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7 Methodische und methodologische Fragen

7.5 Grundlagen der Textanalyse

Rosenthal liefert mit ihrer biografischen Fallrekonstruktion eine gut strukturierte und den Ansprüchen interpretativer Sozialforschung bzw. der Biografieforschung gerecht werdende Auswertungsmethode. Die folgenden Grundlagen zur Textanalyse liefern weiteres wertvolles Handwerkszeug, um Rosenthals Ansatz umzusetzen, sie verweisen auf die notwendige „Liebe zum Detail“ (Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 97, Herv. i. O.):

„Facetten von narrativer Identität werden gerade auch in mikroskopisch anmutenden und allzu leicht übersehenen Merkmalen des sprachlichen Handelns im Interview hergestellt: in einer bestimmten Wort-wahl, durch eine Konjunktion, die einen besonderen Zusammenhang herstellt, oder durch die Art und Weise, in der die Rede eines Geschichtenakteurs zitiert wird.“ (Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 97) Darüber hinaus tragen sie zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der Analysen und Interpre-tationen bei.

Die Einzelfallanalyse mit ihren einzelnen Arbeitsschritten, allen voran die Segmentierung und die Fallrekonstruktion, ist von wesentlicher Bedeutung

„für die späteren Arbeitsschritte der Ablösung vom Einzelfall und der Generierung von verallgemeiner-baren theoretischen Aussagen … – Aussagen, die eben dann nicht mehr nur für die konkret betrachteten Fälle sondern für eine Vielzahl von Fällen Aussagekraft besitzen. In der differenzierten Analyse der fall-inneren Ablaufdynamik werden Prozessverläufe, soziale Prozessmechanismen, Zusammenhänge, Be-dingungsgefüge usw. sichtbar, die dann in den späteren Arbeitsschritten der Abstrahierung vom Einzel-fall die Grundlage für die Erarbeitung von Kategorien und deren Überprüfung und Ausdifferenzierung in kontrastiven Vergleichen sind.“ (Detka 2005, 352)

7.5.1 Umgang mit Wissen

Für den ersten Auswertungsschritt nach Rosenthal, die biografische Analyse, sind Forscher*in-nen aufgefordert, sich gegenstandsbezogenes theoretisches und empirisches Wissen anzueigForscher*in-nen, a) um sich ein Bild über die Ereignisse und Themen der Zeit zu machen und b) um einschätzen zu können, welche Auswirkungen diese entwicklungspsychologisch betrachtet auf die Biografie-träger*innen haben könnten (vgl. Rosenthal 2014, 188). Lucius-Hoene & Deppermann (2004, 104ff ) unterscheiden die folgenden Quellen, aus denen das für die Interpretation der Daten notwendige Wissen stammen kann – Wissen, das auch bei späteren Auswertungsschritten für die Analyse sehr hilfreich werden kann (vgl. dazu auch Rosenthal 1987, 150ff ):

• Alltagswissen

Alltagswissen wird von Forscher*innen nicht eigens für die Analyse der Daten erworben, sondern liegt als „Weltwissen“ und „Interaktionswissen über Gesprächspraktiken“ (Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 104) vor. Es ermöglicht eine Verständigung über Sachverhalte (Weltwissen) und die Kommunikation an sich (Interaktionswissen).

• Ethnografisch-historisches Wissen

Diese Wissensquelle betrifft die jeweilige Umwelt, das Milieu, aber auch den geschichtlichen Kontext, aus dem und über den Biografieträger*innen erzählen. Als konkrete Wissensquellen bieten sich historische oder kulturelle Dokumente und Berichte an (vgl. Lucius-Hoene &

Deppermann 2004, 104f ).

• Wissen über sprachlich-kommunikative Phänomene und Verfahren der Herstellung narrati-ver Identität

Kenntnisse über sprachlich-kommunikative Phänomene sowie damit verbunden das Wissen über Instrumente, diese aufzufinden, zu beschreiben und zu interpretieren, vertiefen die im

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Grundlagen der Textanalyse

Alltagswissen bereits vorhandenen Kenntnisse über das Interaktionswissen von Gesprächs-praktiken (vgl. Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 105). Diese Wissensquelle ist von be-sonderer Bedeutung im Kontext der Herausforderung, den Text in seine Sinneinheiten (Segmente) aufzugliedern und daraus Schlüsse für die weitere Interpretation zu ziehen. Aus diesem Grund werden in 7.5.2 und 7.5.3 die Aspekte der Textsortenbestimmung und der Textsegmentierung ebenfalls skizziert.

• Theoretisches Wissen

Lucius-Hoene & Deppermann (2004, 103f ) warnen davor, theoretisches Wissen wie bei-spielsweise aus Psychologie und Soziologie zu früh im Auswertungsprozess anzuwenden und so die Interpretation voreingenommen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Gegen Ende der Auswertung wird dieses Wissen jedoch sehr hilfreich, wenn es um die Verdichtung von Interpretationen auf einer abstrahierenden Ebene geht. Hier kann es in der Auswertung auf wichtige Zusammenhänge aufmerksam machen und die Qualität der Interpretation erhöhen.

7.5.2 Textsortenbestimmung

Zur Analyse des Materials ist es notwendig, die Textsorten zu bestimmen, derer sich Biografie-träger*innen im Interview bedienen. Unterschieden werden – wie unter 7.3.1 bereits kurz er-wähnt, die Erzählung, die Beschreibung und die Argumentation. Der folgende Abschnitt liefert eine detaillierte Auseinandersetzung mit den jeweiligen Darstellungsformen auf der Grundlage der Ausführungen von Lucius-Hoene & Deppermann (2004)78. Dies geschieht vor dem Hin-tergrund der Erkenntnis, dass eine intensive und kleinschrittige Analyse des erhobenen Mate-rials mit Hilfe dieses ‚Handwerkszeugs‘ eine überaus geeignete Annäherung an das Material im Sinne der Auswertungsmethode, genauer: in Bezug auf den Schritt der Segmentierung, aber mindestens ebenso in Bezug auf die Text- und thematische Feldanalyse (vgl. Kapitel 7.4.2) ge-währleistet.

Erzählungen

Als Erzählungen werden Äußerungen gewertet, in denen die Biografieträger*innen im weites-ten Sinne Geschehnisse beschreiben. Dies kann mit unterschiedlich ausgeprägtem Engagement und unterschiedlich detailliert geschehen:

• Szenisch-episodisches Erzählen

Beim szenisch-episodischen Erzählen handelt es sich um den „Prototyp“ (Lucius-Hoene &

Deppermann 2004, 146) des Erzählens. Eine Szene wird entsprechend ihrer Dramatik wieder-gegeben, Biografieträger*innen agieren, als befänden sie sich wieder in eben dieser Situation.

Eine Erzählung, die im szenischen Präsens vorgetragen wird, ist in der Regel von besonderer Bedeutung für Biografieträger*innen und kreist um Zusammenhänge, die den weiteren Ver-lauf des Lebens wesentlich beeinflusst haben.

Neben diesem Hinweis auf inhaltliche Bedeutsamkeit transportiert eine szenisch-episodische Erzählung im Interview auch immer den Hinweis, dass Biografieträger*innen sich hier ak-tiv um eine attrakak-tive Gestaltung der Situation bemühen: Mit Hilfe des Spannungsbogens werden Zuhörer*innen motiviert, den Erzählungen zu folgen. Küsters (2009) formuliert in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass ein narratives Interview zur Ko-Konstruktion von Identität durch die Interviewsituation führe (vgl. ebd., 38). Hinweise darauf, dass sich der Interviewte in der Situation bewusst ‚in Szene setzt‘, müssen in der Auswertung besonders beachtet werden (vgl. dazu auch gesondert Kapitel 7.6).

78 Für einen guten tabellarischen Überblick vgl. Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 156f ).

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Neben dieser prototypischen ‚Reinform‘ einer Erzählung stehen weitere erzählerische Stränge, die aber nur Bestandteile einer Erzählung enthalten.

• Illustrierendes Erzählen

Lucius-Hoene & Deppermann (2004, 153) weisen darauf hin, dass manche Äußerungen nur scheinbar die Kriterien für eine szenisch-episodische Erzählung erfüllen, bei genauerer Analyse aber eher der Funktion gerecht werden, allgemein gültige Sachverhalte zu veran-schaulichen, indem eine dafür typische Abhandlung erzählt wird. Hilfreich bei einer solchen Unterscheidung ist, dass beim ‚illustrierenden Erzählen‘ (vgl. Schwitalla 1991; zitiert nach Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 153) „[h]andelnde Personen, zeitliche und örtliche Referenz … vage [bleiben, L. O.] oder allgemein nach Rollen oder Gruppenzugehörigkeiten kategorisiert [werden, L. O.]; die ausgeführten Handlungen erscheinen typisiert“ (Lucius-Hoene & Deppermann 2004, 153).

• Berichtende Darstellung

Häufiger als den erzählerischen Prototyp findet man in Interviews die berichtende Darstel-lung, die auch zur Familie der Erzählungen gehört.

Sie ist charakterisiert durch einen zusammenfassend-retrospektiven Blick, also eine Perspekti-ve, die gleichzeitig weitere, darauf aufbauende Erfahrungen und deren Reflexion zusammen-fasst. Große Zeiträume können auf diese Weise entsprechend dem Kondensierungszwang dargestellt werden. Zuhörer*innen werden über die wichtigsten Daten und Details in Kennt-nis gesetzt.

Auch hier können erzählende Akteur*innen im Interview ihre (innere) Entwicklung be-schreiben, allerdings weniger re-inszenierend und weniger dramatisch als vielmehr nüchtern und berichtend.

• Chronikartige Erzählung

Eine Erzählung wird als chronikartig beschrieben, wenn große biografische Abschnitte chro-nologisch und nicht zwingend inhaltlich miteinander verbunden aneinandergereiht werden.

Dramaturgische Höhepunkte oder Hinweise auf eine besondere Bewertung einzelner dieser Lebensphasen gibt es nicht. Zuhörer*innen sollen in Kenntnis gesetzt werden über biografi-sche Informationen, allerdings werden die Bedeutungen dieser Daten vorenthalten.

Beschreibungen

Beschreibende Passagen sind im Vergleich zu erzählerischen Abschnitten sehr unauffällig. Häu-fig handelt es sich dabei auch nur um kurze Satzteile oder kürzere satzübergreifende Zusammen-hänge.

Beschreibungen stellen „zeitunabhängige Merkmalszuschreibungen“ (Lucius-Hoene & Depper-mann 2004, 160, Herv. i. O.) in den Mittelpunkt der Betrachtung – auf diese Weise lassen sie sich in der Analyse von Erzählungen abgrenzen.

Die Bedeutung von Beschreibungen liegt darin, dass Biografieträger*innen in ihnen Welt- und Selbsterfahrungen auf das Wesentliche zusammengefasst wiedergeben. Sie beschreiben ihre Le-benswelt, die Dinge, die darin eine Rolle spielen, und wie sie funktionieren.

Dabei stehen Eigenschaften von Personen und typisierende Handlungen im Mittelpunkt des Interesses.

Argumentationen

Im Interview kann es zu Situationen kommen, in denen Biografieträger*innen vermuten, Zuhö-rer*innen hätten den Inhalt nicht verstanden. Das kann sich beispielsweise auf eine bestimmte Entscheidung beziehen, von der gesprochen wurde, oder auf Geschehnisse, deren

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Grundlagen der Textanalyse

hang Interviewer*innen augenscheinlich nicht rekonstruieren können. Möglicherweise inter-pretieren Biografieträger*innen auch (nonverbale) Äußerungen oder Notizen der Interview-er*innen als eine Einschätzung der erzählten Situation, die sie gerne korrigieren möchten. In diesen Momenten können Erzähler*innen auf Argumentationen zurückgreifen, mit denen sie sich erklären, begründen oder rechtfertigen.

Argumentationen sind aber auch geeignet, eine Distanz zum Erlebten und eigenen Handlun-gen herzustellen. So verweisen sie möglicherweise auch auf emotional belastende ErinnerunHandlun-gen bzw. lebensgeschichtliche Details und legen damit eine Feinanalyse der Textpassage nahe.

Textsorten sind, wie erwähnt, im Einzelfall nicht immer trennscharf. Letztlich bleibt es der Be-wertung der Forscher*innen überlassen, welcher Textsorte sie einzelne Passagen zuordnen. Im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der Forschung erfordert die Komplexität der Textsortenbestimmung und -interpretation auf Seiten der Forscher*innen eine hohe Aufmerk-samkeit und die Fähigkeit, Ideen zu ordnen und zu explizieren, um sie für Außenstehende nach-vollziehbar zu machen (vgl. Kapitel 7.4).

7.5.3 Segmentierung des Materials

Textsegmente stellen Sinneinheiten dar, die zeitlich oder thematisch miteinander verbunden sind. Interviews setzen sich in der Regel aus mehreren Sinneinheiten zusammen, deren Ana-lyse wichtige Hinweise für die weitere Auswertung (vgl. Kapitel 7.4) liefern kann. Aus diesem Grund werden hier sogenannte Gliederungsmarkierer beschrieben, die zur Auseinandersetzung mit Textsegmenten notwendig sind. Als ein Gliederungsmarkierer gilt übrigens auch der Wech-sel der Textsorte (s. o.). Sie weisen auf einen WechWech-sel der Mitteilungsabsicht der Erzähler*innen hin, die es in der weiteren Auswertung genauer zu analysieren gilt (vgl. Lucius-Hoene & Dep-permann 2004, 141).

Es gibt eine Vielzahl von Gliederungsmarkierern für neue Sinneinheiten innerhalb eines Tran-skripts. Diese Signale kündigen das Ende einer Erzähleinheit bzw. den Beginn einer neuen Erzähl-einheit an. Diese Hinweise können sowohl sprachlich als auch parasprachlich ausgewiesen sein.

Lucius-Hoene & Deppermann (2004, 110f ) unterscheiden folgende Gliederungsmarkierer:

• Rahmenschaltelemente

Rahmenschaltelemente sind Verbindungen wie „als nächstes“ oder „und dann“, die deutlich machen, dass nun eine neue zeitliche Einheit beginnt.

Abstracts

Ein Abstract ist eine inhaltliche Zusammenfassung dessen, was Biografieträger*innen im An-schluss detailliert erzählen werden.

„Wir haben (.) w-wie eine normale Familie, haben wir zusammen gelebt (.) ne?“ (Dammann 14f )

• Präambeln

Anders als im Abstract bewerten Biografieträger*innen in einer Präambel bereits im Voraus das Gesagte.

„…und dann war das (.) so einigermaßen vergessen, dann kam der nächste Hammer. @(.)@“ (Worth-mann 1084)

• Metanarrative Ankündigungsphrasen

Eine weitere Form, Erzählungen anzukündigen, sind die metanarrativen Ankündigungs-phrasen. In ihnen beschreiben Biografieträger*innen nicht inhaltlich, was die Zuhörenden erwartet, sondern sie kündigen lediglich an, jetzt eine Geschichte bzw. eine Anekdote zu

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zählen. Mit einer solchen Phrase wird kurzzeitig die Ebene der Erzählung verlassen und auf eine Metaebene abgehoben. „(.) [verblüfft] ‚öh das hab ich ja noch gar nich erzählt? @(.)@‘“

(Worthmann 1382f )

• Orientierungshinweise

Mit Orientierungshinweisen wird mit Hilfe örtlicher oder zeitlicher Beschreibungen auf neue Schwerpunkte hingewiesen. Von Rahmenschaltelementen („und dann“, „als nächstes“) unter-scheiden sie sich, indem sie spezifischere Aussagen über Zeit und Ort machen, beispielsweise

„Ja, und dann, voriges Jahr (2) in das war Ende Februar, Simone war auch zu Hause, die hatte auch ne Bronchitis gehabt. (.) Und äh wie Simone mit de Bronchitis fertig war, fing ich damit an. Hatte ich auch n paar Tage hohes Fieber“ (Worthmann 713ff )79.

• Sinkende Intonationskurven und Sprechpausen

Das Ende einer Erzähleinheit ist häufig durch sinkende Intonationskurven und Sprechpausen markiert. Auffallend lange Sprechpausen können ein Hinweis darauf sein, dass das Erzählen der Geschichte eine emotionale Herausforderung dargestellt hat und eine Pause notwendig ist, um sich davon zu erholen bzw. zu distanzieren.

Evaluierende/ergebnissichernde Schlusskommentare

Eine weitere Möglichkeit, das Ende eines Segments zu betonen, sind Kommentare, die das Gesagte noch einmal bewertend zusammenfassen. Für die Auswertung sind diese stilistischen Mittel von gro-ßem Interesse, da Biografieträger*innen hiermit signalisieren, wie ihre Geschichte bewertet werden soll:

„Das war wirklich, das war [pustet aus] meine schlimmste Zeit im Leben bald, könnte ich bald sagen“

(Worthmann 670f ).

• Metanarrative Schlussfolgerungen

Wie bei den metanarrativen Ankündigungsphrasen kann der Biografieträger natürlich auch am Ende einer Erzähleinheit die Ebene der Geschichte verlassen und mitteilen, dass eine be-stimmte Erzähleinheit oder aber auch ein geschlossener Interviewteil von seiner Seite nun beendet ist. „Joah, was noch? Wat ham se noch?“ (Köhne 557).

Die mit Hilfe dieser Gliederungsmarkierer identifizierten Segmente stehen zueinander in einer bestimmten hierarchischen Beziehung von Haupt- und Nebenerzähllinien (vgl. Lucius-Hoene

& Deppermann 2004, 111ff ), die ebenfalls für die Auswertung von erheblicher Bedeutung ist (vgl. Kapitel 7.5), da sie dabei unterstützen, den Text in Sinneinheiten zu gliedern und damit beispielsweise die Identifikation von Thema und thematischem Feld genauer zu begründen:

• Suprasegmente

Ein ‚Suprasegment‘ beschreibt einen größeren, verbindenden Zusammenhang zwischen kleine-ren Erzähleinheiten, ein gemeinsames Thema, zu dem verschiedene Anekdoten erzählt werden, oder eine bestimmte ereignisreiche Zeit, aus der unterschiedliche Erlebnisse erzählt werden.

• Segmente

Ein Segment ist ein abgrenzbarer Erzählteil, der Bestandteil eines größeren Suprasegments sein kann, der aber auch für sich alleine genommen gelten kann.

Nicht jedes Segment muss Teil eines übergeordneten Suprasegments sein.

79 Es ist unwahrscheinlich, dass diese Daten tatsächlich „rein zufällig“ im Gedächtnis verhaftet geblieben sind. Es ist eher denkbar, dass es sich dabei um wichtige Daten handelt oder um eine Geschichte, die der Biografieträger schon häufiger erzählt hat und er sich deswegen gut an die Daten erinnern kann. Dies weist auf einen hohen Bedeutungswert hin und legt eine Feinanalyse der entsprechenden Textpassage nahe.

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Kritische Gedanken zur Biografieforschung

• Subsegmente

Ein Subsegment ist ein Bestandteil eines Segments, dessen Anfang oder Ende sich durch Glie-derungsmarkierer innerhalb eines Segments gesondert ausweisen lässt.

Wie lang Supra-, Sub- und Segmente jeweils sind und welche Einteilung vorgenommen wird, kann in verschiedenen Interviews sehr unterschiedlich sein, abhängig davon, wie zusammen-hängend und komplex Biografieträger*innen ihre Geschichten erzählen. Forscher*innen sind aufgefordert, sich bei der Analyse nicht nur auf äußere Merkmale zu verlassen, sondern dabei auch die inhaltlichen Aspekte einer Geschichte im Zusammenhang entsprechend zu inter-pretieren.

Wichtig ist, dass dabei die Vorgehensweise der Analyse und der Interpretation vorliegt und so eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist.

• Haupt- und Nebenerzähllinien

Die Unterscheidung von Haupt- und Nebenerzähllinien kann sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, verschachtelte Erzählungen, in denen Biografieträger*innen häufiger den Fokus wechseln, zu sortieren und die einzelnen Bestandteile zuzuordnen.

• Drehscheibensätze

Als ‚Drehscheibensätze‘ werden Formulierungen bezeichnet, mit denen gleichzeitig Segmen-te aus- und eingeleiSegmen-tet werden. Mit dem Satz „Aber ich freue mich, dass ich meine TochSegmen-ter noch habe, das ist n gro:ßes Glück auch. (Fischer 1869f ) schließt Frau Fischer ein Supraseg-ment ab und führt gleichzeitig in ein neues ein.