.Ä. verlangt stets die präzise Definition der erwarteten outcomes vor der empirischen Datenerhebung. Deshalb sind solche Verfahren kaum dazu geeignet neue, im Untersuchungsfeld emergierende Phänomene zu erfassen, während mit Hilfe von qualitativen Methoden auch solche Sachverhalte entdeckt und beschrieben werden können, die im Vorwissen des Untersuchers nicht auftauchen. (Kelle 2006, S. 126f)

Qualitative Methoden können auch komplexere Fragen des Handlungszusammenhangs beantworten: „Wie reagieren Akteure im Feld auf die Intervention? Welche Strategien entwickeln sie, um die Erreichung des Interventionsziels zu unterstützen oder zu behindern?“

(Kelle 2006, S. 129).

Eine bewährte Alternative oder Ergänzung zu einem quantitativen Forschungsansatz, der alleine den Kausalitätsbedingungen sozialen Handelns – wie beschrieben – nicht ausreichend gerecht werden kann, stellen für die Feldforschung qualitative Forschungsansätze dar, wie die Grounded Theory, auf die auch Kelle hinweist (Kelle 2006, S. 119). Dieser sich an den Pragmatismus insbesondere von Charles Peirce und John Dewey anschließende Ansatz geht davon aus, dass es ein im Handlungsfeld handelndes und Informationen verarbeitendes

Subjekt bzw. Subjekte gibt, aus deren Kommunikation über die Binnenperspektive des Handlungsfeldes komplexitätsreduzierende Kategorien erschließbar sind. Diese Kategorien wiederum sind als pragmatische Handlungstheorie rekonstruierbar so, dass für das zu erforschende Handlungsfeld die wichtigsten handlungsrelevanten Kategorien und ihre Bezüge erfasst werden und zu einem ausreichend theoretischen und doch empiriegegründeten handlungslogischen Kategoriennetz bzw. Handlungskonzept verbunden werden können (Strauss, Corbin 1996, S. 5-18; Martens 1975, S. 3-60) John Dewey formulierte die Notwendigkeit und den Modus empirischer Theoriegründung u.a. so:

Ein Erfahrungsuniversum ist die Vorbedingung eines Diskursuniversums. Ohne seine beherrschende Präsenz lässt sich weder Relevanz, Gewicht noch Zusammenhang irgendeiner bezeichneten Unterscheidung oder Relation bestimmen. Das Erfahrungsuniversum umgibt und reguliert das Diskursuniversum, aber erscheint niemals als solches innerhalb des Letzteren.

(Dewey 2008, S. 90).

Es werden auch leitende Sinnstrukturen der Handlungswirklichkeit und so Zentralphänomene erfasst, die den Handelnden in ihren Wirkungen u. U. weniger bewusst sind bzw. nicht immer im Bereich ihrer bewussten Merkwelt bzw. Reflexion sind. Auch können schon vorhandene Handlungstheorien oder Hypothesen besonders durch Vergleich auf ihre innere Logik hin überprüft und eventuell verworfen oder korrigiert bzw. neue entdeckt werden, wobei vorhandene Theorien weniger systematisch überprüft werden, sondern die Forschung anregen, inspirieren, sensibilisieren sollen (Strauss, Corbin 1996, S. 31-38).

Die zu erschließende implizite Handlungstheorie enthält eine oder mehrere zentrale Logiken des Handelns, die in der komplexen, unübersichtlichen Wirklichkeit abstrahiert und identifiziert werden können in ihrem spezifischen Wirkzusammenhang.

Wenn wir etwa die in der Praxis Handelnden nach der Bewertung der Qualität der eigenen Arbeit fragen, dann dürfen wir weder davon ausgehen, dass die Beschreibung in den Kategorien einer professionellen Evaluationsmethode erfolgt noch eine standardisierte professionelle Sprache benutzt oder verstanden wird. Ebenso wenig können wir unterstellen, dass die Alltagssprache zur Beantwortung der Fragen ohne weitere Interpretation ausreichend schlüssig und präzise auf Realität bezogen Auskunft gibt. Auch schriftliche Fragen mit skalierten schematisierten Antworten können immer schon missverstanden werden oder gar an dem eigentlichen Problem, das wir unter Umständen ja erst noch finden müssen, vorbei fragen. So verfangen wir uns leicht in Zirkelschlüssen oder Relevanzproblemen (Flick 2004, S. 11-66).

Es ist in unserem Fall auch nicht so einfach möglich, etwa wie bei einem klassischen Experiment, verschiedene Versuchsreihen mit der jeweiligen Änderung von Einflussfaktoren vorzunehmen oder gar noch mit nicht involvierten Vergleichsgruppen. Dies geht noch relativ leicht bei methodisch gut beherrschbarer Komplexität oder selektiver Berücksichtigung von als zentral vermuteten Faktoren, was am einfachsten in überschaubaren, stark strukturierten und geregelten sozialen Kontexten möglich ist, wie etwa einem gezielten Körpertraining im Sport, bei dem eindeutige Ergebnisse gemessen werden können. Schon bei einem therapeutischen Setting oder einer Schulklasse ist die Komplexität so hoch, dass Forschung nur unter sehr gezielter Komplexitätsreduktion möglich ist, wobei auch hier Grenzen der Erkenntnis vorgegeben sind durch die oben schon aufgezeigte grundsätzliche Schwierigkeit der Faktorengewichtung in sozialen Systemen (Schmalt 1982, S. 195-223). Bei der qualitativen Forschung taucht dieses Problem erst in der Auswertungsphase auf, allerdings mit dem Vorteil, dass hier noch Gedankenexperimente auf der Basis des Materials begründet möglich sind.

Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass das von uns Untersuchte und Gesuchte so unterschiedliche und sich gegenseitig beeinflussende Phänomene sind. Es geht um Haltungen und Deutungsmuster der Professionellen, Konzepttreue, alltagsstrukturelle Aspekte wie Dienstübergaben, biographische Dynamiken, gruppendynamische Aspekte, teamdynamische Aspekte, Beziehungsverhalten, Motivation, Abwehrstrategien usw. Vorschnelle Selektion und künstliche Isolation als Untersuchungsobjekt würde hier den nötigen Korridor des Forschungsraumes und der Suchbewegungen unzulässig einengen. Dies gilt umso mehr, weil Heimerziehung als Praxis trotz institutioneller Strukturen weitgehend der Komplexität des normalen Alltaglebens nahekommt wie vielleicht wenige andere Praxen der sozialen Arbeit.

Jedenfalls sollte das Beschriebene bei der Wahl unserer Forschungsmethode berücksichtigt werden, mit deren Hilfe wir die für uns relevante Heimpraxis unter der Fragestellung nach Bedingungen und Möglichkeiten professioneller Selbstevaluation erst erschließen können.

Mit Hilfe der sprachlichen Darstellung der professionellen Akteure sollen ausreichend wirklichkeitserfassende und themenrelevante Kategorien gefunden werden, die wiederum ausreichend abstrakt sind, um die Handlungswirklichkeit in ihren Sinn- und Wirkungs-zusammenhängen nachvollziehbar beschreiben zu können.

Die Methode des Fragens muss deshalb eine offene sein: Stellen wir etwa nur gezielte Fragen nach dem Umgang mit EVAS, etwa wie und durch wen die Fragebögen ausgefüllt werden, wie die Daten ermittelt werden, wie die computergestützte Auswertung in die

Fallbe-sprechungen eingeht, wie und ob die Hilfe- und Erziehungsplanung dadurch gefördert wird, bleiben wir also bei Fragen nach dem, was getan wird, so hören wir Antworten auf diese Fragen umso präziser, aber auch eingeschränkter, je gezielter und genauer wir die Fragen stellen. Wir hören zunächst keine Antwort im Blick auf wirkliche oder mögliche Alternativen.

Wir bekommen so eher keine Antwort auf Fragen nach den unterstützenden oder störenden Faktoren des Kontextes, auf Fragen nach der alltagspraktischen Relevanz der Kategorien des EVAS-Bogens, auf Fragen nach dem eigenen Grundverständnis von Evaluation bzw. der Bewertung der eigenen Arbeit, schon gar nicht nach der eigenen emotionalen Befindlichkeit, etwa Ängsten und Befürchtungen oder Haltungen. Ob das zu untersuchende Phänomen, etwa Selbstevaluation, in Wirklichkeit ganz anders geschieht als intendiert, das findet man so nicht ohne Weiteres heraus. Ob die Kategorien von EVAS die Wirklichkeit ausreichend erfassen, auch das ist bei geschlossenen Fragen nicht im Blick, weil der Sachverhalt nicht mit einer Frage ausreichend zu fassen ist, deren Fragesteller dann ja schon wissen müsste, nach was er fragen muss.

Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt, formulierte Ludwig Wittgenstein im Blick auf Möglichkeiten der Wahrnehmungsbeschreibung, und deshalb ist immer erst einmal nach den Zentralphänomenen zu suchen, die unter Umständen erst entdeckt, mit angemessenen Kategorien beschrieben werden müssen und die nicht per se durch die verwendeten Begriffe der Handelnden schon beschrieben sind. Die dazu uns geeignet scheinende Forschungsmethode ist aus den oben genannten Gründen die qualitativ orientierte Sozialforschung und hier genauer die Grounded Theory bzw. im Anschluss daran weiter entwickelte Interpretationsmethoden wie die Kasuistische Interpretation von Maja Heiner (Strauss/Corbin 1996, Heiner 2006). In den Vordergrund rücken hier zunächst die sprachlichen Konstruktionen der Wirklichkeitsbeschreibungen der Handelnden, eben weil die Wirklichkeit der Sozialpädagogik sich für die Beobachter so verdichtet.

Michael Winkler hat in seinem Großversuch einer Theorie der Sozialpädagogik sogar das kategoriale Netz der sozialpädagogischen Sprache und ihren lebendigen Diskurs als das, was Sozialpädagogik ausmacht, beschrieben und so die Quelle des Wirklichkeitszugangs in die Sprache der Handelnden verlegt (Winkler 1988, S. 24 ff). Dies besagt nicht, dass es keine empirische Handlungswirklichkeit jenseits dieser Sprache gibt. Sie ist aber in sozialen Kontexten durch immer ortsgebundene soziale Abstimmung immer schon perspektivisch konstruiert und wenig universell:

Auch ohne zu bestreiten, dass sich Akteure aus divergierenden Interaktionskontexten im Kern mit derselben Natur auseinander zu setzen haben,

können wir konstatieren, dass ihnen diese in ihrer jeweiligen Praxis in unterschiedlichen Ausschnitten und Intensitäten und folglich auch in unterschiedlichen Bedeutungen entgegentritt. Realität ist zwar objektiv, aber nicht universell, es gibt mithin auch keinen Anlass, ein universelles, akteursunabhängiges Wahrheitskriterium anzunehmen. (Stübing 2008, S. 39)

Ausgehend von dieser so benannten „prozessualen, multiperspektivischen Realitäts- auffassung“ versteht Stübing Theorien prozessual:

… denn einerseits sind sie selbst Teil der Realität, und andererseits müssen sie, um wirklichkeitsangemessen zu sein, den Wandel des Wirklichkeitsausschnittes nachvollziehen, über den sie Aussagen machen wollen. Auch Universalität von Theorien ist dann ausgeschlossen: Weil Theorien nicht Entdeckungen (in) einer als immer schon gegeben zu denkenden Realität, sondern beobachtergebundene Rekonstruktionen repräsentieren, bleiben auch sie der Prozessualität und Perspektivität der empirischen Welt unterworfen. (Stübing 2008, S. 39)

Es kommt danach also auf eine empirisch und sprachlogisch richtige Erschließung und eine darauf aufbauende kategoriale Rekonstruktion der Handlungswirklichkeit und Handlungs-möglichkeit über das Medium der Sprache der Handelnden an. Dies, um das Handeln empirisch auf reale Sinnkonstruktionen gegründet und doch in einer konsistenteren, die diffuse Alltagslogik übersteigenden Rationalität beschreiben zu können und vielleicht auch von den Akteuren noch nicht formulierte Aspekte sprachlich zu erfassen.

Nun ist die Absicht unserer Arbeit nicht die Entwicklung einer neuen Theorie im anspruchsvollen Sinne. Jedoch können wir das Phänomen, nach dem wir fragen, nämlich Selbstevaluation in der Heimerziehungspraxis, auch nicht schon an der Oberfläche der Wirklichkeit vorfinden als nur abzufragende konsistente Selbstbeschreibung der Handelnden.

Das Phänomen findet sich vielmehr implizit vor als gemeinter Gegenstand der Selbstbeschreibung. Diese geschieht mit sprachlichen Kreationen individueller Art, bestehend aus einer Mixtur von wissenschaftlichen, professionellen und alltagssprachlichen Begriffen, die den Bedeutungen ihres Herkunftskontextes teilweise entfremdet sind bzw. manchmal in neuer Zusammensetzung vorkommen. Es ist auch eher nicht wahrscheinlich, dass die Selbstbeschreibung ohne individuelle, teamspezifische oder auch einrichtungsspezifische Färbungen der benutzten Begriffe geschieht (Radtke 1996, S. 61-89).

Hier ist eine Hin- und Herbewegung der Fokussierung zwischen Mikro-, Meso- und Makrokontext nötig, sowie die Kontrastierung vergleichbarer Gruppenkontexte, um insbesondere die mikrokulturellen Eigenheiten der Teamwelten zu erkennen in ihren eigenen und organisationsbestimmten Faktoren, in ihren subjektiven Konstruktionen und ihren strukturellen Einflüssen.

Der direkte Zugriff auf das Thema ist u. a. auch verwehrt, weil das Thema durchaus angstbesetzt scheint. Es geht um Evaluation und so auch potenziell um Kontrolle der Arbeitsergebnisse und vielleicht Bewertung der persönlichen Leistung.

Die strukturell und personell bedingten Spielräume und Handlungsoptionen durch geeignete Methoden und Verfahren für die handelnden Fachkräfte sinnvoll zu begrenzen, ist der Weg zur Professionalität und gibt auch Selbstevaluation erst einen Rahmen. Gleichzeitig kann Selbstevaluation helfen, diesen Rahmen herzustellen. Insofern korrespondiert die Frage nach der Professionalisierung der Selbstevaluation notwendig auch mit der Frage nach der Professionalisierung des beruflichen Handelns im Arbeitsfeld, weil hier der Grad der Professionalisierung auch die Bedingungen angibt, die der Selbstevaluation ihren Möglichkeitsraum und ihre Aufgaben markiert. Die Frage nach der Erforschung der Möglichkeit von Selbstevaluation ist so auch oder vielleicht nur im Blick auf den Horizont der Professionalisierung der Berufspraxis zu beantworten. Und hier dürfte besonders die

„reflexive Selbststeuerung der Fachkräfte“ die allgemeine Entwicklungsrichtung markieren (Heiner 1997, S. 521).