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2 Biografie: Genese, Generierung und Bedeutung

2.4 Biografizität als Schlüsselkompetenz in der reflexiven Modernisierung

2.4.2 Biografie, Biografisierung und Biografizität in der reflexiven

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Biografizität als Schlüsselkompetenz in der reflexiven Modernisierung

heißt, die Zielgruppe, an die sie sich richten, das Thema, für das sie stehen, geht stets mit einer eigenen Normativität einher, die „Leitbilder und Muster der Lebensführung“ (Schweppe 2000, 43) transportiert, mit denen die Individuen konfrontiert werden, denen sie sich unterwerfen müssen, wollen sie die Institutionen in Anspruch nehmen, oder denen sie sich widersetzen.

Erneut wird deutlich, wie sehr in der reflexiven Modernisierung die Aufgabe der Lebensgestal-tung an die Individuen abgegeben wird und die Risiken des Scheiterns individualisiert werden (vgl. Schweppe 2000, 41).

Es darf an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es auch kritische Stimmen zum Konstrukt der reflexiven Modernisierung gibt. Alheit verweist beispielsweise unter anderem auf die „konzeptionellen Problemzonen jenes modernen Deutungsmusters ‚Individualisierung‘“

(Alheit 1992, 18):

• Der Gedanke der ‚Enttraditionalisierung‘ fußt auf der Vorstellung ehemals ‚intakter sozialer Institutionen‘ (vgl. Alheit 1992, 19). Historisch muss dies relativiert werden, was u. a. am Beispiel von Familienmythen wiederholt aufgezeigt wurde (vgl. exemplarisch Fuhs 2007).

• Untersuchungen im Kontext von ‚Familie‘ weisen auf Retraditionalisierungsprozesse parallel zu den Enttraditionalisierungsprozessen hin (vgl. Alheit 1992, 19ff ): „Wir beobachten, daß Indi-vidualisierungsprozesse in neue, sozusagen ‚vertikale‘ Formen familialer Vernetzung eingebaut werden“ (Alheit 1992, 23). Diese Entwicklung überrascht nicht, sofern man bedenkt, dass „jede neue Struktur … auf eine vorangegangene [Struktur, L. O.] auf[baut, L. O.]“ (Hoerning 1989, 161), neue Strukturen also nicht zwangsläufig radikal neue Erfindungen sind, sondern viel-fach Ausdruck der „Entfaltung verdeckter Möglichkeiten“ (ebd.)18.

Diese Hinweise gilt es insbesondere vor dem Hintergrund des folgenden Abschnitts über die Bedeutung der Biografisierung im Kontext der reflexiven Modernisierung zu beachten: Es ist wahrscheinlich, dass Individuen auch zu früheren Zeiten in unterschiedlichen, möglicherweise auch widersprüchlichen Strukturen gleichzeitig handlungsfähig sein mussten und vor der Her-ausforderung standen, kontroverse Erfahrungen in ihr biografisches Wissen zu integrieren. Im Unterschied zu damals scheinen aber die strukturgebenden Institutionen an Einfluss zu ver-lieren und das Individuum wird in immer größerem Umfang selbst für den Erfolg seiner Hand-lungen verantwortlich gemacht, ohne dass dabei der Einfluss begünstigender bzw. behindernder Strukturen beachtet würde (vgl. Alheit 2000). Diese Zusammenhänge werden im folgenden Abschnitt intensiv beleuchtet.

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Biografie: Genese, Generierung und Bedeutung

1985, 1) geworden ist, die das Leben in Form eines anerkannten Regelsystems ordnet. Seine Ausführungen gründen auf den folgenden Thesen:

Verzeitlichung: In der Moderne spielt das Alter des Menschen eine zentrale und strukturieren-de Rolle. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt aufgrund einer besseren medizinischen Versorgung und steigenden Lebensstandards. Diese Verbesserungen hängen durchaus mit der Moderne zusammen, in der „echte materielle Not objektiv verringert und sozial ausgegrenzt wer-den kann“ (Beck 1985, 25, Herv. i. O.). Die Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie die Müt-tersterblichkeit nehmen ab, die Lebenserwartung im hohen Alter steigt. Das Erreichen eines bestimmten Lebensalters wird damit regelrecht erwartbar, was eine Planbarkeit des Lebenslaufs ermöglicht: „Der Modernisierungsprozeß ist ein Übergang von einem Muster der Zufälligkeit der Lebensereignisse zu einem des vorhersehbaren Lebenslaufs“ (Kohli 1985, 4f, Herv. i. O.).

Chronologisierung: Diese Verzeitlichung ist am chronologischen Lebensalter orientiert. Da-durch prägen sich verschiedene Ablaufschemata aus. Es entsteht beispielsweise der Familien-zyklus, der sich weiter unterteilen lässt in „Heirat/Geburt des ersten Kindes – Familienphase – nachelterliche Phase – Tod des Ehemannes/Verwitwung – Tod der Ehefrau“ (Nave-Herz 2002, 26)19, in dessen Kontext es auch zur „Intimisierung von Ehe und Familie“ kommt (Imhof 1984, 184; zit. n. Kohli 1985, 8).

Konstitution von Altersgrenzen: Die Chronologisierung führt unweigerlich zu einer Definition von Altersgrenzen, die den Zugang in die zentralen Leistungssysteme (zum Beispiel Schule oder Alterssicherung) organisieren. Auf diese Weise kommt es zu einer Homogenisierung des Le-benslaufs, der sich aufgrund der Bedeutung der Erwerbsarbeit als „Achse der Lebensführung“

(Beck 1986, 220) in der Moderne, zu einem dreigeteilten Konstrukt des ‚Normallebenslaufs‘

(vgl. Kohli 1985, 2) entwickelt. Kinder und Jugendliche werden in der Vorbereitungsphase für die Erwerbstätigkeit befähigt, in der Aktivitätsphase ist der Erwachsene aktiv erwerbsfähig und mit der Ruhephase beginnen die nacherwerbliche Phase und das ‚Alter‘20.

Biografische Perspektiven: Verzeitlichung, Chronologisierung und die Konstitution von Alters-grenzen avancieren also zu wichtigen Prinzipien in einer Zeit, in der Menschen aus traditio-nellen Bindungen freigesetzt werden (Enttraditionalisierung und Individualisierung). Sie ge-währleisten Orientierung und Struktur. Der Lebenslauf wird auf diese Weise einerseits geradezu zu einer Institution, die zeitliche Abläufe im Leben organisiert (Struktur), andererseits hat er formenden Einfluss auf die Handlungsplanung der Subjekte, die sich am Modell des Normal-lebenslaufs orientieren (vgl. Kohli 1985, 3)21, mehr noch, sie werden zu einer langfristigen Sicht in Bezug auf den eigenen Lebenslauf gezwungen (vgl. Elias 1969, 336ff; zit. n. Kohli 1985, 11).

Die Lebensplanung wird zu einem zentralen Element moderner Lebensformen.

„Der Übergang zur Moderne bedeutete eine starke Mobilisierung und Pluralisierung des Lebens. Dieser Individualisierungsprozeß hatte zur Folge, daß Vergesellschaftung stärker auf der Ebene des Individu-ums als auf derjenigen der stabilen Lokalgesellschaft ansetzen muß. Ein wesentlicher Teil dieser neuen Vergesellschaftungsform ist die Institutionalisierung des Lebenslaufs als Ablaufprogramm und mehr noch als langfristige perspektivische Orientierung für die Lebensführung.“ (Kohli 1985, 15)

19 Es wurde bewusst auf dieses ‚traditionelle‘ Phasenmodell zurückgegriffen, das beispielsweise die Möglichkeit (und statistische Wahrscheinlichkeit) einer Trennung bzw. Scheidung gar nicht benennt. Die empirische Diversität ist immens und durch vielfältige Einflussfaktoren bedingt (vgl. u. a. Rupp & Blossfeld 2008; Lange 1994, 24ff oder aus psychologischer Sicht Schneewind 2010, 29ff ). Dieser Aspekt wird in Kapitel 3 vertieft.

20 Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Alter(n)sbegriff findet sich in Kapitel 5.

21 An dieser Stelle sei auf das Potential der Emergenz von Biografien (vgl. stellvertretend Alheit 1993) hingewiesen.

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Biografizität als Schlüsselkompetenz in der reflexiven Modernisierung Lebenszeit

Betrachtet man die Entwicklung von Familien oder Erwerbsbiografien, so muss man sich fra-gen, ob Kohlis These von der Institutionalisierung von Lebensläufen noch in der zitierten Form haltbar ist: Die Pluralisierung von Familienformen (vgl. auch Kapitel 3) beeinflusst den oben zitierten Familienzyklus aus  – grob zusammengefasst  – Eheschließung, Familienphase und nachelterlicher Phase (vgl. Schweppe 2000, 15). Und auch die als zusammenhängend definierte Aktivitätsphase des Normallebenslaufs oder die Ruhephase sind nicht mehr so (einseitig) aktiv oder ‚ruhig‘, wie in Kohlis Beschreibungen angedeutet. Er verweist selbst auf diese Tendenzen der Destandardisierung und begründet diese u. a. mit dem Verweis auf die Lebenszeit, die als gemeinsame Achse, auf der sowohl der Lebenslauf als auch die Biografie angeordnet sind, nun in die Diskussion eingeführt wird: „Lebenszeit als Ordnungs- und Integrationsdimension steht im Widerspruch zu Lebenszeit als Entwicklungs- und Entfaltungsdimension“ (Kohli 1988, 39). Die Lebenszeit strukturiert zum einen das Leben im Sinne des Lebenslaufes. Auf der an-deren Seite beschreibt sie eine Dimension des Raumes, in dem Subjekte Erfahrungen sammeln, sich entwickeln und Handlungsoptionen für die nahe Zukunft bzw. Visionen für eine ferne Zukunft entwickeln. Mit Blick auf das Potenzial der Emergenz von Biografien und der Biogra-fizität (s. o.) ist es naheliegend, dass entwickelte subjektive biografische Perspektiven in einem Widerspruch zum Normallebenslauf stehen können. Sie haben das Potenzial, das vorgesehene Programm zu „erodieren“ (Kohli 1988, 39): „Die erfolgreiche Institutionalisierung der Nor-malbiographie schafft heute die Möglichkeit, sich individualisierend davon abzustoßen“ (Koh-li 1988, 42). Das Verhältnis zwischen Lebenslauf und Biografie wird damit weiter verfeinert, es differenziert sich aus, wenngleich auch betont werden muss, dass durchaus einige Aspekte weiter in gewisser Hinsicht ‚institutionalisiert‘ bleiben: Bedingt durch biologische Faktoren ist beispielsweise, zumindest für Frauen, die Phase der Familiengründung an einen bestimmten Alterskorridor gebunden. Gesetzlich sind die Lebenszeiten für Schule und Arbeit – trotz aller Aufweichungen – noch in vergleichsweise verlässlichen Bahnen geregelt. Mit Blick auf die re-flexive Modernisierung sind vor allem die individuellen Entscheidungsspielräume innerhalb und außerhalb der beschriebenen institutionalisierten Grenzen neu, sie erfordern eine biografische Auseinandersetzung und Argumentation, eine Biografisierung.

Biografisierung

Alheit begründet die schwindende Verbindlichkeit standardisierter lebenslaufbezogener Ab-laufmuster mit der fortschreitenden Moderne im Sinne Becks. Soziale Institutionen, „die eine lebensgeschichtliche Form der ‚Rückbesinnung auf das eigene Dasein gestatten‘ (vgl. Hahn 1992)“ (Alheit 2000, 154) und zu denen er die Beichte, therapeutische oder medizinische Set-tings oder gerichtliche Bekenntnis- und Geständnisformen zählt, verlieren ihre Verbindlichkeit (vgl. ebd.). Diese auch als „Biographiegeneratoren“ (Hahn 1988, 93) oder „Stichwortgeber“

(Alheit 2000, 155) beschriebenen Institutionen werden zunehmend inflationär, das Individu-um bewegt sich in mehreren dieser Bereiche und steht vor der Herausforderung, ihre mitunter widersprüchlichen Anforderungen biografisch zu integrieren. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Institutionen „zunehmende Teile der Bevölkerung“ (ebd., 158) ausschließen, sie aber den-noch gezwungen sind, eine biografische Identität unter Beachtung dieser exkludierenden Syste-me zu entwickeln. Die reflexive Modernisierung bringt also neben der Enttraditionalisierung, der Individualisierung und der Institutionalisierung auch den Zwang zur Biografisierung mit sich, die zur Schlüsselkompetenz wird, um innerhalb der komplexen Integrationsanforderun-gen handlungsfähig zu bleiben, um in Auseinandersetzung mit „vielfältiIntegrationsanforderun-gen unterschiedlichen,

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Biografie: Genese, Generierung und Bedeutung

z. T. widersprüchlichen und sich gegenseitig ausschließenden Handlungsmaximen“ (Schweppe 2000, 45) die eigene Biografie zu (re)konstruieren (vgl. dazu auch Brose & Hildenbrand 1988, 21; Kohli 1988, 44).

Der Biografie kommt also eine besondere Funktion innerhalb der reflexiven Modernisierung zu: Ihr wird das Potenzial zugesprochen, die aus dem Subjekt entspringende, ordnende Kraft in einer sich immer komplexer gestaltenden Umwelt zu sein. Die Biografisierung wird zur „in-stitutionalisierte[n] Dauerreflexion lebensgeschichtlich relevanter Ereignisse… infolge der ab-nehmenden Verbindlichkeit bzw. der Erosion von realen Lebensverlaufsmustern“ (Brose & Hil-denbrand 1988, 18). Mit ihr ist also der Anspruch verbunden, widerstrebende gesellschaftliche Tendenzen in eine individuelle Balance zu bringen und so ein authentisches, kontinuierliches und reflektiertes Handeln zu ermöglichen.

Deutlich muss in diesem Zusammenhang auf die Gleichzeitigkeit von Chancen und Risiken für das Subjekt hingewiesen werden: „Man kann darin ein hohes Autonomiepotential für das Individuum, aber auch die Gefahr ständiger Überlastung durch Reflexionsansprüche sehen“

(Brose & Hildenbrand 1988, 23). Die Autoren warnen vor einer „Regeneration und Entlas-tung der sozialen Systeme“ (ebd., 24), zu der die Biografisierung beitragen soll: Die sich immer stärker differenzierende Gesellschaft stellt auch die sozialen Sicherungssysteme vor Herausfor-derungen, da es immer schwieriger wird, in der unübersichtlichen Lage passgenaue Unterstüt-zungsleistungen zu entwickeln. Biografisierung kann dann als ein präventiver Ansatz gewertet werden, durch den das Subjekt befähigt werden soll, emanzipiert und autonom (vgl. ebd., 25) im Dschungel der Möglichkeiten zu agieren. Dabei wird die „Biografizität“ (u. a. Alheit 2003), zur „‘Schlüsselqualifikation‘ moderner Existenz“ (Alheit 2006, 25). Sie ist keineswegs eine jedem Subjekt qua Geburt innewohnende und jederzeit abrufbare Ressource, sondern ist abhängig von entsprechend günstigen biografischen Erfahrungen, die wiederum durch das individuelle lebensweltliche Milieu des Individuums beeinflusst sind (vgl. 2.2; 2.3). Allerdings geht dies ein-her mit dem Risiko, auch die Verantwortung für ein Scheitern in erster Linie auf das Subjekt zu übertragen, ungeachtet der Tatsache, dass stets vielfältige und komplexe (gesellschaftliche, strukturelle etc.) Umstände an der jeweiligen Entwicklung einer Lage beteiligt sind.

Biografisierung beinhaltet also gleichermaßen Risiken wie auch Chancen für das Subjekt. Die Chancen lassen sich unter dem Stichwort Biografizität fassen, das zurückgeht auf die Emergenz von Biografien und das auf das Potenzial der Gestaltung gesellschaftlicher Strukturen verweist.

Vor diesem Hintergrund wird die Biografie, die als solche in ihrer Dialektik aus Struktur und Handeln nicht an eine gesellschaftliche Epoche gebunden ist, zu einer relevanten Dimension für das erfolgreiche Handeln im Zeitalter der reflexiven Modernisierung. Die Risiken liegen dort, wo Subjekte ganz konkret von der Teilhabe an Gesellschaft ausgeschlossen sind, aber dennoch gezwungen sind, diese strukturelle Exklusion biografisch zu beantworten bzw. zu verantworten:

„Die Last, die heute auf vielen modernen Individuen liegt, ist nicht nur die biographische Synchronisie-rung von differenzierten gesellschaftlichen AnfordeSynchronisie-rungen, also von ausufernden und z. T. widersprüch-lichen Inklusionsangeboten. Das Dilemma liegt in der biographischen Verarbeitung von eskalierenden Exklusionserfahrungen. Menschen werden gezwungen, eine biographische Identität zu entwickeln – nicht obwohl, sondern gerade weil die Teilsysteme versagen: die Politik, der Arbeitsmarkt, der flankie-rende Sozialstaat, das Bildungssystem, das Gesundheitssystem, die Familie.“ (Alheit 2000, 158f )22

22 Alheits Verwendung des Begriffs der ‚Identität‘ ist insofern irritierend, als dass damit Vorstellungen von Stabilität und Unveränderbarkeit suggeriert werden. Biografietheoretisch betont er im Unterschied dazu jedoch eine aktive und immer wieder neu herzustellende Biografie (vgl. u. a. Alheit 1993, 400f ).

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Biografizität als Schlüsselkompetenz in der reflexiven Modernisierung

Die Differenzierung der Gesellschaft und die abnehmende Verbindlichkeit gesellschaftlicher Teilsysteme fordert die Biografizität also in besonderer Weise heraus. Das Versagen der Teil-systeme, von dem Alheit spricht, kann nur im konkreten Einzelfall näher benannt werden. In Bezug auf hochaltrige Eltern bzw. ältere Familien lässt sich grob verallgemeinernd zum Beispiel auf das exkludierende Hilfesystem hinweisen, durch das Familien zunächst ‚ausgesondert‘, spä-ter dann ‚besondert‘ wurden, während gleichzeitig ein sehr bürgerliches Familienbild politisch handlungsleitend war und als gesellschaftliche Norm galt. Biografisch konnte dies, so könnte die These lauten, nur unter großen Anstrengungen und mit Abstrichen vereinbart werden. Des Weiteren könnte das Versagen im Kontext der mangelnden Verzahnung verschiedener Hilfesys-teme (Behindertenhilfe, Pflege und Altenhilfe) diskutiert werden. Eine kontinuierliche Identi-tät muss so im Einzelfall womöglich unter den widersprüchlichen Erfahrungen als pflegebe-dürftige Frau einerseits und als ihren kognitiv beeinträchtigten Sohn unterstützende Mutter andererseits (neben vielen anderen Erfahrungsebenen in weiteren oder denselben Kontexten) konstruiert werden.

Diese Risiken kumulierender Erfahrungen der Ausgrenzung sind es, denen Eltern beeinträchtig-ter Kinder ausgesetzt sind (vgl. Kapitel 3). Die Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichten ermög-licht Einsichten in die Entwicklung biografischer Identität unter dem Einfluss dieser Faktoren.

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