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Eingeschränkte Produktvielfalt

Im Dokument Tabellen- und Abbildungsverzeichnis (Seite 196-0)

9 Ergebnisse und Fazit

7.6.3 Fördermaßnahmen und Besteuerung

7.6.4.6 Eingeschränkte Produktvielfalt

Nur ausgesuchte Produkte sind förderfähig. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass nicht auszuschließende Börsenkursschwankungen einen zu hohen Einfluss auf das zum Auszahlungsbeginn zur Verfügung stehende Kapital haben. Die Anbieter müssen in diesem Zusammenhang eine Nominalwertzusage geben, dass zum Auszahlungsbeginn mindestens die eingezahlten Beiträge (unverzinst) zur Verfügung stehen.

Der Gesetzgeber hat die Bedeutung des Eigenheims im Rahmen der Altersversorgung nur teilweise erkannt. Angespartes Vermögen darf vom Zulagenberechtigten wie ein „zinsloses Darlehen“ aufgenommen werden.

Spätestens bis zum 65. Lebensjahr muss das Darlehen getilgt, d.h. in den Vertrag wieder eingezahlt sein, um eine schädliche Verwendung zu vermeiden.837 Der Wegfall von Mietzahlungen durch ein Eigenheim führt im Alter durch geringere Ausgaben zu geringerem Einkommensbedarf.

Diesen Punkt wollte der Gesetzgeber offensichtlich nicht berücksichtigen, da das zinslos „bei sich selbst“ aufgenommene Darlehen in den

833 Vgl. Drengemann, E., [Preistreiber], DMEURO 12/2001, S. 104 (S. 108).

834 Vgl. Sell, S., [Anmerkungen], Sozialer Fortschritt 2001, S. 103 (S. 103).

835 Vgl. FSA (Hrsg.), [ISAs Introduction], UK 2001, S. 15.

836 Vgl. Kapitel 8.6.3 Individual Savings Account.

837 Vgl. Daniel, M. / Müller, I., [Jahrhundertreform], Wertpapier 26/2001, S. 14 (S. 15 und S.20).

Vertrag wieder eingezahlt werden muss. Angesichts eines geringeren Einkommensbedarfs wäre diese Rückzahlung m.E. nicht notwendig.

In Großbritannien hat das Eigenheim im Vergleich zu Deutschland eine wesentlich größere Bedeutung im Rahmen der Altersversorgung. Der Anteil der in einem Eigenheim lebenden Haushalte ist erheblich höher.

Nicht zuletzt die hohen Transaktionskosten einer Immobilie verhindern in Deutschland einen vergleichbaren Immobilienmarkt.838

Andere Produkte als die eng gesteckte „Riester-Rente” werden dagegen nicht derart gefördert. Insbesondere existiert in Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien keine „steuerfreie Hülle“ wie z.B. bei ISAs, in die unterschiedlichste Kapitalanlageprodukte investiert werden können.839 7.6.4.7 Fungibilität, Vererbbarkeit und

Hinterbliebenenversorgung

Im Gegensatz zu anderen Kapitalanlagen und Kapitallebensversicherungen stellt die „Riester-Rente“ ein Produkt dar, das nur in engen Grenzen zur Hinterbliebenenversorgung genutzt werden kann. Die Übertragung oder Abtretung des geförderten für die Altersversorgung angesammelten Kapitals ist grds. ausgeschlossen.840 Das angesparte Vermögen hat nach dem Willen des Gesetzgebers der Altersversorgung zu dienen und soll nicht zweckentfremdend z.B. für eine Weltreise verausgabt werden. In der Auszahlungsphase dürfen Auszahlungen nur in Form einer gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente vorgenommen werden.841 Alternativ kann ein Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr des Begünstigten gleichbleibende oder steigende Auszahlungen vorsehen. Zu diesem Zweck muss zu Beginn der Auszahlungsphase ein Teil des angesparten Altersvorsorgevermögens in eine Rentenversicherung eingezahlt werden, die eine gleichbleibende oder steigende Leibrente ab dem 85. Lebensjahr garantiert.842 Das verbleibende Altersvorsorgevermögen nach der Teilkapitalverrentung kann bis zum 85. Lebensjahr im Wege des Auszahlungsplans ausgezahlt werden. Im Rahmen eines Auszahlungsplans können unter weiteren Voraussetzungen bis zu 40%

des angesparten Kapitals in variablen Teilraten, davon die Hälfte, d.h.

20% des angesparten Kapitals, als Einmalbetrag ausgezahlt werden.843 Die weitgehende Verpflichtung zur Verrentung verhindert somit den Zugriff in Form von höheren Einmalzahlungen.844 Eine weitere Verfügungsbeschränkung besteht darin, dass die Rente grds. frühestens

838 Vgl. Kapitel 3.2.2 3-Säulen-Theorie und Praxis in Großbritannien. Bei An- und Verkauf einer Immobilie können in Deutschland Kosten i.H.v. bis zu 10% des Immobilienwerts entstehen, die den Wert der Immobilie selbstverständlich nicht erhöhen: Makler 3,48%

(3% zzgl. USt), Grunderwerbsteuer 3,5%, Notarkosten sowie Kosten für Grundbucheintragung und evtl. Grundschuldeintragung.

839 Vgl. Kapitel 8.6.3 Individual Savings Account.

840 § 1 Abs. 1 Nr. 11 AltZertG, § 97 EStG.

841 § 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG.

842 § 1 Abs. 1 Nr. 5 AltZertG.

843 Vgl. Reim, M., [Einmalzahlungen], SZ v. 4.12.2001, S. 22; vgl. VDR (Hrsg.), [100 Fragen], Frankfurt am Main 2003, S. 68.

844 Vgl. Daniel, M. / Müller, I., [Jahrhundertreform], Wertpapier 26/2001, S. 14 (S.16).

mit dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden kann.845 Somit ist die „Riester-Rente” nicht für Personen geeignet, die eine Frühverrentung vor dem 60. Lebensjahr anstreben, oder eine kürzere Rentenlaufzeit mit höheren Renten wünschen, weil sie aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands oder ihrer Tätigkeit mit einer unterdurchschnittlichen Lebenserwartung rechnen. Ausnahmsweise darf über das Vermögen vorübergehend verfügt werden, um wie oben beschrieben Wohnungseigentum zu finanzieren.

Im Gegensatz dazu zeigen sich bspw. stakeholder pensions in Großbritannien flexibler. Mit einem Teil der stakeholder pension kann bereits ab dem 50. Lebensjahr eine Leibrente erworben werden. Grds.

kann bis zu 25% des angesparten Vermögens als steuerfreie Einmalzahlung in Anspruch genommen werden.846

Da der eigene Tod bei der „Riester-Rente” zur schädlichen Verwendung führen kann, darf das angesparte Vermögen – anders als bei vielen anderen privaten Kapitalanlagen – grds. nicht vollständig vererbt werden.

Eine Übertragungsmöglichkeit des angesparten Vermögens besteht förderunschädlich nur als Übertragung auf den überlebenden Ehegatten, sofern dieser den Vertrag als Altersvorsorgevertrag weiterführt.847 Eine andere Form der Vererbung bzw. Auszahlung ist eine schädliche Verwendung.848 Die Erben sollen grds. nicht von dem geförderten aber nicht in Anspruch genommenen Altersvorsorgekapital profitieren.849 Der ursprünglich Zulagenbegünstigte ist nicht mehr Empfänger der Leistungen.850 Eine schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens führt zu den beschriebenen Rechtsfolgen wie Rückzahlung von Zulagen und Steuerersparnissen sowie Besteuerung der akkumulierten Erträge und Wertsteigerungen. Zudem müssen die Erben neben der Erbschaftsteuer die angesammelten Zinsen sowie die ursprünglichen Beiträge des verstorbenen Sparers geballt als sonstige Einkünfte einkommensteuerlich versteuern.851 Die Rückforderung der gewährten Vergünstigungen ist nach Wellbrock852 steuersystematisch konsequent, da nur der Zulagenberechtigte und der Ehegatte von der Rentenniveauabsenkung betroffen sind. Diese Regelung mag konsequent sein, sie macht gleichzeitig aber einen Teil der Attraktivität der privaten

„Riester-Rente” zunichte, da eine private Kapitalanlage üblicherweise gerade diese Übertragungsmöglichkeit erlaubt. Die „Riester-Rente” steht in dieser Hinsicht den staatlichen Zwangssicherungssystemen wie der gesetzlichen Rentenversicherung näher als der dritten Säule der Altersversorgung, d.h. der individuellen privaten Kapitalanlage.

845 § 1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG.

846 Vgl. ausführlich Kapitel 8.5 stakeholder pensions.

847 Vgl. § 93 Abs. 1 Satz 6 EStG mit den dort genannten Voraussetzungen; vgl.

Wellbrock, U. (Hrsg.), [Rentenreform 2001/02], Freiburg u.a. 2001, S. 49.

848 § 93 Abs. 1 S. 5 i.V.m. S. 1 EStG.

849 Vgl. Myßen, M., [AVmG II], NWB 2001, Fach 3, S. 11645 (S. 11666).

850 § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG.

851 Vgl. Kuhr, D., [Familiensicherung], SZ v. 12./13.1.2002, S. 29.

852 Vgl. Wellbrock, U. (Hrsg.), [Rentenreform 2001/02], Freiburg u.a. 2001, S. 49.

In der Grundform eines Altersvorsorgevertrags ist keine Versicherung oder Hinterbliebenenversorgung vorgesehen. Ursächlich hierfür ist, dass der hinterbliebene, von der Rentenniveauabsenkung indirekt betroffene Ehegatte eine eigenständige Förderung zum Aufbau einer privaten Altersversorgung nach dem AVmG erhält und nutzen soll. Sofern eine Versicherung für verminderte Erwerbsfähigkeit enthalten ist, darf die Nominalwertzusage um nicht mehr als 15% herabgesetzt werden.853 Ist eine – für die grundsätzliche Förderfähigkeit eines Vertrags unschädliche – Hinterbliebenenversorgung für Ehegatten und im Haushalt des Zulagenberechtigten lebende Kinder vereinbart, so darf der Anbieter für diese Hinterbliebenenversorgung keine Abstriche bei der Nominalwertzusage machen.854 Myßen855 folgert hieraus, dass eine Hinterbliebenenabsicherung im Wesentlichen nur durch Verwendung der im Zeitablauf erwirtschafteten Erträge möglich ist. Die Möglichkeit der Hinterbliebenenversorgung besteht neben der Möglichkeit den Vertrag auf den Ehegatten zu übertragen.856

7.6.4.8 Nachgelagerte Besteuerung

Die nachgelagerte Besteuerung wird auf europäischer Ebene als EET-System (exempt / exempt / taxation) bezeichnet. Die Beiträge sowie die Ansparphase bleiben steuerfrei, die Auszahlungsphase unterliegt der vollen Besteuerung.857

Bei der „Riester-Rente” wird mit der nachgelagerten Besteuerung eine für deutsche Verhältnisse neue Art der Besteuerung privater Alterseinkünfte eingeführt.858 Im Gegensatz dazu unterliegen die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und verrentete private Lebensver-sicherungen nur mit ihrem Ertragsanteil der Besteuerung.859 Durch die nachgelagerte Besteuerung der „Riester-Rente” wird das verbleibende steuerpflichtige Alterseinkommen gleichsam in eine höhere Progressions-zone geschoben und unterliegt einer höheren Belastung.

Die nachgelagerte Besteuerung wurde nur partiell umgesetzt.860 Grundsätzlich besteht die Möglichkeit bereits existierende Verträge (Altverträge) als förderfähige Altersvorsorgeverträge zu nutzen. Zu diesem Zweck muss der Anbieter eines Altvertrags die Zertifizierung erwerben, d.h. der Altvertrag muss die Voraussetzungen des AltZertG erfüllen. Hier kommen bspw. auch Lebensversicherungsverträge in Frage, deren Auszahlung entsprechend einer Leibrente oder eines Auszahlungsplans geregelt ist. Der Anbieter bzw. das Lebensversicherungsunternehmen

853 § 1 Abs. 1 Nr. 3 AltZertG.

854 § 1 Abs. 1 Nr. 6 AltZertG; § 82 Abs. 3 EStG.

855 Vgl. Myßen, M., [AVmG II], NWB 2001, Fach 3, S. 11645 (S. 11652).

856 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 AltZertG i.V.m. § 93 Abs. 1 S. 3 EStG zur Hinterbliebenenrente und § 93 Abs. 1 S. 6 EStG zur Übertragung auf den zusammenveranlagten

Ehegatten.

857 Vgl. Beiser, R., [Pensionsbesteuerung], DB 2002, S. 703 (S. 703).

858 Vgl. Daniel, M. / Müller, I., [Jahrhundertreform], Wertpapier 26/2001, S. 14 (S.18).

859 Bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden derzeit

Überlegungen angestellt, ob ein Übergang zur nachgelagerten Besteuerung möglich ist.

860 § 22 Nr. 5 EStG.

muss dann die Beiträge und Erträge ermitteln, die bis zur Umwandlung aufgelaufen sind.861 Die Rentenleistungen, die in der Rentenphase auf dieses nicht geförderte „Altvermögen“ entfallen, sind nicht voll im Wege der nachgelagerten Besteuerung, sondern nur mit dem Ertragsanteil zu erfassen.862 Der Anteil der Rente, der auf das geförderte neue Vermögen nach Umwandlung des Altvertrags entfällt, unterliegt der nachgelagerten Besteuerung.863 Ist allerdings wiederum nicht das gesamte neue Kapital gefördert worden, etwa weil nicht durchgehend Rentenversicherungs-pflicht bestand oder weil der Zulagenberechtigte freiwillig höhere Beiträge als förderfähig leistete, so ist auch das „neue“ Kapital wiederum aufzuteilen, um die Rentenanteile, die sich aus dem nicht geförderten neuen Kapital ergeben auch nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern.

Inwieweit diese theoretischen Vorschriften in der Praxis anwendbar sind muss erst noch festgestellt werden.864

Eine Umwandlung eines Lebensversicherungsvertrags (Altvertrag) in einen Altersvorsorgevertrag ist nicht immer ratsam, da die Leistungen aus Kapitallebensversicherungsverträgen anders als die Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen vollständig steuerfrei sein können. Die Auszahlung des nicht geförderten Kapitals unterliegt den üblichen steuerlichen Vorschriften mit der Folge, dass dieser Teil der Auszahlung auch nach einer Umwandlung in einen Altersvorsorgevertrag steuerfrei bleiben kann.865

Ob die vom Gesetzgeber in dieser Form vorgeschriebene nachgelagerte Besteuerung Bestand haben wird, ist auch eine Frage der Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BVerfG zur Besteuerung der Alterseinkünfte.866 Dem Gesetzgeber ist im Rahmen des Urteils eine Frist zur Neuregelung bis zum 1. Januar 2005 gegeben worden. Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2002 haben BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN gegenüber dem Koalitionspartner SPD durchgesetzt, dass eine Rentenkommission eingesetzt wird, deren Aufgabe auch die Reform der eben erst eingeführten „Riester-Rente” sein soll. Ursächlich hierfür ist die bisher geringe Akzeptanz der „Riester-Rente” bei der Bevölkerung. Ursächlich für die geringe Akzeptanz ist m.E.

nicht nur die komplexe Regelung im Rahmen der Riester-Rente, sondern auch die Tatsache, dass die abhängig beschäftigte Erwerbsbevölkerung bereits unter derart hohen Abgabenbelastungen steht, dass die Bereitschaft gering ist, weitere freiwillige Ersparnisse in diesen gesetzlich geregelten Systemen zu bilden.

861 Nur so können die weiteren Bedingungen des § 1 Abs. 1 Nr. 9 AltZertG, d.h. jährliche Feststellung diverser aufgelaufener Beträge erfüllt werden.

862 § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG.

863 § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG; vgl. VDR (Hrsg.), [100 Fragen], Frankfurt am Main 2003, S.

86478.

Vgl. auch Wellbrock, U. (Hrsg.), [Rentenreform 2001/02], Freiburg u.a. 2001, S. 46;

weitere Voraussetzungen wie zwölfjährige Laufzeit vor Umwandlung sind u.U. zu berücksichtigen, siehe dort und in § 22 Nr. 5 EStG.

865 Vgl. BMF-Schreiben v. 5. August 2002, BStBl. I 2002 S. 767, Rz. 88.

866 So auch Risthaus, A., [AVmG I], DB 2001, S. 1269 (S. 1276).

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